unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Recht: Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthaltsund asylrechtlicher Vorschriften
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Katharina Wiatr
"Die Ehe darf nur auf Grund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden." Dieses fundamentale Menschenrecht proklamiert die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 in ihrem Artikel 16 Abs. 2. Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften
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176 unsere jugend, 64. Jg., S. 176 - 177 (2012) DOI 10.2378/ uj2012.art17d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel „Die Ehe darf nur auf Grund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden.“ Dieses fundamentale Menschenrecht proklamiert die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 in ihrem Artikel 16 Abs. 2. Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften von Katharina Wiatr Jg. 1985; 1. juristisches Staatsexamen, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozial- und Zivilrecht an der TU Berlin, em. Prof. Dr. iur. Johannes Münder Leider gibt es auch in Deutschland Fälle, die eine Zwangsheirat bzw. die Androhung einer Zwangsheirat dokumentieren. Nach einer kürzlich erschienenen Studie vom November 2011 sollen 3.443 betroffene Personen eine Beratungsstelle gegen Zwangsheirat aufgesucht haben (Pressemitteilung des BMFSFJ vom 9. November 2011). Dabei ist jedoch nicht sicher, ob sich die Betroffenen nicht an mehrere Beratungsstellen gewandt haben könnten. Die genaue Zahl von Zwangsehen bleibt daher im Dunkeln. Zumindest auf rechtlicher Seite hat sich in den letzten Jahren etwas getan. Wurde früher die Zwangsheirat noch unter dem Tatbestand der schweren Nötigung (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 2. Strafgesetzbuch a. F.) bzw. unter Umständen unter Menschenhandel (§232 StGB) und Verschleppung (§ 234 a StGB) gefasst, ist seit 1. Juli 2011 das neue „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ (BT-Drs. 17/ 4401) in Kraft getreten und schuf damit einen neuen „§ 237“ im deutschen Strafgesetzbuch. Danach wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt. Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung dieser Tat einen Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu 177 uj 4 | 2012 Recht begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren. In diesen Fällen ist auch ein Versuch strafbar. Wie der Titel schon verrät, sind durch das Gesetz weitere, inhaltlich verbundene Bereiche erfasst worden: Neuerungen erfuhr auch das Aufenthaltsgesetz. Durch den § 37 Abs. 2 a Aufenthaltsgesetz wurde für Opfer von Zwangsverheiratungen, die von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten werden, ein Wiederkehrrecht eingeführt. Jedoch muss dabei gewährleistet sein, dass das Opfer„sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann“ und das Visum zur Rückkehr nach Deutschland bzw. die Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf (§ 37 Abs. 2 a Satz 1 AufenthG) bzw. zehn Jahren (§ 37 Abs. 2 a Satz 2 AufenthG) seit der Ausreise beantragt. Die allgemeine Regel sieht eine Erlöschung des Aufenthaltstitels sechs Monate nach Verlassen des Bundesgebietes vor. Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1314 Abs, 2 Nr. 4 BGB) hat das Gesetz seinen Niederschlag gefunden. Eine Ehe, bei der ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann durch richterliche Entscheidung nach Antrag aufgehoben werden. Grundsätzlich beträgt die Antragsfrist für die Aufhebung der Ehe ein Jahr. In Fällen der Zwangsehe wurde diese aber auf drei Jahre erhöht (vgl. § 1317 BGB). Aber nicht alle Änderungen im Zuge des Gesetzes zur Zwangsheirat sind durchweg positiv. Insbesondere wurde das Aufenthaltsgesetz in seinem § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geändert: Menschen, die per Ehegattennachzug nach Deutschland gekommen sind, können im Fall einer Trennung erst nach einer dreijährigen Bestandszeit der Ehe ein vom Ehegatten unabhängiges Aufenthaltsrecht erhalten. In der früheren Regelung war dies noch nach zwei Jahren möglich. Vor allem bekannte JuristInnen, Migrations- und Wohlfahrtsverbände sowie Nichtregierungsorganisationen hatten sich gegen diese Fassung der aufenthaltsrechtlichen Regelung gewandt, da sie eine Zwangsehe vielmehr fördere als verhindere. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt zu hoffen, dass die Bemühungen zur Verhinderung der Zwangsehe auch vollumfänglich erfolgreich sind. Überlegungen der Begrenzung der Rückkehr für Opfer der Zwangsehe sollten zumindest keinen Raum haben. Katharina Wiatr TU Berlin Fakultät 1 Geisteswissenschaften Sekretariat FR 4 - 7 Franklinstraße 28/ 29 10587 Berlin
