eJournals unsere jugend 64/2

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2012.art05d
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2012
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„Frühe Förderung“ ab Geburt und im Vorschulalter

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2012
Gerda Holz
Ludger Stallmann
Im Kontext der Diskussion um frühkindliche Bildung, Kompetenzförderung auf der einen und der Sicherung des Kindesschutzes auf der anderen Seite hat das Thema "Frühe Förderung" einen immer größer werdenden Stellenwert erhalten. So unterschiedlich die Ausgangspunkte der Diskussion waren, so unterschiedlich sind bis dato auch in Politik und Praxis die Vorstellungen, Aktivitäten und Erwartungen.
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50 unsere jugend, 64. Jg., S. 50 - 61 (2012) DOI 10.2378/ uj2012.art05d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel „Frühe Förderung“ ab Geburt und im Vorschulalter Ein Beitrag zur Begriffsbestimmung und Strategiediskussion Im Kontext der Diskussion um frühkindliche Bildung, Kompetenzförderung auf der einen und der Sicherung des Kindesschutzes auf der anderen Seite hat das Thema „Frühe Förderung“ einen immer größer werdenden Stellenwert erhalten. So unterschiedlich die Ausgangspunkte der Diskussion waren, so unterschiedlich sind bis dato auch in Politik und Praxis die Vorstellungen, Aktivitäten und Erwartungen. von Gerda Holz Jg. 1957; Sozialarbeiterin grad., Dipl.-Politikwissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Frankfurt am Main Um was geht es? Geht es um die Kinder, oder sind eigentlich ihre Eltern und Familien als „Zielgruppen“ gemeint? Geht es um Förderung, Hilfe oder um Schutz für junge Menschen, oder ist alles gemeinsam gemeint? Geht es um alle Kinder oder hauptsächlich um sozial belastete und armutsbetroffene Gruppen? Allein diese Fragen weisen darauf hin, dass wir erst am Anfang eines Prozesses der Klärung des Begriffes und der Profilschärfung des Handlungsfeldes stehen. Der weitere Schritt ist dann, mehr über Möglichkeiten, Konzepte und Wirkungen von „Früher Förderung“ zu erfahren und empirisch zu erfassen. Im Folgenden wird zunächst auf den Ansatz der „Frühen Förderung“ eingegangen und eine erste Begriffsbestimmung vorgenommen. Danach erfolgt eine sozialwissenschaftlich geprägte Abgrenzung zu den Begriffen „Frühe Hilfen“ und „Kinderschutz“ und ihren Konzepten. In einem weiteren Schritt werden anhand eines praktischen Beispiels (Mo.Ki - Monheim für Kinder) das Konzept „Frühe Förderung“ und dessen praktische Umsetzung für Kinder und deren Eltern bis zum 6. Lebensjahr des Kindes beschrieben. Zum Schluss folgt ein kurzer Ausblick. Ludger Stallmann Jg. 1977; Dipl.-Pädagoge, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Frankfurt am Main 51 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Zentrale Orientierungen der „Frühen Förderung“ Die Pflege und Erziehung der Kinder sind das Recht und die Pflicht der Eltern, d. h., dass die frühe Förderung immer zuallererst in der Familie stattfindet. Gleichzeitig hat die Gesellschaft im Allgemeinen und die Kinder-/ Jugendhilfe im Besonderen eine eigene Verantwortung, das Recht der Kinder auf die Förderung ihrer Entwicklung und Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu unterstützen. Dies bedeutet zum einen, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen positive Lern- und Entwicklungsprozesse möglich sind und Eltern bei ihren Aufgaben unterstützt werden. Dies bedeutet zum anderen, Benachteiligungen von jungen Menschen - z. B. in Folge von Armut, sozialer und kultureller Herkunft, in Form von Zugangsbarrieren zu Angeboten und Ressourcen - von vornherein zu vermeiden, sie individuell zu unterstützen und vor Gefahren zu schützen (vgl. § 1 SGB VIII). In diesem Gesamtauftrag zielt „Frühe Förderung“ zunächst auf die Eltern ab. Sie soll die elterlichen Ressourcen und Kompetenzen zur Gestaltung des Familienalltags mit dem Ziel stärken, die Entwicklungs- und Lebensbedingungen des Kindes positiv zu gestalten und zur sozialen Integration und gesellschaftlichen Teilhabe beizutragen. Hier verwirklicht sich die „elterliche Verantwortung“ für das Kind. „Frühe Förderung“ zielt aber genauso auf das Kind selbst ab, in dem altersgemäße Entwicklungs- und Bildungsprozesse durch eigene außerfamiliäre Angebote bereichert werden. Hier verwirklicht sich die „öffentliche Verantwortung“ gegenüber dem einzelnen Kind, während seine eigenständigen subjektiven Rechte gesellschaftlich gesichert werden. Beides - elterliche und öffentliche Pflicht zur umfassenden Förderung - beginnt im Grunde mit der Schwangerschaft der Frau, spätestens aber ab der Geburt des Kindes, und setzt sich fort bis zum erfolgreichen Berufseinstieg bzw. der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im Erwachsenenalter. Mit Blick auf Eltern sind Angebote der „Frühen Förderung“ immer freiwillig. Eltern sind Partner der Fachkräfte etwa der Gesundheits-, Familien- und Kinder-/ Jugendhilfe oder der Familienbildung, und sie werden partizipativ in die Gestaltung der Angebote einbezogen. Es gilt der Anspruch der Bedarfsorientierung, und es ist stets der soziale (Nah)Raum einzubeziehen. Angebote der „Frühen Förderung“ richten sich grundsätzlich - je nach Altersphase des Kindes - an alle Eltern und sind für alle zugänglich. Sie müssen aber ebenso in der Lage sein, die spezifischen Bedarfe unterschiedlicher Elterngruppen zu befrieden. Diese Grundorientierung der Offenheit setzt von vornherein voraus, dass sehr bewusst keine Zugangsschwellen zu Angeboten geschaffen bzw. vorhandene Barrieren abgebaut werden. Zwei Zielgruppen - zugleich sehr wichtige - sind arme und sozial belastete sowie (bildungs)unsichere Eltern. „Frühe Förderung“ mit Fokus auf das Kind zielt auf die Sicherung der ganzheitlichen Entwicklung, der motorischen, sprachlichen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten des jungen Menschen ab und unterstützt seine soziale Teilhabe. Sie umfasst Verhaltensweisen, Angebote, Maßnahmen und Strukturen, die die ganzheitliche Entwicklung und Bildung des jungen Menschen sichern, indem ein aktives und selbst gesteuertes Erfahrungslernen in einem kind-/ jugendgerechten Lebensraum ermöglicht wird. Sie ist nicht begrenzt auf ein bestimmtes Lebensalter, sondern konzentriert sich vor allem auf die Kindheit und setzt sich fort bis zum Erwachsenenalter. Sie ist in ihren Formen familienunterstützend und -ergänzend. Zwei Zielgruppen - zugleich sehr wichtige - sind Kinder mit armen und sozial belasteten sowie (bildungs)unsicheren Eltern. 52 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden „Frühe Förderung“ umfasst weiterhin öffentliche Strategien und Maßnahmen sowie lokale Strukturen und Netzwerke, die die Förderung von Kindern und die Unterstützung ihrer Eltern befördern. Sie ist Ausgangspunkt und zugleich eine der zentralen Leitorientierungen von Präventionsketten (vgl. Holz/ Schöttle/ Berg 2011), wie sie in verschiedenen Kommunen (z. B. Monheim am Rhein, Dormagen, Gelsenkirchen, Mainz, Münster, München, Weinheim, Wiesbaden) umgesetzt und zwischenzeitlich auch regional und landesweit (z. B. LVR-Landesjugendamt Rheinland „Kommunales Netzwerk gegen Kinderarmut“ bzw. Landesregierung NRW„Kein Kind zurücklassen - Kommunale Präventionsketten“) weiter verbreitet werden. Leitsätze der „Frühen Förderung“ ➤ Die Familie ist der erste und wichtigste Ort. ➤ Es besteht eine gemeinsame Verantwortung von Familie und Gesellschaft. ➤ Es liegt ein ganzheitliches Entwicklungs- und Bildungsverständnis zugrunde. ➤ Die familienunterstützenden/ -ergänzenden Angebote stehen allen Familien offen. ➤ Die Nutzung der Angebote ist freiwillig. ➤ Die Akteure und Eltern arbeiten partnerschaftlich zusammen. ➤ Die Angebote/ Maßnahmen sind auf den Bedarf der Kinder und Familien des jeweiligen Sozialraums/ Quartiers abgestimmt. ➤ Sie beinhaltet immer auch Maßnahmen der „Frühen Hilfe“ und des „Kinderschutzes“, die arbeitsteilig von unterschiedlichen Akteuren des Kinder-, Jugendhilfe-, Gesundheits-, Bildungssystems usw. verantwortet und umgesetzt werden. ➤ Die Kommune sichert unter Einbindung der föderativen Zuständigkeiten die erforderlichen Rahmenbedingungen. Sie gestaltet und steuert die lokale Infrastruktur der Förderung auf der Basis von Netzwerken mit allen relevanten Akteuren. Abgrenzung zu den Begriffen und Konzepten „Frühe Hilfen“ und „Kinderschutz“ Dergestalt zeigt sich eine deutliche Abgrenzung in der Begrifflichkeit und den Konzepten sowohl gegenüber„Frühen Hilfen“ als auch gegenüber „Kinderschutz“, wobei Schnittstellen und Überschneidungen bestehen. Allgemein lassen sich „Frühe Förderung“ eher der Primärprävention, „Frühe Hilfen“ der Sekundär- und „Kinderschutz“ der Tertiärprävention zuordnen (vgl. Nationales Zentrum Frühe Hilfen o. J.; Holz/ Stallmann 2010, 13). In Bezug auf die „Frühen Hilfen“ besteht ein zentraler Unterschied darin, dass sich diese, zumindest aus der Sicht vieler Akteure, vorrangig an Eltern in belasteten Lebenslagen und mit geringen Handlungsressourcen richten, die wiederum daraus resultierende besondere Unterstützungsbedarfe haben (vgl. Wagenblass 2010). Sie sollen sowohl auf die Stärkung von Erziehungs-, Beziehungs- und Bindungskompetenzen als auch durch medizinische Hilfen auf die Stärkung elterlicher Gesundheitskompetenz ausgerichtet sein. Als Zeithorizont wird von den ersten drei Lebensjahren des Kindes ausgegangen. Zwei Grundhaltungen finden sich wieder, zum einen die Auffassung von „Früher Hilfe“ im Sinne einer „Frühen Förderung“ und damit als ein primärpräventiv ausgerichtetes Unterstützungssystem für alle Eltern sowie zum anderen die Auffassung von „Früher Förderung“ im Sinne eines „präventiven Kinderschutzes“ und damit als eine eher sekundärpräventive bzw. intervenierende Maßnahme für Risikofamilien (vgl. Sann 2011, 16). „Frühe Hilfen versuchen … das Entstehen von Kindeswohlgefährdung im engeren Sinne dadurch zu verhindern, dass sie bei Gefährdungslagen im weiteren Sinne möglichst früh wirksame Hilfen anbieten“ (Kindler/ Sann 2007, 43). Den Begriff der „Frühen Hilfen“ prägt also ein Doppelauftrag, der sowohl den Ansatz der Prävention und Förderung als auch der Intervention und Kontrolle enthält (vgl. Schone 2008; Helming 2008). 53 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Ebenso gegenüber„Kinderschutz“ als Sammelbecken aller sowohl intervenierenden als auch präventiven Regelungen und Maßnahmen im Hinblick auf den Schutz vor Kindeswohlgefährdungen gemäß § 8 a SGB VIII grenzen sich der Begriff und Ansatz der „Frühen Förderung“ ab, da nicht die ganzheitliche Förderung der Entwicklung des Kindes im Fokus der Zielsetzungen steht, sondern vielmehr die Verhinderung oder Beendigung von Kindeswohlgefährdungen allgemein und besonders im Einzelfall. Kindeswohlgefährdung im engeren Sinn wird sozialwissenschaftlich unterschieden in Kindesvernachlässigung, Misshandlung und sexuellen Missbrauch. Kindeswohlgefährdung im weiteren Sinne beschreibt das Vorliegen von Risikofaktoren, denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine negative Entwicklung des Kindes zugeschrieben wird. Eine zentrale Handlungsgrundlage ist das geplante Bundeskinderschutzgesetz. Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, „Frühe Förderung“ ist ein eigenständiger Ansatz, der eigenen Grundprinzipien folgt und gleichzeitig immer Maßnahmen der „Frühen Hilfe“ und des „Kinderschutzes“ beinhaltet. Es wirken stets verschiedene Akteure sowohl aus der Kinder- und Jugendhilfe als auch aus dem Gesundheits- und Bildungssystem zusammen und erbringen gemeinsame Präventionsleistungen. Nachfolgend wird der Ansatz der „Frühen Förderung“ am Beispiel von „Mo.Ki - Monheim für Kinder“ mit seinen Schwerpunkten für die Altersgruppen von 0 bis 3 Jahre und von 3 bis 6 Jahre beispielhaft skizziert. Philosophie und Strategie der „Frühen Förderung: Mo.Ki - Monheim für Kinder“ Ausgangspunkt des kommunalen Engagements in Monheim am Rhein und der pädagogischen wie strukturellen Arbeit von Mo.Ki bildet ein Stadtteil, der über lange Jahre im Programm „Soziale Stadt“ als Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf gefördert wurde. In dem Quartier lebten und leben ein Drittel der Monheimer BürgerInnen, von denen überdurchschnittlich viele von Armut betroffen sind. 60 % der BezieherInnen von Sozialgeld in Monheim am Rhein wohnen hier, und jedes 3. bis 4. Kind des Viertels wächst mit Hartz-IV- Bezug auf. Damit einher gingen überdurchschnittlich oft Gesundheits- und Entwicklungsauffälligkeiten, Sprachförderbedarfe, schulische Einzelförderung bis hin zur Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung. Der Anteil an erfolgreichen Schulverläufen lag weit unter den Monheimer Werten. Gleichzeitig aber war und ist das Viertel der Lebensraum der Monheimer Jugend, denn fast jeder zweite junge Monheimer wächst hier auf (vgl. Berg 2010). 2002 wurde ein erstes Modellprojekt gestartet, aus dem heraus sich bis heute eine kommunale Gesamtstrategie der „Frühen Förderung von Anfang an“ entwickelt hat und bundesweit zu einem Vorbild für den Aufbau einer kommunalen Präventionskette auf der Basis von Netzwerken geworden ist. Die Leitziele lauten: „möglichst vielen Kindern eine erfolgreiche Entwicklungs- und Bildungskarriere eröffnen und sichern“ sowie „einen Beitrag zur Chancengleichheit zu sichern“. Erreicht werden soll das unter anderem über folgende Teilziele: (a) Abbau des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg, (b) Kindern im belasteten Stadtgebiet eine bessere Chance auf Bildung, Erziehung und Förderung sowie ein selbstbestimmtes Leben in der Zukunft zu eröffnen, (c) ein Frühwarnsystem einschließlich Angeboten der „Frühen Hilfen“ zu etablieren, (d) eine bessere Verzahnung von Gesundheits-, Kultur-, Schulbereich und Jugendhilfe zu erreichen sowie (e) Nutzung aller in der Kommune vorhandenen Ressourcen. Seit 2002 wird „Mo.Ki - Monheim für Kinder“ systematisch von freier und öffentlicher Jugendhilfe (d. h. AWO Niederrhein e. V. und Stadt Monheim am Rhein) entwickelt und ausgebaut. 54 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Das Konzept fördert Kinder, unterstützt Familien, stärkt Eltern, fördert Bildung, gestaltet Übergänge, praktiziert Vernetzung und baut die Qualifizierung der Fachkräfte aus. Grundgedanke ist eine Vernetzung aller vor Ort für Kinder engagierten Akteure, um gemeinsam das „Aufwachsen im Wohlergehen“ eines jeden Monheimer Mädchens oder Jungen zu sichern. Dabei sind zwei Grundelemente - Einzelförderung und Strukturentwicklung, die untrennbar miteinander verknüpft sind, gemeinsam gedacht werden und sich in allen Aktivitäten wiederfinden - charakteristisch: Es geht um die Förderung von Resilienz (= Verhaltensebene) und die Gestaltung von präventiven Strukturen (= Verhältnisebene). Frühes Fördern von Anfang an - „Mo.Ki unter Drei“ Ziel ist es, für alle Familien (d. h. Kinder und Eltern) ein bedarfsorientiertes und vernetztes Angebot auszubauen. Hierzu werden sowohl neue, bedarfsgerechte Förder- und Bildungsangebote für Kinder unter drei Jahren als auch Angebote zur Unterstützung ihrer Eltern sowie für Schwangere und zukünftige Eltern entwickelt als auch bestehende Angebote eingebunden und gebündelt. Darüber hinaus soll „Mo.Ki 0“ (synonym „Mo.Ki unter Drei“) ein Netzwerk mit allen relevanten Akteuren aufbauen, das wiederum Impulse für die generelle Weiterentwicklung der Monheimer Infrastruktur für Kinder und deren Familien gibt. Bei „Mo.Ki 0“ handelt es sich nicht um eine Insellösung, sondern um das Einstiegselement einer schrittweise entstehenden Präventionskette „von der Geburt bis zum erfolgreichen Berufseinstieg“, die zum Schluss aus insgesamt fünf „Kettengliedern“ bestehen wird. Auf „Mo.Ki 0“ folgt „Mo.Ki I“ = Frühe Förderung in der Kindertagesstätte für Kinder zwischen drei und sechs Jahren (vgl. Holz u. a. 2005), „Mo.Ki II“ = Frühe Förderung in der Grundschule (vgl. Holz 2010) usw. Jedes dieser Elemente wurde oder wird modellhaft erprobt und anschließend in die Regelstrukturen der Kommune integriert. Unterstützungswünsche der Mo.Ki-0-Eltern Auskunft dazu liefern eine Elternbefragung und eine Nutzungserhebung der Mo.Ki-0-Angebote im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung durch das ISS-Frankfurt a. M. (vgl. Holz/ Stallmann 2009; 2010; 2011). In diese Monheimer Elternstudie fließen die Angaben von 616 Familien mit Geburten zwischen dem 1. 1. 2009 und dem 31. 3. 2011 - sogenannte Neueltern - ein. Das sind knapp 90 % aller Monheimer Neueltern. Datengrundlage bilden die im Rahmen eines Willkommensbesu- Tab. 1: Bedarfsäußerungen von Mo.Ki-0-Familien, N = 596, Mehrfachnennungen möglich (Quelle: Monheimer Elternstudie 2011) Bedarf an … In Prozent Krippen-/ KiTa-Platz; außerhäusliche Betreuung Information über Angebote Kontakt mit anderen Eltern weiterer Begleitung über Hausbesuche Vermittlung in andere Dienste Berufsorientierung Beratung in finanziellen Fragen 96,8 40,6 28,4 5,7 5,7 4,4 0,5 55 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden ches ermittelten Informationen, die anhand eines Erstkontaktbogens durch Abfrage zentraler sozialstruktureller Indikatoren (finanzielle Situation, Wohnsituation, Bildungsstand, Erwerbstätigkeit, Migrationshintergrund, Unterstützungssystem und Familienstatus) sowie durch die Erfassung der elterlichen Bedarfswünsche und der Absprachen zwischen den Eltern und der Erstbesucherin dokumentiert wurden. Tabelle 1 veranschaulicht, was die Eltern in den ersten drei Monaten nach der Geburt ihres Kindes äußerten. Interessant sind die herausragende Position der außerhäusigen Betreuung sowie die Abstufung der Bedarfe. Hierin mag sich zum einen eine konstante Beschäftigung der Eltern mit Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausdrücken, zum anderen zeigt sich aber auch: Themen der„Frühen Förderung“ greifen weit. Gleichwohl sind die kindliche Entwicklung und Versorgung das zentrale Familienthema und das in allen Familiengruppen, unabhängig von Lebenslage, Herkunft oder Bildungshintergrund. So benannten gut 90 % aller Neueltern die Entwicklung ihres Kindes als ein für sie sehr wichtiges Thema in dem ersten Jahr nach der Geburt. Rund 80 % gaben die alltägliche Versorgung ihres Kindes als sehr wichtiges Thema an. Bei den weiteren Themen zeigten sich dann von Lebenslagen (und Familientypen) abhängige Unterschiede. „Frühe Förderung“ mit Blick auf Eltern bezieht sich also ab Schwangerschaft, spätestens ab Geburt des Kindes immer auf ein ganzes Bündel an elterlichen Bedarfen. Neben der Information geht es um Bedarfe nach Begegnung, Beratung, Bildung, Begleitung, Betreuung und Bargeld. In welcher Konstellation und in welcher Intensität diese für jede einzelne Familie gewünscht und erforderlich sind, wird durch die jeweilige Lebenslage und die spezifischen Eigenressourcen der Eltern bestimmt. Wie unterschiedlich sind die Bedarfe von Neueltern - drei Familientypen als Zielgruppen In der Monheimer Elternstudie wurden auf der Basis von Indikatoren, den geäußerten Wünschen und einer fachlichen Bedarfseinschätzung eine Typisierung der Eltern mit einem neugeborenen Kind vorgenommen und daraus folgende vier Familientypen gebildet (siehe Abb. 1). Rund 77 % der durch die Evaluation erfassten Mo.Ki-0-Familien gehören zur Gruppe der selbstorganisierten Familien, 17 % sind der Gruppe der unsicheren Familien und 5 % der Gruppe der Risikofamilien zuzuordnen. In die Gruppe der Hochrisikofamilien fällt lediglich 1 %. Armutsbetroffene und sozial benachteiligte Familien, Familien mit Migrationshinter- Familientyp Zuordnung dann, wenn … Selbstorganisierte Familie keine/ kaum Risikofaktoren vorhanden sind und kein Bedarf an direkter Unterstützung besteht. Unsichere Familie einzelne Risikofaktoren erkennbar sind, Eltern Interesse/ Bedarf an Unterstützung haben. Risikofamilie kumulierte Risikofaktoren/ hohe Problemdichte erkennbar sind, Eltern einen erhöhten Bedarf an Unterstützung/ Hilfe signalisieren. Hochrisikofamilie* (akute) Kindeswohlgefährdung ersichtlich wird. * Wegen sehr geringer Fallzahl nicht in die weiteren Auswertungen einbezogen Abb. 1: Familientypen (Quelle: Holz/ Stallmann 2010, 58) 56 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden grund oder Ein-Eltern-Familien finden sich in allen Familientypen wieder. Ihr Anteil verändert sich hin zu den unsicheren oder risikobehafteten Typen, umso deutlicher eine Belastung der Eltern und damit verbunden eine Begrenzung der elterlichen Eigenkompetenzen und ihrer sozialen Ressourcen erkennbar werden. Ausgehend von den drei verschiedenen Familientypen und den jeweils spezifischen Lebenslagen wurde weiter untersucht, ob und in welcher Weise sich die Bedarfe der Familien unterscheiden. Dabei zeigte sich, je unsicherer und je problembehafteter die Lage ist, desto größer ist der Bedarf an Begegnung, an Kontakt mit anderen Familien und an individueller Begleitung (vgl. Holz/ Stallmann 2010, 61f ). Abbildung 2 veranschaulicht, dass 56,7 % der Risikofamilien schon beim Willkommensbesuch den Wunsch nach weiteren Informationsangeboten durch Mo.Ki 0 für sich und die Versorgung ihres Kindes äußerten. Dagegen war das nur für 39 % der selbstorganisierten Familien relevant oder anders formuliert: 61 % bezeichneten sich als ausreichend informiert. Ebenso interessant sind die Unterschiede der drei Gruppen hinsichtlich des Wunsches nach weiteren Hausbesuchen: 28,6 % der Risikofamilien und nur 1,1 % der selbstorganisierten Familien äußerten einen solchen Bedarf. Die weiteren Analysen zeigen, dass der geäußerte höhere Bedarf an Information, Beratung und Begegnung dabei mit deutlich geringer ausgeprägten Unterstützungssystemen bei unsicheren Familien und Risikofamilien korrespondiert. Vor allem die selbstorganisierten Familien verfügen über mehr Unterstützungsmöglichkeiten, insbesondere durch FreundInnen und Verwandte, aber auch durch professionelle Dienste. 84,4 % der selbstorganisierten, 82,1 % der Risiko- und nur 64,4 % der unsicheren Familien gaben an, zum Zeitpunkt des Erstbesuchs professionelle Unterstützung zu erhalten. Was beinhaltet „Frühe Förderung“ von Anfang an? - die vier zentralen Bausteine von Mo.Ki 0 Baustein 1: Der Willkommens- oder Erstbesuch Es wird allen Eltern mit einem neugeborenen Kind ein Erstbesuch angeboten. Sie werden Bedarf Familientyp Selbstorganisierte Familie Unsichere Familie Risikofamilie Informationen zu Angeboten in Monheim am Rhein 39,0 % 51,0 % 56,7 % Kontakt zu anderen Müttern/ Eltern 25,0 % 43,3 % 51,7 % Begleitung durch weitere Hausbesuche 1,1 % 21,2 % 28,6 % Unterstützung zur weiteren Berufssituation/ -orientierung 2,6 % 12,5 % 6,7 % Vermittlung zu anderen Diensten 3,3 % 14,4 % 16,7 % Abb. 2: Bedarf an Unterstützungsangeboten von Neueltern nach Familientypen. N = 616, Mehrfachnennungen (Quelle: Monheimer Elternstudie 2011) 57 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden vom Mo.Ki-0-Team im Auftrag der Stadt angeschrieben, die Eltern melden sich, und dann wird ein Termin zum Hausbesuch vereinbart. Die Intentionen zum Besuch durch Mo.Ki-0- Team sind vielfältiger Natur. Es geht um (a) die Begrüßung des neugeborenen Kindes, (b) die Kontaktaufnahme mit den Neueltern im Rahmen eines unverbindlichen Gespräches über sie interessierende Themen, um sie zu informieren. Weiterhin geht es um (c) das Kennenlernen der Familie und das Aufgreifen der Fragen, Wünsche und Anregungen der Neueltern sowie (d) die fachliche Bedarfseinschätzung durch die Erstbesucherin, um konkretere Angebote oder Hilfen unterbreiten zu können. Schließlich wird (e) zur Nutzung der weiteren Angebote von Mo.Ki 0 (Café, Feste, Gruppen, Kurse) eingeladen. Die von Beginn an große Nachfrage durch die Neueltern zeigt, dass dies der richtige Weg und der entscheidende Einstieg für eine frühe Förderung und die sich daran anschließende Präventionskette ist: Von den 771 in dem Zeitraum zwischen dem 1. 1. 2009 und dem 30. 3. 2011 geborenen Kindern wurden insgesamt 631 zu Hause besucht, weitere 31 Familien besuchten nach Einladung oder Absprache den Mo.Ki- Treff mit dem „Café und mehr …“. Der Besuch fand innerhalb der ersten drei Monate nach der Geburt des Kindes statt. Damit wurden rund 86 % der Neueltern persönlich erreicht, rund 82 % zu Hause besucht. Über 90 % der Familien äußern sich zufrieden, davon zwei Drittel sehr zufrieden. Der Erstbesuch ist das bekannteste und am meisten genutzte Mo.Ki-0-Angebot. Besonders positiv wird er von Familien mit Migrationshintergrund und von unsicheren Familien bewertet. Baustein 2: Das „Café und mehr …“ Es ist bisher erst dreimal pro Woche für drei Stunden geöffnet und hat Platz für ca. 40 Personen. Es liegt zentral in der Nähe vom Rathaus in der Fußgänger- und Geschäftszone. So ist für alle ein nicht stigmatisierender Besuch möglich. Konzept ist das gemeinsame kostengünstige Frühstück der Monheimer Eltern mit Kindern unter drei Jahren verbunden mit themenbezogenen Gesprächsrunden, Informations- und Kurzberatungen durch die Familienhebamme und die (Sozial)Pädagoginnen. Typisch ist der Besuch der Eltern zusammen mit ihren Kindern, so dass für beide zahllose Anknüpfungspunkte des Miteinanders in informellen Bildungskontexten gegeben ist. Intentionen des Angebotes sind (a) Ort der Begegnung und Kontakte für alle U3-Familien in der Stadt, (b) Anlaufstelle, um Informationen zu erhalten, sowie (c) Türöffner zu den weiteren Beratungsangeboten, Gruppen und Kursen. Die Nachfrage zeigt sich allein schon durch einen die Räumlichkeiten fast sprengenden Besuch. Zur Nachfrage: 63 % der unsicheren Familien, 55 % der Risikofamilien und rund ein Drittel der selbstorganisierten Familien besuchten mindestens einmal während der Modelllaufzeit das Café. Damit hat es seine Funktion als offenes Einstiegsangebot und Anlaufstelle erfüllt. Es zeigte sich darüber hinaus, dass Familien in großer Zahl nicht nur einmalig, sondern mehrfach und viele auch regelmäßig als Gäste kommen. Es ist so zu einem wichtigen Knotenpunkt für Kontakte und Austausch geworden, von dem aus bei Bedarf in weitere z. B. Beratungs-, Bildungs- und Begleitangebote vermittelt werden kann. So besuchten in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt 199 Familien das Café, davon kamen 43 % der Familien regelmäßig, d. h. mehrfach pro Quartal. Außerdem hat sich ein Kern von Stammgästen gebildet, die das Café kontinuierlich jede Woche besuchten (vgl. Holz/ Stallmann 2011, 18f ). Das „Café und mehr …“ ist der Türöffner und das Herz von Mo.Ki 0. Dort fühlen sich ganz besonders „unsichere“ Familien sowie Alleinerziehende und Familien mit Migrationshintergrund angesprochen. 58 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Baustein 3: Die Familienhebamme Familienhebammen sind staatlich examinierte Hebammen mit einer Zusatzqualifikation und mit ihrer Tätigkeit als Hebamme ein Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung auf der Basis der Hebammenverordnung und des SGB V. Sie sollen durch ihre Tätigkeit die Gesunderhaltung von Mutter/ Eltern und Kind fördern. Weiterhin sind sie im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gemäß SGB VIII verstärkt in die Betreuung von (Hoch-)Risikofamilien eingebunden. Dies ist auch Intention des Bausteins „Familienhebamme“ im System der „Frühen Förderung“ durch Mo.Ki 0. Zur Nachfrage: Rund 40 % der Neueltern kennen das Angebot, davon nutzt es jede 3. Familie. Es ist eine massive Zunahme der Beratungsgespräche in der wöchentlich stattfindenden Hebammensprechstunde festzustellen: Im Jahr 2009 waren es 115, im Jahr 2010 waren es 220 und bis Juli 2011 waren es schon 128 Gespräche. Die Familienhebamme erreicht ganz besonders „unsichere Neueltern“ und sichert die Betreuung von (Hoch)Risikofamilien und die Förderung ihrer Kinder. Baustein 4: Die Bildungsbegleiterin Intention dieses Angebotes ist es, (a) Lotsin zur Monheimer (Bildungs)Landschaft für bildungserfahrene und selbstorganisierte Eltern sowie (b) Unterstützerin, Förderin und Motivatorin für bildungsunerfahrene, unsichere und sozial benachteiligte Eltern zu sein. Sichert die Bildungsbegleiterin für die erstgenannte Gruppe die Öffnung des Systems, so sind bei der letztgenannten Gruppe erst einmal die Voraussetzungen für individuelle Zugänge zu Bildungsangeboten zu schaffen und positive Bildungserfahrungen zu vermitteln. Aktuell werden acht verschiedene Spiel- und Krabbelgruppen angeboten, insbesondere auch interkulturelle Gruppen, wie z. B. deutsch-türkische, deutsch-marokkanische oder deutsch-russische Spielgruppen sowie eine Gruppe für Mütter unter 21 Jahre. Zusätzlich gibt es ein für die ersten Lebensjahre aufgefächertes Kursangebot beginnend mit Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskursen sowie Babymassagen, aber auch einen TAFF-Elternkurs und einen Kurs für die Erste-Hilfe am (Klein-)Kind. Abgerundet ist das Spektrum durch zahlreiche Einzelveranstaltungen, jahreszeitliche Feste, Projektwochen wie z. B. Lese- oder Gesundheitswochen und die Themencafés. Zur Nachfrage: Die Angebote waren von Beginn an und fortlaufend ausgebucht. Es wurde eine systematische Ausweitung in anderen Einrichtungen (z. B. KiTas, VHS, Musikschule) vorgenommen und dabei darauf geachtet, dass benachteiligte Eltern tatsächlich Zugang haben und das Angebot nutzen können. Dabei zeigt sich ein Weg erfolgreicher und andauernder Nutzung. Bildungsunerfahrene, unsichere oder benachteiligte Eltern nutzen am ehesten allgemeine Feste und Veranstaltungen (z. B. Martinsfeier, Opferfest). Sie schauen, testen und bewerten, ob sie vertrauen können. Dem folgt die Nutzung von Spielkreisen und Gruppenangeboten für und mit ihren Kindern. Die Eltern wissen meist um die entwicklungsfördernde Bedeutung solcher Aktivitäten und wollen - wie alle anderen Mütter/ Väter auch - das Beste für ihre Kinder. Je mehr positive Erfahrungen die Eltern machen, je stärker das Vertrauen wird und der Aufbau einer verlässlichen Beziehung zu den professionellen Fachkräften (z. B. der Bildungsbegleiterin) gelingt, desto größer ist die Gewähr, dass Problem- oder Risikoeltern dann auch ein strukturiertes Kursangebot zur Elternbildung nutzen. Damit wiederum ist die Basis geschaffen, dass sie mehr und mehr eigenständig Zugang zu den weiteren Angeboten und Maßnahmen der Förderung etwa in der KiTa oder der Schule schaffen. Dieser Weg zeigt sich ebenfalls empirisch: 47 % der an der 59 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Evaluation beteiligten Familien haben Veranstaltungen/ Feste genutzt. Spiel- und Krabbelgruppen sowie Kurse besuchten 19 % aller Familien. Der Bildungsbegleiterin gelingt es, den Kontakt zu bildungsunsicheren Eltern aufzunehmen und zu verstetigen sowie für sie ein immer breiteres bedarfsgerechtes Förderangebot für Kinder und Eltern zu entwickeln. Zusammengefasst ergibt sich so ein systematisches und in sich abgestimmtes System „Früher Förderung“, wie es in Abbildung 3 komprimiert dargestellt ist. Gelingt die Arbeit im Netzwerk und mit vielen ganz unterschiedlichen Einrichtungen - vom Gesundheitsamt über die Ärzteschaft, TherapeutInnen und sozialen Diensten bis hin zu den kulturellen und sportlichen Angeboten wie Musikschule, Bibliothek, Schwimmbad oder Vereine - zunehmend besser und intensiver, so ist die kommende Herausforderung für Mo.Ki 0, einen systematischen Übergang zu den KiTas mit hier angesiedelten Mo.Ki-I-Angeboten zu installieren. Frühe Förderung in der Kindertagesstätte - Mo.Ki I Mo.Ki I wurde als ein Angebot der fünf KiTas entwickelt und aufgebaut, die im oben beschriebenen Monheimer Quartier mit besonderem sozialem Erneuerungsbedarf angesiedelt sind. Diese KiTas befinden sich in unterschiedlicher Trägerschaft und bilden gemeinsam ein Familienzentrum, anerkannt und zertifiziert nach den in Nordrhein-Westfalen geltenden Vorgaben. Frühe Förderung durch Mo.Ki I basiert auf drei Strängen: (a) Das Regelangebot: Die KiTas sollen Förderung, Erziehung, Bildung und Betreuung für alle Kinder ab drei Jahre im Viertel realisieren. Bisher wurde die Vollversorgung für alle Kinder ab vier Jahre erreicht, die der Kinder ab dem 3. Lebensjahr ist eine aktuelle Zielvorgabe in der Kommune. (b) Zusätzliche Angebote der individuellen Förderung: Dazu zählen Maßnahmen der musikalischen Früherziehung, künstlerische Projektwochen, mathematische Förderung, naturwissenschaftliche Experimente und Sprachförderung, Entspannungs- und Bewegungsförderung, Gesundheitsprävention, Förderung der Sozialkompetenz. (c) Veranstaltungen und Kurs- Abb. 3: System Frühe Förderung Werdende Eltern und Eltern mit Kindern bis zum 3. Lebensjahr • Information • Erstberatung • Bedarfseinschätzung • Sprechstunde • Sprechstunde • Geb. Vorbereitung • Rückbildung • Begleitung als Familienhebamme • Begegnung • Beratung • Information • Information • Initiierung von Angeboten • Durchführung von Angeboten • Netzwerkarbeit Beratung Bildung Betreuung Begleitung Begegnung … Erstbesuch Café und mehr … Bildungsleiterin Familienhebamme Elternbildung Angebote anderer Träger und Institutionen für Familien und Kinder 60 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden angebote für Eltern: Themen sind beispielsweise Gesundheit, Ernährung, Naturwissenschaften, Sprachförderung oder Erziehungskompetenz. Ebenso finden sich hier die Angebote wieder, die zuvor für Mo.Ki 0 beschrieben wurden: Beratung durch Sprechstunden anderer Einrichtungen, Elterncafé mit Möglichkeiten der Begegnung und mit Themencafés, Beteiligung an gemeinschaftlichen Aktivitäten der Stadt (Tag des Kindes, stadtweiter Gänseliesellauf usw.). Weiterhin erfolgt auf der Basis eines gemeinsamen Übergangskonzeptes die Vorbereitung auf die und der Wechsel in die Grundschule. Sie umfasst die Begleitung der Kinder und der Eltern. Was hat all dies bisher bewirkt? Mit Blick auf die Kinder konnte die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen (vor der gesetzlichen Verpflichtung) von 74 % (2005) auf fast 95 % (2009) erhöht werden. Der Anteil an übergewichtigen Kindern ist von 18 % (2005) auf rund 12 % (2006) gesunken und sinkt langsam, aber kontinuierlich weiter. Sprachauffälligkeiten werden frühzeitig diagnostiziert und behandelt: Der Förderbedarf (Delfin 4) verringerte sich von 59 % (2007) auf 27 % (2009). Die Einschulungsdaten stellen sich insgesamt positiver dar. Mit Blick auf die Eltern ist es vor allem gelungen, erneut bildungsungeübtere und sozial belastete Familien besser zu erreichen und sie nun in das KiTa-Geschehen einzubinden. Die vermehrte Nutzung und eine größere Beteiligung im Sinne von sozialer und Bildungsteilhabe sind feststellbar. So sehen immer mehr Familien mit Migrationshintergrund die Notwendigkeit eines frühzeitigen KiTa-Besuches und melden ihre Kinder bereits im Alter von drei Jahren an. All das bildet eine verbesserte Grundlage für die Förderung durch die Grundschule und schließlich die weiterführenden Schulen. Ausblick Das Beispiel „Mo.Ki - Monheim für Kinder“ verdeutlicht durch seine beiden ersten Präventionsglieder „Mo.Ki 0“ und Mo.Ki I“, dass für den Ansatz der „Frühen Förderung“ das Vorhandensein einer bedarfsgerechten, präventiv ausgerichteten Infrastruktur grundlegend ist. Es zeigt weiterhin, wie es gelingt, insbesondere belastete, sozial benachteiligte und bildungsungeübtere Familien zu erreichen, also solche Gruppen, die bisher nicht oder nur unzureichend Zugangschancen zu Angeboten „Früher Förderung“ und der „Elternbildung“ hatten. Die skizzierten ersten Ergebnisse der Monheimer Elternstudie zeigen aber genauso, dass fast alle Eltern schon sehr früh und sehr klar ihre Wünsche und Bedürfnisse nach Unterstützung formulieren, werden sie entsprechend früh gefragt. Die sich daraus ableitenden Bedarfe zeigen den Weg auf, was ein System „Früher Förderung“ an Angeboten, Akteuren und Netzwerken enthalten muss. Ebenso sichtbar wird das Gebot einer im System immanent angelegten Niedrigschwelligkeit. Es ist eine Qualitätsanforderung, die durch die Fachkräfte, die Anbieter und nicht zuletzt durch die staatlichen Institutionen gewährleistet werden muss. Sie haben einen Zugang für alle Eltern und damit auch für die besonders benachteiligten Bedarfsgruppen zu schaffen, nicht umgekehrt. Das große Interesse an den und die hohe Nutzung der Mo.Ki-Angebote zur „Frühen Förderung“ verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Ressourcen und Interessen der Familien in den Vordergrund zu stellen und ihnen Möglichkeiten der Partizipation zu bieten. Diese Erkenntnisse sind keine monheimexklusiven, sondern lassen sich allerorts umsetzen. Der Weg ist klar, jede Kommune kann ihn in der für ihre Gegebenheit passenden Art und Weise beschreiten und weiter verfolgen. Gerda Holz Ludger Stallmann Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Zeilweg 42 60439 Frankfurt am Main gerda.holz@iss-ffm.de ludger.stallmann@iss-ffm.de 61 uj 2 | 2012 Kinder erziehen und bilden Literatur Berg, A., 2010: „Mo.Ki - Monheim am Rhein - Armutsprävention als kommunale Handlungsstrategie. In: Holz, G./ Richter-Kornweitz, A. (Hrsg.): Kinderarmut und ihre Folgen. Wie kann Prävention gelingen? 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Frankfurt am Main. www.iss-ffm.de/ veroeffent lichungen/ publikationen.html, 18. 11. 2011 Holz, G./ Schöttle, M./ Berg, A., 2011: Impulspapier - Fachliche Maßstäbe zum Auf- und Ausbau von Präventionsketten in Kommunen: Strukturansatz zur Förderung des „Aufwachsens im Wohlergehen“ für alle Kinder und Jugendliche. Frankfurt am Main. www.iss-ffm.de/ veroeffentlichungen/ publikationen. html, 18. 11. 2011 Kindler, H./ Sann, A., 2007: Frühe Hilfen zur Prävention von Kindeswohlgefährdung. In: Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft und Praxis, 52. Jg., H. 2, S. 42 - 45 Meier-Gräwe, U./ Wagenknecht, I., 2011: Kosten und Nutzen Früher Hilfen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse im Projekt „Guter Start ins Kinderleben“. Gießen Nationales Zentrum Frühe Hilfen (o. J.): Begriffsbestimmung Frühe Hilfen. www.fruehehilfen.de/ wissen/ fruehe-hilfen-grundlagen/ begriffsbestimmung, 18. 11. 2011, 1 Seite Sann, S., 2011: Kommunale Praxis Früher Hilfen in Deutschland - Teiluntersuchung Kooperationsformen. Köln Sann, A./ Landua, D., 2010: Systeme Früher Hilfen: gemeinsam geht´s besser! . Ergebnisse der ersten bundesweiten Bestandsaufnahme bei Jugend- und Gesundheitsämtern. In: Bundesgesundheitsblatt, 53. Jg., H. 11, S. 1018 - 1028 Schone, R., 2008: Kontrolle als Element von Fachlichkeit in den sozialpädagogischen Diensten der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin Stadt Gelsenkirchen, 2011: Jedem Kind seine Chance! Förderung und Unterstützung von Geburt an. Gelsenkirchen. www.gelsenkirchen.de/ Leben_in_GE/ Pressestelle/ Stadt_GE_Brosch_Prävention_Web.pdf, 18. 11. 2011 Wagenblass, S., 3 2010: Frühe Förderung und Bildung als Planungsaufgabe. In: Maykus, S./ Schone, R. (Hrsg.): Handbuch Jugendhilfeplanung. Grundlagen, Anforderungen und Perspektiven. Wiesbaden, S. 349 - 358 Herzlichen Dank an die Teams von Mo.Ki 0 und Mo.Ki 1 für ihr ganz besonderes Engagement sowie an die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und das MMFKJKS NRW für die langjährige Modellförderung von „Mo.Ki-Monheim für Kinder“.