eJournals unsere jugend 62/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2010
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Hilfe im Netz für Jugendliche und Eltern - die bke-Onlineberatung www.bke-beratung.de

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Christine Sutara
Psychosoziale Beratung über das world wide web? Ist das möglich und wenn ja, sinnvoll? Diese Frage kann nach den langjährigen Erfahrungen der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung positiv beantwortet werden.
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114 uj 3 (2010) Unsere Jugend, 62. Jg., S. 114 - 116 (2010), DOI 10.2378/ uj2010.art12d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Hilfe im Netz für Jugendliche und Eltern - die bke-Onlineberatung www.bke-beratung.de Christine Sutara Psychosoziale Beratung über das world wide web? Ist das möglich und wenn ja, sinnvoll? Diese Frage kann nach den langjährigen Erfahrungen der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung positiv beantwortet werden. soziale arbeit im netz Bereits vor zehn Jahren initiierte die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) ein Projekt, das es Ratsuchenden ermöglicht, Beratung über das Internet in Anspruch zu nehmen. Auf getrennten Zugangsseiten konnten Jugendliche und Eltern die Beratung von Fachkräften per Mail, per Chat und in diversen Foren in Anspruch nehmen. Eltern erhielten die Möglichkeit, sich Rat und Hilfe in Erziehungsfragen zu holen, Jugendliche konnten ihre persönlichen Probleme mit den bke-Fachkräften besprechen. Die Userzahl wuchs stetig und bewirkte, dass das aus sechs Fachkräften bestehende Startteam schon nach kurzer Zeit vergrößert werden musste. Finanziert wurde das bundesweite Projekt in den Anfangszeiten von vier Bundesländern und dem Bundesfamilienministerium. Die fachlich beachtlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Erreichen neuer Zielgruppen überzeugten im Jahr 2003 die JugendministerInnen der Länder. Durch Beschluss ließen sie aus einem befristeten Projekt ein dauerhaftes Beratungsangebot werden: die Virtuelle Beratungsstelle für Jugendliche und Eltern in Trägerschaft der bke. Ausgebildete Fachkräfte beraten Jugendliche und Eltern kostenfrei und anonym im Rahmen des §§ 16, 28 SGB VIII. Alle 16 Bundesländer finanzieren seit 2005 die bke-Onlineberatung, an der sich heute bundesweit knapp 100 Fachkräfte beteiligen. Über ein passwort-geschütztes Softwaresystem können die Beratungen, Chats und Forenmoderationen standortunabhängig durchgeführt werden. Sämtliche BeraterInnen besitzen ein abgeschlossenes psychosoziales Studium, eine therapeutische Zusatzausbildung und mehrjährige Berufserfahrung in der Erziehungs- und Familienberatung. Eine einwöchige Fortbildung bereitet diese Fachkräfte auf ihr neues Arbeitsfeld vor. In sich anschließenden Mentoraten vertiefen sie die Besonderheiten der verschriftlichten Beratung sowie die technischen Kenntnisse für die Arbeit im Netz. Christine Sutara Jg. 1966; Koordinatorin der bke-Onlineberatung uj 3 (2010) 115 soziale arbeit im netz Sinnvolle Angebotszeiten Die Eltern und Jugendlichen können sich nach der Registrierung auf www.bke-beratung.de mit einem Nicknamen und einem Passwort in der Einzelberatung oder im Einzelchat mit einer Fachkraft austauschen. Auf ihre erste Anfrage erhalten die Ratsuchenden in der Einzelberatung innerhalb von 48 Stunden eine Antwort. Oder sie kommunizieren in moderierten Chats oder im öffentlichen Diskussionsforum mit den Fachkräften und anderen Ratsuchenden. Dabei achten die Fachkräfte auf sinnvolle Angebotszeiten für berufstätige Eltern: Die Chats für Mütter und Väter finden am Abend von 20 bis 22 Uhr statt - zu einer Zeit, zu der sich viele Eltern ungestört und ohne Zeitdruck auf ein solches Gespräch einlassen können. Für die Jugendlichen bietet die bke- Onlineberatung moderierte Chats an Nachmittagen und in den Abendstunden. Auch an den Wochenenden besteht für die jungen UserInnen die Möglichkeit, Kontakt mit einer Fachkraft und anderen NutzerInnen in den verschiedenen Chats aufzunehmen. Das Angebot einer „Offenen Sprechstunde“ garantiert ein schnelles Erreichen einer Onlinefachkraft immer dann, wenn akute Krisen bearbeitet werden müssen. Die thematisch sortierten Foren auf der Jugend- und auf der Elternseite ermöglichen zudem täglich einen zeitunabhängigen Austausch zwischen UserInnen und den moderierenden Fachkräften. Wie muss man sich eine virtuelle Beratung vorstellen? Wer kommt zum „Gespräch“ in die bke- Onlineberatung? In der örtlichen Beratung finden sich gehäuft Eltern mit schulpflichtigen Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren. Jugendliche findet man in Erziehungsberatungsstellen eher selten und noch seltener freiwillig - ganz anders in der virtuellen Erziehungsberatung: Hier suchen insbesondere junge Eltern mit Kleinkindern und Eltern mit pubertierenden Jugendlichen Rat und Hilfe, aber auch die Jugendlichen selbst. Besonders die Zielgruppe der 15bis 18-Jährigen, die die örtlichen Beratungsstellen für ihre persönlichen Probleme eher nur selten aufsuchen, sind NutzerInnen des medialen Beratungsangebotes. In der anonymen Umgebung der virtuellen Beratung schwinden Hemmschwellen, die im direkten Dialog mit einer Fachkraft wirksam sein können. Auch Erwachsenen fällt es leichter, Erziehungsprobleme einzugestehen und virtuell den Rat einer Fachkraft anzunehmen. Dies gilt in besonderer Weise für ratsuchende Väter. Seit Beginn der Zählung im Jahr 2004 haben sich bis heute insgesamt über 42.000 UserInnen registrieren lassen. Zielgruppenspezifische Erweiterung der Jugendhilfe Die Erfahrungen der bke-Onlineberatung zeigen, dass mit diesem Beratungsangebot Personen erreicht werden, die nicht oder noch nicht bereit sind, eine Familienberatungsstelle in ihrer Nähe zu nutzen. Insofern ist die Einrichtung einer virtuellen Beratungsstelle keine Konkurrenz zur örtlichen Beratung, sondern eine zielgruppenspezifische Erweiterung der Kinder- und Jugendhilfe. Aber nicht nur die Ratsuchenden profitieren von diesem neuen und überaus zeitgemäßen Zugang. Auch die mitwirkenden Fachkräfte ziehen enormen fachlichen Gewinn aus der Mitarbeit in der bke-Onlineberatung. Viele der in der virtuellen und damit auch schriftlichen Beratung verwendeten Methoden können auch für die Beratung im direkten persönlichen Klienten- 116 uj 3 (2010) soziale arbeit im netz kontakt genutzt werden. Durch den intensiven Zugang zur Gruppe der jugendlichen Ratsuchenden erhalten die Fachkräfte einen unmittelbaren Einblick in die Lebenswelten der Jugendlichen und ihre Sicht der Dinge. Die „Offene Tür“: Austausch von Eltern und Jugendlichen Innerhalb der bke-Onlineberatung wird den typischen Kommunikationsproblemen zwischen den Generationen mit einem bislang einmaligen Angebot begegnet: mit der „Offenen Tür“. In diesem Forum tauschen sich Eltern und Jugendliche direkt und erstaunlich erfolgreich untereinander aus. Sie gehören - so ist anzunehmen - zu unterschiedlichen Familien, die teils sehr ähnliche Problemkonstellationen aufweisen. In der möglich werdenden Distanz eines Forums fällt es leichter als von Angesicht zu Angesicht, über manchmal schon lange Jahre festgefahrene Rollen und emotional belastete Situationen zu sprechen. So kann z. B. ein „fremder“ Jugendlicher den Eltern die Lage ihres 17-Jährigen manchmal besser erklären als das eigene Kind, und sie nehmen einen unbekannten Jugendlichen möglicherweise mit weniger Vorbehalten wahr. Umgekehrt sind auch die Jugendlichen neugierig und offen gegenüber den Sichtweisen der Eltern im Forum. Das Angebot wird rege in Anspruch genommen. Es findet ein thematisch breit gefächerter Austausch zu Themen wie Piercing, Schulunlust, Taschengeld usw. in einer gleichberechtigten und durch Fachkräfte moderierten Atmosphäre zwischen den Generationen statt. Viele neue Chancen und Möglichkeiten, die das Medium Internet auch für die psychosoziale Beratungslandschaft bietet, beweisen sich an den Erfolgen der bke-Onlineberatung. Es wird weiterhin darauf ankommen, das Angebot vielen Eltern und Jugendlichen bekannt zu machen. Die Autorin Christine Sutara Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. Herrnstraße 53 90763 Fürth sutara@bke.de www.bke.de www.bke-beratung.de