unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2010.art19d
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2010
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Aktuelle Marktdaten zu Supervision und Coaching in Sozialer Arbeit
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2010
Jörg Fellermann
Doris Rosenkranz
Der Beitrag wirft einige Schlaglichter auf den aktuellen Markt von Supervision und Coaching und zeigt Aspekte ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit von heute auf. Grundlage ist eine standardisierte und anonyme schriftliche Befragung unter insgesamt 1.000 sozialwirtschaftlichen Organisationen und gewerblichen Unternehmen im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken aus dem Sommer 2008. Die Befragung erfolgte durch das Bamberger Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut MODUS, wurde gefördert mit Mitteln der Deutschen Gesellschaft für Supervision e.V. (DGSv) Köln und wissenschaftlich begleitet durch die Autorin. Die Untersuchung stellt eine Pilotstudie auf der Grundlage einer Zufallsstichprobe dar und erfüllt die Kriterien wissenschaftlicher Validität. Sie erzielte eine Rücklaufquote von 30%.
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170 uj 4 (2010) Unsere Jugend, 62. Jg., S. 170 -174 (2010), DOI 10.2378/ uj2010.art19d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel supervision Aktuelle Marktdaten zu Supervision und Coaching in Sozialer Arbeit Jörg Fellermann/ Doris Rosenkranz Der Beitrag wirft einige Schlaglichter auf den aktuellen Markt von Supervision und Coaching und zeigt Aspekte ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit von heute auf. Grundlage ist eine standardisierte und anonyme schriftliche Befragung unter insgesamt 1.000 sozialwirtschaftlichen Organisationen und gewerblichen Unternehmen im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken aus dem Sommer 2008. Die Befragung erfolgte durch das Bamberger Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut MODUS, wurde gefördert mit Mitteln der Deutschen Gesellschaft für Supervision e.V. (DGSv) Köln und wissenschaftlich begleitet durch die Autorin. 1 Die Untersuchung stellt eine Pilotstudie auf der Grundlage einer Zufallsstichprobe dar und erfüllt die Kriterien wissenschaftlicher Validität. Sie erzielte eine Rücklaufquote von 30 %. Supervision und Soziale Arbeit Die Soziale Arbeit ist das „Ursprungsland“ der Supervision, so formulierte es ein Fachartikel in der Zeitschrift „Sozialpädagogik“ aus dem Jahr 1991 in seinem Titel zutreffend (vgl. Weigand 1991, 104ff). Dieser Ursprung bezieht sich auf Unterschiedliches: Das Konzept der Supervision hat wesentlich seine Wurzeln in der Entstehungsphase professionalisierter Sozialer Arbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Nordamerika. Auch in Westdeutschland (zur Entwicklung der Supervision in der Deutschen Demokratischen Republik vgl. z. B. Busse/ Fellermann 1998) ist das Beratungskonzept seit den 1950er Jahren eng mit der Sozialen Arbeit und ihrer Professionalisierung (etwa in den Qualifizierungen für SozialarbeiterInnen) verbunden (vgl. Schwarzwälder 1990, 58ff). Bis heute kommen - trotz einer immer größer werdenden Vielfalt - zahlreiche BeraterInnen, die das Konzept der Supervision erlernen wollen, aus Bereichen sozialer, pädagogischer oder anderer Beziehungsberufe. Auch ein anderer Blick macht deutlich, wie prägend das „Ursprungsland“ nach wie vor ist: Für zahlreiche Organisationen und Unternehmen der Sozialwirtschaft stellt Supervision ein bewährtes Instrument der Qualitätsentwicklung sozialer, pädagogischer, helfender oder beratender Tätigkeiten dar; es ist in Konzepte integriert, in Leistungsbeschreibungen niedergelegt oder Teil von Aus- und Weiterbil- 1 Bei der Konzipierung der Studie haben Edmund Görtler (Institut MODUS) sowie Christel Baatz-Kolbe, Ulrich Penka, Norbert Scholz und Alois Zang (SupervisorInnen in Würzburg) verantwortlich mitgewirkt. Über die gesamte Untersuchung informiert auch eine Publikation der DGSv unter www.dgsv.de/ pdf/ Marktforschung.pdf (Zugriff vom 27. 08. 2009). uj 4 (2010) 171 supervision dungen. Der große Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (mit weit über 500.000 Mitarbeitenden) und der heterogene und gesellschaftlich mit besonderer Aufmerksamkeit verbundene Bereich der Schule setzen beispielsweise aus Erfahrung und/ oder aus Gründen wachsender Komplexität und Anforderungen auf die Inanspruchnahme von Supervision. Ablesbar ist dies u. a. an der hohen Aufmerksamkeit, die die Projekte der DGSv im Bereich „Supervision und Schule“ in Kultusbehörden und Weiterbildungsinstituten erzielen (vgl. www. dgsv.de/ pdf/ Tagungsdokumentation_Schu le.pdf, 27. 08. 2009), oder auch an den intensiven Eindrücken aus Großveranstaltungen wie etwa dem 13. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag 2008 in Essen sowie an Lagebeschreibungen aus der Arbeit des Deutschen Jugendinstituts e.V. (z. B. durch den Beitrag von Seckinger 2008, 43ff). Vor diesem Hintergrund stellt die hier beschriebene Marktanalyse ein Instrument dar, aktuelle Themen, Anlässe und Praxisbedingungen von Supervision zu erfassen und zu beschreiben, damit sowohl Anbietenden wie Nachfragenden neues Material zur Verfügung gestellt werden kann, um den Einsatz von Supervision in Organisationen optimieren zu können. Bedeutung von Supervision 58 % der Befragten geben an, in den letzten drei Jahren ihren MitarbeiterInnen - vor allem - Supervision als Unterstützungsinstrument angeboten zu haben. Über 80 % der Antwortenden geben auf die Frage, welche Funktion sie in der befragten Organisation einnehmen, „Geschäftsführung“ oder „Leitung“ an. Nimmt man die in größeren Organisationen speziell eingesetzten PersonalleiterInnen hinzu, so ergibt sich eine Quote von nahezu 95 %. Verbreitung und Anlässe Einrichtungen der psychosozialen Beratung (82 %) und der Jugendhilfe (87 %), aber auch Einrichtungen zur Hilfe für psychisch kranke (72 %) oder für behinderte Menschen (55 %) nehmen externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen weit mehr in Anspruch als etwa Schulen (31 %) oder vorschulische Einrichtungen (33 %). Diese Spanne ist umso bedeutsamer, als etwa in Beratungseinrichtungen nur 69 % der MitarbeiterInnen in direktem Kontakt zu KlientInnen stehen, in Schulen aber über 85 % der Mitarbeitenden direkt mit den SchülerInnen arbeiten. Gefragt, was den Einsatz von Supervision veranlasst, antwortet (bei Mehrfachnennung) nahezu die Hälfte aller Befragten, sie zur „Qualitätsentwicklung“ einzusetzen. Bei „Konflikten“ und zur „Weiterqualifikation“ von Mitarbeitenden wird Supervision ebenfalls noch zu jeweils etwa 40 % eingesetzt. Jörg Fellermann, M. A. Jg. 1955; seit 1997 Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Supervision e.V. (DGSv) in Köln Prof. Dr. Doris Rosenkranz Jg. 1965; seit 1998 Professorin für Sozialmanagement an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt 172 uj 4 (2010) supervision Ziele der Supervision 58 % aller Organisationen formulieren die „Kompetenzverbesserung“ der Mitarbeitenden als Ziel der Supervision, 46 % die „Klärung von Konflikten“. Auch die „Aufgaben- oder Rollenklärung“ ist noch für 41 % der Organisationen bedeutsam. Feststellen von Erfolgen Die Studie unternimmt den Versuch, Ziele und Erfolgskriterien zu erfragen, um die Diskussion zu Fragen des Nutzens von Supervision zu befördern. Auf das Ganze gesehen erfährt die Aussage, man stelle einen Erfolg fest, „wenn die MitarbeiterInnen eine Verbesserung der Zusammenarbeit erkennen“ (77 %), die höchste Zustimmung, gefolgt von der Einschätzung, dass ein Erfolg dann vorliege, „wenn das … Team … seine Fragestellung als geklärt“ betrachte (74 %). Wenn „ein Konflikt geklärt“ ist oder ein „Konfliktlösungsmodell auch angewendet“ wird, sehen noch 68 % rsp. 66 % die Supervision als erfolgreich an. Nur 18 % der Befragten führen nach eigenen Angaben „Erfolgskontrollen“ durch, nur 20 % der Befragten bejahen die Frage nach dem Vorliegen von Erfolgskriterien. Supervision als Vertrauenssache Bei der Frage, was sie bei der Auswahl von BeraterInnen leitet, weisen die Organisationen darauf hin, dass Beziehung und Kenntnis wesentliche Kategorien für die Beauftragung sind. So sagen 43 % der Befragten, sie müssten die BeraterInnen bereits kennen, die sie beauftragen, Empfehlungen aus dem eigenen Haus berücksichtigen 38 %, wo Auftraggeber- und Klientenrollen in einer Organisation aufgeteilt sind, ist die Einschätzung der Ratsuchenden für 37 % sehr bedeutsam. Auf Listen und Verzeichnisse (von Verbänden, Fachdiensten o. Ä.) greifen noch 15 % zurück, die Internetrecherche gewinnt offenkundig an Bedeutung, schon 17 % der Befragten geben an, dass sie das Internet bei der Auswahl zu Hilfe nehmen. Budgets Ein gutes Viertel aller befragten Organisationen (26,5 %) gibt 1.000 bis 3.000 Euro jährlich für Supervision aus, mehr also Abb. 1: Verfolgte Ziele Quelle: DGSv, MODUS 2008 uj 4 (2010) 173 supervision noch als jenes knappe Drittel, das bis zu 1.000 Euro ausgibt. Gut 14 % der Befragten geben zwischen 3.000 und 50.000 Euro jährlich für Beratung aus, von dieser letzten Gruppe liegt der größte Teil im Bereich zwischen 3.000 und 5.000 Euro. Investitionsziele Nahezu 77 % der Organisationen mit einem Budget von mehr als 3.000 Euro investieren das Geld zur Kompetenzverbesserung der Mitarbeitenden durch Supervision, in Häusern mit mittlerem Budget sind es 70 %, in Häusern mit kleinem Budget immer noch fast 55 %. Mittlere Budgets zwischen 1.000 und 3.000 jährlich werden zu 65 % für die Klärung von Konflikten investiert, große Budgets zu 54 %, kleine nur noch zu 43 %. Interessant ist, dass Organisationen mit mittlerem Budget doch immerhin zu 55 % bejahen, Supervision zur Verbesserung der Kooperation einzusetzen. Fazit Insgesamt zeigt die Studie ein geteiltes Bild: Einerseits wird deutlich, wie groß der Bedarf an Beratungsleistungen ist und wie stark diese Leistungen bereits genutzt werden. Das Management von Beratungsleistungen wird überwiegend im Bereich der Geschäftsführung und der Personalleitung angesiedelt. Zum anderen zeigt sich, dass die Auswahl von SupervisorInnen oder Coaches häufig nicht rein fachlichen Kriterien folgt, sondern über persönliche Kontakte realisiert wird. Beratung ist Vertrauenssache und damit für standardisierte Formen der Evaluation offensichtlich weniger zugänglich. Das beginnt sich allerdings zu ändern (vgl. z. B. DGSv 2008 und darin Oeffner, 34ff, die sich auf Mitarbeitende in Kindertagesstätten bezieht). Die komplexen Themen, die durch Beratung bearbeitet werden sollen, und der hohe Ressourceneinsatz verlangen Expertise sowohl bei Beratenden wie bei Auftraggebenden. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Unsicherheiten in der Beurteilung von Erträgen und Erfolgen in der Beratung betrachtet. Für pädagogische und sozialpädagogische Arbeitsbereiche (Frühkindliche Bildung, Kooperation Jugendhilfe/ Schule, Schule) lässt sich noch Entwicklungspotenzial bezüglich der Inanspruchnahme von Supervision ableiten. Gerade bei den enormen Bemühungen, in diesen Bereichen nachhaltig Qualität zu entwickeln (vgl. Wichmann 2009, 319ff), Abb. 2: Betrag pro Jahr für Supervision Quelle: DGSv, MODUS 2008 174 uj 4 (2010) supervision ist die Prüfung des Instruments Supervision zur reflexiven Begleitung von Entwicklungsprozessen zu erwägen. Literatur Busse, S./ Fellermann, J. (Hrsg.), 1998: Gemeinsam in der Differenz. Supervision im Osten. Münster Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. (Hrsg.), 2008: Der Nutzen von Supervision. Verzeichnis von Evaluationen und wissenschaftlichen Arbeiten. Kassel. Kostenfrei downloadbar unter www.upress.uni-kassel.de, 3. 9. 2009, ohne Seitenangabe Oeffner, S., 2008: Supervision - Ein Instrument der berufsbezogenen Kompetenzerweiterung. Eine Evaluationsstudie in einer Non-Profit- Organisation. In: Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. (Hrsg.), a. a. O., S. 34 Schwarzwälder, H., 1990: Sozialarbeit und Supervision - Versuch der Darstellung einer Entwicklung. In: supervision, 9. Jg., H. 18, S. 58 - 65 Seckinger, M., 2008: Supervision in der Kinder- und Jugendhilfe. In: supervision. Mensch - Arbeit - Organisation, 27. Jg., H. 2., S. 43 - 47 Weigand, W., 1991: Sozialarbeit - das Ursprungsland der Supervision. In: Sozialpädagogik. Zeitschrift für Mitarbeiter, 33. Jg., H. 5/ 6, S. 104 - 111 Wichmann, M., 2009: Impulse für Qualität - das Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“. In: Unsere Jugend, 61. Jg., H. 7/ 8, S. 319 - 328 Die AutorInnen Jörg Fellermann Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. Lütticher Straße 1 - 3 50674 Köln joergfellermann@dgsv.de Prof. Dr. Doris Rosenkranz Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt Münzstraße 12 97070 Würzburg doris.rosenkranz@fhws.de
