unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2010
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Sozialpädagogisch begleitetes Jugendwohnen im Sozialrecht (Teil 1)
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2010
Thomas Pütz
Peter Schruth
"Sozialpädagogisch begleitetes Jugendwohnen" ist begrifflich Teil der Jugendsozialarbeit des § 13 SGB VIII und dort im Absatz 3 ausdrücklich angesprochen. Mittlerweile hat sich das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen sozialrechtlich ausdifferenziert; es ist dadurch im sozialrechtlichen Leistungsanspruch komplexer und komplizierter geworden.
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226 uj 5 (2010) Unsere Jugend, 62. Jg., S. 226 -235 (2010), DOI 10.2378/ uj2010.art24d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Sozialpädagogisch begleitetes Jugendwohnen im Sozialrecht 1 (Teil 1) Thomas Pütz/ Peter Schruth „Sozialpädagogisch begleitetes Jugendwohnen“ ist begrifflich Teil der Jugendsozialarbeit des § 13 SGB VIII und dort im Absatz 3 ausdrücklich angesprochen. Mittlerweile hat sich das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen sozialrechtlich ausdifferenziert; es ist dadurch im sozialrechtlichen Leistungsanspruch komplexer und komplizierter geworden. recht Was meint „Jugendwohnen“? „Das Jugendwohnen“ gibt es nicht. Es existieren vielmehr zahlreiche Erscheinungsformen, die sich hinsichtlich ihrer Ziele, Formen und weiterer Parameter teilweise deutlich unterscheiden. Neben den Kostenträgerschaften haben sich auch die Angebotsformen des Jugendwohnens wie Wohngruppen und Angebote mit abgestuften Betreuungsintensitäten ausdifferenziert. Neben den Jugendwohnheimen besteht Jugendwohnen in neueren Formen wie z. B. als Betreutes Einzelwohnen, als Betreute Wohngemeinschaft, in Form von Wohn-Beschäftigungsprojekten oder als Jugendwohnen für spezielle Zielgruppen (siehe z. B. Betreutes Jugend- und Einzelwohnen des gleich&gleich e.V. in Berlin für lesbische, bisexuelle, schwule und transgender Jugendliche und junge Volljährige). Es geht also um Wohnen außerhalb der Familie, aber nicht um ein Wohnen in privater, sondern in öffentlicher Verantwortung. Dies erscheint zunächst paradox, ist doch das Wohnen spätestens seit der Industrialisierung von (meist bäuerlichen oder handwerklichen) Arbeitsfunktionen befreit, geradezu ein Gegenpol zu Öffentlichkeit. Es ist ein persönlicher und intimer Lebensbereich, der grundgesetzlich gegenüber staatlicher Kontrolle geschützt ist. Bei dem Jugendwohnen, das hier im Mittelpunkt steht, wird jedoch der Staat wieder „hinein gelassen“, denn es geht • um sozialpädagogisch betreutes oder begleitetes Jugendwohnen (SpJW), also um sozialrechtliche Leistungsansprüche junger Menschen auf die Bereitstellung und Finanzierung von sozialpädagogisch betreuten oder begleiteten Wohnformen. Es geht damit nicht um das Wohnen junger Menschen ohne sozialpädagogische Betreuung oder Begleitung, auch wenn dieses (anteilig) öffentlich finanziert sein sollte, • um sozialpädagogisch betreutes oder begleitetes Jugendwohnen (SpJW), bei dem die sozialpädagogische Betreuung oder Begleitung auf die gesellschaftliche Integration junger Menschen ausgerichtet ist, die sich in schulischer oder beruflicher Ausbildung bzw. bei der beruflichen Integration befinden. Es geht also nicht um Maßnahmen, die primär auf erzieherische Ziele oder auf Ziele der 1 Vgl. ausführlich zum Thema das 2009 erschienene Buch von Schruth, P./ Pütz, T.: Jugendwohnen. Eine Einführung in die sozialrechtlichen Grundlagen, das Sozialverwaltungsverfahren und die Entgeltfinanzierung. uj 5 (2010) 227 recht Rehabilitation ausgerichtet sind. Auch solche Maßnahmen können zwar Formen des SpJW sein, werden jedoch aufgrund ihrer spezifischen Zielsetzung hier nicht behandelt. • Es geht um sozialpädagogisch betreute oder begleitete Wohnformen für junge Menschen, die 14, aber noch nicht 27 Jahre alt sind. Das hier behandelte Jugendwohnen ist also eigentlich ein Wohnen entsprechend der Definition in § 7 SGB VIII - für Jugendliche (die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind) und für junge Volljährige (die 18, aber noch nicht 27 Jahre alt sind). Zielgruppen von Jugendwohnen sind neben jungen Menschen während der Dauer ihrer Ausbildung bzw. während der Phase ihrer Blockbeschulung, die nicht sozial benachteiligt und/ oder individuell beeinträchtigt sind, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, gefährdete Jugendliche, Jugendliche mit seelischen Erkrankungen und Abhängigkeiten, junge Volljährige im Anschluss an stationäre Maßnahmen der Jugendhilfe, junge Menschen, deren Erziehung durch die Personensorgeberechtigten nicht gewährleistet ist, junge Menschen ohne ausreichende schulische oder berufliche Qualifikation, drogenabhängige junge Menschen, Angehörige von Subkulturen, strafentlassene junge Menschen, Trebegänger, obdachlose bzw. überschuldete und delinquente junge Menschen. Es versteht sich von selbst, dass Einrichtungen des Jugendwohnens, je nachdem, welche jungen Menschen sie aufnehmen und betreuen, eine entsprechend differenzierte Infrastruktur und differenzierte sozialpädagogische Konzepte benötigen. Im Wesentlichen wird Jugendwohnen in drei Intensitätsstufen angeboten: • Erzieherische Hilfen im Rahmen der Unterkunft in einer betreuten Wohnform (§§ 34, 35 a, 41, 42 SGB VIII) • Sozialpädagogische Hilfen zur schulischen und beruflichen Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und sozialen Integration im Rahmen der Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 SGB VIII) • Sozialpädagogische Begleitung junger Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung im Rahmen der Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13Abs. 3 SGB VIII). Hierbei ist es zentral, die unterschiedlichen Ziele und abgestuften Rechtsqualitäten zu berücksichtigen, die das Sozialrecht in seinen unterschiedlichen Leistungsgesetzen enthält. Dieser Beitrag fokussiert daher im Wesentlichen jeweils eine Sammlung untereinander zusammenhängender, sich bedingender und teils überlagernder Rechtsnormen (Sozialgesetze bzw. Sozialgesetzbücher): Jugendwohnen geschieht im Rahmen • des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), • des SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende), Prof. Dr. Peter Schruth Jg. 1952; Professor für Recht in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Magdeburg-Stendal, Schwerpunkte: Jugendhilferecht, SGB II, SGB XII und soziale Schuldnerberatung Thomas Pütz, M. A. Jg. 1966; Bereichsleiter Soziale Dienste der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf, Arbeitsschwerpunkte: lebenslagenorientierte Analyse struktureller sozialer Ungleichheiten, Schnittstellen der Sozialgesetzgebung 228 uj 5 (2010) recht • des SGB III (Arbeitsförderungsgesetz), • des Bafög-Gesetzes (Bundesausbildungsförderungsgesetz) oder • des SGB XII (Sozialhilfe). Diese fünf unterschiedlichen sozialgesetzlichen Kontexte werden in diesem und in einem der folgenden Hefte von unsere jugend einzeln dargestellt. Dabei wird deutlich, wie schwierig es in der Praxis ist, die jeweils gültigen Leistungsvoraussetzungen zu bestimmen. Jugendwohnen im Kontext des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) Das SGB VIII ist für die sozialpädagogisch begleitete Unterbringung junger Menschen das zentrale Sozialgesetzbuch in Deutschland. Da „Wohnen“ zu den Grundbedürfnissen menschlicher Existenz zählt und eine Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben ist, gehört die Unterstützung im Wohnen auch zu den besonderen sozialpädagogischen Hilfen der Jugendhilfe. Von der Jugendhilfe angebotene Jugendwohnheime und andere Wohnformen der Jugendsozialarbeit sind ein bedarfsorientiertes und altersgerechtes Angebot für junge Menschen „während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung“ (§ 13 Abs. 3 SGB VIII). Alle Leistungen und Angebote der Jugendhilfe, so auch die des Jugendwohnens, dienen dem in § 1 Abs. 1 SGB VIII formulierten Oberziel, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern. Dazu zählt insbesondere die Berücksichtigung des persönlichen Wunsch- und Wahlrechts junger Menschen (vgl. § 5 SGB VIII). Auf diese Weise ermöglichen die Angebote des Jugendwohnens nicht nur eine berufliche Unterstützung im Einzelfall, sondern auch eine eigenständige und selbstbestimmte Lebensführung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Als weiteres Ziel der Jugendhilfe formuliert § 13 Abs. 1 SGB VIII die „soziale Integration“ für diejenigen jungen Menschen (bis 27 Jahre), die wegen ihrer sozialen Benachteiligungen bzw. individuellen Beeinträchtigungen einen erhöhten sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf haben. Hierzu übernimmt die Jugendsozialarbeit eine „Anwaltsfunktion“ und gibt mit ihren Angeboten Antworten auf gesellschaftliche Entwicklungen, die zu Lasten junger Menschen gehen. Begrifflich bezieht damit Jugendsozialarbeit alle Probleme und Bedürfnisse junger Menschen ein, die der sozialen Integration junger Menschen im Wege stehen und die deshalb jugendgemäßer sozialpädagogischer Hilfe bedürfen. Trotz der Hartz IV-Gesetzgebung (SGB II, Grundsicherung für Arbeitssuchende) hat der Gesetzgeber den Wortlaut des § 13 SGB VIII unverändert gelassen und zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen von Jugendhilfeleistungen (weiterhin und ungeschmälert) individuelle, lebensweltorientierte Hilfen für junge Menschen im Übergang von Schule in das Berufs- und Arbeitsleben zu gewährleisten sind, und so gibt es für das Jugendwohnen der Jugendsozialarbeit keine Leistungskonkurrenz und keinen Vorrang des SGB II, weil ein solches Jugendwohnen nicht Leistungsgegenstand des SGB II ist. Maßgeblich für den Zugang zum Jugendwohnen der Jugendsozialarbeit ist neben dem § 13 Abs. 3 SGB VIII auch der § 13 Abs. 1 SGB VIII. Tatbestand des § 13 Abs. 1 SGB VIII ist im Einzelfall neben der Prüfung der sozialen Benachteiligung bzw. individuellen Beeinträchtigung der erhöhte sozialpädagogische Unterstützungsbeuj 5 (2010) 229 recht darf. Ein solcher besonderer Bedarf liegt regelmäßig im Einzelfall vor, wenn (drohende) soziale Desintegrationen weder mit den Mitteln der Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) noch mit familienbezogenen Erziehungshilfen effektiv bearbeitet werden können. Rechtsfolge des § 13 Abs. 1 SGB VIII ist ein subjektiver Rechtsanspruch junger Menschen auf sozialpädagogische Hilfen. Entsprechende Angebote und Leistungen haben öffentliche Jugendhilfeträger als objektive Rechtsverpflichtung bereitzustellen (§ 13 Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII). Auf dieser Basis der für den § 13 SGB VIII insgesamt bedeutsamen Eingangsnorm des Abs. 1 erweitert der § 13 Abs. 3 SGB VIII den Anwendungsbereich des Absatz 1 für alle jungen Menschen, denen aus unterschiedlichen Gründen ein Angebot des Sozialpädagogischen Jugendwohnens bei der (beruflich-)sozialen Integration behilflich ist. Das SpJW kann auch eine im Einzelfall geeignete und notwendige Erziehungshilfe sein, ohne dass dieses Hilfeangebot selbst per se erzieherisch ausgerichtet oder vordringlich im erzieherischen Hilfekontext anzusiedeln wäre. Es lassen sich verschiedene typische Fallgruppen des sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnens jugendhilferechtlich differenzieren: Fallgruppe a: Erhöhter sozialpädagogischer Unterstützungsbedarf nach § 13 Abs. 1 SGB VIII Wegen sozialer Benachteiligung oder individueller Beeinträchtigung (z. B. längerfristig ohne Arbeit und/ oder ohne Wohnung bzw. soziale Benachteiligung wegen ungleicher Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt, wegen eines spezifischen Integrationshilfebedarfs als MigrantInnen) und dem daraus resultierenden erhöhten sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf. Fallgruppe b: Stationäre Jugendberufshilfe nach § 13 Abs. 2 SGB VIII Wegen der Vorbereitung zur Aufnahme einer schulischen oder beruflichen Ausbildung, des Beginns einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder der Aufnahme eines sozialpädagogisch orientierten Beschäftigungsangebotes. Fallgruppe c: Arbeitsmarktbenachteiligte junge Menschen nach dem SGB III Wegen der Aufnahme einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme oder zur Unterstützung der Mobilität (z. B. Aufnahme eines Arbeitsplatzes fernab von zu Hause). Fallgruppe d: Erziehungshilfe nach §§ 27 Abs. 3, 13 Abs. 3 SGB VIII Wegen schwieriger familiärer und persönlicher Lebenslagen z. B. befristete alternative Wohnmöglichkeit zum Elternhaus. Fallgruppe e: Junge Volljährige nach § 41 SGB VIII Wegen des Verselbstständigungsbedarfs als junge Volljährige. Die Zuordnung zu den Fallgruppen entscheidet auch darüber, ob und gegebenenfalls wer Anspruch auf Sozialpädagogisches Jugendwohnen hat: Soweit im Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, begründet die Fallgruppe d (SpJW als Teil der Erziehungshilfe nach §§ 27 Abs. 3 SGB VIII, 13 Abs. 3 SGB VIII) einen unbedingten Rechtsanspruch des/ der Personensorgeberechtigten, die Fallgruppen a (§ 13 Abs. 1 SGB VIII) und e (§ 41 SGB VIII) begründen als Soll-Normen einen Regelrechtsanspruch des jungen Menschen, die Übrigen die Kann-Leistung des § 13 Abs. 3 SGB VIII. Ein Jugendwohnangebot nach § 13 Abs. 3 SGB VIII muss immer mit einer sozialpädagogischen Begleitung verbunden sein und kann nur während einer gerade begonnenen oder laufenden berufsintegrativen Aktivität erfolgen. Die Angebote sind für den jungen Menschen daher zeitlich auf die Dauer der beruflichen oder schulischen Ausbildung befristet bzw. an die Teilnahme an einer Beschäftigungsmaßnahme oder wenigstens einer kontinuierlich ausgeübten beruflichen Aktivität des untergebrachten jungen Menschen gebunden. 230 uj 5 (2010) recht Die verschiedenen Fallgruppen zeigen an, dass sowohl die diagnostische Abgrenzung der Fallgruppen zueinander als auch die Abgrenzung zu den Erziehungshilfen schwierig sein kann. Die Abgrenzung der Fallgruppen zueinander berührt die gestellte Rechtsfrage, welche Kriterien entscheiden, ob junge Menschen Jugendwohnen nach § 13 Abs. 3 SGB VIII in Anspruch nehmen oder ob sie auf privates Wohnen (ohne sozialpädagogische Begleitung) verwiesen werden können. Diese Frage beantwortet sich mit der Hilfebedarfsfeststellung entsprechend den genannten Fallgruppen. Je genauer der Hilfebedarf im Einzelfall diesen Fallgruppen zugeordnet werden kann, desto zwingender entsteht ein individueller Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bezüglich der Leistungsberechtigung auf ein Angebot nach § 13 Abs. 3 SGB VIII. Es liegt nahe, dass auch hier insbesondere bei Vermutungen eines Hilfebedarfs nach § 13 Abs. 1 SGB VIII die analoge Anwendung des Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII fachlich-diagnostisch angezeigt ist.Schwierig ist insbesondere die Abgrenzung der Tatbestandsfeststellung nach § 13 Abs. 3 SGB VIII zu den Erziehungshilfen einschließlich der besonderen Verselbstständigungshilfe nach § 41 SGB VIII für junge Volljährige. Grundsätzlich ist Ausgangspunkt einer fachlichen Abgrenzung dieser Jugendhilfeleistungen, dass Jugendsozialarbeit nicht ein Erziehungsdefizit zum Gegenstand hat. Auch deshalb steht bei § 13 Abs. 3 SGB VIII die berufsbedingte Unterbringung im Vordergrund. Wird gleichwohl ein erzieherischer Bedarf minderjähriger Personen im konkreten Einzelfall bejaht, so steht ein erzieherischer Bedarf im Vordergrund und besteht ein Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf Erziehungshilfe nach den §§ 27ff. SGB VIII, der nach § 27 Abs. 3 SGB VIII sozialpädagogisch begleitete Ausbildung und Beschäftigung junger Menschen und somit auch Sozialpädagogisches Jugendwohnen einschließt. Das Angebot des SpJW als erzieherische Hilfe ist eingebunden und reduziert auf die rechtlichen Voraussetzungen der §§ 27ff. SGB VIII, es ist aber im Übrigen eine offene sozialpädagogische Hilfe. Das bedeutet, dass die Ausgestaltung der sozialpädagogischen Begleitung des Wohnens mit dem jungen Menschen zu besprechen und an seinen Bedürfnissen und Problemen auszurichten ist.Die Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII soll entsprechend § 9 Nr. 2 SGB VIII den unterschiedlichen Lebensentwürfen und -bedingungen junger Menschen Rechnung tragen. Ausreichend ist daher, wenn durch die Volljährigenhilfe eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung unter Einbeziehung der individuellen Situation und dem jeweiligen Entwicklungsstand hin zu einer partiellen und sich entwickelnden eigenverantwortlichen Lebensführung möglich ist. Der junge Volljährige wirkt damit entscheidend bei der Definition des Tatbestandsmerkmals „Persönlichkeitsentwicklung“ mit. In einem subjektiven Aushandlungsprozess erhalten die Sichtweisen der Fachkraft mit ihren eigenen Werten und Vorstellungen und die individuelle, von seiner Biografie geprägte Sichtweise des jungen Volljährigen besonderes Gewicht. Da §41 SGB VIII nicht auf die Erfolgsaussicht der Hilfe abstellt, sondern nur auf die Notwendigkeit der Hilfe, ergibt sich daraus, dass die Hilfe, wenn sie notwendig ist, praktisch immer zu gewähren ist. Die unterste Grenze zum Einstieg in den Leistungsbereich der Jugendhilfe ist zumindest ein gewisser Veränderungswunsch, der selbstständig ohne sozialpädagogische Hilfe nicht zu bewerkstelligen ist. Die Einstellung der Volljährigenhilfe nach § 41 SGB VIII mit dem uj 5 (2010) 231 recht 18. Geburtstag des jungen Menschen kann materiell-rechtlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn die in § 41 SGB VIII genannten Voraussetzungen entfallen sind. Das Gesetz verlangt kein Mindestmaß an Mitwirkungsbereitschaft durch die Teilnahme des jungen Volljährigen an Schule, Ausbildung oder Therapie. Hinzu kommt, dass die „Weckung“ der Mitwirkungsbereitschaft gerade eine der Aufgaben der Jugendhilfe ist.Sind im Einzelfall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB VIII festgestellt, so ist als individuelle Leistungsberechtigung durch den öffentlichen Jugendhilfeträger sicherzustellen: • Ein dem individuell festgestellten Hilfebedarf adäquates sozialpädagogisch begleitetes Wohnangebot als Kann-Leistung also kein reines Wohnungsangebot. Münder (Münder u. a., FK-SGB VIII, § 13 Rz.15) definiert den sozialpädagogischen Anteil dieser Jugendhilfeleistung außerhalb der Erziehungshilfen mit sozialpädagogisch orientierten Bildungs- und Freizeitangeboten, schul- und berufsbezogenen Hilfen, individuellen lebenspraktischen Hilfen und Hilfen zur gesellschaftlichen Integration. Für die Beachtung des Fachkräfteprinzips nach den §§ 72, 74 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII bedeutet dies für die sozialpädagogische Aufgabenerfüllung des § 13 Abs. 3 SGB VIII, dass grundlegende sozialpädagogische Kompetenzen von den in diesem Arbeitsfeld tätigen Fachkräften nachzuweisen sind (z. B. Jugendhilfe-, Koordinations- und Kooperationskompetenz sowie diagnostische, methodische und beraterische Kompetenz). • Als weitere Folge dieses Angebotes und Annexleistung beinhaltet die Soll-Leistung des „notwendigen Unterhaltes“, dass zur Bestimmung des Unterhaltes der Maßstab des § 39 SGB VIII herangezogen und auf die angeglichenen Bezugsgrößen der Regelleistung nach dem SGB XII zurückgegriffen wird, die eine Pauschale für einmalige Leistungen einschließen. Ob der junge Mensch im SpJW den vollen Regelsatz erhält, hängt davon ab, ob er nach seiner Stellung im Haushalt die Generalunkosten trägt. • Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII (soweit im Einzelfall notwendig). Den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe obliegt im Rahmen ihrer Planungs- und Gesamtverantwortung gemäß §§ 79, 80 SGB VIII für die Erfüllung der Leistungen nach § 13 Abs. 3 SGB VIII Sorge zu tragen. Hieraus leitet sich die generelle Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers ab, im Bedarfsfalle auch Wohnangebote im Rahmen der Jugendsozialarbeit zur Unterstützung der beruflichen und sozialen Integration von jungen Menschen zu schaffen (vgl. § 17 Abs. 1 SGB I). Allerdings lässt der Gesetzgeber im Rahmen der Jugendsozialarbeit den örtlichen, öffentlichen Jugendhilfeträgern einen Ermessensspielraum hinsichtlich der bedarfsgerechten Planung der Leistungen nach § 13 Abs. 3 SGB VIII. Nach § 15 SGB VIII haben die Länder die Möglichkeit, konzeptionelle Ansätze zur inhaltlichen Ausgestaltung des Jugendwohnens zu fixieren sowie Rahmenbedingungen und Qualitätskriterien für die Schaffung von bedarfsgerechtem und bedürfnisorientiertem Jugendwohnen im Rahmen der Jugendsozialarbeit zu definieren. Jugendwohnen im Kontext des SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) Da mit dem sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnen regelmäßig im Einzelfall Aktivitäten der beruflichen Orientierung, 232 uj 5 (2010) recht Vorbereitung bzw. Ausbildung verknüpft sind, ist es für die Beratung junger Menschen im Vorfeld und während der Unterbringung im SpJW wichtig, die möglichen Eingliederungsleistungen der §§ 1616 g SGB II zu kennen. Soweit junge Menschen Leistungen nach dem SGB II (AlG II - Geldleistungen und/ oder Eingliederungsleistungen) erhalten, fragt sich, inwieweit sich dies auf die Leistungsgewährung des SpJW nach § 13 Abs. 3 SGB VIII auswirkt: • Nach den §§ 16 a, 17 SGB II könnte das SpJW im Einzelfall als Inhalt der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II vereinbart und nach den in § 16 a SGB II nicht abschließend aufgezählten Beratungs- und Betreuungsleistungen bewilligt werden. Der Schwerpunkt hierbei würde auf der Förderung der Eingliederung und nicht auf dem sozialpädagogischen Hilfebedarf liegen, bei dem § 13 SGB VIII in der Regel vorrangig zuständig wäre. SpJW bewilligt nach den §§ 16 a, 17 SGB II unterläge in diesem Fall dem Leistungsrecht des SGB II. Der Schwerpunkt dieser Variante der Leistungsbeschaffung liegt auf der Eingliederungsförderung, auf der flankierenden Sicherstellung des Wohnens, um dem betreffenden jungen Menschen die Bewältigung der beruflichen Anforderungen, insbesondere in einem Berufsausbildungsverhältnis, zu erleichtern (z. B. häusliche Belastungen in der Familie). Sollte dagegen der Schwerpunkt der Eingliederungshilfe für einen jungen Menschen im sozialpädagogischen Hilfebedarf liegen, ist die sachliche Zuständigkeit nach § 13 Abs. 3 SGB VIII vorrangig. • Nach § 13 Abs. 3 SGB VIII in Verknüpfung mit dem Erhalt von Arbeitslosengeld II (AlG II) nach § 19 SGB II werden junge Menschen mit erhöhtem sozialpädagogischen Hilfebedarf im SpJW untergebracht und sind gleichzeitig AlG II-Empfänger/ innen. In diesem Fall unterliegen sie sowohl den Leistungsbedingungen des § 13 Abs. 3 SGB VIII als auch denen des SGB II. Die Bestimmung des notwendigen Unterhalts bemisst sich nach § 13 Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 39 SGB VIII. Der öffentliche Jugendhilfeträger steht in der Rechtsverpflichtung, eine fehlende Differenz zum notwendigen Jugendhilfeunterhalt für den Fall zu zahlen, dass das AlG II nach den Regelungen des SGB II sanktionsrechtlich gekürzt werden sollte. • Nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit Instrumenten der Eingliederungshilfen nach dem SGB III kommt es zur Leistungserbringung nach § 16 Abs. 1 SGB II. Verschiedene, im SGB III enthaltene Leistungen werden zu solchen des SGB II. Eine Maßnahme der sozialpädagogischen Begleitung nach § 242 SGB III können lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende erhalten. Die Maßnahmekosten der sozialpädagogischen Begleitung können für die angemessenen Aufwendungen zur Durchführung der Maßnahme nach § 245 SGB III übernommen werden. Nach dieser Variante des Jugendwohnens als Eingliederungsförderung nach § 16 Abs. 1 SGB II bestimmen die rechtlichen Bedingungen des SGB II, nicht des SGB III den Rahmen des Leistungsangebotes. Ob die geförderten sozialpädagogischen Hilfen den Förderbedarf im Einzelfall abdecken, ist eine Frage der Hilfebedarfsfeststellung im Einzelfall; lassen diese Feststellungen einen ungedeckten sozialpädagogischen Hilfebedarf erkennen, so kann der zuständige öffentliche Jugendhilfeträger seinen Sicherstellungsauftrag nach § 13 Abs. 3 SGB VIII wahrnehmen und die geeiguj 5 (2010) 233 recht nete Unterbringung einschließlich des notwendigen Unterhaltes und gegebenenfalls Krankenhilfe gewährleisten. Wird nach § 13 Abs. 1 SGB VIII ein erhöhter sozialpädagogischer Unterstützungsbedarf im Einzelfall festgestellt, so soll der öffentliche Jugendhilfeträger im Regelfall sozialpädagogische Hilfe erbringen. Er ist, wenn Inhalt der sozialpädagogisch erforderlichen Hilfe „Jugendwohnen“ ist, dann auch verpflichtet, im Einzelfall den notwendigen Unterhalt und gegebenenfalls Krankenhilfe nach § 13 Abs. 3 SGB VIII sicherzustellen; dies folgt daraus, dass über die offene Rechtsfolge des Abs. 1 nicht die spezialgesetzliche Regelung des Abs. 3 umgangen werden soll. Die Novellierung des SGB II Auswirkungen auf das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen Die im Jahr 2006 in kurzer Zeitfolge in Kraft getretenen zwei Novellierungen des SGB II berühren das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen in besonderer Weise, weil neue gesetzliche Einschränkungen den Auszug junger Menschen bis zu ihrem 25. Geburtstag aus der elterlichen Wohnung beschränkten. Es handelt sich dabei um jene Personengruppe, für die das SGB VIII bei Bedarf besondere sozialpädagogische Hilfen zur Verselbstständigung anbietet (§§ 13, 41 SGB VIII). Hierbei geht es im Wesentlichen um persönliche und soziale Belastungen junger Volljähriger an der Schnittstelle zwischen SGB II und Jugendhilfe und um eine im Sinne des Jugendhilferechts angemessene Anwendungspraxis des (neuen) § 22 Abs. 2 a SGB II. Der Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V. (BRJ) hat deswegen im Auftrag der Stiftung Jugendmarke 2008/ 2009 die aus dem sog. Auszugsverbot des § 22 Abs. 2 a SGB II folgenden Anwendungsprobleme der Verselbstständigung junger Volljähriger an der Schnittstelle von Jobcentern und Jugendämtern analysiert sowie junge Volljährige mit Hilfebedarf und die beteiligten Institutionen beraten (Ergebnisse des Projektes können unter www.brj-berlin.de unter „Auszugsberatung für junge Volljährige“ abgerufen werden). Das „Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (1. SGB II-Änderungsgesetz) vom 24. 3. 2006 hat für erwerbslose junge Menschen, die volljährig und noch nicht 25 Jahre alt sind, durch ein sogenanntes Aus- und Umzugsverbot und die erweiterte Unterhaltsverpflichtung der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern(teile) die Lebensbedingungen erheblich und zumeist zusätzlich belastet. Damit wollte der Gesetzgeber dem angeblichen massenhaften Auszug junger Volljähriger zur Optimierung von AlG II-Ansprüchen begegnen (vgl. BT-Drs. 16/ 688, 15). Die Neuregelung des § 22 Abs. 2 a SGB II bedarf der rechtlichen Klärung der darin genannten unbestimmten Rechtsbegriffe und der Auswirkungen auf die §§ 13, 41 SGB VI II (vgl. Schruth: Zur Rechtsqualität des § 22 Abs. 2 a SGB II für junge Volljährige mit Verselbstständigungsbedarf unter www. brj-berlin.de sowie eine Kurzfassung des Rechtsgutachtens in ZKJ 2008, 360 - 367). Rechtsmethodisch sind dabei verschiedene Beweggründe des Gesetzgebers zu beachten: • Sinn und Zweck des 1. SGB II-Änderungsgesetzes war vor allem die in der Vereinbarung der Großen Koalition vorgegebene Einsparquote in den Bundessteuermitteln für (nichtkommunale) Leistungen des SGB II, die vorrangige familiäre Unterstützungsverpflichtung vor staatlichen Sozialleistungen sowie 234 uj 5 (2010) recht die Eindämmung des starken Zuwachses an Ein-Personen-Haushalten bei den Bedarfsgemeinschaften gewesen. Allerdings fehlen in der Gesetzesbegründung seriöse empirische Belege für die Behauptung des massenhaften Anstiegs der Single-Bedarfsgemeinschaften sowie für die erkennbaren Gründe der Teilung von Familien-Bedarfsgemeinschaften. Klargestellt wird mit dieser Begründung des Gesetzgebers, dass der Fokus der Novellierung auf der fiskalischen Kostenreduzierung liegt und nicht, wie es nach dem SGB II denkbar wäre, auf einer besseren Sicherstellung des Naturalunterhalts im Rahmen der Selbsthilfe nach § 2 SGB II. • Aus Sicht der betroffenen jungen erwerbslosen Erwachsenen hat erst die hohe Jugendarbeitslosigkeit dazu geführt, dass eine Verselbstständigung durch Ablösung und Auszug aus dem Haushalt der Eltern nur mit der Gewährleistung von Sozialleistungen des SGB II (früher BSHG) bzw. des SGB VIII finanzierbar war und ist. Diese Kosten der Verselbstständigung will der Sozialgesetzgeber nun nicht mehr tragen, indem er diese den Eltern dieser jungen Menschen aufbürdet. • Der Fokus der Gesetzesbegründung liegt auch nicht auf dem familienrechtlichen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601ff. BGB, mit dessen Inanspruchnahme der junge Volljährige seine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II beseitigen könnte. Nach dem SGB II beinhaltet der Begriff der Bedarfsgemeinschaft im Kontext der Hilfebedürftigkeit (§§ 7, 9 SGB II), dass Eltern mit ihrem Einkommen und Vermögen voll zum Unterhalt ihrer Kinder herangezogen werden. Die gesteigerte Unterhaltspflicht, die bisher nur gegenüber minderjährigen Kindern bzw. jungen Volljährigen bis 21 Jahren in Schulausbildung galt, wird mit der SGB II-Novelle auf alle jungen Volljährigen bis zum 25. Geburtstag ausgedehnt. Nach dem Unterhaltsrecht des BGB ist geregelt, dass Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern in der Regel nur „nicht-gesteigert“ unterhaltspflichtig sind, also nicht voll herangezogen werden können. Das BGB hat die „nicht-gesteigerte“ Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern auf junge Volljährige unter 25 Jahren beschränkt, die sich noch in beruflicher Erstausbildung befinden (§ 1610 Abs. 2 BGB). Dieser rechtspolitische Fortschritt wird jetzt als angeblicher „Missbrauch“ diskreditiert, um als Legitimation für vorgegebene Einsparquoten zu Lasten junger Volljähriger mit Verselbstständigungsbedarf herzuhalten. Damit schafft die SGB II-Novelle, neben den zumeist perspektivlosen Arbeitsgelegenheiten und den verschärften Sanktionsandrohungen, für diesen besonderen Personenkreis weitere besondere Unzumutbarkeiten und existenzielle Härten. Müssen junge Volljährige in der elterlichen Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II wohnen bleiben, obwohl die Familie mit ihrer Verselbstständigung nicht nur aus persönlichen Gründen des jungen Volljährigen kalkuliert hat, dann können sich Konfliktpotenziale verstärken, deren Bewältigung wesentlich zu den Aufgaben der Jugendhilfe zählt (vgl. §§ 13, 41 SGB VIII). Auswirkungen der Verhaftung junger Volljähriger in der familiären Bedarfsgemeinschaft können zum Beispiel sein: • daraus sich verschärfende familiendynamische Konflikte, • Existenzgefährdungen bei denjenigen jungen Volljährigen, die es zu Hause trotz des (materiellen) Auszugsverbots nicht länger aushalten und prekäre Bedingungen eines Lebens auf der Straße uj 5 (2010) 235 recht oder im Mitwohnen (bei Bekannten) notgedrungen vorziehen, • durch familiäre Konflikte bedingte schulische und ausbildungsbezogene Abbrüche, • zweifelhafte Auswege zur Begründung von Ausnahmen vom Auszugsverbot wie z. B. Schwangerschaften oder Scheinverheiratungen. Im Grenzbereich von sozialrechtlicher Einschränkung der materiellen Selbstständigkeit junger Volljähriger durch das SGB II einerseits und dem Gesetzesauftrag der persönlich-sozialen Verselbstständigungsförderung als Soll-Norm des § 41 SGB VIII andererseits leiten sich die Handlungsbedarfe der Jugendhilfe zunächst allgemein aus dem grundsätzlichen Auftrag des SGB VIII ab: Das nach § 1 Abs. 1 SGB VIII gesetzlich formulierte Recht junger Menschen auf Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten verlangt, dass die vom Jugendhilferecht angebotenen notwendigen Unterstützungen (auch) für junge Volljährige in und außerhalb von familiären Bedarfsgemeinschaften nicht durch das SGB II bei denen abgeschnitten werden, die auf diese Hilfen aus Gründen der sozialstaatlichen Einzelfallgerechtigkeit angewiesen sind. Für viele junge Volljährige mit Verselbstständigungsbedarf kann prognostiziert werden, dass sie wegen der ohnehin vorhandenen Probleme und Konflikte eine „räumliche Trennung“ von der Herkunftsfamilie (Bedarfsgemeinschaft des SGB II) benötigen, um eine Chance zur Verarbeitung dieser Probleme und Konflikte zu haben. Und es kann ferner prognostiziert werden, dass die Chancen zur Verarbeitung dieser Probleme und Konflikte junger Volljähriger in dem Maße steigen, wie ihnen von den beteiligten Sozialleistungsträgern eine dem jeweiligen Einzelfall entsprechende Unterstützung und Kooperation angeboten wird. Die Entwicklung der Zusammenarbeit der Jobcenter und der Jugendhilfe und deren Folgen sind bislang bis auf einzelne lokale Ausnahmen allerdings noch weitgehend offen. Literatur Münder, J. u. a., 5 2006: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe. Weinheim/ München Schruth, P./ Pütz, T., 2009: Jugendwohnen. Eine Einführung in die sozialrechtlichen Grundlagen, das Sozialverwaltungsverfahren und die Entgeltfinanzierung. Weinheim Schruth, P., 2008: Zur Rechtsqualität des § 22 Abs. 2 a SGB II für junge Volljährige mit Verselbstständigungsbedarf. www.brj-berlin.de, siehe auch Kurzfassung des Rechtsgutachtens in ZKJ, H. 9, S. 360 - 367 Die Autoren Prof. Dr. Peter Schruth Hochschule Magdeburg-Stendal FB Sozialwesen peter.schruth@hs-magdeburg.de Thomas Pütz Kaiserswerther Diakonie Düsseldorf puetz@kaiserswerther-diakonie.de
