eJournals unsere jugend 61/7+8

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Ganztagsschule und Jugendhilfe in „lokalen Bildungslandschaften“

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2009
Vicki Täubig
Der massenhafte Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen seit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB)" von 2003 schlägt sich auf der "lokalen" Ebene von Schulverwaltung und Schulaufsicht dahingehend nieder, dass "Ganztag" Planungs- und Entwicklungsprozesse weit über eine Einzelschule hinaus bis hin zu einer Nachfrage deckenden Versorgung erfordert.
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uj 7+8 (2009) 303 Unsere Jugend, 61. Jg., S. 303 - 308 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel ganztagsschulen Ganztagsschule und Jugendhilfe in „lokalen Bildungslandschaften“ Vicki Täubig Der massenhafte Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen seit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB)“ von 2003 schlägt sich auf der „lokalen“ Ebene von Schulverwaltung und Schulaufsicht dahingehend nieder, dass „Ganztag“ Planungs- und Entwicklungsprozesse weit über eine Einzelschule hinaus bis hin zu einer Nachfrage deckenden Versorgung erfordert. Ebenso bedeutet Ganztagsschule Kooperation von Schule mit Sportvereinen, öffentlicher und freier Jugendhilfe, gewerblichen Anbietern usw. (Arnoldt 2008). Diese sogenannten „außerschulischen Partner“ sind wiederum in das Geflecht „Ganztag“ auf der Ebene der einzelnen Einrichtung (z. B. ein Jugendzentrum) bis hin zu deren Entscheidungs- und Planungsinstanzen (z. B. die Jugendhilfeplanung) eingebunden. Dieses hier angesprochene Geflecht „Ganztag“ soll eine vorläufige (und unvollständige! ) Vorstellung von „lokalen Bildungslandschaften“ geben. Im Folgenden wird gezeigt, dass der Ganztagsschulausbau nur eine der relevanten Entwicklungen hin zu „lokalen Bildungslandschaften“ darstellt(e). Was unter „lokaler Bildungslandschaft“ zu verstehen ist, wird anschließend in der Begriffsdimensionierung ausführlicher erläutert. Vorangestellt sei die knappe Definition des Begriffs als die Gesamtheit von Bildungspolitik und -praxis auf lokaler Ebene. Die Rede ist von „lokalen“ und nicht etwa „kommunalen Bildungslandschaften“, da für die Schule als Landesinstitution diese Bezeichnung inkorrekt ist. So werden Bildungslandschaften oft auch „staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaften“ (Projektleitung „Selbstständige Schule“ 2004) genannt. Des Weiteren verweist „lokal“ auf (mögliche) räumliche Schneidungen von Bildungslandschaften, die nicht mit Gebietskörperschaften identisch sind. Unter dem Titel „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe“ befasst sich mit dem Thema ein Forschungsprojekt am Deutschen Jugendinstitut, das vorgestellt wird. Abschließend soll eine aus dem analytischen Zugang des Projekts abgeleitete Position der Kinder- und Jugendhilfe in lokalen Bildungslandschaften fokussiert werden. Entwicklungstendenzen hin zu „lokalen Bildungslandschaften“ Die erste PISA-Studie (Baumert u. a. 2001) zeigte öffentlichkeitswirksam den in Deutschland besonders engen Zusammen- Dr. Vicki Täubig Jg. 1977; Dipl.-Pädagogin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Jugendinstitut im Projekt: Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe 304 uj 7+8 (2009) ganztagsschulen hang zwischen Bildungsbeteiligung bzw. -erfolg und sozialer Herkunft bei im internationalen Vergleich schwachen Schulleistungen auf. Der bereits erwähnte verstärkte Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen gilt als eine Reaktion auf die PISA-Ergebnisse (Kuhlmann/ Tillmann 2009). Eine weitere Reaktion war bzw. ist die Forderung nach einer stärkeren Milieu- und Sozialraumorientierung bildungspolitischer Maßnahmen, um sogenannte „Bildungsferne“ zu erreichen. Zeitgleich zu diesen Verarbeitungen des „PISA-Schocks“ werden Kommunen und Regionen zunehmend mit der demografischen Entwicklung konfrontiert. Es gilt zum einen, die Frage von zu vielen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe für immer weniger werdende Kinder und Jugendliche zu klären. Zum anderen wird gerade das Vorhalten einer guten Bildungsinfrastruktur zum Standortfaktor in der Konkurrenz um EinwohnerInnen und Wirtschaftsansiedelungen: Junge Familien wählen ihren Wohnort nach einer „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Die Wirtschaft erwartet eine bessere Passung ihrer Qualifikationserfordernisse mit dem „Humankapital“ einer Region. Die wenigen Jungen werden gebraucht. In der Standortkonkurrenz können sich Regionen die in Studien ausgemachten „BildungsverliererInnen“ nicht mehr leisten. Des Weiteren kumulieren in der Entwicklung hin zu lokalen Bildungslandschaften sich wandelnde Verständnisse von „Bildung“. „Bildung von Anfang an“, „Lebenslanges Lernen“, „Bildung ist mehr als Schule“ oder „Bildung ist Selbstbildung“ haben mittlerweile sloganartigen Charakter und stehen für eine Entgrenzung von Bildung, auf die hier nur ein paar Schlaglichter geworfen werden können: Kinder im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter werden zu AdressatInnen von Bildung; die Altersgrenzen gehen auch nach oben: „Lebenslang“ soll gelernt werden. Die Schule verliert ihr Monopol als Bildungsinstitution. Informelle und non-formale Lernprozesse und -orte, die in Alltagsbezügen, Jugendverbänden oder Jugendeinrichtungen zu sehen sind, erfahren - beispielsweise im Zwölften Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2005) - eine Aufwertung. Die Anforderungen an PädagogInnen wandeln sich dementsprechend: LehrerInnen werden zu LernbegleiterInnen des sich (auch) „selbstbildenden“ Kindes; multiprofessionelle Teamarbeit gilt es (nicht nur in Ganztagsschulen) von allen pädagogischen Professionen zu leisten. Die hier angerissenen Entwicklungstendenzen laufen auf ein Gesamtkonzept lokaler Bildungspolitik und -praxis hinaus. Bestimmte fachpolitische Diskurse zur notwendigen Herstellung eines „Gesamtzusammenhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung“ (JMK/ KMK 2004) in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe konstituieren sich wechselseitig mit dem sich wandelnden Verständnis von Bildung und Schule. Der Ganztagsschulauf- und -ausbau, der sich letzten Endes auch nur in dem Wechselverhältnis mit den anderen Entwicklungstendenzen begründet, gibt der Entwicklung einen besonderen „Drive“. In dem Begriff „lokale Bildungslandschaften“ verdichten sich diese Entwicklungstendenzen. Begriffsdimensionierung Über die Aussage hinaus, dass es bei „lokalen Bildungslandschaften“ um Bildungspolitik und -praxis in lokaler Verantwortung geht, ist der Begriff nicht zu definieren. Er kann anhand von Dimensionen beschrieben werden, die verschieden ausgeprägt sein können. Im Folgenden wird anuj 7+8 (2009) 305 ganztagsschulen hand der vier Dimensionen auch deutlich werden, dass „lokale Bildungslandschaften“ zugleich gedankliches, aus Diskursen abgeleitetes Konstrukt und handfeste Umsetzung dieses Konstruktes sind. 1 Die Planungsdimension lokaler Bildungslandschaften zielt auf die Frage, wie die Kinder und Jugendliche betreffenden Planungsprozesse aufeinander bezogen werden. Benutzen kommunale Jugendhilfeplanung und Schulentwicklungsplanung, aber auch die Raumplanung, dieselben Daten als Grundlage? Werden Standortnutzungen gemeinsam überlegt? Werden die kommunalen Planungen mit dem Schulamt abgestimmt? Eine „integrierte Fachplanung“ - wie die sehr starke Bezogenheit der Planungsprozesse oft genannt wird - liegt beispielsweise dann vor, wenn die „früher“ getrennten Planungen von einer Verwaltungseinheit oder in kleinen Kommunen von einer Person auf einer Datenbasis vorgenommen werden. Die zivilgesellschaftliche Dimension beleuchtet, inwieweit eine lokale Bildungslandschaft ein öffentlich verantwortetes, partizipativ orientiertes Netzwerk der AkteurInnen darstellt. Diese Dimension knüpft damit an ein „Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung“, die Überschrift des Elften Kinder- und Jugendberichts (BMFSFJ 2002), an. Handfeste Ausprägung der öffentlichen Verantwortung zeigt sich in den gegenwärtig vielerorts installierten Bildungsbüros, die die Bildungsnetzwerke koordinieren, ab. Des Weiteren betont die Dimension die Rolle der Zivilgesellschaft im Netzwerk Bildungslandschaft. In der Kinder- und Jugendhilfe ist durch das Subsidiaritätsprinzip der Einbezug zivilgesellschaftlicher AkteurInnen traditionell verankert. Wie Eltern und Kinder und Jugendliche in lokalen Bildungslandschaften beteiligt werden, liegt ebenso im Fokus dieser Dimension. Daran schließt unmittelbar die Aneignungsdimension an, der eine subjektorientierte Perspektive zugrunde liegt. Lokale Bildungslandschaften werden dahingehend betrachtet, ob und wie anregende Lern- und Lebensumgebungen gestaltet werden. Kinder und Jugendliche beteiligende Umgestaltungen von Schulhof und Jugendhaus, aber auch das Anerkennen „zweckwidriger“ Nutzung sogenannter „öffentlicher Räume“ (Skaten in der Fußgängerzone) gehören in diese Dimension. Die „Umnutzung“ von öffentlichen Erwachsenen-Räumen oder von Räumen, die von Erwachsenen für Kinder konzipiert wurden, hat Muchow bereits in den 1930er Jahren als kindliche Weltaneignung beschrieben (Muchow/ Muchow 1998). Die Professionsdimension fasst zunächst die Selbstverständnisse der (sozial-)pädagogischen Professionen, die sich mit den sich ändernden Rahmenbedingungen wandeln (sollten). Die stärkere Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendhilfe und Schule kann z. B. für JugendarbeiterInnen die Schule zum selbst-verständlichen Arbeitsort werden lassen. Die Notwendigkeit der Arbeit in multiprofessionellen Teams wurde bereits erwähnt. Weiterhin blickt diese Dimension auf Fortbildungen, die den professionellen Umgang mit den Veränderungen unterstützen (könnten). Auf gemeinsamen Fortbildungen der verschiedenen am Kind arbeitenden Professionen liegt hier ebenso das Augenmerk wie auf der Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung in der lokalen Bildungslandschaft. Also ganz konkret: nehmen die Regionen Geld in die Hand, um ihr Personal fortzubilden? 1 Dass der Begriff für viele verschiedene Umsetzungsvarianten offen ist, soll auch der Plural „lokale Bildungslandschaften“ ausdrücken. 306 uj 7+8 (2009) ganztagsschulen Forschungsprojekt „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe“ Ausgehend von den Entwicklungstendenzen und entlang der Begriffsdimensionierung untersucht am Deutschen Jugendinstitut das Forschungsprojekt „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe“ die konkrete Ausgestaltung lokaler Bildungslandschaften in sechs Modellregionen. 2 Die Modellregionen Arnsberg, Forchheim, Groß-Gerau, Hamburg, Jena und Lübeck unterscheiden sich in den Merkmalen Größe nach Einwohnerzahl, Stadt/ Landkreis, Bundesland und damit regionaler Verteilung im Bundesgebiet. Sie unterscheiden sich aber auch in ihrer „konkreten Idee“ einer Bildungslandschaft und in dem, wo sie „Modell“ - also weit entwickelt im Sinne des skizzierten Diskurses - sind (vgl. zu Lübeck Meinecke u. a. 2009). Das Projekt erhebt in den Regionen mit den qualitativen Methoden ExpertInneninterview, Dokumentenanalyse und Beobachtung. Es werden „FunktionsträgerInnen“ der beiden Systeme Kinder- und Jugendhilfe und Schule auf allen lokalen Ebenen (Einrichtung/ Schule, Geschäftsführung, Amtsleitung, Dezernatsleitung, Politik) befragt und Dokumente sowie Gremiensitzungen mit Bezug zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule analysiert. Zwei forschungsleitende Fragestellungen werden verfolgt: Wie etabliert sich in der Region die „lokale Bildungslandschaft“? und Welcher Stellenwert kommt dabei dem fachpolitischen Leitziel eines Abbaus herkunftsbedingter Bildungsbenachteiligung zu? Die erste Frage zielt darauf, Ge- und Misslingensbedingungen für lokale Bildungslandschaften aus Sicht der lokalen AkteurInnen zu rekonstruieren. Die zweite Frage setzt normativ die Befunde sozialer Benachteiligung im Bildungssystem als Ausgangspunkt und macht ihre handlungsleitende Reflexion zum Gegenstand. Den theoretischen Bezugsrahmen stellt eine neoinstitutionalistisch reformulierte Governancetheorie. Die aus der Politikwissenschaft (Benz 2004; Schuppert 2008) kommende mittlerweile auch für den Bildungsbereich entdeckte Governancetheorie (Altrichter u. a. 2007) versucht, die gemeinschaftliche Aufgabenbewältigung aller AkteurInnen in den verschiedenen Subsystemen der Gesellschaft zu analysieren. Der Neoinstitutionalismus (Meyer/ Rowan 1977) ermöglicht in Ergänzung zur Governancetheorie, unhinterfragte gesellschaftliche „Mythen“ zu identifizieren, die den Einsatz von Ressourcen rechtfertigen. Auf ein Beispiel heruntergebrochen: der gesamtgesellschaftliche „Abnicker“ einer „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ legitimiert die Einrichtung ganztägiger Betreuungssysteme und damit einen enormen Ressourceneinsatz. In dieser Überspitzung klingt die kritische Distanz zum Gegenstand, die mit der theoretischen Rahmung eingenommen wird, an. Auch das Gesamtkonstrukt „lokale Bildungslandschaft“ wird als in seiner Ressourcenrelevanz bereits erkennbarer „Mythos“ betrachtet. Eine Position der Kinder- und Jugendhilfe in lokalen Bildungslandschaften Die Kinder- und Jugendhilfe hat sich an prominenter Stelle - beispielsweise im bereits genannten Zwölften Kinder- und Ju- 2 Parallelprojekt ist das Projekt „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Jugendhilfe und Schule“, das in denselben Regionen tätig ist. Außerdem seien die KollegInnen in den Projekten genannt: Monika Bradna, Annika Meinecke, Sofie Schalkhaußer, Heinz-Jürgen Stolz und Franziska Thomas. uj 7+8 (2009) 307 ganztagsschulen gendbericht (BMFSFJ 2005) und in den „Leipziger Thesen“ (Bundesjugendkuratorium u. a. 2002) - als Bildungsinstitution positioniert (ausführlich dazu: Stolz 2008). Das Forschungsprojekt betrachtet die beiden öffentlich verantworteten Bildungsinstitutionen Schule und Jugendhilfe als gleichrangig. Die Kooperation beider Systeme macht Sinn wegen ihrer - vielfach als problematisch beschriebenen - Verschiedenheit, die sie in die Kooperation einbringen. Vor dieser Ausgangslage wird über einen analytischen Zugang eine mögliche starke Position der Kinder- und Jugendhilfe in lokalen Bildungslandschaften zur Diskussion gestellt. Diese mögliche starke Position der Kinder- und Jugendhilfe in der Kooperation mit Schule leitet sich nicht automatisch aus der selbstbewussten Inanspruchnahme „non-formaler Bildung“ als Auftrag an die Kinder- und Jugendhilfe ab. Zu diesem Selbstbewusstsein findet sich in der Debatte um die Kooperation von Jugendhilfe und Schule ein Gegenpol: Vor einer Kinder- und Jugendhilfe, die nur noch Anhängsel des scholaren Bildungssystems ist, wird gewarnt (vgl. auch Müller 2007). Dass das Selbstbewusstsein der Kinder- und Jugendhilfe als non-formale Bildungsinstitution (noch) nicht ganz gefestigt ist, zeigt auch der Ruf nach „Kooperation auf Augenhöhe“. Im Rückgriff auf den Governanceansatz ist die Kooperation von Jugendhilfe und Schule als eine Interdependenzbeziehung zur gesellschaftlichen Problemlösung, die über klassische Zuständigkeitsgrenzen hinweg geschieht (Benz 2004), zu betrachten. Das gemeinsame „Problem“ ist die „Bildung“ von Kindern und Jugendlichen. Als entscheidende Verhandlungspositionen in „Governanceregimen“ gilt eine „Exit-Option“ (Lange/ Schimank 2004), also die Möglichkeit, aus Verhandlungen oder Kooperationen auszusteigen. In konkreten Kooperationen zwischen Jugendhilfe und Schule ist diese Exit-Option ungleich verteilt: Eine Schule kann sich ihrer SchülerInnenschaft nicht entziehen; ein Träger einer Jugendhilfeeinrichtung kann hingegen entscheiden, ob er in Zusammenarbeit mit der Schule für deren SchülerInnenschaft zuständig sein will. Mit dieser Perspektive wird die von der Kinder- und Jugendhilfe immer wieder aus einer „gefühlten Unterlegenheit“ heraus vorgebrachte Forderung einer „Kooperation auf Augenhöhe“ überflüssig. Einer Interdependenzbeziehung ist Augenhöhe immanent, da jede/ r AkteurIn von dem spezifischen Beitrag des anderen abhängig ist. In der Kooperation von Jugendhilfe und Schule gereicht der Jugendhilfe ihre Exit-Option zur starken Verhandlungsposition. Was kann das nun praktisch in lokalen Bildungslandschaften bedeuten? Auch über die Kooperation auf der Ebene einer Jugendhilfeeinrichtung und einer Schule hinaus kann die Kinder- und Jugendhilfe in starker Verhandlungsposition ihrem Auftrag, Kinder und Jugendliche zu fördern und Benachteiligungen abzubauen (SGB VIII § 1), nachkommen. Auf der lokalen Ebene, auf der diese Bildungslandschaften- Perspektive angesiedelt ist, können Kooperationen flächendeckend ausgehandelt werden. Die festgelegten Standards speisen sich aus den jeweils eingenommenen Verhandlungspositionen. Gerade im Zuge der Ganztagsschulentwicklung ist es nahe liegend, nicht für jede Schule und ihre Kooperationspartner das Rad neu zu erfinden, sondern ein Konzept für die Region zu entwickeln. Öffentliche und freie Jugendhilfe sind hier auf allen Ebenen gefragt, eine fachliche Debatte über den spezifischen Beitrag der Kinder- und Jugendhilfe zu führen und darauf aufbauend ihre hier analytisch hergeleitete starke Verhandlungsposition einzunehmen. 308 uj 7+8 (2009) ganztagsschulen in den Jahren 2000 bis 2003. In: Kolbe, F.-U. u. a. (Hrsg.): Ganztagsschule als symbolische Konstruktion. Wiesbaden, S. 23 - 45 Lange, S./ Schimank, U., 2004: Governance und gesellschaftliche Integration. In: Lange, S./ Schimank, U. (Hrsg.): Governance und gesellschaftliche Integration. Wiesbaden, S. 9 - 44 Meinecke, A./ Schalkhaußer, S./ Täubig, V., 2009: „Stadtteil und Schule“-Netzwerke in der „lokalen Bildungslandschaft“ Lübeck. In: Berkemeyer, N. u. a. (Hrsg.): Schulische Vernetzung. Eine Übersicht zu aktuellen Netzwerkprojekten. Münster u. a., S. 149 - 162 Meyer, J. W./ Rowan, B., 1977: Institutional Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony. In: American Journal of Sociology 83 (2), S. 340 - 363 Muchow, M./ Muchow, H. H., 1998: Der Lebensraum des Großstadtkindes. Weinheim/ München Müller, B., 2007: Der pädagogische Auftrag der Jugendarbeit und die sozialpädagogische Verantwortung der Schule. In: Zeller, M. (Hrsg.): Die sozialpädagogische Verantwortung der Schule. Baltmannsweiler, S. 99 - 118 Projektleitung „Selbstständige Schule“, 2004: Regionale Bildungslandschaften. Grundlagen einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft. Troisdorf Schuppert, G. F., 2008: Governance - auf der Suche nach Konturen eines „anerkannten uneindeutigen Begriffs“. In: Schuppert, G. F./ Zürn, M. (Hrsg.): Governance in einer sich wandelnden Welt. Wiesbaden, S. 13 - 40 Stolz, H.-J., 2008: Ganztagsbildung im lokalen Raum. Perspektiven der Kinder- und Jugendhilfe. In: Die Deutsche Schule, 100. Jg., H. 3, S. 281 - 288 Die Autorin Dr. Vicki Täubig Deutsches Jugendinstitut e.V. Nockherstraße 2 81541 München taeubig@dji.de Literatur Altrichter, H./ Brüsemeister, T./ Wissinger, J. (Hrsg.), 2007: Educational Governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden Arnoldt, B., 2008: Öffnung von Ganztagsschule. In: Holtappels, H.-G. u. a. (Hrsg.): Ganztagsschule in Deutschland. München/ Weinheim, S. 86 - 105 Baumert, J./ Klieme, E./ Neubrand, M./ Prenzel, Manfred/ Schiefele, U./ Schneider, W./ Stanat, P./ Tillmann, K.-J./ Weiß, M. (Hrsg.), 2001: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen Benz, A., 2004: Governance - Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept? In: Benz, A. (Hrsg.): Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden, S. 11 - 28 BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), 2002: Elfter Kinder und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), 2005: Zwölfter Kinder und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin Bundesjugendkuratorium/ Sachverständigenkommission für den elften Kinder- und Jugendbericht/ Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, 2002: Bildung ist mehr als Schule. Leipziger Thesen zur aktuellen bildungspolitischen Debatte. www.bmfsfj.de/ Kategorien/ aktuelles,di d=5420,render=renderPrint.html, 10. 4. 2009 JMK (Jugendministerkonferenz der Länder)/ KMK (Kultusministerkonferenz der Länder), 2004: Stärkung und Weiterentwicklung des Gesamtzusammenhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung. www.kmk.org/ fileadmin/ pdf/ PresseUndAktuelles/ 2004/ Zusammenarbeit_von_Schule_und_Jugendhilfe_BS_ JMK_KMK.pdf, 9. 4. 2009 Kuhlmann, C./ Tillmann, K.-J., 2009: Mehr Ganztagsschulen als Konsequenz aus PISA? Bildungspolitische Diskurse und Entwicklungen