unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2011.art46d
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2011
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Tageseinrichtungen für Kinder leiten. Ein Anforderungsprofil
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2011
Jens Christian Möller
Esta Schlenther-Möller
Leiten und Führen von sozialen Organisationen ist eine komplexe Aufgabe. Dies trifft in zunehmendem Maße insbesondere auf Tageseinrichtungen für Kinder zu. Die Ursachen sind unseres Erachtens vielschichtig.
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413 unsere jugend, 63. Jg., S. 413 - 422 (2011) DOI 10.2378/ uj2011.art46d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Tageseinrichtungen für Kinder leiten Ein Anforderungsprofil Leiten und Führen von sozialen Organisationen ist eine komplexe Aufgabe. Dies trifft in zunehmendem Maße insbesondere auf Tageseinrichtungen für Kinder zu. Die Ursachen sind unseres Erachtens vielschichtig. Die gestiegene Wertigkeit frühkindlicher Bildung in unserer Gesellschaft, die gewachsene Komplexität der Aufgaben, die Erwartungen unterschiedlicher Gruppen/ Institutionen an die Kindertageseinrichtungen sind nur einige der Aspekte, die die Leitung einer Kindertageseinrichtung zu einer sehr anspruchsvollen Tätigkeit werden lassen. Im Ungleichgewicht hierzu stehen die immer noch bescheidenen Rahmenbedingungen (große Gruppen, relativ ungünstige Arbeitsbedingungen, geringer Status), unter denen sich Leitungshandeln bewähren muss. von Jens Christian Möller Jg. 1949; Studium der Sozialpädagogik, Sozialamtsrat, freiberuflicher Dozent im Bereich der frühkindlichen Bildung Esta Schlenther-Möller Jg. 1959; Supervisorin, Geschäftsführerin und Bildungsreferentin des Instituts für Bildung und Beratung Stadthagen GmbH Leitungshandeln ist für uns im positiven Sinn Führungshandeln. Weitgehend werden wir im Beitrag die Begriffe„Leiten“ und„Führen“ daher auch synonym verwenden. Nach Wunderer/ Grunwald (1980) verstehen wir unter Führung die zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in/ mit einer strukturierten Arbeitssituation. Leitungshandeln ist vielgestaltig und prozesshaft. Aber es beinhaltet auch, dass in den jeweiligen Organisationen Einfluss und Macht ungleich verteilt sind. Unter dem Aspekt „Leiten/ Führen“ erscheinen uns u. a. die folgenden Punkte besonders wichtig: Leitungsrolle, Teamentwicklung, Kommunikation und Konfliktmanagement. Die Leitungsrolle Rollen sind ein Bündel von Erwartungen, die Menschen an sich selbst richten oder die an sie z. B. als InhaberInnen eines bestimmten Arbeitsplatzes gerichtet sind. Solche Erwartungen richten sich an die Position, jedoch nicht an die Person des/ der LeiterIn. Die Rolle bezeichnet hier also die Position des/ der KindergartenleiterIn (ggf. der StellvertreterIn) und die damit verknüpften Erwartungen, die an diese Rollenposition gerichtet sind. Die unterschiedlichen Erwartungen lassen sich in Gruppen einteilen, wie das nachstehende Schaubild verdeutlicht. 414 uj 10 | 2011 Kita-Management Die Übernahme der Leitung einer Kindertagesstätte bedeutet, zu den vorhandenen, bisher ausgefüllten Rollen eine neue Rolle zu übernehmen, die sich z. B. in ihrer hierarchischen Ausgestaltung u. U. gravierend von den bisherigen Rollen unterscheidet. Leitung bedeutet also ➤ die Übernahme einer neuen Rollenposition und ➤ eine kritische Auseinandersetzung mit fremden und eigenen Erwartungen an die Leitungsrolle. Gewohnheiten, Normen, Regeln, Vorschriften, Gesetze Konzeptionelle Vorgaben Leitungskolleginnen Eigene Familie Träger/ Vorgesetzte Externe Stellen (Schule, Kirche, Behörde, Presse etc.) Fachdienste, Gremien, Ausschüsse Betriebs-/ Personalrat Unterstellte Mitarbeiterinnen Rollenerwartungen an die KiTa-Leitung durch … Abb. 1 Team- Moderatorin Bedürftiges „Selbst“ Antreiberin Fürsorgende „Mutter“ Organisatorin Kollegin Das „Innere Team“ Abb. 2 415 uj 10 | 2011 Kita-Management Hilfreich kann die Betrachtung des eigenen„inneren Teams“, also der in dem/ der KiTa-LeiterIn als Leitungspersönlichkeit selbst agierenden Rollen und Interessen, sein. Wenn man seinen Standpunkt als LeiterIn einer sozialen Einrichtung finden will, so setzt das, voraussichtlich mehr als in anderen Berufsfeldern, eine Auseinandersetzung mit sich selbst voraus. Betrachtet man ein „inneres Team“ so könnten durchaus unterschiedliche Rollen/ Interessen um ihren Platz kämpfen. Die Auseinandersetzung mit dem „inneren Team“ ist für die Leitungskraft von besonderer Bedeutung. Insbesondere dann, wenn sie/ er als „KollegIn“ aus einem bestehenden Team heraus eine Führungsrolle übernommen hat oder wenn die/ der KiTa-LeiterIn nicht nur übergeordnete Führungskraft, sondern auch noch in die pädagogische Arbeit einer KiTa-Gruppe integriert ist. Wenn man Rollen in Organisationen betrachtet, so wird deutlich, dass sie relativ strukturiert und in der Regel auch hinreichend formalisiert sind. Hinzu kommt, dass Leitungsrollen auch stark spezialisiert und durch ihren hierarchischen Charakter auch gegenüber anderen Rollen stärker abgegrenzt sind. Leitungskonzepte Es gibt unterschiedliche Konzepte von Leitung. Sie sind erkennbar in verschiedenen Vorgesetztenrollen. Sie reichen von der Rolle „PartnerIn“ über ein Verständnis als „BeraterIn“, „Coach“ oder „Fachfrau/ mann“ bis hin zu „KoordinatorIn“. Sie stehen alle in einem gewissen Gegensatz zum eigentlichen hierarchischen Charakter der Leitungsrolle. Vielleicht ist es eine Besonderheit sozialer Organisationen, dass die Rolle „ChefIn“ (zumindest von den RolleninhaberInnen selbst) erst einmal nicht selten als ungewohnt und eher misstrauisch betrachtet wird. Zu vermuten ist, dass dies auf ein gravierendes Thema in sozialen Organisationen hinweist - den Umgang mit und die Akzeptanz von Macht. Wesentliche Aspekte der Leitungstätigkeit sind allerdings gerade die Übernahme von Verantwortung sowie Klarheit und Transparenz in der Vorgesetztenrolle. Unklarheit in der Leitungsrolle führt dazu, dass sich MitarbeiterInnen nicht mit der von der/ dem KiTa-LeiterIn interpretierten Leitungsrolle identifizieren können und den eigenen verbliebenen Freiraum darüber hinaus auch nicht einschätzen können. Gefahren für eine klare Leitungspositionierung können zum Beispiel darin liegen, ➤ dass der/ die KiTa-LeiterIn den Kollegenstatus hervorhebt, ➤ dass sie vermeidet, Grenzen zu setzen, wenn MitarbeiterInnen Arbeitsaufträge ignorieren oder konterkarieren, ➤ dass sie nicht ihre Absichten formuliert oder keine Forderungen stellt, z. B. in Dienstbesprechungen nicht klar trennt zwischen den Punkten, die diskutierbar sind, und denen, zu denen sie als Leitungskraft bereits eine Einstellung (Entscheidung) hat. Dies führt häufig zu Diskussionen mit manipulativem Charakter und Arbeitssitzungen, bei denen Entscheidungen immer wieder vertagt werden. ➤ dass der/ die KiTa-LeiterIn die Rolle als FührungsmitarbeiterIn des Trägers leugnet - z. B. wenn sie gegen „die da oben“ Stellung bezieht, Verantwortung auf den Träger verschiebt - „XY hat das entschieden“ - oder ihre Rolle unmittelbar leugnet - „ich bin in der gleichen Position wie alle hier …“ Wichtige Punkte für ein gutes Leitungsverhalten sind eine ➤ klare Grenzsetzung, ➤ klare Formulierung eigener Absichten, ➤ klare Formulierung eigener Forderungen, ➤ deutliche Bejahung der eigenen Macht und der eigenen Rolle, 416 uj 10 | 2011 Kita-Management ➤ positive Einstellung zur Rolle als Kindergarten-Leitung, ➤ Freude am Leiten einer Kindertageseinrichtung. Mit solchen Resultaten einer Auseinandersetzung mit der Leitungsrolle wird Orientierung für die MitarbeiterInnen möglich. Die Leitungsrolle wird transparent und die Positionierung der eigenen Rolle für MitarbeiterInnen möglich. Durch Eindeutigkeit und Transparenz wird die Leitungsrolle einsichtiger wahrgenommen. Die Einhaltung und Begrenzung von Freiräumen der MitarbeiterInnen kann mit positiven bzw. negativen Sanktionen klar durch die/ den KiTa-LeiterIn abgesichert werden. Ein Leitungscoaching, vor oder gleich bei Übernahme einer Leitungsfunktion, wäre zur Klärung in diesem Zusammenhang hilfreich und sinnvoll. Teamentwicklung Der Begriff „Team“ hat in der Tageseinrichtung für Kinder bzw. im Kindergarten schon fast mystische Bedeutung und ist in den letzten Jahren zu einem Schlüsselbegriff schlechthin geworden. Dies ist umso erstaunlicher, als es über den Begriff„Team“ kein klares und einheitliches Verständnis gibt. Die geradezu inflationäre Verwendung des Begriffs führt so zu einigen Missverständnissen. Er kann auf zwei Varianten reduziert werden und wird damit klarer: Erstens steht Team als Arbeitsbegriff für eine kleingruppenorientierte Organisationsform (z. B. ein viergruppiger Kindergarten besteht aus vier Erzieherteams, die in vier Kindergruppen arbeiten) oder für die Gesamtheit der (pädagogischen) MitarbeiterInnen einer KiTa; zweitens steht Team als Arbeitsbegriff für einen Arbeitsstil mit besonderen Merkmalen. Auf der Ebene „Leistung“ bezieht sich der Vorteil eines größeren Teams auf den „Synergieaspekt“ (2 + 2 = 5). Beim Begriff „Dynamik“ liegt der Vorteil in der gegenseitigen Wertschätzung und dem damit verbundenen Ansporn. Ferner gehört zu einem erfolgreichen Team der „Zielaspekt“. Gemeint hiermit ist die Kenntnis über ein gemeinsames Ziel und die Unterordnung persönlicher Ziele unter diesen Zielaspekt. Der Aspekt „Struktur“ kennzeichnet die optimale Zusammensetzung des Teams. Arbeitsstil und Organisation sind im Team geregelt, die Rollen- und Aufgabenverteilungen werden bzw. sind auf der Sachebene geklärt. Ebenso wichtig ist die Beziehungsebene, das Gruppenklima. Hier geht es um Wir-Gefühl, gegenseitige Unterstützung, Rücksichtnahme und Förderung, eben um den so sprichwörtlichen Teamgeist. Eine Aufgabe der KiTa-Leitung läge demnach darin, bei der Teamzusammensetzung und Weiterentwicklung des KiTa-Teams diese Aspekte im Blick zu behalten. Die Größe des Teams Was die Teamgröße betrifft, so bestehen Dilemmata, die der/ die KiTa-LeiterIn beachten und ausbalancieren muss: Je größer ein Team ist, desto mehr Ressourcen stehen zur Verfügung. Auf Kontakte, Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vieler Teammitglieder kann zurückgegriffen werden, mögliche Fehler können eher ausgeglichen werden, die Kreativität steigt bei größeren Teams - allerdings sind große Gruppen anfälliger für Konflikte, die Motivation der einzelnen Mitglieder ist unterschiedlicher, die Tendenz zu nicht akzeptablen Verhaltensweisen steigt ebenso wie die Gefahr der Bildung von Subgruppen. Daneben wird die Interaktion der „Team“-Mitglieder vielfältiger, ggf. mit der Folge von Leistungsminderung. Letztlich können neben dem Koordinationsaufwand auch unter Umständen die Anforderungen an das Konfliktmanagement der Leitung steigen. Hinzu kommt, dass große „Teams“ weniger leistungsorientiert ausgerichtet sind. Leiten von großen Kindertageseinrichtungen bedeutet daher auch, funktionierende „Kleinbzw. Gruppenteams“ zusammenzustellen und die Kommunikation zwischen diesen Gruppenteams befriedigend sicherzustellen. 417 uj 10 | 2011 Kita-Management Beziehungsbedürfnisse und Leistungsziele Als wichtig angesehen werden kann die Herstellung von Ausgewogenheit in Hinblick auf Kohäsion (innerer Zusammenhalt einer Gruppe) und Lokomotion (Aufgabenerfüllung und Zielerreichung). Mit Kohäsion rückt der Beziehungsaspekt gleichwertig (neben dem Sachaspekt) ins Blickfeld. Hier geht es vor allem um das Organisations- und Teamklima. MitarbeiterInnen haben ausreichend Möglichkeit zur Kommunikation und entwickeln ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie fühlen sich wohl als Mitglied des Kindergartens, arbeiten dort gerne und sind gegenseitig anerkannt. Ein Team ist auf Dauer jedoch nur dann erfolgreich, wenn neben der Erfüllung der Beziehungsbedürfnisse auch angemessene Leistungsziele bestehen. Lokomotion meint den Aspekt der Erreichung der Gruppenziele, die für die Motivation von Gruppenmitgliedern (MitarbeiterInnen) notwendig sind. Die Leitungsaufgabe besteht darin, diese beiden Aspekte von Kohäsion und Lokomotion in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Flache Hierarchien Die Aufgaben als LeiterIn einer Kindertageseinrichtung sind kaum zu bewältigen, wenn ein hierarchisches Bild vor Augen steht. Führung bedeutet eben nicht, „alles in den Griff zu bekommen“, sondern die Gruppen-Teams Beziehungs-Aspekt Aufrechterhaltung/ Herbeiführung von Beziehung Förderung von Zusammengehörigkeit Sach-Aspekt Ereichung der Gruppenziele Motivieren von Gruppenmitgliedern Kohäsion Lokomotion 2 Aspekte von Führung Abb. 3 418 uj 10 | 2011 Kita-Management eigenverantwortlich und flexibel arbeiten zu lassen. Dabei hat die KiTa-Leitung zwar weiterhin klar definierte Leitungskompetenzen. Das Verständnis von Leitung und auch die Ausrichtung der Leitungstätigkeit (nach innen) haben sich allerdings gewandelt. Betont werden stärker die Aspekte „Management einer sozialen Organisation“ und „Mitarbeiterführung durch Coaching und Konfliktmanagement“. Das Hauptaugenmerk der Leitungstätigkeit liegt in der Unterstützung der eigenverantwortlichen Teams in verschiedener Hinsicht, z. B durch: ➤ Coaching der jeweiligen Teams bei Erreichung der vereinbarten Ziele, ➤ Mediation/ Konfliktberatung bei Störungen der Zusammenarbeit untereinander bzw. bei Konflikten mit Eltern oder Außenstehenden, ➤ Moderation von Fallbesprechungen, ➤ Abstecken des Rahmens, in dem die eigenverantwortlichen Teams agieren können, ➤ Konzeptionsentwicklung und -fortschreibung. Die Organisationsumwelt Neben den oben genannten - eher auf die Teammitglieder bezogenen - Aspekten der Teamentwicklung kommt die Organisationsumwelt als ein weiterer wichtiger Faktor für eine gute Teamentwicklung hinzu. Auf die zunehmende Bedeutung von flachen Hierarchien und Spielräumen für eigene Entscheidungen der KiTa-Teams wurde soeben eingegangen. Zur Organisationsumwelt gehören auch die Gestaltung des Anreizsystems und eines guten Feedback-Systems sowie eine für die Beteiligten interessante Aufgabenstellung. KiTa-LeiterInnen haben in der Regel kaum Einfluss auf die obligatorischen materiellen Anreizsysteme (Festgehalt, Sozialleistungen, Nebenleistungen wie Dienstwagen, Reisekosten etc.). In den vergangenen Jahren ist jedoch die Anzahl der Kindertageseinrichtungen gestiegen, die variable Gehaltsanteile in Form von leistungsorientierter Bezahlung (LOB) eingeführt haben. Dazu wäre die Vereinbarung von Leistungszielen im Rahmen von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen erforderlich. Aus dem Blickwinkel der Leistungsförderung ist diese Art der individuellen Anreizsysteme eher als ineffektiv einzustufen. Selbstverständlich gibt es herausragende individuelle Leistungen, insgesamt gesehen ist KiTa-Pädagogik jedoch eher eine kollektive Leistung. Aus dieser Sicht sollte der Schwerpunkt der KiTa-Leitung in der Gestaltung der (eher kollektiv wirksamen) immateriellen Anreize liegen. Immaterielle Anreizsysteme fördern zudem intrinsische Motivation und sind durch die KiTa-Leitung beeinflussbarer. Die Schwerpunkte liegen in der aktiven Gestaltung des Personalsystems (z. B. guter Kollegenkreis, angemessene Arbeitszeitgestaltung, Möglichkeit der Weiterbildung), des Organisationssystems der KiTa (Übereinstimmung von Aufgaben bzw. Anforderung einerseits und Fähigkeiten und Möglichkeiten der MitarbeiterInnen andererseits, Möglichkeit der Projektarbeit, Einfluss ausüben können) und in der Kindergartenkultur (Arbeitgeber mit positivem Image, Arbeitsplatzsicherheit, attraktiver KiTa-Standort, das Erleben von Leistung und Selbstwirksamkeit). Kommunikation als Leitungsaufgabe Kommunikation ist ein fundamentaler Bestandteil von Leitung. Als KiTa-LeiterIn besteht ein nicht unerheblicher Teil der Arbeit in der persönlichen Vermittlung von Inhalten und Anliegen sowie darin, dass andere (z. B. MitarbeiterInnen, der eigene Träger, Eltern, Kinder, Politik) ihre Themen, Probleme und Anliegen gut kommunizieren können. Hinzu kommt der Anteil der Kommunikation am Konfliktmanagement. Einerseits zielt die Kommunikation nach innen, andererseits ist es in erster Linie die KiTa-Leitung, die für die Kommunikation nach außen zuständig ist (ausgenommen sind hier die Eltern der betreuten Kinder, denen der überwiegende Anteil der Kommunikation auf die ErzieherInnen der KiTa zufällt). 419 uj 10 | 2011 Kita-Management Gute Kommunikation entsteht nicht spontan, es ist auch nicht „Talent“ nötig. Entscheidend sind klare Strukturen und das Beherzigen einiger Regeln. Obwohl die Gespräche je nach TeilnehmerIn (Mitarbeitergespräche, Elterngespräche) oder nach Inhalten (Beratungsgespräch, Konflikt- oder Beschwerdegespräch, Informationsgespräch) sehr unterschiedlich sind, haben sie doch eine ähnliche Grundstruktur, und es sind auch ähnliche Grundlagen zu beachten. LeiterInnen überprüfen die Kommunikationsstruktur in ihrem Kindergarten daraufhin, ob sie einen „Geh-Charakter“ haben, dass heißt aktiv gestaltet sind. So können sie ➤ frühzeitig möglicherweise auftretende Probleme erkennen, ➤ den Betroffenen gegenüber Interesse signalisieren, ➤ mehr Nähe, Vertrautheit und mehr Sicherheit schaffen, ➤ die Bedürfnislagen erkennen und die sich entwickelnden Bedarfe frühzeitig und unmittelbar von den Betroffenen erfahren. Für eine gute Kommunikation nach innen waren bereits die Einführung flacher Hierarchien als wichtiger Faktor sowie die Bedeutung der Befriedigung informeller Gesprächs- und Kontaktmöglichkeiten (zum Beispiel durch die Entwicklung und Förderung eines guten Betriebsklimas) genannt. Daneben ist die Herausbildung angemessener und effektiver formaler Austauschmöglichkeiten durch die/ den KiTa-LeiterIn notwendig. Auf der individuellen Ebene heißt das, ein regelmäßiges Feedback-System in Form von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen zu installieren, mit mindestens jährlich wiederkehrenden, vorbereiteten Gesprächen. Die Ziele, die mit der Einführung von Mitarbeitergesprächen verfolgt werden sollen, liegen in der Förderung von Motivation, der Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, der Verbesserung der Organisationskultur, der Leistungsverbesserung und Fehlerminimierung sowie der Verbesserung der Kommunikation zwischen MitarbeiterIn und KiTa-Leitung. Auf der kollektiven Ebene bedeutet es die Einführung von strukturierten, regelmäßigen Mitarbeiterbesprechungen auf der Gesamt-KiTa- Ebene, je nach KiTa-Größe auch auf Subebenen (Hort, Krippe, Ganztagsgruppen, Vormittagsgruppen, Fachdienste, Projektgruppe Schulübergang, Projektgruppe Inklusion, Fachdienst Familienzentrum etc.) oder als morgendlicher Jour Fix (z. B. täglicher Kurztreff von10 - 15 Minuten zur Tagesabklärung). Zu den klar und nachdrücklich formulierten Kommunikationsregeln gehört, dass Informiert-Sein eine Holpflicht, Informieren eine Bringpflicht ist. Das bedeutet, wer Informationen erhalten hat, stellt diese kurzfristig und erreichbar zur Verfügung (Mitarbeiterfächer, Pinnwand, Ordner im PC etc.). Wer Informationen benötigt, kann sie dort selbst abrufen oder bei Notwendigkeit persönlich nachfragen. Jede/ r MitarbeiterIn ist für seinen/ ihren aktuellen Informationsstand selbst verantwortlich. Gespräche und Besprechungen sind im beruflichen Kontext in der Regel keine Spontanaktionen. Sie sollten gut vorbereitet sein. Für Besprechungen existiert eine klare Tagesordnung, sie dauern keinesfalls über 90 Minuten, der Arbeitscharakter bleibt gewahrt (keine Vermischung mit persönlichen Aktivitäten wie Geburtstagskuchen, Frühstück oder dergleichen mehr), es gibt schriftliche Einladungen zwei bis drei Tage vorher, es bestehen angemessene Sitz- und Visualisierungsmöglichkeiten. Das Leiten von Team-/ Mitarbeiterbzw. Dienstbesprechungen auf der Gesamt-KiTa-Ebene ist eine anspruchsvolle Leitungsaufgabe. Pseudo- Lerneffekte von MitarbeiterInnen durch eine rotierende Besprechungsleitung sind zu vermeiden. 420 uj 10 | 2011 Kita-Management Vor oder nach der Besprechung kann die informelle Gesprächskultur im Kindergarten gefördert werden, wenn die KiTa-Leitung den MitarbeiterInnen einen ausreichenden Rahmen zum informellen Austausch zur Verfügung stellt. Konfliktmanagement als Leitungsaufgabe Die meisten Arbeitsprozesse in der KiTa sind durch Aktivitäten der Beteiligten begleitet, die die Befriedigung individueller oder auch Gruppeninteressen zum Ziel haben. Das ist so lange nicht problematisch, wie die Eigeninteressen nicht so stark ausgeprägt sind, dass sie die Gesamtinteressen der KiTa beeinträchtigen. Da verschieden gerichtete (teils gegensätzliche) Interessen, Bedürfnisse, Motive, Meinungen oder Verhaltensweisen aufeinander treffen, führt diese Situation unausweichlich auch zu verschiedenen Konflikten. Insofern ist Konfliktfreiheit eine Illusion, ein nicht erreichbarer (und wohl auch nicht zu wünschender) Zustand. Ein Konflikt liegt vor, wenn zwei Elemente untereinander gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind. Konfliktreaktionen erfolgen nicht nach objektiven Einschätzungen, sondern es ist von Bedeutung, wie eine Konfliktpartei den Konflikt subjektiv wahrnimmt. Man kann Konflikte grundsätzlich in intrapersonale und interpersonale einteilen. Unter einem intrapersonalen Konflikt versteht man einen Konflikt zwischen verschiedenen Strebungen innerhalb derselben Person. Die bekannteste Einteilung intrapersonaler Konflikte stammt von Kurt Lewin. Er unterscheidet: ➤ Annäherungs-Annäherungs-Konflikt, bei dem die Person zwischen zwei Zielen steht (z. B. Karriereausbau versus mehr Freizeit und privaten Freiraum), die sie für gleich wertvoll hält, aber nicht gleichzeitig anstreben/ erreichen kann, ➤ Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt, bei dem die Person zwischen zwei Gegebenheiten entscheiden muss (z. B. Einsparungen im Gesamthaushalt der KiTa versus Gruppenschließung), die sie beide als Übel ansieht, ➤ Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt, bei dem die Person vor einer Entscheidung steht, die ihr sowohl Wertvolles wie auch Übles bringt (z. B. die Übernahme einer KiTa-Leitung einer anderen Einrichtung versus das Verlassen des bisherigen positiven Umfeldes). Intrapersonale Konflikte äußern sich in Verunsicherung, Belastung, Betroffenheit, Druck zur Störungsüberwindung oder einem Ausmalen dessen, was geschehen könnte. Unter interpersonalen Konflikten sind die Konflikte zu verstehen, die zwischen verschiedenen Personen oder Gruppen entstehen. Sie haben verschiedene Erscheinungsformen. Es kann beispielsweise innerhalb einer KiTa unter den MitarbeiterInnen zu Cliquenbildung kommen, einzelne MitarbeiterInnen werden isoliert oder die KiTa-Gruppe A agiert gegen KiTa- Gruppe B. Wichtig für die Sicht der KiTa-Leitung ist erst einmal die Erkenntnis, dass man Konflikte in einer KiTa nicht gänzlich beseitigen kann. Es bedarf aber einer klaren und engagierten Konfliktsteuerung, um die Chancen, die sich aus dem zu lösenden Konflikt ergeben, positiv für die KiTa-Arbeit zu nutzen. Zwar kann man bestehende Konfliktdimensionen nicht isoliert voneinander betrachten, die folgenden drei Dimensionen können aber Hinweise auf die Konfliktbearbeitung geben. ➤ Bei der sachlichen Dimension handelt es sich in der Regel um Ziel-, Mittelund/ oder Informationskonflikte, bei denen die KiTa-Leitung am ehesten Lösungen erreichen kann, wenn sie in ihrer Rolle klar ist und Regeln zur Konfliktbearbeitung berücksichtigt. 421 uj 10 | 2011 Kita-Management ➤ Bei der sozio-emotionalen Dimension handelt es sich in der Regel um Vertrauensbzw. Misstrauenskrisen oder um Sympathie/ Antipathie-Bestandteile. Diese Konflikte sind kaum ohne externe Begleitung lösbar und zwar entweder durch externe Moderation, Supervision oder externe Vermittlung. ➤ Bei der wertmäßig-kulturellen Dimension handelt es sich in der Regel um Wertekonflikte oder kulturelle Konflikte (unterschiedliche pädagogische Einstellungen, religiöse oder weltanschauliche Festlegungen). Diese Konflikte sind durch die KiTa-Leitung aber auch generell kaum lösbar. Wenn man sich interpersonale Konflikte auf einer weiteren Ebene anschaut, kann man unterscheiden nach Konflikten, bei denen ➤ ein Konfliktausgleich nicht möglich ist und der Konflikt nicht umgehbar ist, ➤ ein Konfliktausgleich nicht möglich ist, der Konflikt jedoch umgehbar ist, ➤ ein Konfliktausgleich möglich ist, aber auch der Konflikt umgehbar ist. Die Konfliktparteien und auch die KiTa-Leitung können auf diese drei Möglichkeiten des Konfliktausgleichs unterschiedlich reagieren. Sie werden entweder aktiv durch Kampf, Rückzug, Problemlösung. Oder sie agieren passiv durch Zufallslösung, das Ignorieren des Konfliktes, friedliche Koexistenz der Konfliktparteien („jede macht ihr Ding“). Auf einer Zwischenebene liegen Konfliktreaktionen wie Vermittlung (z. B. Supervision), das Isolieren des Konfliktes oder das Finden eines Kompromisses. Deutlich wird dies im folgenden Modell, wobei allerdings nur die Dimensionen „Konsens“, „Kompromiss“ oder „Delegation“ aus Leitungssicht akzeptable Alternativen darstellen, da sie die Spannungen auflösen, reduzieren oder nach außen (Delegation) verlagern. Aus Leitungssicht ist die Betrachtung der Konfliktursachen bedeutsam. In der Regel lassen sich die Konflikte auf die folgenden vier Basisursachen zurückführen: ➤ auf den Konflikt zwischen Ressourcen und zur Verfügung stehenden Mitteln. Ein für KiTa-LeiterInnen alltäglicher Konflikt, der sich aus immer neuen und höheren Geben/ Besänftigen Konsens Flucht Kampf Delegation Ich setze mich durch Ich nehme Rücksicht auf andere Kompromiss Abb. 4 422 uj 10 | 2011 Kita-Management Anforderungen an die frühkindliche Bildung ergibt und bisher nicht standgehalten hat mit einer angemessenen Zur- Verfügung-Stellung von Ressourcen. ➤ auf die Strukturierung der Arbeit und die Arbeitsteilung in der KiTa. Hierzu gehören die Verteilung von Einfluss und Macht, die Widersprüche im Organisationsaufbau (z. B. Stellvertretungsregelung dauerhaft oder nur bei Abwesenheit der Leitung, in KiTa-Gruppen formal mit Gruppenleitung, jedoch tatsächlich mit gleichen Aufgaben zu arbeiten). ➤ auf die Beziehungen der KiTa zum Umfeld (Eltern der Kinder, andere Einrichtungen usw.). Außenkonflikte können Innenkonflikte als Folge haben. Als Beispiel können hier Einflussversuche von Eltern, Träger (in den KiTa-Alltag hinein) und Öffentlichkeit genannt werden, die insbesondere durch die Öffnung der KiTa-Arbeit nach außen zunehmen können. Das Spannungsverhältnis sinkt in dem Maße, wie es der KiTa- Literatur Bethel, J./ Becker, F. G., 2010: Personalmanagement. Stuttgart Crisand, E., 1998: Prinzipien der Führungsorganisation. Heidelberg Francis, D./ Young, D., 1989: Mehr Erfolg im Team. Hamburg Goossens, F., 1987: Erfolgreiche Konferenzen und Verhandlungen. Landsberg Katzenbach, J. R./ Smith, D. K. 1998: Teams. München Kauffeld, S., 2001: Teamdiagnose. Göttingen Kriz, W. C./ Nöbauer, B., 2002: Teamkompetenz. Göttingen Lottmar, P./ Tondeur, E., 2004: Führen in sozialen Organisationen. Bern Lumma, K., 1994: Die Teamfibel. Hamburg Möller, J./ Schlenther-Möller, E., 2007: KiTa-Leitung. Berlin Redlich, A., 1997: Konfliktmoderation. Hamburg Wege, J., 2004: Führung von Arbeitsgruppen. Göttingen Wunderer, R./ Grunwald, W., 1980: Führungslehre. Berlin Leitung gelingt, sich diesen Abhängigkeiten und Beziehungen zu entziehen. ➤ auf den Konflikt, der auf Informationsdefiziten beruht. So können Informationen unvollständig, unklar, unbestimmt sein und Unsicherheit auslösen. Für die KiTa-Leitung bedeutet es, dass Kreativität und Konfliktlösung miteinander verbunden sein sollten, damit neue Wege und Möglichkeiten zur Konfliktlösung erschlossen werden können und möglichst viele Alternativen bei der Konfliktbearbeitung zur Verfügung stehen. Jens Christian Möller Esta Schlenther-Möller Institut für Bildung und Beratung Stadthagen GmbH Am Markt 18 31655 Stadthagen ibbs-shg@t-online.de
