unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2011.art41d
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Die „10“ - eine niedrigschwellige Einrichtung für wohnungslose junge Menschen
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Projektvorstellung
Die "10" ist eine niedrigschwellige Einrichtung und Beratungsstelle der Stadt Solingen für wohnungslose und problembelastete Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren. In einer Kurzkonzeption werden die Strukturen und Arbeitsweisen der seit 1982 bestehenden Einrichtung vorgestellt.
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367 unsere jugend, 63. Jg., S. 367 - 369 (2011) DOI 10.2378/ uj2011.art41d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Die „10“ - eine niedrigschwellige Einrichtung für wohnungslose junge Menschen Die „10“ ist eine niedrigschwellige Einrichtung und Beratungsstelle der Stadt Solingen für wohnungslose und problembelastete Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren. In einer Kurzkonzeption werden die Strukturen und Arbeitsweisen der seit 1982 bestehenden Einrichtung vorgestellt. Die „10“ versteht sich sowohl als Anlaufstelle für Minderjährige, die von herkömmlichen Jugendhilfemaßnahmen nicht adäquat erreicht werden können, als auch für junge Volljährige, die aus vielschichtigen Gründen in ihren alten Herkunftssystemen nicht mehr leben können. Durch ständige konzeptionelle Anpassung an die Veränderungen und Bedürfnisse der Zielgruppe hat sich die „10“ von der ursprünglich klassischen Notschlafstelle, einem primären Übernachtungsangebot mit geringem Beratungsanteil, zu einer Einrichtung mit höherem Betreuungsanteil und tagesstrukturierenden Maßnahmen entwickelt. Neben den insgesamt 17 Übernachtungsplätzen (5 Minderjährige, 12 Volljährige) bietet die „10“ Beratung, Begleitung und Unterstützung in Fragen der ökonomischen Absicherung und der alltäglichen Lebensbewältigung. Die Arbeit beinhaltet Clearing, Hilfeplanung, Krisenmanagement, Unterstützung der psychosozialen Entwicklung durch eine ganzheitliche Sichtweise, unbürokratische Hilfestellung im Umgang mit Ämtern und Behörden, Begleitung sowie in begrenztem Umfang Beratungsangebote für externe Jugendliche und junge Erwachsene. Im Fokus stehen zunächst Grundsicherung und Stabilisierung der BewohnerInnen. Durch eine ressourcenorientierte, wertschätzende und parteiliche Arbeitsweise wird eine positive Arbeitsatmosphäre gestaltet. Nach einem intensiven Clearing der bestehenden Problematik wird die Möglichkeit der Vermittlung zu spezialisierten Angeboten eruiert. Die Einrichtung verfügt hierbei über ein breit gefächertes Netzwerk zu Beratungsstellen und anderen Hilfeangeboten. Wichtig für eine erfolgreiche Anbindung ist die Begleitung der BewohnerInnen zu den Spezialdiensten, weil dadurch Schwellenängste überwunden werden können. Die Zielgruppe Zur Zielgruppe gehören problembelastete und wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene beiderlei Geschlechts im Alter von 14 bis 26 Jahren. Die BewohnerInnen kommen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen und bringen eine Vielzahl an Problemlagen mit. Nachfolgende Problematiken sind bei der Zielgruppe häufig: ➤ Mangelhafter gesundheitlicher Zustand ➤ Physische und psychische Verwahrlosung ➤ Suchtgefährdung/ Suchterkrankungen 368 uj 9 | 2011 Projektvorstellung ➤ Verschuldung ➤ Delinquenz ➤ Entwicklungsverzögerungen ➤ Psychosoziale Auffälligkeiten ➤ Beschäftigungslosigkeit ➤ Perspektivlosigkeit ➤ Fehlende Basiskompetenzen zur Führung eines eigenen Haushaltes ➤ Psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen ➤ Verlust von sozialen Bezugssystemen ➤ Gewalterfahrungen ➤ Traumatisierende Erfahrungen Volljährige Die Aufnahme der Volljährigen in der „10“ ist zunächst an keine Voraussetzung geknüpft. Aufgenommen werden alle, die einen Bedarf geltend machen können. Die zeitliche Verweildauer ist nicht befristet. Jeder junge Mensch vollzieht Entwicklungen in seinem individuellen Tempo und benötigt unterschiedlich viel Zeit für die Verselbstständigung. Aufgrund von gravierenden Verstößen gegen die Hausordnung, insbesondere bei Fremdgefährdung, kann jedoch der Aufenthalt in der „10“ beendet werden. Da Wohnungslosigkeit in der Regel aus einer komplexen Problematik resultiert, müssen im Clearing oft mehrere Zielsetzungen mit unterschiedlicher Wichtigkeit erarbeitet und die Prioritäten im Verlauf der Hilfe immer wieder überprüft und modifiziert werden. Die langjährige Arbeit mit Wohnungslosen hat gezeigt, dass zu einer dauerhaften Verselbstständigung in der eigenen Wohnung - zunächst neben einer stabilen finanziellen Absicherung - eine intensive Arbeit an den Basiskompetenzen für Wohnungs- und Arbeitsfähigkeit gehört. Frauen In der „10“ bewohnen volljährige Frauen einen separaten Frauenbereich, der ihnen einen Rückzugsraum bietet. Viele Bewohnerinnen haben traumatisierende (sexualisierte) Gewalterfahrungen gemacht. Sie sind nicht in der Lage, eigene Bedürfnisse gegenüber anderen einzufordern und Grenzen zu setzen. Sie benötigen einen Schutzraum, um sich frei entfalten und zurückziehen zu können. Minderjährige Im Rahmen der Jugendhilfe bietet die Einrichtung 5 Inobhutnahmeplätze für Jugendliche. Das Angebot der „10“ gilt für problembelastete Jugendliche, die von anderen Jugendhilfemaßnahmen zurzeit nicht erreicht werden können und die kurzfristig eine Übernachtungsmöglichkeit benötigen. In Einzelfällen wird Jugendlichen, die ihre Personalien nicht preisgeben möchten, für maximal 3 Tage eine Inkognitoübernachtung gewährt. Bei den Minderjährigen wird die Verweildauer auf zunächst 3 bis 5 Monate beschränkt. Hierbei handelt es sich um einen Zeitraum, in dem die Möglichkeit besteht, Vertrauen aufzubauen. Durch die ressourcenorientierte und parteiliche Arbeitsweise wird in der Hilfeplanung die Position des Jugendlichen gestärkt. Oftmals können Jugendliche so durch Einbringen ihrer Sichtweise in den Hilfeprozess eigene Veränderungspotenziale stärker mobilisieren und lassen sich auf Folgemaßnahmen besser ein. Für die unter 17-Jährigen schließt sich in der Regel eine Unterbringung in einer Einrichtung der Jugendhilfe, die Rückführung in die Herkunftsfamilie oder eine Projektstelle an, bei 17- und über 17-Jährigen besteht zusätzlich die Möglichkeit der Verselbstständigung in der eigenen Wohnung. BesucherInnen Ehemalige BewohnerInnen und BesucherInnen können in begrenztem Umfang an den Freizeit- und Beratungsangeboten teilnehmen. Primä- 369 uj 9 | 2011 Projektvorstellung res Ziel der Beratung ist hier eine schnelle Vermittlung von Hilfsangeboten und Anbindung an das Hilfesystem. Im geringen Umfang wird für ehemalige BewohnerInnen Nachbetreuung angeboten, um Hilfestellung zum langfristigen Erhalt der Wohnung zu geben. Die Angebotsstruktur Die Kernöffnungszeiten sind montags, mittwochs und freitags von 7 bis 16 Uhr und abends/ nachts ab 19 Uhr. Durchgehend geöffnet ist dienstags und sonntags. Die Nachtruhe beginnt sonntags bis donnerstags um 23 Uhr, freitags und samstags um 24 Uhr. In Notfällen erfolgen Erstaufnahmen auch nach Einsetzen der Nachtruhe. Mittwochs und freitags findet ein offenes Café „Freakys“ statt. Durch gemeinsame Erlebnisse soll - trotz hoher Fluktuation - das Gruppengefühl im Haus gestärkt werden. Des Weiteren stellt das Café durch seine vielseitigen Angebote eine Alternative zu kommerziellen Einrichtungen dar, die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Aktivitäten In der Einrichtung werden sowohl wöchentlich stattfindende regelmäßige Angebote als auch einzelne Projekte angeboten. Die Aufzählung skizziert einen Ausschnitt der Aktivitäten. ➤ Kochangebot ➤ Workshops wie Musikprojekte, Jonglieren ➤ Sportangebot und Sportevents ➤ Gesellschaftsspiele, Kickern, Computerspiele ➤ Museumsbesuche ➤ Klettern im Hochseilgarten ➤ Besuchen von jugendspezifischen Messen Betreuung Während der Öffnungszeiten sind pädagogisch ausgebildete MitarbeiterInnen anwesend, um sich um die Belange der BewohnerInnen zu kümmern. In dem interdisziplinären Team arbeiten ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, eine Heilerziehungspflegerin und eine Psychologin im Tag- und Nachtdienst. Im Nachtdienst der Einrichtung sind 9 Fachkräfte tätig. Sie sind u. a. für den reibungslosen Ablauf des Abends sowie für Krisenintervention verantwortlich. In der Zeit ab 21 Uhr besteht eine doppelte Besetzung der MitarbeiterInnen. Gerade in der Arbeit mit zum Teil gewaltbereiten BewohnerInnen hat sich diese Besetzung als notwendig erwiesen. Im Tagdienst arbeiten die Leiterin mit 75 %, die Stellvertreterin mit 100 % und eine Mitarbeiterin mit 50 % Stellenanteil. Eine weitere Mitarbeiterin ist für die Freizeitangebote montags und freitags zuständig. Die Kosten Der aktuelle Entgeltsatz für Jugendliche beträgt € 93,30 pro Kalendertag. Hierin sind Grundleistungen (Übernachtung, Vollverpflegung, Betreuung) der Unterbringung enthalten. Altersabhängiges Taschengeld, Bekleidungsgeld und Sonderzahlungen werden zusätzlich erhoben. Die Volljährigen sind Selbstzahler und müssen pro Übernachtung € 2,- bezahlen. Es besteht die Möglichkeit, gegen einen Umkostenbeitrag Essen zu erwerben oder sich selbst zu versorgen. Kontakt: Stadt Solingen - Städtische Einrichtungen Die „10“ Hermannstraße 10 42657 Solingen die10@solingen.de
