unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Identitätsarbeit in Jugend(sub)kulturen
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2009
Marcus Sommerey
Gegenstand dieser theoretischen Abhandlung soll es sein, nach der Rolle von Jugendkulturen bei der Identitätsfindung im Jugendalter zu fragen. Wie wichtig ist die Teilhabe an einer Jugendkultur, warum brauchen junge Menschen Jugendkulturen, was ist an ihnen so anziehend und verlockend?
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354 uj 9 (2009) Unsere Jugend, 61. Jg., S. 354 - 359 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel jugendkulturen Identitätsarbeit in Jugend(sub)kulturen Marcus Sommerey Gegenstand dieser theoretischen Abhandlung soll es sein, nach der Rolle von Jugendkulturen bei der Identitätsfindung im Jugendalter zu fragen. Wie wichtig ist die Teilhabe an einer Jugendkultur, warum brauchen junge Menschen Jugendkulturen, was ist an ihnen so anziehend und verlockend? Bezugspunkte und Konzeption Eine primär deskriptive Abhandlung allein würde nicht ausreichen, um das Phänomen und die Vielfalt der Jugendkulturen angemessen zu beschreiben. Die von den Jugendlichen zum Teil selbst gegebenen Interpretationen über ihre Kultur sind zwar sehr ernst zu nehmen, zugleich aber stark an ihre eigene Position innerhalb der Szene gebunden. Daher ist es sinnvoll, mögliche Fragestellungen im Kontext sozialpsychologischer und sozialhistorischer Theorien zu betrachten, da die Entstehung und das Verhalten von Jugendkulturen - wie jedes menschliche Verhalten - nur dann sachgerecht zu beurteilen ist, wenn es in den Kontext übergreifender gesellschaftlicher Probleme und Wandlungsprozesse gestellt wird. Demzufolge kann auch nur dann richtig darauf reagiert werden. Zunächst: Die Lebensphase Jugend hat sich in den letzten 50 Jahren in allen westlichen Gesellschaften kontinuierlich ausgedehnt. Hurrelmann geht mittlerweile von einer durchschnittlichen Länge von etwa 15 Jahren aus und wertet diese daher zu Recht als eigenständige Lebensphase, die etwa vom 12. bis zum 27. Lebensjahr dauert, wobei jedoch gerade das Ende dieser Altersphase schwer zu definieren ist, da Erwachsen-Sein heute nicht mehr zwangsläufig durch die ökonomische Selbstständigkeit der Jugendlichen bestimmt wird, sondern in erster Linie durch eine persönliche und soziale Identität. In dieser Zeit setzen sich Jugendliche besonders intensiv mit ihrer körperlichen und seelischen Innenwelt und der sozialen und gegenständigen Außenwelt auseinander (vgl. Hurrelmann 2007, 7). Hier wird deutlich, dass Persönlichkeits- und Gesellschaftsentwicklungen miteinander korrelieren. Für ein weiteres Vorgehen wäre also die Verwendung eines Konzepts förderlich, das sowohl gesellschaftstheoretische als auch sozialisations- und identifikationstheoretische Bezugspunkte anbietet. Das Konzept der Individualisierung, wie es Elias, aber mehr noch Beck (Elias 1985; Beck 1983, 1986) herausgearbeitet haben, steht an der Nahtstelle zwischen psychologischen und Marcus Sommerey Jg. 1980; Studium der Praxisorientierten Sozialwissenschaften/ Sozialen Arbeit und Erziehung, Sozialpädagogische Fachkraft im Bereich der Jugendberufshilfe und sozialpädagogischer Einzelbetreuer uj 9 (2009) 355 jugendkulturen soziologischen Denktraditionen und ist deswegen überaus geeignet für die Jugendforschung (vgl. Heitmeyer/ Olk 1990, 12). Die folgende theoretische Abhandlung ist in drei Unterpunkte gegliedert, die inhaltlich aufeinander aufbauen und nicht losgelöst voneinander betrachtet werden sollten. Beginnen werde ich mit der Charakterisierung der heutigen modernen Gesellschaft, in der Jugendliche aufwachsen; dies erfolgt am Konzept der Individualisierung nach Beck. Anschließend werde ich auf die daraus resultierende zunehmende Bedeutung von Jugendkulturen eingehen. Am Konzept der sozialen Identität nach Tajfel und Turner wird dann abschließend geklärt, welchen Einfluss die Teilhabe an einer Jugendkultur für den Jugendlichen hat. Das Konzept der Individualisierung Becks Thesen bündeln gesellschaftliche Entwicklungen in einem charakteristischen Begriff - eben dem der Individualisierung -, locker verbunden mit einem weiteren Schlagwort - der Risikogesellschaft. Er stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Entwicklungen sich seit den sechziger Jahren insbesondere in Deutschland vollzogen haben, bezieht seine Überlegungen verallgemeinernd aber auch auf moderne Gesellschaften weltweit (vgl. Beck 1986, 206). Beck stellt fest, dass es einen Individualisierungsschub gegeben hat, der durch drei Dimensionen gekennzeichnet ist: • Freisetzung aus traditionellen Bindungen: Durch das Freisetzen aus traditionellen Bindungen, wie z. B. Ständen, sozialen Klassen, aber auch Geschlechterrollen, erlangt das Individuum mehr Mobilität und Wahlfreiheit. Beispielsweise können Jugendliche ihren Beruf unabhängiger von dem ihrer Eltern wählen, „Arbeiterkinder müssen nicht unbedingt wieder Arbeiter werden“ (Burzan 2005, 165). • Entzauberung: Dadurch, dass es keine festen Handlungsorientierungen mehr gibt, muss man selbst entscheiden, ohne sicher zu wissen, was die richtige Wahl ist. Welchen Beruf der Vater hat, ist heute kaum noch ein zuverlässiges Kriterium, um eine Wahl zu treffen. Insgesamt bedeutet dies mehr Chancen durch die neue Freiheit, aber auch zugleich mehr Unsicherheit und Risiko. • Reintegration in die Gesellschaft: Die eben beschriebenen neuen Freiheiten sind nicht unendlich, da eine neue Art der Wiedereinbindung besteht. Es besteht der Zwang, sich zu entscheiden, z. B. welchen Beruf man ausführen oder erlernen möchte. Diese Entscheidungen sind zudem durch Institutionen wie Arbeitsmarkt, rechtliche und sozialstaatliche Regelungen begrenzt. Neben der Integration durch Institutionen spielt zudem der Modus der Selbstintegration, d. h. das Eingehen freiwilliger Bindungen, eine Rolle (vgl. ebd.). Beck beschreibt also eine Gesellschaft jenseits von Klassen und Ständen bzw. Schichten, eine enttraditionalisierte, individualisierte Lebenswelt, die immer mehr in Richtung Vereinzelung führt (vgl. Beck 1986, 121ff). Die Auflösung der sozialen Klassen und Stände wird über die auf Touren kommende Arbeitsmarktdynamik vorangetrieben und ist parallel verbunden mit der einhergehenden Durchkapitalisierung aller Lebensbereiche. Beck selbst weist darauf hin, dass Individualisierung auch bedeuten kann, dass abseits der hergebrachten sozialen Institutionen neuartige gemeinschaftliche Suchbewegungen aufgrund neuer soziokultureller Gemeinsamkeiten entstehen. Individualisierung wird von Beck daher als widersprüchlicher Prozess der Vergesellschaftung verstanden. Die Kollektivität und Standardisierung des Einzelschicksals ist schwer zu durchschauen; wird sie jedoch bewusst, kann dies zu neuen soziokulturellen Gemeinsamkeiten führen (vgl. Beck 1986, 119). In Becks Worten: „Auf diese Weise entstehen immer neue Such- 356 uj 9 (2009) jugendkulturen bewegungen, die zum Teil experimentelle Umgangsweisen mit sozialen Beziehungen, dem eigenen Leben und Körper in den verschiedenen Varianten der Alternativ- und Jugendsubkulturen erproben. Gemeinsamkeiten werden so nicht zuletzt in Protestformen und -erfahrungen ausgebildet, die sich an administrativen, industriellen Übergriffen ins Private, ins eigene Leben entzünden und gegen diese ihre aggressive Kraft entwickeln“ (ebd.). Gleichzeitig mit diesen Individualisierungsschüben verändern sich für Jugendliche die Integrationsprozesse in die Erwachsenengesellschaft (Heitmeyer 1988, 161). Im Hinblick auf diese Entwicklungen zeigt sich für Jugendliche ein Bedeutungszuwachs der Gleichaltrigengruppe. Die Gleichaltrigengruppen bzw. subkulturellen Gesellungsformen sind eine jugendspezifische Antwort, eine Art Selbsthilfeaktion (Baacke 1999, 128) auf die eben beschriebenen Entwicklungen und werden im Weiteren genauer erklärt. Jugendkultur und ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung Die Gesellschaft, in der Jugendliche heute aufwachsen, und die daraus resultierende zunehmende Bedeutung von Jugendkulturen wurden gerade skizziert. Es bleibt aber weiterhin die Frage offen, warum sich Jugendliche abweichenden bzw. subkulturellen Gruppen, wie z. B. den Punks, den Hip-Hoppern oder den Ultras, anschließen. Welchen spezifischen Nutzen ziehen sie daraus? Bevor dies jedoch beschrieben wird, soll ein kurzer Exkurs zu dem bereits im Titel dieser Arbeit verwendeten Begriff Jugendsubkultur stattfinden. Der Begriff der Jugendsubkultur wird heute nicht mehr gern verwendet, weil es immer undurchsichtiger wird, welche der zahlreichen Kulturen dominiert, da viele Jugendliche nicht nur in einer einzigen Szene, sondern in mehreren Szenen gleichzeitig unterwegs sind (vgl. Baacke 1999, 125ff). Montags als Skater in der Halfpipe, mittwochs auf LAN-Partys Computer spielen, freitags in die Technodisco und am Samstag oder Sonntag als Ultra ins Stadion. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob sich in Zeiten der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen eine Mehrheitsgesellschaft findet, von der sich eine Jugendszene als abweichend identifizieren lässt (Farin 2001, 18f). Ich halte den Ausdruck aufgrund seiner pädagogischen Tradition weiterhin für angemessen, möchte aber die Begriffe Jugendkultur, Gleichaltrigengruppe, Szene und Bewegung im Folgenden synonym verwenden (für weitere Begriffsdiskurse vgl. Hradil 1992; für eine differenzierte Betrachtungsweise von Jugendsubkulturen vgl. Griese 2000). Die sozialen und psychischen Funktionen der Gleichaltrigengruppe sind vielseitig. Hurrelmann stellt vier allgemein bedeutsame Elemente jugendlicher Gesellungsformen heraus: • Jugendkulturen können situationsspezifisch sein, d. h. sie werden zu bestimmten Anlässen gebildet und zerfallen, wenn diese Anlässe nicht mehr bestehen. • Innerhalb der Gruppe bilden sich Gefühls- und Handlungsstrukturen heraus. Diese sozialen Spielregeln müssen gegenseitig respektiert werden, um Spannungen auszuhalten und um Freundschaften zu festigen. • Durch die gemeinsamen Handlungsorientierungen und Sinnbezüge grenzen sich die einzelnen Gruppen voneinander ab. So bilden und stabilisieren sie ihre Gruppenidentität. • Gleichaltrigengruppen bieten den Jugendlichen die Möglichkeit, Handlungskompetenzen zu entwickeln, die sie in der Familie oder in der Schule nicht ausüben können. Dabei werden die Einzigartigkeit der eigenen Gefühle und die Besonderheit der Ichuj 9 (2009) 357 jugendkulturen Erfahrung gegenüber den Verhaltensmustern der Erwachsenen betont (vgl. Hurrelmann 2007, 127f). Was aber wird genau unter Jugendsubkultur verstanden? Eine der ersten Definitionen von Subkultur stammt von Bell. Er definiert: „Unter Teilkulturen verstehen wir ‚relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen‘. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grad von der übrigen Gesellschaft unterscheiden“ (Baacke 1999, 125f; zit. nach Friedeburg, 83). Diese recht starre Definition muss mit Inhalt gefüllt werden. Subkulturen sind relativ kohärent, da sie raum-zeitlich nicht geschlossen sind, sondern immer wieder Einbrüche von gesamtgesellschaftlichen Institutionen mit ihren Anforderungen stattfinden (Baacke 1999, 127). So besteht z. B., wie von Beck eben beschrieben, irgendwann der Zwang, sich zu entscheiden, welchen Beruf man erlangen möchte. Die von Bell für die Definition verwendete Umschreibung der „Welt für sich“ zeigt sich abseits des Erziehungsbereiches von der Familie oder der Schule durch ritualisierte Verhaltensformen, bestimmte Stile (z. B. Kleidung, aber auch Sprache oder Symbole) und eigene Auffassungen über Normen und Werte. Hurrelmann deutet die unabhängigen Wertmuster und Normen quasi als Widerstandspotenzial oder als Gegensatz zu den Anforderungen des Erwachsenwerdens (vgl. Hurrelmann 2007, 132). Der gerade erwähnte Stil ist ein wichtiges Element jugendlicher Gesellungsformen. Er dient durch seine gruppenunterstützende Funktion der Integration, zugleich aber auch als Mittel der Distanzierung (vgl. Schäfers/ Scherr 2005, 139). Die eigens erschaffene soziale Umwelt, die „Welt für sich“, erlaubt Jugendlichen die wichtige Form der Selbstdarstellung. Dank der kollektiven Macht der Gruppe gelingt es ihnen, wenn auch nur zeitweise, ein eigenes Territorium zu erobern und die oft durch die Medien angeheizten Träume von spontaner Lebensführung und unkontrollierter Freizeitbeschäftigung zu erfüllen (Hurrelmann 2007, 132). Allgemeiner Konsens unter den AutorInnen besteht über die Kernaufgabe der Sozialisationsphase, die unter anderem in einer Jugendkultur „gelöst“ werden soll. Die Jugendlichen sollen allmählich eine eigenständige, möglichst positive Identität entwickeln. Ein praktisches Beispiel: Heitmeyer überträgt die vorangegangene Überlegung auf die Jugendkultur der Fußballfans und schreibt: „Fußballfan zu sein und gemeinsam mit anderen - zumeist Gleichaltrigen - ein jugendspezifisches Leben zu führen, gehört zu den alltäglichen Erscheinungen bei Jugendlichen, um auf eine spezifische Weise eine eigenständige Identität zu erwerben, also das zu tun, was als Kernaufgabe dieser Altersphase verstanden wird, um so Selbstbewusstsein und Handlungssicherheit in der Gesellschaft zu erwerben, kurz: eine ,gelingende‘ Sozialisation zu durchlaufen“ (Heitmeyer/ Peter 1988, 20). Zusammenfassend könnte man bis hierher sagen: Die Jugendsubkulturen können als Reflex oder Konsequenz einer unzureichenden Gesellschafts- und Erziehungsstruktur gewertet werden. Die Orientierung in altershomogenen Gruppen ersetzt Sozialisationsdefizite von Familie, Schule und Ausbildung (Baacke 1999, 127). Die Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter ist eine produktive Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Anforderungen. Dieser Prozess ist aber nicht als kontinuierliche Reife hin zu einem mehr oder weniger „kompletten“ Erwachsenen zu verstehen oder als eine einmalige Ado- 358 uj 9 (2009) jugendkulturen leszenzkrise, sondern ist als ein oftmals chaotischer Suchprozess zu deuten, der über „ausprobieren“ versucht wird zu lösen (vgl. Eckert/ Reis/ Wetzstein 2000, 17). Bedeutsam für dieses „Sich-Ausprobieren“ oder Verorten ist neben bewusster Reflexion und Nachahmen von Vorbildern das Teilhaben an einer eben beschriebenen Jugendkultur. Aber welche Prozesse innerhalb jugendlicher Gruppen tragen nun dazu bei, dass das Individuum eine Identität erlangen kann? Dieser Identitätsfrage bzw. Identitätsarbeit möchte ich im Weiteren nachgehen. Positive soziale Identität als Gruppenleistung Jugendliche entwickeln (wie alle Menschen) Fragen nach dem, was sie selbst sind, und haben Wünsche, wie sie selbst gesehen werden wollen. „Wer bin ich? “, „Was kann ich? “, „Wozu bin ich da? “, „Wohin gehöre ich? “ „Wie möchte ich sein? “ Diese Fragen spiegeln eine intensive Identitätssuche wider, mit der sich jeder Jugendliche in modernen Gesellschaften zwangsweise konfrontiert sieht (vgl. Schäfers/ Scherr 2005, 91). Dabei ist die Identität von doppelter Relevanz, da sie zwei Seiten aufweist, die individuelle (persönliche) Identität und die soziale Identität. Die individuelle Identität bezieht sich auf besondere Eigenschaften, Überzeugungen und Erfahrungen, die im Verlauf wechselnder lebensgeschichtlicher und biografischer Umstände entstehen. Mit sozialer Identität sind Aspekte der Persönlichkeit gemeint, die aus der Zugehörigkeit zu Bezugsgruppen bzw. der Einordnung in soziale Kategorien hervorgehen (vgl. Hurrelmann 2007, 61). So fühlt man sich z. B. als Student, als Bochumer oder aber auch als Fußballfan. Die soziale Identitätstheorie (Tajfel 1982; Tajfel/ Turner 1979), die vor allem von Turner aus den Theorien Tajfels entwickelt wurde, steht in der Tradition von symbolischem Interaktionismus und Strukturalismus und kann als Weiterentwicklung des realistischen Gruppenkonfliktes gesehen werden. Sie bildet hier die Grundlage für weitere Ausführungen. Dieser Ansatz zielt auf die soziale Identitätsebene, die gerade erwähnt wurde, und soll klären, wie Identität als Gruppenleistung erzeugt werden kann. Die soziale Identität wird immer dann angesprochen, wenn sich die Person vorrangig als Mitglied einer bestimmten Gruppe und weniger als einzigartiges Individuum betrachtet (Blanz 1998, 2). Die Kernannahme dieser Theorie lässt sich, vereinfacht dargelegt, folgendermaßen zusammenfassen: • Individuen streben danach, eine positive Selbsteinschätzung, ferner ein positives Selbstwertgefühl zu erhalten bzw. zu verbessern. Ein Großteil dieser Selbsteinschätzung wird über die soziale Identität definiert. • Über Kategorisierungen segmentieren Individuen ihre natürliche und soziale Umwelt in unterscheidbare Gruppen, so z. B. Eigengruppen (in denen sie aktiv sind oder denen sie sich zugehörig fühlen), vertraute Gruppen oder fremde Gruppen. Aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen leitet sich nun die soziale Identität eines Individuums ab (Eckert/ Reis/ Wetzstein 2000, 17f). Informationen über seine soziale Identität und deren Positionierung gewinnt das Individuum über Vergleiche der eigenen Gruppe (in-group) mit relevanten anderen Gruppen (out-group). • Eine positive soziale Identität kann nur dann erreicht werden, wenn sich die eigene Gruppe positiv von relevanten uj 9 (2009) 359 jugendkulturen Vergleichsgruppen absetzen kann (Wagner 1994, 9). Sollte dieser Vergleich negativ ausfallen, versuchen Individuen, die eigene Gruppe zu verlassen und einer anderen Gruppe beizutreten oder ihre eigene Gruppe aufzuwerten. Die positive soziale Identität, die hier als Gruppenleistung erbracht wird, ist für das Selbstwertgefühl der einzelnen Gruppenmitglieder höchst wichtig. Schon das „Verständnis“, das die Mitglieder füreinander haben, mag das Gefühl des Anerkanntseins bewirken. Insbesondere Erfahrungen der Herabsetzung durch Dritte können besser bewältigt werden, wenn man sich zusammentut und sich dadurch wechselseitig Sicherheit gibt. Auch werden persönliche Emotionen und Wunschträume eher fassbar, wenn sie miteinander geteilt werden. Literatur Baacke, D., 1999: Jugend und Jugendkulturen. Darstellung und Deutung. Weinheim/ München Beck, U., 1986: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main Blanz, M., 1998: Wahrnehmung von Personen als Gruppenmitglieder: Untersuchungen zur Salienz sozialer Kategorien. Münster Burzan, N., 2005: Soziale Ungleichheit: Eine Einführung in die zentralen Theorien. Wiesbaden, S. 164 - 178 Eckert, R./ Reis, C./ Wetzstein, T. A., 2000: „Ich will halt anders sein wie die anderen.“ Abgrenzung, Gewalt und Kreativität bei Gruppen Jugendlicher. Opladen Elias, N., 1985: Die Gesellschaft der Individuen. Frankfurt am Main Farin, K., 2001: Generation-kick.de: Jugendsubkulturen heute. München Griese, H. M., 2000: „Jugend(sub)kulturen“ - Facetten, Probleme und Diskurse. In: Roth, R./ Rucht, D. (Hrsg.): Jugendkulturen, Politik und Protest. Vom Widerstand zum Kommerz? Opladen, S. 37 - 47 Heitmeyer, W., 1988: Jugendliche Fußballfans. Zwischen sozialer Entwertung und autoritärnationalistischer Substituierung. In: Horak, R./ Reiter, W./ Stocker, K. (Hrsg.): „Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten.“ Fußball und Gewalt in Europa. Hamburg, S. 159 - 174 Heitmeyer, W./ Olk, T., 1990: Individualisierung von Jugend - Gesellschaftliche Prozesse - subjektive Verarbeitungsformen - jugendpolitische Konsequenzen. Weinheim/ München Heitmeyer, W./ Peter, J.-I., 1992: Jugendliche Fußballfans. Soziale und politische Orientierungen, Gesellungsformen, Gewalt. Weinheim/ München Hradil, S., 1992: Alte Begriffe und neue Strukturen. Die Milieu-, Subkultur- und Lebensstilforschung der 80er Jahre. In: Hradil, S. (Hrsg.): Zwischen Bewußtsein und Sein: die Vermittlung „objektiver“ Lebensbedingungen und „subjektiver“ Lebensweisen. Opladen, S. 15 - 55 Hurrelmann, K., 2007: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung. Weinheim/ München Schäfers, B./ Scherr, A., 2005: Jugendsoziologie. Einführung in Grundlagen und Theorien. Wiesbaden Tajfel, H., 1982: Gruppenkonflikt und Vorurteil. Entstehung und Funktion sozialer Stereotypen. Bern/ Stuttgart/ Wien Tajfel, H./ Turner, J. C., 1979: An integrative theory of intergroup conflict. In: Austin, W. G. (Hrsg.): The social psychology of intergroup relations. Monterey Wagner, U., 1994: Eine sozialpsychologische Analyse von Intergruppenbeziehungen. Göttingen u. a. Der Autor Marcus Sommerey Kuhlehof 4 b 44803 Bochum Tel.: 01 79 - 1 05 24 03 marcus@sommerey.com
