unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Ich möchte Soziale Arbeit studieren!
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Tim Wersig
Im folgenden Beitrag soll anhand (eigener) empirischer Daten gezeigt werden, inwieweit Inland-Freiwilligendienste einen Rekrutierungsort für zukünftige Sozialprofessionelle darstellen. Demensprechend werden die Freiwilligendienste einführend betrachtet und deren Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit bzw. umliegenden Professionen aufgezeigt.
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271 unsere jugend, 65. Jg., S. 271 - 278 (2013) DOI 10.2378/ uj2013.art25d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Tim Wersig Jg. 1988; Studium der Sozialen Arbeit in Berlin (B. A./ M. A.) sowie Promovend an der Universität Kassel Ich möchte Soziale Arbeit studieren! Freiwilligendienste als Rekrutierungsort für potenzielle Sozialprofessionelle Im folgenden Beitrag soll anhand (eigener) empirischer Daten gezeigt werden, inwieweit Inland-Freiwilligendienste einen Rekrutierungsort für zukünftige Sozialprofessionelle darstellen. Demensprechend werden die Freiwilligendienste einführend betrachtet und deren Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit bzw. umliegenden Professionen aufgezeigt. Einleitung „Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligendienste und Ehrenamt erfreuen sich aktuell großer öffentlicher Aufmerksamkeit“ (Rätz-Heinisch 2007, 26; vgl. u. a. Olk 2000; Dobslaw u. a. 2004). Das bürgerschaftliche Engagement stellt „zweifellos …ein Phänomen von zentraler gesellschaftlicher, politischer, sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung“ (Zimmerman/ Rauschenbach 2011, 11) dar. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen verschiedene Möglichkeiten eines freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements. So gibt es seit über 40 Jahren gesetzlich geregelte Freiwilligendienste, in denen sich meist Jugendliche bzw. junge Erwachsene gemeinnützig betätigen können. „Die klassischen Freiwilligendienste sind eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements, in der sich Jugendliche und junge Erwachsene zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung für einen bestimmten Zeitraum selbst verpflichten“ (BMFSFJ 2006, 30; vgl. u. a. Slüter 2009; Kreuter 2012; Jakob 2011). Neben dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gilt das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) als eine der Hauptformen. Freiwilligendienste in Deutschland In den Freiwilligendiensten leisten die meist jungen Freiwilligen einen bedeutenden sozial- und gesellschaftspolitischen Beitrag. Vielmehr noch befinden sich die Freiwilligendienste„seit Jahren im Aufwind …[und konnten eine] (sozial-)politische Bedeutung [erlangen]“ (Slüter 2011, 7). „Das Ziel ist eine aktive Gesellschaft, die niemanden durch ungleiche Lern- und Teilhabechancen ausgrenzt - eine Gesellschaft, in die sich alle einbringen können und wollen. Freiwilligendienste sind der Motor bei der Umsetzung dieser Vision“ (Guggenberger 2001, 2). Werden die verschiedenen vorhandenen Freiwilligendienste in Deutschland näher betrachtet, wird deutlich, dass sie entgegen anderer 272 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste Arten bürgerschaftlichen Engagements eine eher geordnete Form darstellen. Zudem werden sie überwiegend von jungen Menschen geleistet. Somit besteht die Möglichkeit, auf Grundlage einer freien Entscheidung eine meist gemeinnützige Tätigkeit auszuüben. Auch das „Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten“ als Gesetzesgrundlage stellt fest, dass die Jugendfreiwilligendienste die Bildungsfähigkeit der Jugendlichen fördern und zu den „besonderen Formen des bürgerschaftlichen Engagements“ gehören. Art und Umfang der freiwilligen Tätigkeiten variieren. So kann ein Freiwilligendienst von 6 bis zu 18 Monaten dauern. Des Weiteren bestehen verschiedene Formen der Freiwilligendienste im Inland, die sich hauptsächlich in ihren Tätigkeitsfeldern unterscheiden und im Folgenden überblicksartig aufgezeigt werden sollen. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) wird hierbei vernachlässigt, da auf dieses noch gesondert eingegangen wird. Neben dem FSJ stellt das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) eine der Hauptformen der Freiwilligendienste in Deutschland dar. Wer sich hierfür entscheidet, sollte sich für die Bereiche Naturschutz, Landschaftspflege, Umweltbildung in Umweltschutzverbänden, Forst- und Umweltämtern oder landwirtschaftlichen Betrieben interessieren. So besteht das Ziel u. a. in der Stärkung des nachhaltigen Umgangs mit Natur und Umwelt. Die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und der damit verbundene Wegfall des Zivildienstes war der Grund für die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes. Handelt es sich bei dem FSJ und dem FÖJ eher um Jugendfreiwilligendienste, lässt sich der Bundesfreiwilligendienst (BFD) als ein Dienst aller Generationen charakterisieren. „Nichts erfüllt mehr als gebraucht zu werden“, heißt es auf den Internetinformationsseiten zum BFD. Der Bundesfreiwilligendienst wird als ein Angebot an Frauen und Männer aller Generationen beschrieben, die sich außerhalb von Schule und Beruf für das Allgemeinwohl engagieren möchten. Zudem hält Uwe Slüter fest, dass der Staat die Freiwilligendienste auch als „sozialpolitisches Steuerungsinstrument“ (Slüter 2011, 7) einsetzt. „Sie sollen helfen, die sozialen Sicherungssysteme finanzierbar zu halten oder junge Menschen mit Benachteiligungen oder mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft zu integrieren“ (ebd.). Auch Ansgar Klein als amtierender Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement stellt aktuell eine Entwicklung zwischen dem Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft am Beispiel der Freiwilligendienste fest. Er beobachtet dementsprechend ein intensives staatliches Interesse am freiwilligen Engagement (u. a. durch die Schaffung des Bundesfreiwilligendienstes und den damit verbundenen direkten staatlichen Zugriff auf die Freiwilligendienste, den Erhalt des Bundesamtes für den Zivildienst bzw. dessen Umbenennung als Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) (vgl. Klein 2011, 16ff ). Gisela Jakob bezeichnet dieses Vorgehen erweiternd als eine „Indienstnahme der Freiwilligendienste“ (Jakob 2011, 20) und führt hierbei auch als Beispiel die Etablierung des Bundesfreiwilligendienstes an. Im Bereich der Jugendfreiwilligendienste (FSJ, FÖJ) lassen sich vielfältige Funktionen finden. Denn unabhängig vom Betätigungsfeld bieten diese Orientierung und Qualifizierung für den persönlichen und beruflichen Lebensweg.„Hier sammeln junge Frauen und Männer erste berufliche Erfahrungen und trainieren soziale Kompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit. Das gibt Sicherheit und Selbstbewusstsein“ (BMFSFJ 2011, 3). Bernhard Vondrasek stellt hier einen Zusammenhang zu einer Aussage von Karl Jaspers her „Die Zukunft ist als Raum der Möglichkeiten der Raum unserer Freiheit“ und meint damit, dass Freiwilligendienste diesen „Raum der Möglichkeiten“ darstellen können (vgl. Vondrasek 2011, 11). Zudem haben die Jugendfreiwilligendienste auch eine bedeutende gesellschaftliche Stellung. Im Sinne des Gemeinwohls erhalten die Freiwilligen die Möglichkeit, ihre Stärken und Interessen zu 273 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste nutzen. Die Freiwilligendienste machen demnach vielfältig kompetent und nehmen so einen unschätzbaren Wert in den Bildungsbiografien der Freiwilligen ein. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen ein wachsendes Interesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an einem gesetzlich geregelten Freiwilligendienst. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gab bekannt, dass im Jahr 2009 rund 37.500 junge Freiwillige einen Freiwilligendienst begannen (vgl. BMFSFJ 2011, 7). Auch aus dem Bericht des Bundes zum Themenbereich Freiwilligendienste geht hervor, dass die aktuelle Regierungskoalition (CDU/ CSU und FDP) im Sinne der nachhaltigen Sicherung und Stärkung der Jugendfreiwilligendienste diese besonders fördern will (vgl. Bernschneider 2012). Gleiche Forderungen lassen sich auch bei anderen Bundestagsfraktionen finden (vgl. Bär/ Grübel u. a. 2011). So entstehen zu den bisher rund 19.400 Regelplätzen im FSJ/ FÖJ etwa 10.000 weitere FSJ-Regelplätze. Daraus ergibt sich eine gesamte Regelplatz-Zahl von 29.400. Durch gezielte Maßnahmen soll zudem die Integration von benachteiligten jungen Menschen verstärkt werden. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Freiwilligendienste „an der sensiblen Schnittstelle zwischen Schulzeit und Berufseinstieg Möglichkeiten der Mitgestaltung der Bürgergesellschaft anbieten und darüber hinaus persönliche Orientierungen vermitteln, unterschiedliche Berufsbereiche erfahrbar machen und bestimmte berufliche Qualifikationen einüben“ (BMFSFJ 2007, 6). Sie stellen somit eine „wichtige Ressource der Bürgergesellschaft dar“ (Jakob 2002, 28). Das Freiwillige Soziale Jahr… und die Soziale Arbeit Ziel der folgenden Ausführungen ist die detaillierte Beschreibung des allgemeinen Freiwilligen Sozialen Jahres sowie dessen Zusammenhang mit der Profession der Sozialen Arbeit. Das bereits erwähnte „Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten“ erweitert den definitorischen Teil, indem es festlegt, dass das Freiwillige Soziale Jahr „ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit, die an Lernzielen orientiert ist, in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet [wird]“ (BMFSFJ 2008, § 3). Als „gemeinwohlorientierte Einrichtungen“ werden weiterhin beschrieben: Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, der Kinder- und Jugendhilfe, der außerschulischen Jugendbildung und der Kinder- und Jugendarbeit, der Gesundheitspflege, der Kulturpflege, der Denkmalpflege und des Sports. Diese„praktische Hilfstätigkeit“ wird zudem von einer zentralen Stelle pädagogisch begleitet, die eine an Lernzielen orientierte Anleitung umfasst. Die Tätigkeitsfelder werden in der bereits benannten Informationsbroschüre des BMFSFJ (2011) näher beschrieben und sollen im Folgenden dargestellt werden. Im Überblick werden die Einsatzfelder: Soziales, Kultur, Sport und die Denkmalpflege benannt. Der Bereich „Soziales“ wird hierbei noch in die Arbeit mit älteren Menschen, mit kranken Menschen, mit Menschen mit Behinderung sowie mit Kindern und Jugendlichen differenziert. Im Rahmen einer Evaluation der FSJ/ FÖJ-Fördergesetze (vgl. BMFSFJ 2006) wurde auch nach den genauen Einsatzfeldern/ Tätigkeiten/ Aufgaben der Freiwilligen gefragt. Diese sind: stationäre Pflege, Behindertenhilfe, Krankenhaus/ Klinik, Kinder- und Jugendhilfe, ambulanter Dienst, Schule, Rettungsdienst, Psychiatrie sowie Sucht/ Drogen-Prävention. „Zu meinen Aufgaben in einem Wohnheim [für Menschen mit Behinderung] gehören die typischen pflegerischen Tätigkeiten wie Duschen, Waschen und Anziehen der Bewohnerinnen und Bewohner. Aber genauso wichtig ist für beide Seiten, den Tag miteinander zu verbringen und zu strukturieren. Dafür brauche ich viel Geduld, aber ich habe inzwischen gelernt, mit Menschen umzugehen, die einfach anders sind als du und ich. Die Angst vor dem Unbekannten verwandelte sich schnell in Neugierde“ (BMFSFJ 2011, 20). 274 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste Im Bereich der Kultur wird vor allem kulturpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Öffentlichkeitsarbeit für Kultureinrichtungen, Projekt- und Kulturmanagement oder der technische Support von Kulturveranstaltungen geleistet. So kann das Freiwillige Soziale Jahr in der Kultur auch in Museen, Denkmalpflegebehörden, Musikschulen, Theatern, Opern- und Konzerthäusern, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Tanz- und Medienwerkstätten, Kulturvereinen oder Soziokulturellen Zentren absolviert werden. „Nach meinem Jahr in der Kultur verlasse ich die Theaterwelt mit völlig anderen Berufswünschen, als ich sie vorher hatte. Die Erfahrungen, die ich in dieser Zeit sammeln konnte, waren daher sehr wertvoll. … eine intensive Zeit… und auch eine Horizonterweiterung“ (BMFSFJ 2011, 26). Das Freiwillige Soziale Jahr im Sport zeichnet sich durch bewegungspädagogische Angebote aus. „Die Gestaltung von Vereinsangeboten und Trainingseinheiten sowie die pädagogische Betreuung von Kindern und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt“ (BMFSFJ 2011, 24). Die Organisation von Abenteuersportaktionen, Ferienangebote und Wettkampfreisen komplettieren das Aufgabenfeld der Freiwilligen. „Am Vormittag betreue ich die Schulkinder während des Unterrichts und gestalte mit ihnen die Sportstunden. … Während meines FSJ konnte ich schon vielen Kindern Selbstvertrauen geben, weil ich sie ständig in dem, wie sie sind und was sie können, bestärke“ (ebd.). Im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Denkmalpflege heißt es, „das kulturelle Erbe mit allen Erfahrungen menschlicher Zivilisation für zukünftige Generationen zu bewahren und darin auch eine berufliche Chance zu entdecken“ (BMFSFJ 2011, 28). So gehören hier Handwerksbetriebe, Tischlereien, Zimmererwerkstätten, Steinmetzbetriebe, Lehmbau- und Stuckbaubetriebe, Glasgestalterwerkstätten und Dachdeckerbetriebe zu den Einsatzfeldern. „Das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege hat mir bei meiner Berufswahl sehr geholfen, denn in einem Seminar lernte ich die Arbeit des Zimmerers kennen, was mich sehr interessierte. Diesen Beruf erlerne ich inzwischen“ (BMFSFJ 2011, 29). Wird nun der Zusammenhang zwischen dem Freiwilligen Sozialen Jahr und der Sozialen Arbeit betrachtet, wird deutlich, dass im Rahmen des FSJ überwiegend Soziale Arbeit praktisch erfahrbar und geleistet wird (vgl. Liebig 2012; Eberhard 2002). Nach Hejo Manderscheid stellen Freiwilligendienste weiterführend ein Gewinn für die Soziale Arbeit dar. Er konstatiert damit zwei Bedeutungen: die Berufs- und Entwicklungschancen der teilnehmenden Jugendlichen (Freiwilligen) sowie die „Aufrechterhaltung der sozial-pflegerischen Versorgung“ durch vielfältige soziale Dienste und Einrichtungen (Manderscheid 2005, 1). Kann doch die Soziale Arbeit als eine helfende professionelle Dienstleistung verstanden werden, die u. a. Menschen in alltäglichen wie in außergewöhnlichen Lebenslagen in ihrer selbstbestimmten Lebensplanung und -bewältigung zu unterstützen versucht. Freiwillige als potenzielle Sozialprofessionelle So können die Freiwilligen des Freiwilligen Sozialen Jahres als potenzielle Sozialprofessionelle gesehen werden. Dies bestätigt auch das Ergebnis einer von mir durchgeführten studienbegleitenden Untersuchung zu den Studienvoraussetzungen bzw. Vorerfahrungen von Studierenden des ersten Semesters im Wintersemester 2010/ 2011. „Jeder ist anders - alle sind gleich“ lautet das gewählte Statement des abschließenden Forschungsberichts. Er fasst zugleich die Intension und das Forschungsinteresse in einem Satz zusammen. „Jeder ist anders“ meint, dass die Studierenden, die sich zum Zeitpunkt der Studie im ersten Semester 275 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste der grundständigen Bachelorstudiengänge „Soziale Arbeit“, „Heilpädagogik“, „Bildung und Erziehung“ und „Schulische Religionspädagogik“ an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) befanden, individuelle Voraussetzungen bzw. Vorerfahrungen vorweisen. „Alle sind gleich“ meint dementsprechend das Gegenteil. Denn alle Studierenden, die in den vorher genannten Studiengängen eingeschrieben sind, werden früher oder später höchstwahrscheinlich im sozialen Bereich tätig sein. Sei es als SozialarbeiterIn (bzw. SozialpädagogIn), HeilpädagogIn, KindheitspädagogIn oder als schulische/ r ReligionspädagogIn (vgl. Wersig 2011). Der Umfang der Studie umfasste eine einmalige Online-Befragung von 277 Personen, teilgenommen haben davon 212 Personen. Durch die 212 von insgesamt 277 eingeschriebenen Studierenden im ersten Semester (Wintersemester 2010/ 2011) kann hier von einem repräsentativen Ergebnis unter den ErstsemesterInnen ausgegangen werden. Die TeilnehmerInnen hatten die Möglichkeit, den Fragebogen mithilfe des Internets anonym zu bearbeiten. Aufgrund des begrenzten Befragungszeitraums (28. 12. 2010 bis 28. 1. 2011) und der damit einhergehenden einmaligen Befragung jeder Person stellt das beschriebene Forschungsprojekt eine Querschnittsuntersuchung (cross seczion study) dar. 70 (33,0 %) Studierende gaben an, ein Freiwilliges Soziales Jahr in folgenden Bereichen absolviert zu haben: Altenpflegebereich (2 Nennungen), Arbeit mit Menschen mit Behinderungen/ Beeinträchtigungen (15 Nennungen), Arbeit mit psychisch-kranken Menschen, Klinik-/ Krankenhausbereich (7 Nennungen), Schulwesen (8 Nennungen), außerschulische Kinderund/ oder Jugendarbeit, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit (2 Nennungen), Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (2 Nennungen), Drogenarbeit (2 Nennungen), Wohngemeinschaft mit Demenzkranken (2 Nennungen), Gemeindepädagogik, Kinderund/ oder Jugendheim mit verschiedenen Schwerpunkten (3 Nennungen), Jugendzentrum (2 Nennungen), Kindergarten/ Kindertagesstätte (13 Nennungen), Notübernachtung und Freiwilliges Soziales Jahr ohne Tätigkeitsangabe (4 Nennungen). Auch aus dieser Übersicht werden die vielfältigen Tätigkeiten während eines FSJ sichtbar. Im Gesamten gilt es festzuhalten: 180 (84,9 %) Studierende gaben an, dass sie während der vorher beschriebenen Tätigkeiten/ Arbeitsgebiete Erfahrungen gemacht haben, die ausschlaggebend für die Wahl ihres jetzigen Studiums waren. Aufgrund der möglichen großen Menge und Vielfältigkeit der Antworten (sowie des eingeschränkten Forschungsdesigns) wurde bewusst darauf verzichtet zu fragen, welche genauen Erfahrungen die Studierenden gesammelt haben. So ist die Übersichtlichkeit vorerst noch gegeben. Sicherlich gilt es, im Rahmen weiterer Forschungsvorhaben diese Erfahrungen spezifisch zu betrachten. 141 (66,5 %) Studierende, die im Vorfeld ihres Studiums eine der genannten Tätigkeiten absolviert haben, gaben an, dass die gemachten Erfahrungen für die Wahl ihres Studiums sogar stark bis sehr stark ausschlaggebend waren. Aufgrund der angegebenen Zahlen kann die vorhergehende These, dass die Freiwilligen im FSJ häufig zukünftige Sozialprofessionelle sind, bekräftigt werden. Des Weiteren bestätigen auch Rosemarie Karges und Ilse M. Lehner, dass „vor dem Studium ausgeübte soziale Tätigkeiten wie ein Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr [eine] Motivation für die Wahl des Studiums [der Sozialen Arbeit darstellt]“ (Karges/ Lehner 2002, 90). Auch die FSJ/ FÖJ-Evaluation gibt wieder, dass die Freiwilligen, welche nach ihrem Freiwilligendienst ein Studium aufnehmen, häufig (42 %) die Studienrichtungen „Sozialarbeit, Sonderpädagogik und Grundschulpädagogik“ wählen (BMFSFJ 2006, 145). Gleiches bestätigen auch Jürgen Schwab und Michael Stegmann (Schwab/ Stegmann 2010, 20ff ), die in einer Befragung von ehemaligen FSJ-Freiwilligen die aktuellen Berufsschwer- 276 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste punkte dieser herausstellten. Demnach gaben 715 (42 %) von 1.600 Befragten an, dass sie aktuell in den Bereichen: (Sozial-)Pädagogik, Psychologie, Lehramt bzw. im allgemeinen Bildungsbereich tätig sind bzw. sich in Studium oder Ausbildung befinden (vgl. Schwab/ Stegmann 2010, 29). Fokus Geschlecht Uwe Slüter hält erweiternd fest, dass der Wegfall der Wehrpflicht sowie des Zivildienstes auch Folgen für die Freiwilligendienste hat. Dementsprechend bedeuten weniger Zivildienstleistende, dass sich die Zahl der Freiwilligen erhöhen wird (vgl. Slüter 2009, 2; vgl. Liebig 2009, 12). Im Zivildienst selbst, so halten Holger Backhaus-Maul u. a. fest, ging es darum, „soziale Dienstleistungen für politisch gesetzte Zwecke bereitzustellen. Gleichwohl wurden mit dem Zivildienst Vorstellungen und Hoffnungen verbunden, junge Männer zu guten Staatsbürgern erziehen zu können“ (Backhaus-Maul u. a. 2011, 47). Der Zivildienst kann erweiternd auch als Rekrutierungsort männlicher Fachkräfte für sozialprofessionelle Berufe gesehen werden, da der psycho-soziale Arbeitsbereich durch die Tätigkeiten im Zivildienst für die Zivildienstleistenden erlebbar wurde. Heißt es doch u. a. bei Jürgen Budde, dass der „angemahnte Bedarf männlicher pädagogischer Fachkräfte durch die derzeitige Zahl männlicher Studierender zukünftig kaum zu decken [ist]“ (Budde u. a. 2009, 195). Auch Marc Melcher hält vergleichend fest, dass in den kommenden Jahren damit gerechnet werden muss, dass „weniger junge Männer die sozialen Arbeitsbereiche … als Berufswahlmöglichkeit in Betracht ziehen“ (Melcher 2012, 58). Im Rahmen der bereits beschriebenen selbstdurchgeführten Befragung von Studierenden im Wintersemester 2010/ 2011 gaben 20 von 34 teilnehmenden männlichen Studierenden an, im Vorfeld ihres Studiums einen Zivildienst geleistet zu haben. So gaben die Befragten auch an, dass die Erlebnisse/ Erfahrungen/ Tätigkeiten im Zivildienst ausschlaggebend für die Wahl ihres Studiums waren (vgl. Wersig 2011). Sicherlich gilt es, diese These im Rahmen weiterführender Forschungsarbeiten differenziert zu betrachten. Im Jahr 2006, als von der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes noch nicht die Rede war, untersuchte Claudio Jax Möglichkeiten und Grenzen der Kompensation des Zivildienstes durch Freiwilligendienste (Jax 2006). Zusammenfassend kam er im Rahmen der Potenzialanalyse zu dem Ergebnis, dass etwa ein Viertel bis die Hälfte der Arbeitsleistung der Zivildienstleistenden aus der Sicht der Einsatzstellen im Zivildienst durch Freiwilligendienste ersetzt werden kann. So bestehe ein reelles Kompensationspotenzial (vgl. Jax 2006, 104f ). Zudem reiche das Potenzial der Freiwilligendienste (im Bereich der Einsatzmöglichkeiten) über das des Zivildienstes hinaus (vgl. ebd.). Zusammenfassung und Ausblick Wie gezeigt bieten Freiwilligendienste und vor allem das Freiwillige Soziale Jahr vielfältige Möglichkeiten, als Rekrutierungsort für zukünftige Sozialprofessionelle zu dienen. Ziel der Ausführungen war es dementsprechend, dass sich etwaige Verantwortliche sowie Träger etc. dessen bewusst werden und damit auch den beruflichen Nachwuchs im sozialprofessionellen Bereich fördern. Wirkungsstudien (vgl. u. a. BMFSFJ 2006; Eberhard 2002) konstatieren die Berufsorientierung als eine der bedeutenden Wirkungsdimensionen von Freiwilligendiensten. Für Träger bzw. Einsatzstellen kann dementsprechend eine Zusammenarbeit mit etwaigen Hochschulen bzw. anderen Ausbildungseinrichtungen sehr von Vorteil sein, sodass dem Faktor der Berufsorientierung noch besser entsprochen werden kann. Alle Beteiligten (Hochschulen, Träger, Einsatzstellen etc.) können die Freiwilligen ggf. bereits in ihrem Freiwilligendienst„abholen“ und so etwaigen Unsicherheiten im Rahmen der Berufswahl entgegenwirken. Eine weiterführende Ergebnisthese der 277 uj 6 | 2013 Freiwilligendienste Studie kann zudem lauten, dass Studierende, die im Vorfeld ihres Studiums einen Freiwilligendienst absolviert haben, sicherer in der Wahl ihres Studiums sind und sich damit auch die Möglichkeit verringert, dass diese ihr Studium vorzeitig abbrechen. Im Bereich der Freiwilligendienste-Landschaft muss sich vor allem der Bundesfreiwilligendienst (BFD) vertiefend verorten. Zeigt es sich doch aktuell, dass sich dieses Dienstformat zwischen zwei Kulturen bewegt. „Auf der einen Seite erwächst der Dienst strukturell aus dem Zivildienst. Staatliche Organisationen betreten als neue Akteure das Feld der Freiwilligendienste. Auf der anderen Seite knüpft der BFD an die Tradition der Jugendfreiwilligendienste an, die sich durch ein diversifiziertes Träger- und Einsatzstellensystem und ein spezifisches Bildungskonzept auszeichnen“ (Anheier u. a. 2012, 3). Zudem wird sich auch in Zukunft zeigen, inwieweit der BFD und die aufgeführten Jugendfreiwilligendienste nebeneinander bestehen können. Tim Wersig Johannes-Werner-Str. 13 12487 Berlin tim.wersig@gmx.de Literatur Anheier, H. K./ Beller, A./ Haß, R./ Mildenberger, G./ Then, V., 2012: Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst. Erste Erkenntnisse einer begleitenden Untersuchung. Hertie School of Governance, Centrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg. www.csi.uni-heidelberg.de/ downloads/ Unter suchung%20BFD_CSI%20Hertie%20School.pdf, 2. 7. 2012, 24 Seiten Backhaus-Maul, H./ Nährlich, S./ Speth, R., 2011: Der diskrete Charme des neuen Bundesfreiwilligendienstes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 60. Jg., S. 46 - 53 Bär, D./ Grübel, M./ Tauber, P. u. a., 2011: Für eine Stärkung der Jugendfreiwilligendienste. Bürgerschaftliches Engagement der jungen Generation anerkennen und fördern. Antrag CDU/ CSU-Fraktion, Deutscher Bundestag. 17. Wahlperiode. http: / / dipbt.bun destag.de/ dip21/ btd/ 17/ 046/ 1704692.pdf, 10. 6. 2012, 8 Seiten Bernschneider, F., 2012: Freiwilligendienste sind bei CDU, CSU und FDP in besten Händen. http: / / 16wp. fdp-fraktion.de/ files/ 541/ 369-Bernschneider-Freiwil ligendienste.pdf, 10. 6. 2012, 1 Seite Budde, J./ Willems, K./ Böhm, M., 2009: „Ich finde, das gehört einfach zum Leben dazu, anderen Leuten zu helfen.“ Positionierungen junger Männer zu Berufsfeldern Sozialer Arbeit. In: Budde, J./ Willems, K. (Hrsg.): Bildung als sozialer Prozess. Heterogenitäten, Interaktionen, Ungleichheiten. Weinheim/ München, S. 193 - 210 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), 2006: Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ. 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Eine quantitative Studie mit Studierenden des ersten Semesters der grundständigen Bachelor-Studiengänge „Soziale Arbeit“, „Heilpädagogik“, „Bildung und Erziehung“ und „Schulische Religionspädagogik“ im Wintersemester 2010/ 2011. Nicht veröffentlicht. Berlin Zimmer, A./ Rauschenbach, T., 2011: Bürgerschaftliches Engagement unter Druck? Eine Einleitung. In: Zimmer, A./ Rauschenbach, T. (Hrsg.): Bürgerschaftliches Engagement unter Druck? Analysen und Befunde aus den Bereichen Soziales, Kultur und Sport. Opladen/ Berlin/ Farmington Hills, S. 3 - 7
