eJournals unsere jugend 64/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2012
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„Ganztagsschule ist nicht gleich Ganztagsschule“

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Helga Hettlich
In den vergangenen Jahren hat sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Osnabrück in vielfältiger Art und Weise um Kooperationen mit (Ganztags-)Schulen bemüht und konkrete Praxiserfahrungen gesammelt.
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491 unsere jugend, 64. Jg., S. 491 - 493 (2012) DOI 10.2378/ uj2012.art44d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Helga Hettlich Jahrgang 1970; Dipl.-Sozialpädagogin, Referentin für Schulkooperation beim Bund der Katholischen Jugend Osnabrück „Ganztagsschule ist nicht gleich Ganztagsschule“ Erfahrungen des BDKJ Osnabrück im Arbeitsfeld Jugendarbeit und Schule In den vergangenen Jahren hat sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Osnabrück in vielfältiger Art und Weise um Kooperationen mit (Ganztags-)Schulen bemüht und konkrete Praxiserfahrungen gesammelt. Durch die Kooperation mit Schulen ergeben sich aus Sicht des BDKJ Osnabrück vielfältige Chancen für die kirchliche Kinder- und Jugend(verbands-)arbeit. Das neue Arbeitsfeld Jugendarbeit und Schule leistet einen wertvollen Beitrag, den Lebensort Schule für Kinder und Jugendliche interessant und gewinnbringend zu gestalten. Durch gezielte Angebote und abgestimmte Programme für Schule erhält die Kinder- und Jugendarbeit die Möglichkeit, Expertin für informelles Lernen zu werden und eigene inhaltliche Schwerpunkte zu vermitteln. Das Engagement des BDKJ Osnabrück im Ganztag reicht von Ausbildungen zum/ zur JugendleiterIn oder zum/ zur TutorIn über Angebote zum sozialen Lernen in Grundschulen bis hin zu Projekten zur beruflichen Orientierung. Gute Erfahrungen hat der BDKJ insbesondere mit den Tutorenprogrammen und den Schulungen für die Jugendleitercard gemacht. Exemplarisch für diesen Bereich soll an dieser Stelle das Tutorenprogramm näher dargestellt werden. Bei diesem Programm werden SchülerInnen in Trägerschaft des BDKJ Regionalverbandes Osnabrück Nord durch Inhalte der Juleica-Ausbildung und erlebnispädagogische Übungen so qualifiziert, dass sie Verantwortung für jüngere SchülerInnen übernehmen. In Teams begleiten sie als TutorInnen jeweils eine Gruppe von fünf bis zehn jüngeren SchülerInnen in regelmäßigen Treffen. Hier wird miteinander gespielt und gelacht, aber auch bei Problemen unterstützt oder bei Konflikten vermittelt. Auf diesem Weg können die neuen FünftklässlerInnen besser integriert werden und erhalten ein alternatives Angebot der Freizeitgestaltung. Neben der Verbesserung des Schulklimas und der Vermittlung der Verantwortung für die eigene Schule werden insbesondere Schlüsselqualifikationen gefördert. Die TeilnehmerInnen erhalten nach zwei Blockseminaren und regelmäßigen Treffen während eines Jahres die Juleica. 492 uj 11+12 | 2012 Jugendhilfe und Ganztagsschule Neben regelmäßig stattfindenden Angeboten gibt es eine Vielzahl von zeitlich begrenzten Projekten im sozialen, jugendpolitischen, erlebnispädagogischen und religiösen Bereich. Zentrale Ziele dieser Handlungsfelder sind die Bildung und die Entwicklung der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen. Beispielhaft für ein begrenztes Projekt soll hier der „Zukunftstag für Schülervertretungen“ benannt werden, der in Kooperation mit den beiden Jugendbildungsstätten des Bistums Haus „Maria Frieden“ und Marstall Clemenswerth als Kombinationsangebot für alle Stiftungsschulen durchgeführt wurde. Hierzu waren alle Schülervertretungen mit ihren SV-BeraterInnen herzlich eingeladen. Das Kombinationsangebot, das anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Schulstiftung eigens entwickelt wurde, enthielt unter anderem ein eintägiges Fortbildungsseminar mit verschiedenen Modulen wie Rhetorik, Moderation, Gremienarbeit, Rechte und Pflichten. Darüber hinaus wurden im Rahmen einer eintägigen Zukunftswerkstatt die beteiligten Schülervertretungen eingeladen, sich mit ihrem Schulalltag kritisch auseinanderzusetzen und aus dieser Auseinandersetzung neue Visionen von Schule zu entwickeln. Abschließend wurden realistische Projektideen erarbeitet, deren Umsetzung nun in den jeweils beheimateten Schulen erfolgen wird. Konkrete Wünsche und Ergebnisse waren u. a. die Einrichtung von neuen SV-Räumen, bessere Vorbereitung von SchülerInnen auf das Amt des/ der KlassensprecherIn, Verfügungsstunden zur Betreuung der SV und Benefizkonzerte. „Ganztagsschule ist nicht gleich Ganztagsschule“, das ist eine zentrale Erkenntnis des BDKJ. Diese Tatsache ist aus Sicht der Osnabrücker Verbände in erster Linie auf sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen und auch auf die örtliche Ausgestaltung des Ganztages - mal offen, mal gebunden - zurückzuführen. In unserer langjährigen Erfahrung wurde immer wieder deutlich, dass bessere Rahmenbedingungen den Aufwand zur Gestaltung einer Kooperation mindern, die Anzahl der Kooperationsprojekte steigern und die Qualität der Zusammenarbeit für alle Beteiligten verbessern könnten. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, folgende Faktoren für den Ausbau der Ganztagsschulen stärker in den Blick zu rücken: Sozialkompetenztraining an Grundschulen 493 uj 11+12 | 2012 Jugendhilfe und Ganztagsschule ➤ ausreichende innerschulische zeitliche, strukturelle und personelle Ressourcen für die Zusammenarbeit mit KooperationspartnerInnen, ➤ ausreichende und vergleichbare Budgets für Ganztagsschulen, ➤ Begegnung von Schule und Jugendarbeit auf gleicher Augenhöhe, ➤ Qualifikation und Begleitung des in der Ganztagsschule tätigen Personals, unabhängig davon, ob es sich um LehrerInnen, ErzieherInnen, SozialpädagogInnen oder weitere Fachkräfte handelt. An Schulstandorten, an denen uns qualifizierte und engagierte schulische MitarbeiterInnen mit ausreichenden zeitlichen Ressourcen begegnen, haben wir als außerschulischer Partner mutmachende, für beide Seiten gewinnbringende Erfahrungen sammeln können. Dabei wird unter „Kooperation“ eine Form der Arbeit verstanden, bei der die handelnden Kooperationspartner ein gemeinsames Ziel haben und unter Beteiligung beider etwas Neues entwickelt wird (vgl. Pauli 2008, 85). In Zeiten von Bildungsplanung und Bildungslandschaften gilt es, sich als Träger von Kinder- und Jugendarbeit in den Entwicklungsprozessen stärker Gehör zu verschaffen, um noch Einfluss auf eine sich rasant verändernde Schullandschaft nehmen zu können. Denn trotz des hohen Aufwandes, den Schulkooperationen für Jugendverbände bedeuten, bergen die Vorteile der Zusammenarbeit mit Schulen zahlreiche Chancen, die vom BDKJ Osnabrück als zukunftsweisend für die Kinder- und Jugendarbeit bewertet werden. Zu nennen sind: Zugewinn an Angeboten und Arbeitsfeldern, Gewinnung neuer TeilnehmerInnen, Zugänge zu neuen Zielgruppen, Imagegewinn für die aktiven Kinder- und Jugendverbände als Investition in die Zukunft. Nicht zuletzt gewinnen auch Ganztagsschulen durch ein qualifiziertes Angebotsspektrum an Attraktivität. Helga Hettlich BDKJ-Diözesanverband Osnabrück Marcel-Callo-Haus Kleine Domsfreiheit 23 49074 Osnabrück h.hettlich@bdkj.bistum-os.de Literatur Pauli, B., 2 2008: Kooperation von Jugendarbeit und Schule: Chancen und Risiken. Schwalbach Seminare für Schülervertretungen