eJournals unsere jugend 63/10

unsere jugend
4
0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2011.art48d
101
2011
6310

Schullust - Schulfrust. Schuleingangsphase und Wohlbefinden: starke Schullust - erster Schulfrust

101
2011
Bettina Hofer
Irmgard Schroll-Decker
Kinder werden in ihrer vorschulischen und schulischen Laufbahn zunehmend zu "Übergängern" von einer Sozialisations- und Erziehungsinstanz zur anderen. Wie diese Wechsel zum Wohl der Kinder und Jugendlichen gelingen und der Aufenthalt in den Folgeeinrichtungen Wohlbefinden auslöst, ist Gegenstand pädagogischer Reflexion. In der vorliegenden Abhandlung werden unter Bezugnahme auf das theoretische Konstrukt Transition dessen konkrete inhaltliche Ausgestaltung und der Zusammenhang zum Wohlbefinden und zur Übergangsbewältigung eruiert.
4_063_2011_10_0005
433 unsere jugend, 63. Jg., S. 433 - 443 (2011) DOI 10.2378/ uj2011.art48d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Schuleingangsphase und Wohlbefinden: starke Schullust - erster Schulfrust Kinder werden in ihrer vorschulischen und schulischen Laufbahn zunehmend zu „Übergängern“ von einer Sozialisations- und Erziehungsinstanz zur anderen. Wie diese Wechsel zum Wohl der Kinder und Jugendlichen gelingen und der Aufenthalt in den Folgeeinrichtungen Wohlbefinden auslöst, ist Gegenstand pädagogischer Reflexion. In der vorliegenden Abhandlung werden unter Bezugnahme auf das theoretische Konstrukt Transition dessen konkrete inhaltliche Ausgestaltung und der Zusammenhang zum Wohlbefinden und zur Übergangsbewältigung eruiert. Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule In den Beschlüssen der Jugend- und Familienministerkonferenz sowie der Kultusministerkonferenz vom 5. 6. bzw. 18. 6. 2009 zum „Übergang von der Tageseinrichtung für Kinder in die Grundschule“ (vgl. JFMK/ KMK 2009) wird hervorgehoben, welche Bedeutung die Transition für das einzelne Kind hat und welche Rolle ihr für die Bildungsbiografie attestiert wird. Drei Indizien führen die Beschlüsse für einen gelungenen Übergangsprozess an: Kinder erfahren sich als kompetent Lernende, das Leistungs-Selbstkonzept stabilisiert sich in positiver Weise, und die Kinder erleben sich als in ihrer sozialen Lernumgebung integriert (vgl. JFMK/ KMK 2009, 4). Zur Gestaltung des Übergangs wurden zahlreiche Grundsätze zur Mitwirkung der beteiligten Institutionen und der Fach- und Systemvertreter formuliert. Wissenschaftliche Untersuchungen lokalisierten die Anforderungen für Kinder, Eltern, ErzieherInnen und Lehrkräfte, woraus sich entsprechende Ziele für die Übergangsgestaltung ableiten ließen (z. B. Griebel/ Niesel 2002). Der Transitionsansatz als Erklärungsfolie Nach Welzer (1993) konzentrieren sich die Forschungsresultate zur Transition auf die Bewältigungskompetenzen desjenigen, der einen von Bettina Hofer Jg. 1967; Erzieherin, Dipl.-Päd. (Univ.), Dozentin für Pädagogik und Psychologie an der Caritas- Fachakademie München Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker Jg. 1958; Dr. phil., Professorin für Sozialmanagement und Bildungsarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften - Fachhochschule Regensburg 434 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust Übergang zu verarbeiten hat, und die gesellschaftlichen Anforderungen, die an diesen Prozess gestellt werden. Wenn, wie beispielsweise im hier gelagerten Fall, ein Kind zum Schulkind wird, erfahren der Lebenszusammenhang des betroffenen Kindes sowie dessen primäre Bezugspersonen eine massive Umstrukturierung mit vielen Veränderungen, die zu einer besonders lernintensiven Zeit (vgl. Welzer 1993, 37) und einer entwicklungsfördernden Herausforderung (vgl. Filipp 1995) werden können. Das Lebensereignis „Wechsel der Erziehungs- und Betreuungsinstitution“ ist nach Fthenakis (vgl. 1999) mit Belastungen verbunden, die innerpsychische Anpassungsleistungen auf unterschiedlichen Ebenen und die Neuregulierung von Beziehungen erfordern. Unter Rekurs auf verschiedene Erklärungsansätze entstand ein Transitionsmodell (vgl. Griebel/ Niesel 2004, 93ff ), das entwicklungspsychologische Prozesse, Anforderungen an die Bewältigungskompetenz und horizontale wie vertikale Übergänge von einer Erziehungs- und Bildungsinstitution in die nächste gleichermaßen berücksichtigt. In das theoretische Konstrukt der Transition sind Vorgängermodelle, wie etwa das der Systemebenen von Bronfenbrenner (1989), eingegangen, das in Deutschland von Nickel (1990) für die Einschulung vorgeschlagen wurde. Zur Erklärung von Belastungsreaktionen wurde auf die Stressforschung zurückgegriffen: Demnach lassen sich Überlastungsreaktionen vermeiden, wenn das Lebensumfeld des Kindes kleinschrittig verändert wird und wenn die Schritte vorhersehbar und kontrollierbar sind. Außerdem können auf der motivationalen Ebene z. B. Vorfreude oder Ängste wegen der bevorstehenden Veränderungen mit berücksichtigt werden (vgl. Lazarus 1995). Eine Transition wird deshalb als „ko-konstruktiver Prozess“ (Griebel/ Niesel 2004, 40) bezeichnet, an dem das Kind und dessen Erziehungsberechtigte als aktive Akteure und pädagogische Fachkräfte und eventuell andere soziale Dienste und Angehörige des sozialen Netzwerks als passive Beteiligte mitwirken. Entwicklungsaufgaben beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule Nach Griebel/ Niesel (vgl. 2004) bedeuten die Diskontinuitäten in den Erfahrungen des Kindes, die der Übergang vom Kindergarten in die Schule mit sich bringt, Anforderungen, die es bewältigen muss. Deshalb bezeichnen sie diese als Entwicklungsaufgaben, denn die Anpassungslernleistungen müssen in relativ kurzer Zeit erfolgen. Sie können aus motivationaler Sicht als Entwicklungsstimuli gesehen werden. Das Transitionsmodell beinhaltet eine Struktur der Entwicklungsaufgaben auf drei Ebenen: auf der individuellen Ebene, der Beziehungsebene und der Ebene der Lebensumwelten. ➤ Entwicklungsaufgaben auf der individuellen Ebene Der Wechsel vom Kindergartenzum Schulkind tangiert den Identitätsaufbau: Er ist gekennzeichnet von starken Emotionen wie Vorfreude, Neugier, Stolz sowie Unsicherheit und Angst. Neue Kompetenzen wie z. B. Selbstständigkeit und Kulturtechniken werden erworben. Sich in der neuen Situation und Umgebung wieder wohl zu fühlen, ist wesentlich für die weitere soziale und kognitive Entwicklung und für die Bildungsbiografie eines Kindes. ➤ Entwicklungsaufgaben auf der Beziehungsebene Beziehungen und Beziehungsstrukturen verändern sich, so müssen neue aufgebaut werden, insbesondere zur Lehrkraft, aber auch zu MitschülerInnen, und bestehende werden umgestaltet, unter Umständen sogar beendet, z. B. zum/ zur ErzieherIn, zu KindergartenfreundInnen. Das Kind gehört einer anderen Bezugsgruppe an, sogar die 435 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust Beziehungen in der Familie verändern sich. Die Rollenerwartungen an das Kind werden insbesondere durch die Rolle des Schulkindes mit gewissen Sanktionen verbunden. ➤ Entwicklungsaufgaben auf der Ebene der Lebensumwelten Die getrennten Lebensbereiche Familie und Schule sind von den Kindern in Einklang zu bringen, wobei der Wechsel nicht nur einer der Lernumgebung ist, sondern auch der Tagesablauf, die Regeln, die materielle Ausstattung, die Aneignungs- und Vermittlungsformen können unterschiedlich sein. Sich in der Schule wohl fühlen - Resultat eines erfolgreichen Übergangs Nicht nur das Kind wird ein Schulkind, seine Eltern werden Eltern eines Schulkindes und bewältigen damit, wie eventuell auch weitere Familienmitglieder (Großeltern, Tanten/ Onkel), ebenfalls einen Übergang (Niesel 2004). Das Transitionsmodell beinhaltet also auch eine sozioökologische Perspektive. Eltern sehen sich selbst als Unterstützer ihres Kindes, müssen selbst Unsicherheiten überwinden und in ihre neue Identität als Eltern eines Schulkindes hineinfinden. Bislang wurden Eltern bei diesem Übergang nicht gezielt unterstützt (vgl. hierzu Griebel/ Niesel 2004). Hinzu kommt, dass sich das Kind in der Schule wohl fühlt, das Bildungsangebot zu nutzen weiß und die schulischen Anforderungen bewältigt (vgl. Niesel/ Griebel 2010). Kinder und deren Eltern sind die Hauptakteure beim Transitionsprozess, weil sie den Übergang auf der Identitätsebene bewältigen (vgl. Niesel/ Griebel 2010), während die Erziehungs- und Lehrkräfte diese Prozesse lediglich begleiten. Die vorliegende Studie orientiert sich am Konzept des Wohlbefindens von Hascher (2004), um zu überprüfen, inwieweit Kinder die Transition von der Tagesstätte in die Grundschule erfolgreich bewältigt haben. Als Quellen des Wohlbefindens in der Schule werden bei Hascher (vgl. 2004, 166) die Situation in der Schule, die Persönlichkeit des Kindes, der außerschulische Kontext, die Lerngeschichte/ Vorerfahrungen, die Schul- und Unterrichtsqualität, soziale Beziehungen, aktuelle Kognitionen und Emotionen identifiziert. Neben der Existenz von Freude in der Schule, positiven Einstellungen zur Schule und dem schulischen Selbstwert ist das schulische Wohlbefinden gekennzeichnet durch soziale Integration, Absenz von „Stress“ mit SchulkameradInnen sowie das Fehlen von Sorgen und körperlichen Beschwerden wegen der Schule (vgl. Hascher 2004, 151). Um die Kernelemente des Wohlbefindenskonzepts (positive und negative Aspekte, das Erleben von Freude, die kognitiven und emotionalen Aspekte und die aktuelle und habituelle Form, (vgl. Hascher 2004, 149) erfassen zu können, wurde eine leitfadengestützte Befragung zum Wohlbefinden in der Schule nach dem „Transfer“ aus dem Kindergarten initiiert. Die Erkenntnisse zu den Anforderungen der Transition sowie die Signale von Wohlbefinden und damit eines positiv zu wertenden Übergangs werden in dieser Studie verknüpft. Die theoretischen Vorannahmen bilden die Grundlage für die Datenerhebung und die Interpretation der Befunde. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Befragung der Grundschulkinder, weitere Akteure wurden nicht einbezogen. Befragungsinstrument und methodisches Vorgehen In Anlehnung an den Interviewleitfaden, der zur Untersuchung des Wohlbefindens für Heimkinder für das Alter von 11 bis 14 bereits vorhanden war (vgl. Wesemann 2009; Schroll- Decker/ Müller/ Wesemann 2009, 493), wurden die Fragen zum Wohlbefinden in der Formulierung altersentsprechend angepasst und getes- 436 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust tet. Hierzu wurden Studierende der Caritas- Fachakademie für Sozialpädagogik in München gewonnen, die eine schulinterne Einweisung und Interviewerqualifizierung erhielten. Sie führten die Interviews während ihres Grundschulpraktikums im Großraum München durch. Im Leitfaden werden die Wohlbefindenskomponenten mit spezifischen Fragen hinterlegt, wobei jeweils eine Frage auf die Kognition und eine Frage auf die Emotion abzielt. Im Einzelnen sind folgende Dimensionen des Wohlbefindenskonstrukts angesprochen: a) positive Einstellungen und Gefühle gegenüber der Schule, b) Anerkennung und Freude in der Schule, c) Selbstwert und Selbstbewusstsein der Kinder, d) Sorgen wegen der Schule, e) körperliche Beschwerden wegen der Schule, f ) soziale Probleme. Insgesamt wurden 103 zufällig ausgewählte Grundschulkinder (61 Schülerinnen und 42 Schüler) im Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2010 befragt. Alle Antworten wurden schriftlich auf dem Interviewleitfaden festgehalten und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet. Bei der Auswertung der Fragen fiel auf, dass die Kinder sehr konsistente Aussagen machten, d. h. Antworten auf differenzierte Fragen wiederholten sich. Wenn ein Kind Lust und Freude am Lernen hatte, dann brachte es dies bei den einzelnen Dimensionen zum Ausdruck. Schwerpunktmäßig wurden SchülerInnen der ersten (51) und zweiten Klasse (33) befragt. 13 Kinder einer dritten und 6 Kinder einer vierten Jahrgangsstufe nahmen unterrichtsbedingt an den Interviews teil. Die Altersspanne umfasste Kinder im Alter von 5 Jahren (2), die Mehrzahl war 6 Jahre (33) und 7 Jahre (37) alt, bis hin zu 8 Jahre (23). 8 Kinder waren älter (drei waren 9 Jahre und fünf 10 Jahre alt). Das Empfinden bei Schuleintritt und die Selbstdefinition als Schulkind Die Jungen und Mädchen können ihre Gefühle, die sie zu Beginn ihrer Schulzeit hatten, gut verbalisieren. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt bündeln: Richtig gefreut haben sich 31 SchülerInnen, als glücklich bezeichnen sich 24 Kinder und als „stolz“ benennen sich 10. Als aufgeregt, gespannt und etwas unsicher beschreiben sich 30 Kinder, während 11 Jungen und Mädchen von Angst begleitet und 2 davon sich zusätzlich alleine gelassen fühlen. Nur 4 Befragte können sich nicht mehr erinnern. Gegenüber der teilweise mit Ungewissheit verbundenen Verhaltenheit zu Beginn der Schulkarriere fällt es den Kindern zum Zeitpunkt der Befragung deutlich leichter, ihr Gefühl als „sehr gut bis gut“ zu bewerten (71). Spontan begründet wird das gute Gefühl mit Freude an der Schule und der eigenen Entwicklung. Als entspannter, viel besser und weniger ängstlich als zu Schulbeginn sehen sich 14 Kinder. 4 Befragten geht es zum Befragungszeitpunkt nicht gut und 2 wissen es nicht. Informationsquellen über die Schule: Eltern, Geschwister, Kindergarten Diese Reihenfolge spiegelt die Bedeutung der InformantInnen wider, von denen die Kinder Auskünfte über die Schule erhalten haben, wobei nur insgesamt 32 Kinder überhaupt bejahen, über „die Schule“ Bescheid gewusst zu haben, während 38 sich als ahnungslos darstellen. GrundschülerInnen mit Geschwisterkindern in der Schule (35) nennen vorwiegend Geschwister als Auskunftsperson (17). An der Spitze stehen die Eltern (22), der Kindergarten folgt auf Platz 3 mit 12 Nennungen. Ferner werden Einzelpersonen im Umfeld der Kinder, wie FreundInnen, Cousin/ e, Oma, NachbarIn, genannt. 8 Kinder 437 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust kannten ihre Schule, ungefähr die Hälfte davon, weil sie sie vorher besichtigt hatten. Dass sie bei der Einschulung bereits viel rechnen und lesen konnten, bleibt bei 13 Kindern im Gedächtnis. Ansonsten berichten die Kinder mit ähnlich starker Gewichtung von Vorahnungen, dass Schule schön sein könne (6), man in der Schule viel lernen müsse und es passieren könne, eine Klasse wiederholen zu müssen (5), dass es Pausen und Hausaufgaben gebe (7). Mit Stolz Schulkind sein Mehr als zwei Drittel (77) identifizieren sich gerne als Schulkind und 6 Kinder mögen nur manchmal eines sein. 7 Kinder sähen sich lieber als Kindergartenkind und führen als Begründung die „lästigen“ Hausaufgaben und den „langweiligen“ Unterricht an, demgegenüber sie das Spielen bevorzugen (überwiegend Nennungen von ErstklässlerInnen). Die Zustimmung für den Schulkindstatus gründet im Wesentlichen auf einer emotionalen Säule, die man mit „Freude und Gefallen finden“ umschreiben kann (31), und einer kognitiven Säule, weil die Kinder „viel lernen“ können (33). Die FreundInnen sind eine weitere positive Assoziation (11), ebenso einzelne Fächer (Sport, Singen) (6) oder die Lehrerin (4). Selbstwahrnehmung SchülerInnen entwickeln eine bestimmte Selbstwahrnehmung, die auch in ihren Selbstwert einfließt. So geben 11 Mädchen und Jungen an, dass ihnen bei „Schule und Unterricht“ als erster Gedanke „es macht Spaß“ einfällt. 17 meinen, ihnen käme nichts in den Sinn. Viele Jungen und Mädchen verbinden eine Pflichterfüllung mit der Schule, wie z. B. Hausaufgaben machen (26), nichts vergessen dürfen und etwas lernen müssen (15), einige werden an Schwächen erinnert (14). Nur ganz wenigen (5) fällt nichts ein, was sie dazu sagen könnten. Einstellungen und Gefühle zur Schule Positive Konnotation Dass Schule mit Lernen assoziiert wird, liegt für 44 Mädchen und Jungen auf der Hand. Sie verbinden damit eine positive Konnotation; 20 Kindern macht die Schule einfach Spaß. Bei 30 Kindern löst die Lehrerin die positive Bewertung aus und 34 freuen sich über das Zusammentreffen mit FreundInnen. Insgesamt 22 Befragten fallen auf Anhieb bestimmte Fächer ein, weswegen sie gern zur Schule gehen (wie Sport und Schwimmen (5), Spiele, Basteln, Malen (7). Etwas zu lernen (11) bzw. die Basiskompetenzen zu erwerben (18) und die Pausen (4) werden als weitere Assoziationen angeführt. Bei wenigen sind es andere Gründe, wie z. B. die Montessori-Materialien oder das Busfahren, aber auch „weil es in der Schule warm ist“ wurde genannt. Negative Konnotation Nur drei SchülerInnen gehen nicht gerne zur Schule, zwei sind verlegen („weiß nicht“). Wenn SchülerInnen an das Wort Schule denken, dann assoziieren 6 von ihnen, dass sie „anstrengend sei, man immer nur sitzen und ruhig sein müsse“, 15 verbinden es mit „Tests und Aufregung“, 2 Nennungen ergeben „Langeweile“ und eine Nennung bezieht sich auf das frühe Aufstehen. 8 Kinder denken an „nichts Besonderes“. Verbesserungsvorschläge Sehr konkret werden die SchülerInnen bei ihren Vorschlägen für Veränderungen an der Schule: Auf Ausstattungsgegenstände im Unterrichtsraum bzw. an der Schule (z. B. Holzhäuser, Bilder, Fußballtor u. Ä.) beziehen sich 28 Angaben; Anregungen für die Unterrichtsfächer (Umfang, Didaktik usw.) werden 22-mal gegeben; auf das geregelte soziale Zusammen- 438 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust leben (Lautstärke, bestimmte Regelungen, Sitzordnung) entfallen 18 Angaben. Unterrichts- und Pausenzeiten werden explizit 13-mal genannt. 18 Kinder meinen, man könne alles so lassen, wie es ist, und 11 würden auf die Hausaufgaben verzichten. Wenige Aussagen lassen eine gewisse individuelle Enttäuschung erkennen, z. B. wenn es heißt, die Noten sollten besser sein. Drei Befragte wissen nichts zu sagen. Körperliche Beschwerden Schule und körperliches Wohlbefinden Insgesamt ca. ein Fünftel der SchülerInnen empfindet körperliche Reaktionen, die mit der Schule in Verbindung stehen. So berichten 19 SchülerInnen, dass sie in den letzten Wochen vor dem Unterricht „Herzklopfen“ hatten. 15 Befragte erwähnen Appetitlosigkeit, verursacht von Hausaufgaben oder Proben, oder dass Schule insgesamt Bauchschmerzen bereite (26). Auch im Unterricht verspüren die Kinder körperliche Anzeichen: Es wird ihnen heiß, wenn die Lehrperson sie aufruft (21), im Unterricht wird ihnen schwindlig (11) oder sie haben Kopfschmerzen (21). Eine Ursache für das eingeschränkte Wohlbefinden lässt sich mit dem Unausgeschlafensein erklären: 44 Kinder geben an, morgens „immer müde“, und 19 „meistens müde“ zu sein; 42 fühlen sich fit. Proben und Hausaufgaben„nerven“ 28 Kinder, sodass sie sich eher „schlecht“ fühlen. 8 SchülerInnen empfinden sie als Aufregung und Stress, die manchmal mit Herzklopfen und Bauchweh einhergehen. Weitere drei Nennungen entfallen auf „Angst haben“ (3), besorgt sein (3) oder Erleichterung, wenn sie vorbei sind (2). Andere Jungen und Mädchen finden viele Hausaufgaben nicht gut (6), sie würden lieber etwas anderes machen (z. B. spielen) (2). Viele Kinder haben keine Probleme mit Hausaufgaben und Proben (42) und wenige reagieren gleichgültig (3). Pausen und Ferien Pausen sind für die Kinder ein wichtiger Wohlfühlfaktor. Für ca. zwei Drittel sind das Zusammensein mit FreundInnen (80) sowie Bewegung und Spiel im Freien (56) in Kombination mit den MitschülerInnen Erholungswerte. Auch das Essen wird erwähnt (13). Vereinzelte weitere Nennungen beziehen sich auf die Bücherei, das Erledigen von übertragenen Aufgaben und Neckereien untereinander. Die Aussicht auf Schulferien trägt bei 95 Mädchen und Jungen zum Wohlbefinden bei. 9 Kinder dagegen verneinen dies, weil sie ihre Zeit lieber in der Schule verbringen. Ca. ein Viertel (25) der Nennungen entfällt auf die Absenz von Schule, Hausaufgaben und„Lernen müssen“ als Anlass, sich zu freuen, weitere 25 Nennungen beziehen sich darauf, ungehindert spielen zu können. Ebenso viele (26) betonen, dass„länger aufbleiben und schlafen können“ Anlass sind, sich auf die Ferien zu freuen. Urlaubs-, Ausflugs- und Besuchsfahrten (45) sind weitere begehrte Ferienaktivitäten. Spaß, Erholung und Zeit mit den Eltern zu verbringen werden insgesamt 15-mal ins Feld geführt. Soziale Integration in das neue Lebensumfeld Schule Grundstrukturen des Zusammenlebens Dass Aufgaben innerhalb einer Klassengemeinschaft verteilt werden, ist den Kindern zumeist geläufig (88), und sie finden es sinnvoll. Vorteilhaft an diesen Diensten ist, dass alle einbezogen werden, Sauberkeit und Ordnung dadurch hergestellt werden und sie die Ausführenden in Bewegung bringen. 17 SchülerInnen kennen solche Dienste nicht und finden sie langweilig oder überflüssig. Ähnlich verhält es sich mit den Regeln in der Klasse: 91 SchülerInnen sind welche bekannt, vier kennen keine oder sind sich unsicher. Im Wesentlichen werden die wichtigsten Gesprächsregeln, wie sich melden, ausreden lassen, zuhören, keine Schimpfwörter 439 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust verwenden, nicht schreien usw. genannt. Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Regeln im Umgang mit Konflikten und Gewalt. Einzelne andere sprechen das prosoziale Verhalten untereinander, den Umgang mit Essen/ Trinken während der Unterrichtszeit und die allgemeine Ordnung an. Zum größten Teil (89) sind die Kinder mit der Sitzordnung einverstanden. Eine der am häufigsten genannte Begründung ist wiederum der Kontakt zu den FreundInnen oder die gute Anordnung. Entsprechend ist bei den SchülerInnen, die etwas an der Sitzordnung auszusetzen haben (13), der Hauptablehnungsgrund, dass sie den/ die BanknachbarIn nicht mögen oder der Blick zur Tafel suboptimal sei. Daneben gibt es vereinzelte weitere Begründungen, wie zu viel oder zu wenig frische Luft usw. SchulfreundInnen Mit Ausnahme von einem Kind haben alle Befragten FreundInnen in ihrer Klasse. Sie werden mit 86 Nennungen als zentral für das Wohlbefinden erachtet. Auch das häufige Zusammentreffen mit den KlassenkameradInnen spielt eine wichtige Rolle (37). Soziale Belastungen in der Schule 96 Kinder verneinen die allgemeine Frage, ob sie Probleme in ihrer Klasse hätten (11 Ja-Stimmen). Auf die konkrete Nachfrage nach„Stress“ mit einzelnen MitschülerInnen antworten nur 61 mit „nein“ und 44 stimmen zu. 16 Kinder geben sogar an, sich manchmal als Außenseiter zu fühlen (85 nicht). Soziales Netzwerk der Kinder im Umfeld der Schule Jeweils ein knappes Drittel fährt mit dem Schulbus zur Schule, wird von den Eltern/ Großeltern gebracht oder geht alleine zur Schule. Mit einem leichten Anstieg beim Abgeholt-Werden trifft dies auch für den Nachhauseweg zu. Direkt nach Hause geht weniger als die Hälfte der Kinder (41); vier davon würden lieber in die Mittagsbetreuung wechseln. 11 SchülerInnen besuchen den Hort und 26 nehmen die Mittags-/ Nachmittagsbetreuung in Anspruch. Bis auf wenige Ausnahmen fühlen sich die Kinder im Hort oder der Mittagsbetreuung wohl, insbesondere weil auch FreundInnen da sind, weil sie sich vom Personal angenommen fühlen, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vorhanden sind und sie bei den Hausaufgaben unterstützt werden. 95 Kinder bekommen ungefragt oder auf Anfrage Hilfen bei den Hausaufgaben, entweder zu Hause oder in einer Betreuungsform; 8 verneinen dies. Mehr als zwei Drittel der SchülerInnen (84) berichten ihren Eltern freiwillig oder auf Nachfrage von dem, was sie in der Schule erlebt haben. 18 Kinder geben an, zu Hause nichts von ihrem Schulalltag zu erwähnen. Besonders gern berichten die SchülerInnen darüber, was sie gemacht haben, wenn sie etwas gut gemacht haben, wenn es Streit oder Probleme gab oder was ihnen beim Lernen Spaß gemacht habe. In ihrer Freizeit spielen die Kinder am liebsten mit ihren FreundInnen und Geschwistern (65) oder treiben verschiedene Sportarten (54). Musik machen und hören, Lesen, Basteln und Malen sowie der Fernseher und Computer werden jeweils von ca. 1/ 10 erwähnt. Sorgen der Kinder in der Schule Insgesamt 19 Befragte stimmen zu, dass sie wegen vorhandener Spannungen zu MitschülerInnen manchmal nicht schlafen können. Dementsprechend macht sich in etwa ein Zehntel wegen der eigenen schulischen Entwicklung, wegen der Schulnoten oder wegen einzelner LehrerInnen Sorgen. Ca. ein Fünftel 440 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust ist wegen des Umfangs und der Bewältigung der Hausaufgaben bedrückt. Als Ansprechpartner bei Problemen werden am häufigsten die Eltern/ Großeltern (76) genannt. Manchmal wenden sich die Kinder an ihre FreundInnen (18) oder die Personen an und im Umfeld der Schule, wie LehrerInnen, HorterzieherInnen, die Pausenaufsicht, den/ die KlassensprecherIn, die StreitschlichterInnen, die Sekretärin (30). Vereinzelte Kinder geben an, Probleme mit sich selbst, dem Kuscheltier, dem lieben Gott oder mit niemandem zu besprechen. Anerkennung und Gefallen in und an der Schule: Aufbau eines positiven Selbstwertkonzeptes Schule gefällt mir/ gefällt mir nicht 5 Kinder verneinen, dass Schule ihnen gefällt. Die übrigen bejahen aus folgenden, sehr individuellen Gründen: wegen a) alter und neuer FreundInnen (26), b) dem Spaß am Lernen, am Unterricht, an der Schule (27), c) des Erwerbs der Basisfertigkeiten Schreiben und Lesen (13), d) anderer Fächer wie Handarbeit, Kunst, Sport, Musik (13), e) der netten LehrerInnen (7), f ) der Pausen (9) und vieler Einzelnennungen, die mit besonderen Vorlieben (z. B. Freiarbeit, Bewegungsspiele, Leseecke, Abwechslung, Vorlesen), der Lokalität und den Aktivitäten (z. B. Montessorischule, Sitzplatz, Turnhalle, Hort, Ausflüge, Schulbus) bzw. der eigenen Entwicklung (zukünftiger Beruf, mehr gefordert sein als im Kindergarten) zu tun haben. Bei der Frage nach dem, was die Kinder am liebsten an der Schule mögen, verlagert sich die Gewichtung zugunsten des Sport- (33), des Mathematik- (28) und des kreativen Unterrichts (21). Pausen (25), FreundInnen (21), Lesen, Schreiben, Deutsch (13) sowie das Lernen insgesamt spielen eine wichtige Rolle. 4 SchülerInnen können nichts nennen. Daneben gibt es viele Einzelnennungen. Miteinander umgehen Der freundschaftliche Umgang miteinander und mit dem/ der LehrerIn, die Freude am gemeinsamen Lernen, die lockere Atmosphäre und gemeinsames Feiern sowie ein Gefühl, akzeptiert und angenommen zu sein, sind weitere Gründe für das Wohlbefinden. 5 SchülerInnen, die sich nicht wohl fühlen, schieben dies auf den Stress, einzelne Schülerpersönlichkeiten oder Langeweile. Anerkennung Der Großteil der Jungen und Mädchen (87) erntet von LehrerInnen und MitschülerInnen Anerkennung, 11 erhalten keine oder selten und drei wissen es nicht. Als Anlass für das Lob geben 41 an, weil sie etwas besonders gut gemacht haben (z. B. Mitarbeit, Deutschnote, malen, lesen, Fleißaufgabe, aufpassen und leise sein usw.), weitere 23 Nennungen fallen allein auf die gut gemachten Hausaufgaben. Hilfsbereitschaft (9) wird als weitere Quelle für eine positive Rückmeldung angeführt. 7 Kindern ist nicht bewusst, warum sie Anerkennung erhalten haben. Motivation Die Kinder sind motiviert zu lernen, wenn sie Neues lernen, was ihnen Spaß macht (17). Lob, Anerkennung, Belohnungen von Bezugspersonen und FreundInnen (21) sind weitere wichtige Motivatoren, ebenso wie die Unterstützung der Lehrpersonen oder der Eltern (11). (Kleine) Erfolge zu sehen (4) spornt des Weiteren manche Kinder an. 8-mal wird genannt, dass es keiner externen Motivation bedarf. Die richtige Arbeitstechnik zu haben (12), die Aussicht, ein kurzfristiges (4) oder ein zukünftiges Ziel zu erreichen (3), werden von den Befragten genannt. 11 Kinder motiviert nichts, sie wissen es nicht oder sie lassen sich nicht motivieren. 441 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust Schulische Umgebung und Pausenhof Die meisten Befragten können sich in ihrem Schulhaus gut orientieren (86), ca. ein Zehntel (13) findet sich nicht zurecht und vier Kinder haben noch leichte Probleme. Da die Kinder die meiste Zeit in ihrem Klassenraum verbringen, steht die Frage nach der unmittelbaren Umgebung im Vordergrund. Nur wenigen SchülerInnen gefällt ihr Klassenzimmer nicht (8), insbesondere weil eine farbige Gestaltung fehlt und weil Unordnung herrscht oder sie an der Sitzordnung etwas auszusetzen haben. Kinder, denen ihr Klassenraum gefällt, schätzen die individuelle und jahreszeitenbezogene Dekoration (z. B. Geburtstagskalender oder Jahreszeitenbaum) (21), die Leseecke (18), die Schülerbilder, die an der Wand hängen (13), die Größe des Raums (11) und die Spiele/ Spielecke (10). Einige Aussagen beziehen sich auf die farbige Gestaltung, die Sauberkeit und die Kuschelecke. Der Klassenraum ist von allen Räumen derjenige, der den Kindern am vertrautesten ist (48). Nur die Turnhalle (23) und der Bastel-/ Werkraum (9) erfreuen sich noch nennenswerter Beliebtheit. Alle anderen Räume werden nur von einem oder zwei Kind/ ern genannt, wie z. B. der Handarbeitsraum, das Religions- und das Musikzimmer, die Schwimmhalle und der Hort und die Mittagsbetreuung sowie das Schülerkaffee (8bis 10-Jährige). Auch der Pausenhof genießt bei den Kindern eine hohe Akzeptanz (99): Vorwiegend liegt das an der Größe und an dem, was dort geboten ist, wie z. B. das Klettergerüst, der Tischtennisplatz oder der Sonnenschirm. Bei den 10 Kindern, die von ihrem Pausenplatz nicht begeistert sind, dominieren Aussagen zur fehlenden Ausstattung und zur Beengtheit. In den Antworten auf die Frage nach der Schule als Aufenthaltsort insgesamt finden sich die oben erwähnten Präferenzen wieder, wobei insgesamt nur die Hälfte der Kinder Antworten gibt und manche Antworten eher die positiven Seiten von schulischem Lernen beinhalten. Das Schulhaus insgesamt und die Aula (14), die großen, hellen und farbigen Räume (5), die Dekoration und die Ausrüstung (10), die Bewegungsmöglichkeiten (5), das Klassenzimmer und die Bücherei (8) werden häufiger erwähnt. Mehr als zwei Drittel der Kinder dürfen an der Klassenraumgestaltung mitwirken (Bilder und Dekoration aufhängen und anordnen, auch die Sitzordnung wählen usw.) (76), die Übrigen verneinen eine Mitwirkung. Wohlbefinden als Signal für einen gelungenen oder problembelasteten Schuleintritt Die Resultate dieser Studie unterstreichen, wie sehr Diskontinuitätserfahrungen der Jungen und Mädchen am Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Schule den Alltag prägen und ihnen Anpassungsleistungen abverlangen. Die Übergangsbewältigung gilt dann als erfolgreich, wenn das Kind sich emotional, psychisch, physisch und intellektuell angemessen in der Schule präsentiert. Ein kompetentes Schulkind fühlt sich in der Schule wohl, bewältigt die gestellten Anforderungen und nutzt die Bildungsangebote für sich optimal. Zwischen Wohlbefinden und Leistungsmotivation bzw. Lernbereitschaft besteht ein enger Zusammenhang, der hier bestätigt wird. Die Kinder sind weitgehend kompetent, sich ein Bild von der Schule zu machen, insbesondere dann, wenn sie informiert und darauf vorbereitet sind. Dies erleichtert es auch, die Rolle als Schulkind zu reflektieren und die entsprechenden Gefühle (Vorfreude, Ängste) zu verbalisieren. Die Befragten sehen den Grundschuleintritt als eine herausfordernde Transition in ihrem Leben an, wobei eine weitgehend positive Akzentuierung gegeben ist, weil Schule mit Spaß, auch am Lernen und an der Leistung, in Verbindung gebracht wird. Ein Großteil der SchülerInnen entwickelt eine positive Einstellung gegenüber der Schule, 442 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust z. T. weil das Wissen über die Schulrealität vorher aufgebaut wurde, z. T. auch, weil die begonnene Entwicklung durch eine individuelle Förderung beibehalten und fortgesetzt werden konnte. Bei ca. einem Viertel deutet sich in den unterschiedlichen Wohlbefindenskomponenten aber auch an, dass bereits negative Einstellungen vorhanden sind, dass bestimmte Schulrituale mit Aversion und Ängsten besetzt sind, dass Kinder körperliche Beschwerden empfinden oder sozial nicht integriert sind. Mädchen und Jungen, die in ihren subjektiven Einschätzungen schon in der Anfangsphase ihrer Schullaufbahn kognitiv und emotional benennen oder empfinden, was sie von schulischer Leistung abhält, wo sie eine Leistungslücke empfinden, wo sie Diskriminierungen erfahren, Interaktionen mit den Lehrkräften und MitschülerInnen nicht intakt sind, sie zu wenig wahrgenommen und gefördert werden, nehmen sich zwar als Schulkind wahr, entwickeln aber kein positives Selbstbild und werden ihre Bildungschancen nicht optimal nutzen können. Bezeichnend ist, wie wichtig den Kindern die schulischen und außerschulischen Bezugspersonen sind. Kinder, Eltern und andere Bezugspersonen in ihrem Umkreis teilen Informationen und Emotionen. Zuspruch, Bestätigung und Sich-mitteilen-Können sind den SchülerInnen sehr wichtig und beeinflussen, inwieweit sie ein positives Selbstbild aufbauen können oder sich alleine, alleingelassen und sich bisweilen auch als beginnende SchulversagerInnen sehen. Die Befragten transportieren ein Muster mit in die Schule, das ihnen aus ihrer vorschulischen Erziehung vertraut ist: Sie suchen Unterstützung dort, wo sie ihnen dargeboten wird. Teilweise präferieren sie deshalb den Hort, die Mittags- und offene Ganztagsbetreuung. Die Studie bestätigt, dass der Übergang in die Schule eine Gemeinschaftsaufgabe und Ko-Konstruktion aller am Prozess Beteiligten ist, die Kenntnisse über die Schulkultur vermitteln und an ihnen mitwirken. Das unmittelbare Lebensumfeld ist für die GrundschülerInnen ebenso wichtig. In vielfacher Hinsicht verweisen sie auf die SchulfreundInnen, mit denen sie in der Schule (z. B. in den Pausen), aber auch außerhalb Zeit verbringen (wollen). Probleme mit den FreundInnen gehören neben dem empfundenen Leistungsdruck oder der Versagensangst bzw. -erfahrung zu den am häufigsten genannten Stressoren. Dies beginnt im Kleinen, dass sich z. B. jemand nicht an Regeln hält, setzt sich fort in der Sitzordnung und gipfelt darin, dass jemand sich isoliert sieht. Wichtige Wohlfühlfaktoren liegen ferner in der schulischen Umgebung: Eine kindgerechte Gestaltung der Klassen- und sonstigen Räume, des Schulhauses und insbesondere auch des Schul- und Pausenhofes ist für das individuelle und das soziale Wohlempfinden relevant. Dabei spielt die aktive Mitgestaltung eine wichtige Rolle, ob sich ein Kind wohlfühlt oder nicht. Die Studie enthält zahlreiche Hinweise aus Kindersicht, welche Umgebungsvariablen transitionsrelevant sind. Ausblick und Folgerungen Obwohl den Transitionen im Bildungssystem intensive Aufmerksamkeit geschenkt wurde, verwundert es, wie unzureichend solche Übergänge tatsächlich evaluiert werden. Anbei werden die Kriterien einer erfolgreichen Übergangsbewältigung, wie oben beschrieben, unmissverständlich präsentiert. Ist Schulfähigkeit, wie Nickel (vgl. 1990) bereits 1990 formulierte, eine mit dem Lebenskontext des Kindes in Beziehung zu setzende Größe, so besteht angesichts der Ergebnisse dieser Studie ein Handlungsbedarf, der sich auf die Kooperation und den Informationsfluss zwischen Kindertagesstätte, Elternhaus und Schule bezieht. Das Wohlbefinden der Kinder beim Übergang von der Tagesstätte zur Grundschule lässt sich beeinflussen, wenn Eltern und Kinder die Anforderungen kennen und wenn bereits im Vorfeld 443 uj 10 | 2011 Schullust - Schulfrust individuelle Bedürfnisse der Kinder an die Grundschule übermittelt werden. Wohlbefindensförderlich wirkt sich ebenso ein vorbereitendes Training auf unvorhergesehene Situationen beim Übergang von der Tagesstätte in die Schule aus (z. B. Resilienz, Basiskompetenzen). Als pädagogisches Ziel ist die Übergangsbewältigung abhängig von der Mitwirkung aller Akteure. Die verschiedenen Beteiligten müssen sich am Kind ausrichten: Die Studie verdeutlicht, dass nicht bestimmte Personen für das Kind relevant sind, sondern dass es sich von Personen begleitet, unterstützt, angenommen fühlt. Angesichts der Bedeutung der sozialen Netzwerkakteure für die Schuleintrittsphase wäre es sehr spannend, deren Einschätzung als aktive (Eltern und Bezugspersonen) oder passive Beteiligte (Erziehungs- und Lehrkräfte) zu eruieren. Erst unter Einbezug weiterer Befragungsergebnisse könnte die Transitionskompetenz der Systeme bewertet werden, und Transition könnte demnach als Prozess der Verständigung zwischen den Beteiligten über Kommunikation und Partizipation konzipiert werden (vgl. Griebel/ Niesel 2004), mit dem Ziel, die Bildungschancen für die Kinder bestmöglich zu nutzen. Bettina Hofer Eiselwörthstraße 13 94405 Landau Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker Fachhochschule Regensburg - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften Postfach 120327 93025 Regensburg Literatur Bronfenbrenner, U., 1989: Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Frankfurt am Main Filipp, H.-S., 3 1995: Ein allgemeines Modell für die Analyse kritischer Lebensereignisse. In: Filipp, H.-S. (Hrsg.): Kritische Lebensereignisse. Weinheim, S. 3 - 52 Fthenakis, W. E., 1999: Transitionspsychologische Grundlagen des Übergangs zur Elternschaft. In: Fthenakis, W. E. u. a. (Hrsg.): Handbuch Elternbildung. Band 1. Opladen, S. 31 - 68 Griebel, W./ Niesel, R., 2002: Abschied vom Kindergarten. Start in die Schule. München Griebel, W./ Niesel, R., 2004: Transitionen. München Hascher, T., 2004: Wohlbefinden in der Schule. Münster u. a. Jugend- und Familienministerkonferenz/ Kultusministerkonferenz, 2009: Den Übergang von der Tageseinrichtung für Kinder in die Grundschule sinnvoll und wirksam gestalten - Das Zusammenwirken von Elementarbereich und Primarstufe optimieren. www. kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschlues se/ 2009/ 2009_06_18-Uebergang-Tageseinrichtun gen-Grundschule.pdf, 27. 12. 2010 Lazarus, R. S., 3 1995: Stress und Stressbewältigung - ein Paradigma. In: Filipp, H.-S. (Hrsg.): Kritische Lebensereignisse. Weinheim, S. 198 - 323 Nickel, H., 1990: Das Problem der Einschulung aus ökologisch-systemischer Perspektive. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht 37, S. 217 - 227 Niesel, R./ Griebel, W., 2010: Neukonzeption des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule.www. ifp.bayern.de/ veroeffentlichungen/ infodienst/ nieg rie-uebergang01.html, 27. 12. 2010 Schroll-Decker, I./ Müller, T./ Wesemann, A., 2009: Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen im Heim. In: Unsere Jugend, 61. Jg., H. 11 + 12, S. 490 - 504 Welzer, H., 1993: Transitionen. Zur Sozialpsychologie biographischer Wandlungsprozesse. Tübingen Wesemann, A., 2009: Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung. Unveröffentl. Diplomarbeit. Regensburg