eJournals unsere jugend 65/1

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2013.art04d
11
2013
651

Teilgabe verwirklichen

11
2013
Judith Rieger
„Beteiligung ist ein politischer Begriff, ein neuer Name für Gerechtigkeit.“ Friedhelm Hengsbach
4_065_2013_1_0005
24 unsere jugend, 65. Jg., S. 24 - 34 (2013) DOI 10.2378/ uj2013.art04d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Judith Rieger Jg. 1979; Dipl.-Sozialpädagogin (FH), Systemische Individual-, Paar- und Familientherapeutin (DGSF), wissenschaftliche Mitarbeiterin der Promotionsförderung an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) Teilgabe verwirklichen Betroffenenwissen, lokale Netzwerkarbeit und Insiderkenntnis als Bausteine der Beteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe „Beteiligung ist ein politischer Begriff, ein neuer Name für Gerechtigkeit.“ Friedhelm Hengsbach Im 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung wird Beteiligung als ein „Baustein von Qualitätsentwicklung und damit ein für alle Felder der Kinder- und Jugendhilfe unverzichtbares Qualitätsmerkmal“ definiert (vgl. BMFSFJ 2002, 20). Bereits der 8. Jugendbericht beschrieb die Partizipation der am Hilfeprozess beteiligten Familien als„konstitutives Moment“ einer Jugendhilfe, deren Ziel es ist, „dass Menschen sich als Subjekte ihres eigenen Lebens erfahren“ (BMJFFG 1990, 88). Spätestens seit der Umsetzung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes Anfang der 90er Jahre stellt Partizipation eine zentrales Paradigma der Kinder- und Jugendhilfe dar (vgl. Pluto 2010, 195; Kriener 2001, 128). Beteiligung ermöglicht wichtige Einsichten in die Lebenswirklichkeit der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern und bildet somit die Grundlage für die Passgenauigkeit von Planungen und Entscheidungen im Hilfeprozess (vgl. BMFSFJ 2010, 5). Die Hilfeplanung für die Hilfen zur Erziehung (§ 27ff i. V. m. § 36 SGB VII) ist effektiver, wenn die Zielformulierung am Willen der einzelnen Familienmitglieder ansetzt und deren eigene Ideen für die Umsetzung der Ziele aufgreift. Der Gesetzgeber sieht deshalb vor, dass Kinder und Jugendliche selbst dann aktiv zu beteiligen sind, wenn kindeswohlgefährdende Situationen zu klären sind. Die rechtliche Grundlage bilden hierfür die §§ 8, 8 a, 9, Ziff. 2, und § 36 SGB VIII (vgl. Babic 2010, 214). Von sozialarbeiterischer Hilfe verspricht man sich also nachhaltigen Erfolg, wenn die Betroffenen möglichst viel Eigeninitiative im Hilfeprozess zeigen und damit Verantwortung für ihre Lebenswelt übernehmen. Diese Eigeninitiative ist gegeben, wenn die Hilfe (bereits ab der Bedarfsfeststellung) die Interessen der Familie zum Ausgangspunkt nimmt und die Themen und Ziele gemeinsam festgelegt und bearbeitet werden. Grundlegend hierfür ist, dass die Fachkräfte die alltagsgebundenen Wirklichkeitskonstruktionen, Problemdefinitionen und Problemlö- 25 uj 1 | 2013 Beteiligung sungsperspektiven der Betroffenen anerkennen (vgl. Herriger 2006, 211). Die Fachkräfte schaffen einen Rahmen des Ermöglichens. Sie informieren über Rechte, bringen neue Ideen ein und versuchen, die Sichtweisen der Kinder, Jugendlichen und Eltern so zu bereichern, dass neue Handlungsmöglichkeiten daraus entstehen. Die Fachkräfte streben eine partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Dabei gilt das „Dialogische Prinzip“ (Buber 1992) der Gleichwertigkeit von professionellem Fachwissen und erfahrungsbasiertem, lebensweltlichem Betroffenenwissen bei gleichzeitiger Ungleichheit der Akteursgruppen im Hinblick auf die Machtverteilung innerhalb der Arbeitsbeziehung (vgl. Kunstreich u. a. 2004, 33). Verfahrensweisen nach dem Motto: „Wir wissen besser, was gut für Sie ist“ werden aufgegeben (vgl. von Soest 2000, 163). „Partizipation verlangt symmetrische und ergebnisoffene Aushandlungsprozesse zwischen zwar ungleichen, aber gleichwertigen Partnern“ (Hansen u. a. 2011, 22). Selbst wenn die Machtverteilung meist asymmetrisch bleibt, ist das Erfahrungswissen der Kinder, Jugendlichen und Eltern nicht weniger wert als das Fachwissen der Fachkräfte. Auf Augenhöhe zu agieren, bedeutet nicht, die gleichen Kompetenzen zugeschrieben zu bekommen, sondern als gleichwertige/ r InteraktionspartnerIn behandelt zu werden. Von den PraktikerInnen im Jugendamt und bei den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe wird erwartet, dass sie großen Wert auf die Partizipation legen. Obwohl das Thema Beteiligung für alle nachvollziehbar ist und selbstverständlich zu sein scheint, wird vielfach kritisiert, dass es noch einen hohen Entwicklungsbedarf bezüglich der tatsächlichen Umsetzung gibt (vgl. BMFSFJ 2010, 44; Pluto 2007, 277; Bertelsmann Stiftung 2006, 40f; Kriener 2001, 129). In diesem Artikel wird der Begriff „Teilgabe“ erklärt und seine Unverzichtbarkeit für eine partizipative Kinder- und Jugendhilfepraxis begründet. In einem zweiten Schritt wird Partizipation als verständliches Handlungsprinzip für den Arbeitsalltag im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes und der Hilfen zur Erziehung greifbar und plastisch dargestellt. Dabei werden ganz bewusst auch Beispiele für Beteiligungsmöglichkeiten im Zwangskontext aufgezeigt. Durch eine praxisnahe Beschreibung soll Interesse geweckt werden, Partizipation weiterzuentwickeln, in den eigenen Handlungskontext zu übertragen und dort zu verankern. Was bedeutet Partizipation? „Partizipation“ (lat. participare = teilhaben, teilnehmen oder teilen) ist in aller Munde, zeichnet sich aber bisher besonders durch seine begriffliche Unschärfe aus (vgl. Betz u. a. 2010, 11). Ebenso hat die inflationäre Verwendung des Begriffs „Teilhabe“ zu einer Verwässerung anstatt zu einer Begriffsklärung beigetragen (vgl. Dörner 2010, 77). Aus demokratietheoretischer Perspektive ist „Partizipation“ als zentrales Handlungs- und Organisationsprinzip demokratischer Gesellschaften einzuordnen und wird hier als Dachbegriff für die Dimensionen Beteiligung, Teilhabe und Teilnahme verstanden (vgl. Stein 1988, 48). Auch in der Sozialen Arbeit wird „Partizipation“ in ihrem wörtlichen Sinne für das Begriffspaar „Teilhabe“ und „Teilnahme“ verwendet. BürgerInnen haben das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft. Daraus erwächst der Anspruch der Leistungsberechtigten auf Unterstützung beim Abbau von sozialer Ungleichheit und damit verbunden auch der Stärkung von Erziehungskompetenz. Soziale Arbeit hat dabei die Aufgabe, einerseits gemeinsam mit den Familien alternative Problemlösungsstrategien zu entwickeln und andererseits neue Zugänge zu eröffnen, um eine gerechte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die tatsächliche Beteiligung der Familien zu erreichen und zu fördern setzt ein verändertes Rollenverständnis in der Arbeitsbeziehung und neue Arbeitstechniken voraus. Teilweise bilden sich die 26 uj 1 | 2013 Beteiligung guten Vorsätze für eine stärkere Beteiligungsausrichtung noch nicht im Arbeitsalltag ab, weil die Dichte der Arbeitsanforderungen wenig Platz für die Implementierung neuer Vorhaben lässt. Um das paternalistische Hilfeverständnis verlassen zu können, braucht es vor allem einen veränderten Blick auf die Fähigkeiten in den Familien (vgl. BMFSFJ 2010, 11) und Souveränität im Umgang mit Unsicherheiten und unkonventionellen Lösungsideen. Freilich ist der kompetenz- und ressourcenorientierte Ansatz den Fachkräften der Jugendämter und freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe bestens bekannt; sobald es aber darum geht, den Kindesschutz zu gewährleisten, geraten zu schnell und zu einseitig die individuellen Schwächen und Fehler der Eltern in den Fokus der Analyse. Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder gefährden, werden teilweise als „Gegner“ angesehen und nicht mehr als Mütter und Väter, die aufgrund benachteiligender Lebenslagen einen rechtlichen Anspruch auf sozialstaatliche Leistungen haben. Es bleibt eine große Verantwortung und immer wieder neue Herausforderung, den Rechtsanspruch des § 36 SGV VIII gemeinsam mit den Kindern und Eltern zu realisieren. Es geht vor allem darum, miteinander zu arbeiten, auch wenn die fachliche Einschätzung ganz anders ausfällt als die der Eltern. Eine konstruktive Zusammenarbeit hat größere Chancen, wenn die Ausrichtung der Hilfe tatsächlich entlang der Alltagserfahrungen und Lebenspraxis der Familien als wegweisender Grundlage für die Entwicklung neuer Lösungswege erfolgt. Um den Stellenwert der Akteursgruppe der AdressatInnen deutlich zu machen, bezeichne ich diese explizit als „KernakteurInnen“, da ihr Leben, ihre persönliche Geschichte, ihre Kompetenzen, ihre Erfahrungen, ihre Relevanzen, ihre Bezüge und ihre Fragen im Mittelpunkt des Hilfeprozesses stehen. Was bedeutet Teilgabe? Dörner kritisiert, dass die bisherigen Begriffe die verschiedenen Bedeutungsstränge demokratischer Beteiligungsrechte noch nicht vollständig abbilden. Es gilt, deutlicher zwischen Teilhabechancen und Beteiligungsrechten zu differenzieren und den Gestaltungswillen der KernakteurInnen stärker zu betonen (vgl. Dörner 2010, 77). Die Diskussion um soziale Gerechtigkeit als Ziel Sozialer Arbeit bezieht sich primär auf den Aspekt der Teilnahme, also die gerechte Verteilung und den Zugang zu Ressourcen (vgl. Gronemeyer 2009, 79f ). Die Begriffe „Teilhabe“ und „Teilnahme“ können dabei leicht zu einer Defizitperspektive verleiten, nach dem Motto: „Die schwächeren Gesellschaftsmitglieder sollen auch etwas vom großen Kuchen abbekommen“ (vgl. ebd.). Zudem wird suggeriert, dass es sich um HilfeempfängerInnen handelt, die etwas konsumieren möchten bzw. eine Dienstleistung passiv entgegennehmen möchten. „Teilhabe“ und„Teilnahme“ zu verwirklichen, ist zweifelsohne ein zentrales Anliegen Sozialer Arbeit, birgt aber besonders im Kontext der Eigenheiten der Einzelfallhilfe die Gefahr eines zu passiven Akteursbildes: Menschen, die eigentlich noch nicht so weit sind, die erst dazu befähigt werden müssen, sich konstruktiv einbringen zu können. Doch alle Menschen - unabhängig vom Bildungsstand und dem Zugang zu anderen Ressourcen - bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen divergierenden Bedürfnissen. Dörner geht davon aus, dass sich alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben wünschen und gleichzeitig aber auch nach Zugehörigkeit und Anerkennung streben. Genau an dieser Stelle setzt das Konzept der Teilgabe an (vgl. Dörner 2010, 77). Teilgabe meint die individuellen und einzigartigen Möglichkeiten der KernakteurInnen zur Mitgestaltung der Hilfe. Sie bildet den Bestandteil von Beteiligung, der von den KernakteurIn- 27 uj 1 | 2013 Beteiligung nen selbst in den Hilfeprozess eingebracht wird. Die Forderung nach Teilgabe basiert auf der Haltung, dass „…jedes Mitglied einer Gesellschaft seinen Beitrag zur Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders in allen Fragen, die sein Leben betreffen, leisten kann“ (Gronemeyer 2009, 79). Je nach Anforderungsprofil und Arbeitsauftrag des jeweiligen Handlungsfeldes gestalten sich die Teilgabeformen ganz unterschiedlich. Um der Komplexität dieser Herausforderung gerecht zu werden, bezieht sich dieser Artikel primär auf Hilfeprozesse im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes und vernachlässigt damit die Besonderheiten anderer Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe, z. B. auf Abenteuerspielplätzen oder in Jugendzentren (wertvolle Hinweise für Beteiligungsformen in Kindertageseinrichtungen formulierten Hansen u. a. 2011, 245ff ). Jugendämter, deren Führungs- und Fachkräfte die Beteiligung nicht nur als gesetzlichen, aber praxisfernen Anspruch ansehen, sondern tatsächlich als Voraussetzung für eine erfolgreiche Hilfeleistung verstehen, haben die Erfahrung gemacht, dass Gelegenheiten zur Teilgabe als Schlüsselerlebnisse für eine tragfähige Zusammenarbeit bewertet werden. Grundlage für gelingende Teilgabe ist dabei ein Beziehungsangebot, das sich am Wohlwollen für und Zutrauen in die KernakteurInnen ausrichtet. Die Umsetzung von Teilgabe ermöglicht den KernakteurInnen innerhalb des Hilfegeschehens ein greifbares Erleben von Zugehörigkeit und Subjektorientierung. Das Bedürfnis der/ des Einzelnen, etwas in die Gemeinschaft und in den Hilfeprozess einbringen zu wollen, um sich ebenbürtig zu fühlen und nicht als BittstellerIn agieren zu müssen, wird ernst genommen. In Hilfeprozessen kann durch gelingende Teilgabe Scham abgebaut, neue Hoffnung, Motivation und Gestaltungskraft freigesetzt werden und somit auch das Selbstwirksamkeitsempfinden durch konkretes Handeln unmittelbar erhöht werden: „Ich kann was beeinflussen. Ich bin wer! Das habe ich gerade selbst erlebt! “ Teilgabe birgt für die KernakteurInnen die Chance aktiver und authentischer Beteiligung, von Normalitätsempfinden und der unmittelbaren Stärkung ihres Selbstwertgefühls (vgl. Steinhart 2008, 32). Teilgabe sichert nicht zuletzt die Würde der weniger mächtigen AkteurInnen und ermöglicht einen Ausweg aus der „erlernten Hilflosigkeit“ (Niehoff 2007, 224f ). Dieser einzigartige Gestaltungsanteil der KernakteurInnen kann sehr unterschiedliche Formen (vgl. Abb. 1) annehmen: ➤ Reflektierte Insiderkenntnisse (aus überstandenen Krisen), die anderen Mut machen und Orientierung geben können, z. B. durch Peer Education - Jugendliche qualifizieren Jugendliche (vgl. BMFSFJ 2010, 11), ➤ Netzwerksynergien, z. B. Nachbarschaftstauschbörsen zur Alltagsbewältigung, wie „Babysitten gegen Einkaufen“ (vgl. Steinhart 2008, 31), ➤ Aktivierung von Betroffenenwissen für Konflikt- und Problemlösungen, z. B. partizipative Gesundheitsforschung (vgl. von Unger, 2010, 9). Reflektierte Insiderkenntnisse Netzwerksynergien Betroffenenwissen TEILGABE Abb. 1: Formen von Teilgabe 28 uj 1 | 2013 Beteiligung Beteiligung als Gestaltungsprinzip der Hilfen zur Erziehung Ich verwende als Oberbegriff bewusst das Wort „Beteiligung“ und nicht „Partizipation“, da es mir wichtig ist, einen Begriff ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, der intuitiv verständlich und für alle Akteursgruppen leicht auszusprechen ist. In der Einzelfallhilfe liegt ein wichtiger Fokus der Beratung auf der Erweiterung individueller Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Es geht häufig darum, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken, um die Entwicklungsbedingungen ihrer Kinder zu verbessern. Hinter dieser Arbeitsweise steht ein Menschenbild, das die Eltern als erziehungsverantwortliche KooperationspartnerInnen versteht, die an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligt werden müssen und die sich selbst und die Sichtweise ihrer Familie dabei vertreten wollen und können (vgl. Hengsbach 2005). Beteiligung bedeutet, dass die KernakteurInnen den Hilfeprozess mitgestalten und bei Entscheidungen mitbestimmen. Die KernakteurInnen bringen ihren Standpunkt in jeder Phase des Hilfegeschehens ein, definieren die Ziele der Hilfe mit und gestalten aktiv den Umsetzungsprozess. Mit der Übernahme von Initiative und Verantwortung steigt dabei gleichzeitig der Grad der Einflussnahme der KernakteurInnen. Abbildung 2 stellt dar, dass Beteiligung auf den Teilhaberechten basiert, die sich eine Gesellschaft setzt, und durch eine gerechtere Verteilung von Teilnahmechancen und die Begleitung von Teilgabeprozessen zum Ausdruck kommt. Beteiligende Soziale Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Einschätzung der KernakteurInnen von der neuen Konzeption bis zur Evaluation selbstverständlicher Bestandteil von Hilfsangeboten wird. Notwendig für die Umsetzung von Beteiligung ist daher eine Konkretisierung ihrer Bedeutung bezogen auf die verschiedenen Akteursgruppen, die jeweilige Reichweite innerhalb der verschiedenen Geltungsbereiche und die methodische Ausgestaltung. Beteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe zielt damit auf die Demokratisierung der Interaktionen zwischen KernakteurInnen und Fachkräften und zudem auf den Abbau von Hierarchien und Hürden innerhalb der Institutionen, Settings und Verfahren ab (vgl. Kriener, 2001, 146). Die handlungsleitende Frage lautet: Auf welche Art und in welchem Umfang können die KernakteurInnen auf die Gestaltung der Leistung und die Erbringungskontexte einen aktiven und konstruktiven Einfluss nehmen und bei den damit verbundenen Entscheidungen mitbestimmen (vgl. Schnurr 2011, 1.069)? Teilnahmechancen = Zugänge & Netzwerke Teilgabe = einzigartiger Gestaltungsanteil der KernakteurInnen Beteiligung Teilhaberechte Abb. 2: Beteiligung als Gestaltungsprinzip 29 uj 1 | 2013 Beteiligung Wie kann Beteiligung in den Hilfen zur Erziehung umgesetzt werden? Beteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe vollzieht sich selten von alleine, sie muss gewollt sein. Die Aufgabe der Wahrnehmung und Erschließung von Teilnahmechancen und Teilgabepotenzialen liegt bei den Fachkräften. Die Erfahrung hat gezeigt, dass beteiligende Beratung erst gelingen kann, wenn die Fachkräfte an der Basis hierfür Rückendeckung von den Führungskräften sozialer Institutionen erhalten. Ein beteiligungsförderliches Vorgehen setzt dabei folgende innere Haltung voraus: Jeder Mensch ist einzigartig. Seiner individuellen Persönlichkeit gebührt eine achtsame und wertschätzende Wahrnehmung. Die Erfahrungen und das Wissen der Betroffenen werden als unverzichtbare Ressource betrachtet und für die Umsetzung des Hilfeprozesses nutzbar gemacht. KernakteurInnen werden als ExpertInnen in eigener Sache angesprochen. Sie werden in jeder Hilfephase in ihrer Rolle als InformantIn, SozialraumspezialistInundErfahrungsträgerIn eingebunden. Dabei wird eine ehrliche und gleichberechtigte Kommunikation angestrebt. Parallel dazu werden systematisch Kontakte zum Austausch von Informationen und Erfahrungen hergestellt und informelle Netzwerke gegenseitiger Unterstützung aufgebaut, um Solidaritätserfahrungen auf Augenhöhe zu fördern. Ein Praxisbeispiel Frau Hartig (alle Namen sind pseudonymisiert) fragt, ob sie ihrem 7-jährigen Sohn Marcel eine schlechte Mutter sei und ob er nicht besser in einer Pflegefamilie aufgehoben wäre. Sie beschreibt, dass sie ihn nicht so sehr lieben könne wie ihre Tochter Selina. Sie rege sich bei jeder Kleinigkeit furchtbar über Marcel auf, bestrafe ihn härter als Selina und halte ihn möglichst auf Abstand. Im Gespräch mit der Sozialarbeiterin gesteht sich Frau Hartig ein, dass sie so für Marcel empfindet, da er seinem leiblichen Vater, der Frau Hartig schwer enttäuscht hat, zum Verwechseln ähnlich sieht. Frau Hartig gelingt es in der Beratung, ihre Wut und Trauer gegenüber dem Kindsvater zu verarbeiten, bzw. sie entwickelt Strategien, wie sie damit umgehen kann, wenn die Gefühle wieder hochkommen. Hinzu kommt, dass auch ihr Vorschlag realisiert werden kann, dass Marcel jeden Mittwochnachmittag mit seinen Großeltern väterlicherseits verbringen darf, worüber sich Marcel sehr freut, weil der Opa so lustige Zaubertricks kann. Frau Hartig fühlt sich entlastet und hat viele gute Ideen, wie sie den Marcel-freien Nachmittag für sich nutzen kann. Seit Frau Hartig kein schlechtes Gewissen mehr hat, entdeckt sie plötzlich einige Gemeinsamkeiten zwischen sich und Marcel. Beide essen gerne Pfannkuchen mit viel Zimt und Zucker und gehen gerne gemeinsam mit ihrem Hund Fasso spazieren. Frau Hartig ist sehr erleichtert und kommt Marcel langsam ein gutes Stück näher. In diesem Fallbeispiel hat die Sozialarbeiterin einen Beitrag dazu geleistet, dass Frau Hartig ihre Gedanken und Gefühle neu sortieren konnte, um dann aus eigener Kraft heraus das von ihr beschriebene Problem innerhalb ihrer lebensweltlichen Bezüge zu lösen. Für die Zusammenarbeit mit Frau Hartig war es wichtig, dass die Mutter die Verantwortung für die Inhalte und Ziele inne hatte und die Fachkraft ihren Beitrag leistete, indem sie dem Entwicklungsprozess der Mutter durch methodische Begleitung einen professionellen Raum gab. Probleme werden demnach nicht stellvertretend für die KernakteurInnen gelöst, vielmehr geht es darum, ihre Möglichkeiten für eine selbstbestimmte Lebensführung zu erhöhen. Der Erfolg der Beratung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Hilfe freiwillig in Anspruch genommen wurde und das Selbstwirksamkeitsempfinden der Mutter wieder so weit aktiviert werden konnte, dass sie erneut eigenständig planen und handeln kann. Abbildung 3 fasst noch einmal zusammen, welche zentralen Einflussfaktoren dabei eine große Rolle gespielt haben: 30 uj 1 | 2013 Beteiligung Wie lässt sich Beteiligung im Zwangskontext gestalten? „Wo Beteiligung angeboten wird, müssen Mitsprache, Mitwirkung und Mitbestimmung möglich sein“ (BMFSFJ 2010, 9). Aber wie kann das gelingen, wenn ein Zwangskontext vorliegt? Empirische Ergebnisse belegen, dass Fachkräfte dazu neigen, Eltern ihre Beteiligungsrechte abzusprechen, wenn sie ihrer Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden (vgl. Pluto 2007, 213). Sobald sich Fachkräfte für den Schutz der Kinder einsetzen müssen, führt dies nicht selten zu einer gegnerischen Haltung gegenüber den Eltern, und Beteiligung verliert ihr Fundament. Eltern werden nicht mehr länger als KooperationspartnerInnen angesehen, sondern zum „feindlichen Lager“ erklärt, dessen Schwächen in den Fokus der Wahrnehmung der Fachkraft treten. Ein fachlich fundiertes Vorgehen ist daher besonders anspruchsvoll, wenn die Erwartungen der Eltern an die Kinder- und Jugendhilfe nicht mit dem Kindeswohl zu vereinbaren sind. Im Folgenden werden immer wieder Ausschnitte eines Praxisbeispiels beschrieben, um zu veranschaulichen, was Beteiligung ausmachen kann, selbst wenn elterliche Rechte zum Schutz ihrer Kinder begrenzt worden sind. Die Ausgangssituation im Fall „Michael Raast“ (alle Namen sind pseudonymisiert): Der 14-monatige Michael wird heute vom Jugendamt in Obhut genommen und für ca. sechs Wochen in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. In dieser Zeit soll gemeinsam mit seiner leiblichen Mutter Bettina Raast geklärt werden, was sie an ihrem Leben verändern muss, damit sie zukünftig gut für Michael sorgen kann. Falls keine realistische Perspektive für das Zusammenleben von Michael und seiner Mutter geschaffen werden kann, muss gemeinsam eine Alternative entwickelt werden. Die Notwendigkeit der Kurzzeitpflege wurde mit der Mutter besprochen. Die Mutter gab im letzten Gespräch mit dem Jugendamt an, dass sie die Inpflegegabe nicht durch Flucht, Verstecken oder Ähnliches verhindern wolle, aber dass sie ihre Zustimmung auch nicht freiwillig geben werde. Die Situation kann für alle Beteiligten, auch die Fachkräfte, sehr belastend und komplex werden. Der Stress kann dazu führen, dass die fachlichen Grundsätze des Empowerment nicht mehr eingehalten werden. Was kann man nun tun, um auch in brenzligen Situationen „mit“ anstatt „gegen“ die Eltern zu arbeiten? Themenverantwortung Ressourcenzugänge Wertschätzung Sachinformation Transparenz Kompetenzausbau Teilgabe Eigenständigkeit Abb. 3: Einflussfaktoren bei der Stärkung von Eigenständigkeit 31 uj 1 | 2013 Beteiligung Beteiligungskompetenzen der Fachkräfte stärken Im Folgenden soll die Beteiligungskompetenz der Fachkräfte anhand ihrer inneren Haltung und ihrer konkreten Handlung herausgearbeitet werden. Die Ebene der inneren Haltung: Die Fachkraft bewahrt sich auch in dieser Krisensituation folgende Einstellung: „Jedes Kind braucht für eine gesunde Identitätsentwicklung einen Bezug zu seinen leiblichen Eltern. Diese sind für das Kind durch nichts und niemand zu ersetzen. Es verletzt Kinder, wenn man schlecht über ihre Eltern denkt und spricht.“ Diese Prämisse hilft, im Interesse der Entwicklung des Kindes mit den Eltern in Verbindung zu bleiben. Das dysfunktionale Verhalten der Eltern, z. B. Misshandlung oder Vernachlässigung, wird abgelehnt und zum Schutz des Kindes unterbrochen. Gleichzeitig werden die Eltern weiterhin als Menschen angesehen, denen mit Achtung und Fairness zu begegnen ist. Um die Familie nicht zu entwerten und zu schwächen, werden die Eltern nach wie vor als zugehörig und emotional bedeutsam für ihre Kinder anerkannt. Die Fachkraft erfüllt den gesetzlichen Schutzauftrag, indem sie einen klaren Werterahmen vorgibt und vertritt, der teilweise den Vorstellungen und Wünschen der Eltern nicht entspricht. Parallel dazu eröffnet sie einen neuen Raum für die Zusammenarbeit. Dies gelingt, wenn die Eltern nicht als TäterInnen verurteilt und verabscheut werden, sondern ihnen nach wie vor mit Wohlwollen und Zutrauen in ihre Veränderungsmöglichkeiten begegnet wird. Die Ebene der konkreten Intervention: Im Zwangskontext müssen Konflikte ausgetragen und Krisen durchlaufen werden. Soziale Arbeit hat dabei die Aufgabe, Orientierung und Begleitung anzubieten. Beteiligung behält weiterhin ihren Stellenwert, wenn mit den Eltern und Kindern erarbeitet wird, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihnen innerhalb des begrenzten Rahmens trotz des unfreiwilligen Settings zur Verfügung stehen und wie vor diesem Hintergrund Mitsprache sinnvoll verwirklicht werden kann. Im Folgenden wird dargestellt, wie konkrete Interventionen gestaltet werden könnten. Wertschätzung zeigen und asymmetrische Machtverteilung ansprechen Wie in der Beratung, die von den KernakteurInnen freiwillig in Anspruch genommen wird, gilt es auch im Zwangskontext, den Menschen mit Wertschätzung zu begegnen. Um den Beteiligungsspielraum der Eltern in konkrete Formen zu bringen, bietet es sich an, ihre Selbstwirksamkeit innerhalb der asymmetrischen Machtverteilung zu thematisieren. Bestimmte Rahmenbedingungen akzeptieren zu müssen, bedeutet nicht, dass die/ der weniger Mächtige nur noch reagieren kann (vgl. Giddens 1995, 66; Arendt 1970, 45). Sie/ er muss sich deshalb nicht aufgeben, sondern hat immer noch die Chance, den Hilfeprozess konstruktiv zu bereichern. Diese Einstellung kann erzielt werden, wenn den KernakteurInnen Verständnis und Achtung entgegengebracht wird: „Frau Raast, ich kann mir vorstellen, dass heute für Sie ein ganz schwerer Tag ist. Ich finde es beeindruckend, dass Sie sich so gefasst verhalten. Das zeigt mir, dass Sie Ihren Sohn Michael sehr lieb haben und vor zusätzlicher Aufregung bewahren wollen.“ An Stärken und Erfolge anknüpfen In einem zweiten Schritt können bisherige Erfolge reflektiert und überstandene Krisen auf ihren Transfergehalt für die aktuelle Notlage überprüft werden. Besonders Herriger hat hierzu konkrete Beispiele beschrieben, wie die Fachkraft sich und die KernakteurInnen in die Lage versetzen kann, den Defizit-Blickwinkel aufzulösen (vgl. Herriger 2006, 72ff ). 32 uj 1 | 2013 Beteiligung „Sie haben schon so viele schwere Situationen in Ihrem Leben erfolgreich gemeistert. Wissen Sie noch, wie es war, als Michaels Vater inhaftiert wurde? Damals waren Sie plötzlich auf sich alleine gestellt. Aber Sie haben deshalb nicht aufgegeben. Sie haben allen gezeigt, dass Sie eine Powerfrau sind, wenn es wirklich darauf ankommt! Wie haben Sie das damals geschafft? Wer oder was hat Ihnen geholfen, diese Krise zu überwinden? “ Informationen und Transparenz über die weitere Vorgehensweise Selbst in Situationen, in denen kein Verhandlungsspielraum besteht, kann den Eltern respektvoll begegnet werden, indem Auskünfte über den weiteren Verlauf gegeben werden. Diese Informationen reduzieren das Ohnmachtsgefühl der Eltern und dienen als Anknüpfungspunkte für die weitere Zusammenarbeit: „Wir werden Michael heute in eine Pflegefamilie bringen, die sich in den nächsten Wochen gut um Ihren Sohn kümmern wird, bis wir Erwachsenen gemeinsam geklärt haben, wie es für Michael weitergehen soll. Die Gründe für die Inobhutnahme haben wir Ihnen bei unserem letzten Gespräch erklärt. Ich weiß, dass Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden waren, und ich bewundere Sie dafür, wie tapfer Sie sich der Situation stellen. Die Pflegefamilie, bei der Ihr Sohn Michael ab heute sein wird, heißt Familie Meier. Die Leute haben selbst eine vierjährige Tochter. Sie heißt Eva. Dort lebt auch noch ein Hund namens Barry.“ Einzigartige Teilgabe in Krisen- und Konfliktsituationen Sobald die Mutter signalisiert, dass sie genug Kraft, Mut und Hoffnung aufbringen kann, um sich in der Situation aktiv zu beteiligen, kann mit ihr erarbeitet werden, was ihr einzigartiger Beitrag als Mutter von Michael in dieser Phase des Hilfeprozesses sein könnte: „Die Pflegeeltern sind auf die Zusammenarbeit mit Ihnen als Mutter von Michael angewiesen, denn niemand kennt Michael so gut wie Sie! Sie können Ihrem Sohn sehr helfen, wenn wir nun gemeinsam eine Liste mit wichtigen Informationen zusammenstellen, die nur Sie wissen! Was sollen die Pflegeeltern im Umgang mit Michael in jedem Fall beachten? Was trinkt und isst er gerne? Wie kann man ihm eine Freude machen? Hat er ein bestimmtes Einschlafritual? Muss er Medikamente nehmen oder ist er auf etwas allergisch? Können Sie mir bitte ein Foto von sich für Michael mitgeben und sein Lieblingskuscheltier holen? “ Aussicht klären Am Ende des Hausbesuchs wird eine Perspektive entwickelt, die der Mutter Klarheit und Handlungssicherheit geben soll. Die neue Perspektive stellt gleichzeitig die Basis dafür her, das Erlebte im Nachhinein verstehen bzw. mit Sinn versehen und darauf aufbauend eigene Positionen und Ziele für sich und das Kind finden und vertreten zu können: „Wenn Sie einverstanden sind, können wir uns morgen treffen. Ich kann Ihnen dann erzählen, wie für Michael die Ankunft in der Pflegefamilie war. Bis dahin können Sie gerne Fragen und Themen sammeln, die wir dann morgen in Ruhe miteinander besprechen können. Sind Sie damit einverstanden oder haben Sie einen anderen Vorschlag? Falls Ihnen später, wenn ich weg bin, etwas einfällt oder Sie einfach jemanden zum Reden brauchen, dann können Sie mich auch anrufen oder Sie können sich natürlich an Ihre Familienhelferin wenden.“ Fazit Im Idealfall können die KernakteurInnen durch gelingende Beteiligung im Zwangskontext auch aus extremen Erfahrungen lernen und gestärkt hervorgehen. Hierfür gibt es vier wichtige Voraussetzungen: 33 uj 1 | 2013 Beteiligung Erstens: Fachkräfte nehmen Eltern und ihre Kinder auch und gerade im Rahmen von Krisenmanagement als kompetente AkteurInnen wahr. Die Hilfe ist als ein Prozess zu verstehen, in den jeder einbringt, was er gut kann. Die Richtigkeit und Wichtigkeit von Beteiligung als Gestaltungsprinzip und grundlegende Anforderung an die Fachlichkeit der PraktikerInnen wird bejaht (vgl. Babic 2010, 221f ). Zweitens: Fachkräfte setzen ihre Fachlichkeit und Macht in erster Line für die Kinder ein. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich gegen die Eltern stellen müssen. Vielmehr muss ein Weg der Zusammenarbeit aufrechterhalten werden, der der emotionalen Ambivalenz der Kinder - zwischen bedingungsloser Liebe zu den Eltern und Schutzbedürftigkeit für die eigene Entwicklung - gerecht wird. Drittens: Eltern, die schwere Fehler gegenüber ihren Kindern machen, brauchen Orientierung und Auseinandersetzung mit der Fachkraft, um etwas verändern zu können. Es muss verständlich und deutlich formuliert werden, was konkret von den Eltern erwartet wird und welche Vorstellungen und Wünsche der Eltern im Rahmen der Hilfe nicht weiterverfolgt werden können (vgl. Kriener 2001, 138ff ). Der Verständigungsprozess über unterschiedliche Standpunkte kann in Zugewandtheit erfolgen und muss sich nicht zu einem Kampf zwischen gegnerischen Fronten entwickeln. Viertens: Dysfunktionales Erziehungsverhalten lässt Rückschlüsse auf die aktuell fehlenden Kompetenzen eines Elternteils zu. Eltern müssen deshalb aber nicht als schlechte Menschen abgewertet werden. Die große Mehrheit der Eltern hat (auch) positive Gefühle für ihre Kinder. Dieses Empfinden, das Beste für die eigenen Kinder zu wollen, kann als Anknüpfungspunkt und kleinster gemeinsamer Nenner für die Zusammenarbeit dienen. Natürlich haben Kinder einen Anspruch auf Schutz vor Misshandlung und Vernachlässigung. Daneben haben aber auch Eltern einen Anspruch auf Hilfe, um sich selbst weiterentwickeln und ihre Erziehungskompetenzen ausbauen zu können. Um beiden Kernakteursgruppen gerecht werden zu können, kann es erforderlich sein, dass das Familiengericht in die elterliche Sorge eingreift. Für den Beratungsprozess ist an dieser Stelle wichtig, dass der Entzug von elterlichen Rechten nicht mit dem Entzug der elterlichen Würde einhergehen muss. Der Hilfeprozess kann auf Augenhöhe fortgeführt werden, wenn jetzt keine Abwendung von den Eltern erfolgt. Die Fachkräfte können hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie Informationen geben, Eltern zu wichtigen Gesprächen einladen, nachvollziehbar erklären, warum sie wie handeln und entscheiden, und sich auch kritischen Fragen der Eltern stellen. Judith Rieger Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) Köpenicker Allee 39 - 57 10318 Berlin judith.rieger@khsb-berlin.de Literatur Arendt, H., 1970: Macht und Gewalt. München Babic, B., 2010: Zur Gestaltung benachteiligungssensibler Partizipationsangebote - Erkenntnisse der Heimerziehungsforschung. In: Betz, T./ Gaisert, W./ Pluto, L. (Hrsg.): Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Forschungsergebnisse, Bewertungen, Handlungsmöglichkeiten. Schwalbach/ Ts., S. 213 - 230 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 2006: Kommunen schaffen Zukunft. Reformimpulse für Entscheider. Gütersloh 34 uj 1 | 2013 Beteiligung Betz, T./ Gaisert, W./ Pluto, L., 2010: Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Diskussionsstränge, Argumentationslinien, Perspektiven. In: Betz, T./ Gaisert, W./ Pluto, L. (Hrsg.): Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Forschungsergebnisse, Bewertungen, Handlungsmöglichkeiten. Schwalbach/ Ts., S. 11 - 31 Buber, M., 10 2006: Das dialogische Prinzip. Gütersloh Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), 2002: Elfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), 2010: Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen. Berlin Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) (Hrsg.), 1990: Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn Dörner, K., 5 2010: Leben und sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem. Neumünster Giddens, A., 2 1995: Die Konstitution der Gesellschaft: Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt am Main/ New York Gronemeyer, M., 2 2009: Die Macht der Bedürfnisse. Überfluss und Knappheit. Darmstadt Hansen, R./ Knauer, R./ Sturzenhecker, B., 2011: Partizipation in Kindertageseinrichtungen. So gelingt Demokratiebildung mit Kindern! Weimar/ Berlin Hengsbach, F., 2005: Teilhabe. In: Frankfurter Rundschau vom 20. 8. 2005 Herriger, N., 3 2006: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Stuttgart Kriener, M., 2001: Beteiligung als Gestaltungsprinzip. In: Birtsch, V./ Münstermann, K./ Trede, W. (Hrsg.): Handbuch Erziehungshilfen. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und Forschung. Münster, S. 128 - 148 Kunstreich, T./ Langhanky, M./ Lindenberg, M./ May, M., 2004: Dialog statt Diagnose. In: Heiner, M. 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