eJournals unsere jugend 62/7+8

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2010.art33d
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2010
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Die Ambulante Intensive Begleitung (AIB) - ein Ansatz einer ressourcenorientierten Jugendhilfe

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2010
Thomas Möbius
Willy Klawe
Die Nutzung von Ressourcen bzw. die Aktivierung von Netzwerken außerhalb des Kinder- und Jugendhilfesystems wird im Zuge der Verselbstständigung von Jugendlichen häufig vernachlässigt und befördert "Jugendhilfekarrieren". Die Ambulante Intensive Begleitung bietet ein methodisches Vorgehen, das kurzfristig und pragmatisch ausgerichtet aus der "Sackgasse Jugendhilfe" herausführt.
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uj 7 + 8 (2010) 311 Unsere Jugend, 62. Jg., S. 311 -316 (2010) DOI 10.2378/ uj2010.art33d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Die Ambulante Intensive Begleitung (AIB) - ein Ansatz einer ressourcenorientierten Jugendhilfe Thomas Möbius/ Willy Klawe Die Nutzung von Ressourcen bzw. die Aktivierung von Netzwerken außerhalb des Kinder- und Jugendhilfesystems wird im Zuge der Verselbstständigung von Jugendlichen häufig vernachlässigt und befördert „Jugendhilfekarrieren“. Die Ambulante Intensive Begleitung bietet ein methodisches Vorgehen, das kurzfristig und pragmatisch ausgerichtet aus der „Sackgasse Jugendhilfe“ herausführt. ambulante erziehungshilfen Vor ca. zehn Jahren wurde das Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis (isp) vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beauftragt, einen niederländischen Ansatz der Sozialarbeit in das deutsche Jugendhilfesystem zu übertragen und zu erproben. Der daraus für die deutsche Jugendhilfe entstandene Ansatz wird seither als Ambulante Intensive Begleitung (AIB) bezeichnet (vgl. Möbius/ Klawe 2003) und weiterhin in einigen der an der Erprobungsphase beteiligten Kommunen sowie in anderen Städten - zum Teil in leicht modifizierter Form - praktiziert. Ambulante Intensive Begleitung wurde ursprünglich als ein Angebot konzipiert, das von einem Jugendhilfeteam in einem bestimmten Quartier/ Stadtbereich oder auch Landkreis angeboten wird. Inzwischen haben sich in der Praxis unterschiedliche Umsetzungskonzepte für AIB in der Jugendhilfe wie auch der Jugendbildung entwickelt, die jedoch alle weiterhin auf die Essentials des AIB-Ansatzes Bezug nehmen, so wie sie in diesem Beitrag vorgestellt werden. Aktuell sind den Autoren Träger in Dortmund, Esslingen, Hamburg, Ibbenbüren, Nürnberg und Zürich bekannt, die in unterschiedlichen Konstellationen den Ansatz Ambulante Intensive Begleitung in ihre Hilfen integriert haben (Kontakte zu den Trägern können über das isp erfragt werden). Willy Klawe Jg. 1951; Diplom-Soziologe, Wiss. Mitarbeiter des isp, Arbeitsschwerpunkte: Evaluation von Projekten und Programmen der Jugendhilfe, Praxis-, Team- und Organisationsberatung, Konzeptionsentwicklung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dr. Thomas Möbius Jg. 1955; Diplom-Psychologe, Sonderpädagoge M. A., Geschäftsführer des isp, Arbeitsschwerpunkte: Praxisforschung, Evaluation und wissenschaftliche Begleitung von Projekten und Programmen 312 uj 7 + 8 (2010) ambulante erziehungshilfen D ie Jugendhilfe hat im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Angebotspalette entwickelt, die auch heute noch häufig in dem „System Jugendhilfe“ verbleibt und damit wenig auf die möglichen Ressourcen auch jenseits des professionellen Unterstützungssystems als Bestandteil der Hilfeplanung und -gestaltung baut. Die Frage nach der Gestaltung von dauerhaften stabilen Lebenssituationen von Jugendlichen kann dadurch nicht befriedigend beantwortet werden. Entsprechend schwierig gestalteten sich auch immer wieder die Übergänge von der Jugendhilfe zur Selbstständigkeit und damit die Lebensverläufe nach Beendigung der Hilfen zur Erziehung. Für viele Jugendlichen hat sich während der Hilfen nichts an ihrem sozialen Umfeld geändert und die nächste Krise - und Intervention seitens der Jugendhilfe - ist absehbar. Die von der Jugendhilfe selbst so vehement abgelehnte Entwicklung von „Jugendhilfekarrieren“ wird durch dieses Vorgehen eher befördert denn unterbrochen oder gar verhindert. Die Ambulante Intensive Begleitung bietet an dieser Stelle ein Konzept gekoppelt mit einem methodischen Vorgehen, das aus der „Sackgasse Jugendhilfe“ herausführt: Vom ersten Kontakt mit dem Jugendlichen an lenkt AIB im Rahmen einer zeitlich befristeten Intervention den Blick auf die Netzwerke und Ressourcen jenseits der Jugendhilfe und setzt sich zum Ziel, stabile Beziehungen in dem sozialen Umfeld der Jugendlichen zu aktivieren und langfristig nutzbar zu machen. Die Essentials des AIB-Ansatzes Die theoretischen Vorgaben wie auch das methodische Vorgehen der Ambulanten Intensiven Begleitung lassen sich kurz beschreiben. AIB ist ein Ansatz, in dem Elemente der Netzwerk- und Ressourcenarbeit und des Empowerments, der Gemeinwesenarbeit, der ambulanten Betreuung wie auch Ansätze systemisch orientierter Sozialarbeit und flexibler Hilfegestaltung einfließen. Das Konzept basiert dabei vor allem auf der Entwicklung und der Wirkung von sozialen Netzwerken: Das von den AIB-MitarbeiterInnen initiierte institutionelle Netzwerk und das individuelle Netzwerk der Jugendlichen werden zu einem Gesamtnetzwerk miteinander verwoben, das wiederum die notwendigen Unterstützungsleistungen im Einzelfall übernimmt. Das Innovative von AIB liegt in der Zusammenstellung der benutzten Instrumente, ihrer konsequenten Zentrierung auf ein Ziel und ihrer zeitlichen Befristung. Die Grundannahmen Die Grundannahmen der Ambulanten Intensiven Begleitung (AIB) lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen: Jugendliche mit auffälligem Verhalten unterschiedlicher Ausprägung haben häufig ihr ursprüngliches soziales Umfeld und die damit verbundenen unterstützenden Kontakte zum Teil oder vollständig verlassen. Das Fehlen dieses integrierenden und stabilisierenden Umfeldes kann wiederum auslösend für auffälliges Verhalten sein bzw. dieses verstärken. Die (Re-)Integration der Jugendlichen in ein Netzwerk positiv bewerteter Kontakte und damit die (Wieder)Herstellung eines stabilen sozialen Umfeldes kann daraus folgernd dazu beitragen, auffälliges Verhalten zu verhindern. Die Ziele von AIB AIB verfolgt das Ziel, Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld ohne weitere unterstützende Jugendhilfemaßnahmen zu stabilisieren und (weiteres) auffälliges Verhalten zu vermeiden. Die konkreten Ziele von AIB werden von den Jugendlichen zusamuj 7 + 8 (2010) 313 ambulante erziehungshilfen men mit den AIB-MitarbeiterInnen ausgehandelt. Im Mittelpunkt der Zielformulierung stehen die Lebenswelten der Jugendlichen, die vorhandenen und aktivierbaren Ressourcen sowie die in diesem Kontext realisierbaren Schritte. Die drei Phasen und die zeitliche Befristung Die Arbeit der AIB-MitarbeiterInnen mit den Jugendlichen gliedert sich in drei Phasen. In der Kontaktphase werden die Jugendlichen motiviert, das Angebot des AIB-Teams anzunehmen. Die Ressourcen und Problemfelder des Jugendlichen werden gemeinsam detailliert beschrieben und die drängenden und unmittelbaren Probleme des Jugendlichen (z. B. Wohnraum, Lebensunterhalt, Schuldenregulierung) angegangen. In dieser Phase werden gemeinsam mit dem Jugendlichen die ersten Unterstützungspartner identifiziert, die für das individuelle Netzwerk eine tragende Rolle spielen sollen. In der sich anschließenden Intensivphase unterstützen die AIB-MitarbeiterInnen die Jugendlichen beim Aufbau eines stabilen sozialen Umfeldes. Diese beiden Phasen zusammen sind in der Regel auf einen Zeitraum von drei Monaten befristet. Einige Träger bieten aktuell jedoch auch eine längere Intensivphase bis zu fünf Monate an. Die eigentliche Hilfe ist mit dem Abschluss der Intensivphase beendet. In einer Kontrollphase nehmen die MitarbeiterInnen in bestimmten Zeitabständen - zwei, sechs und zwölf Monate nach Beendigung der Intensivphase - wieder Kontakt zu den Jugendlichen auf, prüfen in Gesprächen, inwieweit das soziale Netzwerk der Jugendlichen trägt und geben kleine Hilfestellungen im Hinblick auf ergänzende Unterstützungspartner. Gegebenenfalls kann eine zweite Intensivphase vorgeschlagen werden. Die Arbeit mit dem institutionellen Netzwerk Die AIB-MitarbeiterInnen arbeiten mit einem Netzwerk professioneller HelferInnen aus den für den Jugendlichen wichtigen Institutionen (Ausbildung, Beruf, Wohnen, Justiz, Beratungsstellen, Freizeiteinrichtungen etc.) zusammen. Gemeinsam versuchen sie, in möglichst kurzer Zeit für die einzelnen Probleme der Jugendlichen „passende“ Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen. Gegenwarts- und Zukunftsorientierung Im Unterschied zu anderen Ansätzen in den Hilfen zur Erziehung verzichtet AIB weitgehend auf eine Aufarbeitung zurückliegender biografischer Erfahrungen. Im Fokus des Ansatzes stehen stattdessen die lösungsorientierte Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen des Alltags und die gemeinsame Entwicklung zukunftsfähiger Perspektiven. Dies ermöglicht gerade Jugendlichen mit langer Jugendhilfekarriere, gewohnte Rollen und Muster im Umgang mit der eigenen Biografie und dem professionellen Hilfesystem zu verlassen und neue Strategien zu erproben. Erkennen und Nutzen von Unterstützungsressourcen Ambulante Intensive Begleitung setzt nicht auf die Begleitung von individuellen Entwicklungsschritten und die Wirkung von Beziehungspädagogik, was im Rahmen dieses kurzzeitigen Ansatzes auch unrealistisch wäre. Stattdessen werden die Jugendlichen in die Lage versetzt, Unterstützungsressourcen in ihrem eigenen Umfeld zu erkennen und bei Bedarf auch in Zukunft zu nutzen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit künftigen (oder alten) 314 uj 7 + 8 (2010) ambulante erziehungshilfen Netzwerkpartnern, bei der lösungsorientierten Bearbeitung aktueller Alltagsprobleme und im intensiven Kontakt mit den MitarbeiterInnen des AIB-Teams finden auch - ursprünglich nicht intendierte - Lernprozesse statt, die das Selbstbild und die Handlungskompetenz entscheidend verändern. Stabilisierung auf zwei Ebenen Im Mittelpunkt von AIB steht das Bemühen um eine individuelle wie auch soziale Stabilisierung der Jugendlichen. Die Stabilisierung wird auf zwei Ebenen verfolgt: 1. Die Netzwerkarbeit: Die AIB-MitarbeiterInnen bauen während der Begleitung mit jedem Jugendlichen ein Netzwerk individueller und (semi-)professioneller HelferInnen wie Verwandten, (ehemalige) LehrerInnen, TrainerInnen aber auch Hausmeister oder AusbilderInnen auf. Wichtig ist, dass die Kontakte positiv von beiden Seiten wahrgenommen werden. Die NetzwerkpartnerInnen erklären sich bereit, den Jugendlichen über den dreimonatigen Begleitungszeitraum hinaus in Teilaspekten der Alltagsbewältigung zu unterstützen und AnsprechpartnerIn bei „privaten“ Problemen zu sein. 2. Die Lösungssuche: Die AIB-MitarbeiterInnen unterstützen die Jugendlichen bei der Lösung sozialer Konflikte im sozialen Umfeld und planen zusammen mit ihnen die Veränderung der Lebenslagen. Die dafür notwendigen Lösungsschritte werden mit den Jugendlichen individuell erarbeitet. Beide Aktionsebenen sollen im Verlauf der AIB zu einer Sicherung der existenziellen Lebensbedingungen führen. Das individuelle Netzwerk übernimmt im Anschluss an AIB die Funktion, diese Lebensbedingungen zu unterstützen. Intensität des Vorgehens Ambulante Intensive Begleitung ist eine (zeit)intensive Arbeitsform bei einer zeitlichen Befristung. Die Intensität wird realisiert durch: • Den hohen Zeitaufwand für die Jugendlichen und ihr soziales Umfeld. • Das möglichst tägliche Aufsuchen der Jugendlichen und der NetzwerkpartnerInnen in ihrem Umfeld. • Die zeitnahe Dokumentation der Fallarbeit und der Netzwerkaktivitäten. Hierfür wurde zu Beginn der Praxisphase ein EDV-Programm entwickelt, mit dessen Hilfe die einzelnen NetzwerkpartnerInnen und die gesetzten Ziele sowie die notwendigen Schritte und Aktivitäten detailliert dokumentiert werden konnten. Ergebnisse und Erfolge des implementierten Ansatzes In der AIB-Evaluationsstudie des Deutschen Jugendinstitutes (Hoops/ Permien 2003, 66) wird betont, dass bei „der Mehrzahl der Jugendlichen eine überschaubare zeitliche Begrenzung bei intensiver Begleitung aus verschiedenen Gründen sinnvoll (erscheint): • Ein Teil der Zielgruppe möchte sich nicht (erneut) auf eine längerfristige pädagogische Beziehung bzw. Maßnahme einlassen, sondern die jungen Menschen wünschen vor allem schnelle und konkrete Hilfe zur Bewältigung ihrer krisenhaften Lebenssituation. • Positiv wird von einem Teil der Jugendlichen auch gesehen, dass die Zeitbegrenzung sie (aber auch die AIB-Fachkräfte) zwingt, nichts auf ,die lange Bank‘ zu schieben bzw. ihnen ermöglicht, selbst aktiv und dadurch auch selbständig und selbstbewusster zu werden. • Belastende Krisensituationen können mit Hilfe von AIB schneller bewältigt werden als mit anderen Maßnahmen. Die Intensität der Begleitung kommt dabei vielen Jugenduj 7 + 8 (2010) 315 ambulante erziehungshilfen lichen sehr entgegen, weil sie ihnen ermöglicht - und sie motiviert -, die oft voneinander abhängigen Ziele (z. B. Wohnung und Existenzsicherung) parallel und dadurch ohne große Verzögerungen anzugehen, so dass die Jugendlichen ihre Krise schnell überwinden, sich schnell verselbständigen können.“ Als zentrale Ergebnisse einer nunmehr zehnjährigen AIB-Praxis in verschiedenen Teams, die mit dem AIB-Ansatz arbeiten, können folgende Ergebnisse zusammengefasst werden: • Die AIB-Phasen werden als Strukturierungshilfe und Orientierungsmöglichkeit für alle Beteiligten verstanden. Die in der Kontaktphase vereinbarten Entwicklungsschritte und Problemlösungen werden als Ziele gesehen, die im Verlauf der Phasen durchaus präzisiert und gegebenenfalls modifiziert werden können und müssen. • Die AIB-Phasenstruktur liefert den Jugendlichen und ihren AIB-BegleiterInnen somit einen zeitlichen Bezugsrahmen und organisatorischen Leitfaden, der durch seine Klarheit und Übersichtlichkeit zudem motivations- und vertrauensfördernd wirkt. Anfang und Ende der Begleitung sind klar definiert, der Übergang zwischen den Phasen hat einen formalen Charakter und macht dadurch Unterschiede und Veränderungen für beide Seiten deutlich. • Die AIB-Phasenstruktur fördert durch ihre vorgegebenen Zäsuren genaue und realistische Zieldefinitionen, regelmäßige Erfolgskontrollen und Auswertungen der erreichten Fortschritte, da die Zeitlimitierung ein „Vorgehen in kleinen, genau definierten Schritten“ notwendig macht. • In AIB wird der in anderen ambulanten Betreuungsformen vorhandene Beziehungsaspekt zwischen Jugendlichen und ihren Betreuer/ innen auf das für eine erfolgreiche, ergebnisorientierte und befristete Zusammenarbeit notwendige und unverzichtbare Maß reduziert. Grundlage für die gemeinsame Arbeit zwischen Jugendlichen und BegleiterInnen ist also das Veränderungsziel der KlientInnen, weniger der Beziehungsaufbau. Ambulante Intensive Begleitung in der aktuellen Jugendhilfelandschaft Mit AIB ist ein Ansatz in die Soziale Arbeit eingeführt worden, der sich Problemen, die im Kontext der Fortschreibung der Hilfen zur Erziehung auftreten, in mehrfacher Hinsicht stellt. Das zentrale Anliegen des AIB-Ansatzes ist es, Ressourcen- und Netzwerkorientierung wie auch eine zeitliche Befristung des Angebotes als Instrumente der Jugendhilfe einzusetzen. Gerade Netzwerk- und Ressourcenorientierung sind aktuelle Themen, die die Jugendhilfe zunehmend beschäftigen und in den letzten Jahren in fast jedem Konzept wieder zu finden sind, wenn es darum geht, Wege der zukünftigen Hilfegestaltung zu skizzieren (vgl. auch Möbius/ Friedrich 2010). AIB hat nach zehn Jahren umso mehr das Potenzial, als Einzelfallhilfe in aktuelle Konzepte eingebunden zu werden und zumindest einen Teil der bisher praktizierten, im Hinblick auf ressourcenorientiertes Handeln und Planen aber nicht mehr effektiven ambulanten Betreuungskonzepte zu ersetzen. Mit AIB können weiterhin in der Praxis mehrere Fragestellungen verfolgt werden. AIB war ursprünglich ein Ansatz, der unabhängig von Zielgruppenzugehörigkeit dann zum Zuge kam, wenn - unabhängig von der Problemlage - ein ressourcen- und netzwerkorientiertes Vorgehen vonseiten der professionellen HelferInnen als Erfolg versprechend eingeschätzt wurde. Inzwischen hat sich AIB aber auch als praktikables und effektives Clearing-Konzept erwiesen, um herauszufinden, welche sozialen und individuellen Ressourcen den Jugendlichen zur Verfügung stehen bzw. aktiviert werden müssen. Die Allgemeinen Sozialen Dienste der Jugendämter (ASD) als die zuweisenden Stellen stehen immer 316 uj 7 + 8 (2010) ambulante erziehungshilfen wieder vor dem Problem, im Einzelfall kurzfristig nicht entscheiden zu können, welche Maßnahme für Jugendliche die „Richtige“ ist - und dies gerade bei Jugendlichen, die schon mehrere Maßnahmen durchlaufen haben und nie „angebissen“ haben. Ein intensiver Klärungsprozess, der auch schon vor Ablauf der drei „AIB-Monate“ beendet sein kann, kann hier letztendlich zu dem gewünschten Ziel führen. AIB kann auch als „Transferangebot“ von der Jugendhilfe in ein soziales Umfeld jenseits der Institution genutzt werden und somit einen Beitrag zu der Forderung nach der qualifizierten Gestaltung von Übergängen liefern. Einige Jugendliche verbleiben u. E. immer wieder länger als notwendig in stationären wie auch ambulanten Betreuungen, weil ein Leben in Anschluss an die Jugendhilfe nicht gestaltet wird und gangbare Alternativen fehlen. Mit Hilfe von AIB können gerade auch junge Jugendliche aus stationären Einrichtungen frühzeitig in dem Prozess der möglichen (Re-)Integration in ein familiäres oder auch anders gestaltetes soziales Umfeld unterstützt werden. D ie Erfahrungen aus der AIB-Projektphase haben gezeigt, dass der Ansatz nicht nur ein Erfolg versprechender Methodenmix in der Sozialen Arbeit (vgl. auch Cassée 2010), sondern auch Resultat eines paradigmatischen Haltungswechsels ist. AIB konzentriert sich auf die Aktivierung von Ressourcen und Netzwerken zur Lösung anstehender Probleme zur langfristigen Stabilisierung und nicht auf die Wirkung von beziehungspädagogischen Prozessen als zentralem Instrument pädagogischen Handelns. Ein solcher Haltungswechsel aus einem langjährigen und tradierten professionellen Vorgehen heraus muss „begriffen“ und eingeübt werden, soll er denn zu den erhofften Erfolgen führen. Hierfür benötigen die Fachkräfte nicht nur eine gute Qualifizierung und die Überzeugung, auf dem „richtigen“ Weg zu sein, sondern auch (Zeit-)Ressourcen, um nicht wieder in ein altes Fahrwasser der traditionellen Hilfen zur Erziehung zu geraten. Literatur Cassée, K., 2010: Kompetenzorientierung. Bern, Stuttgart, Wien Hoops, S./ Permien, H., 2003: Evaluation des Pilotprojektes Ambulante Intensive Begleitung (AIB), DJI. München Möbius, T./ Friedrich, S. (Hrsg.), 2010: Ressourcenorientiert Arbeiten. Wiesbaden Möbius, T., 2003: Die Ambulante Intensive Begleitung im Kontext Sozialer Arbeit. In: Möbius, T./ Klawe, W. (Hrsg.), a. a. O., S. 16 - 71 Möbius, T./ Klawe, W. (Hrsg.), 2003: AIB - Ambulante Intensive Begleitung - Handbuch für eine innovative Praxis in der Jugendhilfe. Weinheim und Basel Die Autoren Willy Klawe Dr. Thomas Möbius Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis (isp) Horner Weg 170 22111 Hamburg moebius.isp@rauheshaus.de klawe.isp@rauheshaus.de