unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2013.art21d
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Geschichte der Sozialen Arbeit
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2013
Ralph-Christian Amthor
Zweimal wurde bisher versucht, über Umfragen zu ermitteln, ob sich inzwischen auch in der Sozialen Arbeit ein Bestand an Basis- und Standardliteratur entwickelt hat, auf den in der Ausbildung und Praxis regelmäßig zurückgegriffen wird bzw. werden sollte. Die Ergebnisse der Umfrage 1985 (E. Jordan/D. Kreft/D. Sengling) wurden im Sozialmagazin (Heft 9, S. 32 – 35), die der Umfrage 2000 (D. Kreft/M. und W. Wüstendörfer) ebenfalls im Sozialmagazin (Heft 2, S. 29 – 39) veröffentlicht. Bei beiden war abzulesen, dass es immerhin „Literatur-Verdichtungen“ in diesen Bereichen gab: „Hand- und Wörterbücher“, „Recht“, „Geschichte“ und „Methoden“. Weil sich eine Profession auch dadurch auszeichnet, dass sie über einen allgemein anerkannten und genutzten Literatur-Kanon verfügt, haben HerausgeberInnen und Schriftleitung von unsere jugend entschieden, in größeren Abständen den Literaturstand zu diesen fünf Komplexen der Sozialen Arbeit in Sammelrezensionen vorzustellen: (1) Hand- und Wörterbücher/Lexika (Sabine Behn/Gabriele Bindel-Kögel in uj 11 + 12/2008), (2) Recht (Prof. Dieter Kreft in uj 11 + 12/2010), (3) Einführungen in die Soziale Arbeit (Prof. Dr. Dr. h. c. C. Wolfgang Müller in uj 5/2011), (4) Methodisches Handeln (Dr. Vera Birtsch in uj 11 + 12/2012) und schließlich (5) Geschichte – Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor im vorliegenden Heft. Sammelrezensionen also, die als „Buchpakete“ gestaltet über differenzierte Gliederungen und durchaus auch bewertend Lese- und Arbeitshilfen für Studierende und PraktikerInnen sein sollen. Die Schriftleitung
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220 unsere jugend, 65. Jg., S. 220 - 228 (2013) DOI 10.2378/ uj2013.ar21d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Geschichte der Sozialen Arbeit Besprechung neuerer und aktualisierter Einführungsbände Zweimal wurde bisher versucht, über Umfragen zu ermitteln, ob sich inzwischen auch in der Sozialen Arbeit ein Bestand an Basis- und Standardliteratur entwickelt hat, auf den in der Ausbildung und Praxis regelmäßig zurückgegriffen wird bzw. werden sollte. Die Ergebnisse der Umfrage 1985 (E. Jordan/ D. Kreft/ D. Sengling) wurden im Sozialmagazin (Heft 9, S. 32 - 35), die der Umfrage 2000 (D. Kreft/ M. und W. Wüstendörfer) ebenfalls im Sozialmagazin (Heft 2, S. 29 - 39) veröffentlicht. Bei beiden war abzulesen, dass es immerhin„Literatur-Verdichtungen“ in diesen Bereichen gab: „Hand- und Wörterbücher“, „Recht“, „Geschichte“ und „Methoden“. Weil sich eine Profession auch dadurch auszeichnet, dass sie über einen allgemein anerkannten und genutzten Literatur-Kanon verfügt, haben HerausgeberInnen und Schriftleitung von unsere jugend entschieden, in größeren Abständen den Literaturstand zu diesen fünf Komplexen der Sozialen Arbeit in Sammelrezensionen vorzustellen: (1) Hand- und Wörterbücher/ Lexika (Sabine Behn/ Gabriele Bindel-Kögel in uj 11 + 12/ 2008), (2) Recht (Prof. Dieter Kreft in uj 11 + 12/ 2010), (3) Einführungen in die Soziale Arbeit (Prof. Dr. Dr. h. c. C. Wolfgang Müller in uj 5/ 2011), (4) Methodisches Handeln (Dr. Vera Birtsch in uj 11 + 12/ 2012) und schließlich (5) Geschichte - Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor im vorliegenden Heft. Sammelrezensionen also, die als „Buchpakete“ gestaltet über differenzierte Gliederungen und durchaus auch bewertend Lese- und Arbeitshilfen für Studierende und PraktikerInnen sein sollen. Die Schriftleitung Einleitung Soziale Arbeit ist heute ein zentraler Teil unserer Gesellschaft, mit unzähligen Einrichtungen und Diensten verschiedenster öffentlicher und freigemeinnütziger Träger, deren Verwaltung ohne ein modernes Sozialmanagement nicht mehr auszukommen vermag. Soziale Arbeit bildet einen eigenen Berufs- und Wissenschaftsbereich, der sich durch ein komplexes Ausbildungssystem sowie vielfältige wissenschaftliche Forschung und Fachpublikation auszeichnet, weist eine enorme Wirtschaftskraft auf und hat weltweite Verbreitung. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich diese gesamtgesellschaftliche Bedeutung nicht innerhalb weniger Jahre 221 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit oder Jahrzehnte entwickelt haben kann, sondern vielmehr auf einer vielschichtigen, traditionsreichen und letztendlich Jahrhunderte langen Geschichte beruht. Es erstaunt deshalb nicht, dass das Interesse an der Auseinandersetzung mit den historischen Bezügen deutlich zugenommen hat: Hierfür steht nicht nur, dass Studierende heute kontinuierlich geschichtliche Themen zum Gegenstand von Bachelor-, Master- und Promotionsarbeiten wählen, das Fach „Geschichte“ seit Jahrzehnten unerlässlicher Bestandteil der Lehre ist und entsprechende Bezüge auch in anderen Lehrgebieten des Hochschulstudiums zur Sozialen Arbeit hergestellt werden. Deutlich erkennbar ist vielmehr, dass sich die einschlägige Forschung seit den 1970er Jahren enorm ausweitete, wobei beachtet werden muss, dass die relevanten Frage- und Problemstellungen nicht allein von der Sozialen Arbeit bearbeitet werden, sondern daneben im Rahmen anderer Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere in der Geschichtswissenschaft, auf äußerst reges Interesse stoßen. Während so also die Forschungsaktivitäten immer größeren Raum gewinnen, entwickelt sich das Lehrgebiet „Geschichte der Sozialen Arbeit“ zu einem nur mehr schwer zu überblickenden Feld, das im Grunde weder von einem Lehrenden noch von einer oder zwei Lehrveranstaltungen in den unteren Semestern abgedeckt werden kann, da sämtliche Lehrinhalte des gegenwärtigen Studiums auf vergangenen Entwicklungen beruhen und die Geschichte der Sozialen Arbeit damit allumfassend ist. Für die Studiengänge an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Dualen Hochschulen und Universitäten ergibt sich dadurch der Umstand, dass Lehrende und Studierende auf einführende Basisliteratur angewiesen sind, welche die gegenwärtigen komplexen Forschungsaktivitäten, beispielsweise zu einzelnen Epochen, Arbeitsfeldern, Institutionen, Trägern und sozialen Bewegungen, weiterhin zu bedeutenden Persönlichkeiten, zu Theorieansätzen, Methoden und Handlungsansätzen oder zur Wissenschafts- und Professionsentwicklung, in einer anschaulichen Form zusammenführen und bündeln. Betrachtet man die vorliegende Standardliteratur, die Studierende in die Geschichte der Sozialen Arbeit einführen möchte und die nun Gegenstand der vorliegenden Sammelrezension ist, so lassen sich bereits vom Umfang her deutliche Unterschiede festhalten: In diesem Beitrag werden zunächst zwei einführende Werke aufgezählt, die von WissenschaftlerInnen verfasst wurden, die sich durch zahlreiche einschlägige Forschungsarbeiten und Publikationen ausweisen können, um, hierauf aufbauend, auf das umfassende vierbändige Werk von Sachße/ Tennstedt zur Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland einzugehen. Sodann wird zu Bänden informiert, die im Vergleich zu den bisher erwähnten Werken jeweils konzeptionelle Besonderheiten aufweisen; abschließend erfolgt die Darstellung zweier Lehrbücher zur Methoden- und Professionsgeschichte. Um die Aktualität und fachliche Qualität zu wahren, erstreckt sich die Sammelrezension auf Monografien, die ab dem Jahr 2000 erschienen und ausschließlich historisch angelegt sind. Die einzelnen Übersichten beziehen sich auf den Inhalt, versuchen andererseits unter didaktischen Gesichtspunkten dahingehend Stellung zu nehmen, inwieweit sich die Bände für StudienanfängerInnen und Hochschullehre eignen. Einführende Basisliteratur Im Jahr 2000 veröffentlichten Sabine Hering und Richard Münchmeier ihre „Geschichte der Sozialen Arbeit“, die 2007 bereits in der vierten Auflage im Juventa Verlag erschien und inhaltlich mit den historischen Verläufen der Sozialen Arbeit ab der deutschen Reichsgründung im Jahr 1871 und mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert beginnt. Der Band will in die historischen Bezüge in Deutschland einführen und orientiert sich dabei an nationalgeschichtlichen Epochen und Zäsuren, informiert so zu den Ent- 222 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit wicklungen im frühen Kaiserreich (1871 - 1914), zur Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918), zur Konsolidierung und Krise in der Weimarer Republik (1919 - 1932), hieran anschießend zum Nationalsozialismus (1933 - 1945) sowie in einem weiteren großen Kapitel zur Nachkriegsgesellschaft bis zur Jahrhundertwende. Zielsetzung der AutorInnen ist es, die Geschichte der Sozialen Arbeit im Rahmen der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und politischen Entwicklungen zu verorten. Auf dieser Grundlage fokussieren die AutorInnen den Blick auf unterschiedliche geschichtliche Betrachtungsdimensionen: auf den Alltag der Menschen und der Lebenslage der Klientel, der Entwicklung der Organisationen und der rechtlichen Grundlagen, der Herausbildung der Profession und der wissenschaftlichen Disziplin und Etablierung wichtiger Handlungsfelder, hier insbesondere der Jugend-, Gesundheits-, Familien- und Wohnungsfürsorge sowie der Betriebssozialarbeit. In inhaltlicher Perspektive ist der Band vorbildlich abgefasst und informiert breit angelegt zu wichtigen Etappen, Entwicklungen und Strömungen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die AutorInnen ausführlich zu den Gegebenheiten während der nationalsozialistischen Zeit berichten und es den LeserInnen durch den direkten Bezug zu den Handlungsfeldern ermöglichen, anschaulich die Auswirkungen in der damaligen Sozialen Arbeit zu erfassen. Im Gegensatz hierzu werden im nachfolgenden Kapitel Verläufe in der DDR zwar durchaus integriert, der Blick bleibt aber hauptsächlich auf die Veränderungen in Westdeutschland gerichtet. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass sich der Band in didaktischer Perspektive gut für StudienanfängerInnen eignet, einmal durch seine leichte und flüssige Lesbarkeit, die sehr aufgelockerte Gestaltung und das auf die Leserschaft abgestimmte Layout, beispielsweise durch Hervorhebung von Zitaten, Hinzufügen von zahlreichen Fotografien, Abbildungen, Grafiken und Tabellen; aufzuführen wären weiterhin vorbildliche Strukturierung und Vermeidung von zu langen Absätzen und Kapiteln bis hin zu den Tipps zum Weiterlesen. Da nach Auskunft des Verlages derzeit eine Neuauflage in Arbeit ist, ist davon auszugehen, dass der Forschungsstand aktualisiert werden wird; in dieser Hinsicht ist mit dem mangelnden Nachweis der Textquellen und insbesondere der zahlreichen Abbildungen ein gravierendes Manko zu benennen, das derzeit die wissenschaftliche Fundierung dieses Einführungsbuches infrage stellt und sicherlich in der Neuauflage von den beiden AutorInnen berichtigt werden wird. Ebenfalls unter dem Titel „Geschichte Sozialer Arbeit“ veröffentlichte Carola Kuhlmann 2008 und in erster Auflage ein zweibändiges Lehrbuch im Wochenschau Verlag. Auch hier findet sich eine gleichmäßige Orientierung an Epochen, wobei sofort auffällt, dass die Geschichtsschreibung sich wiederum auf die Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert fokussiert: Soziale Arbeit wird hier unter dem Blickwinkel der sozialen Frage im 19. Jahrhundert betrachtet, und es wird auf die darauf folgenden Reformen, die Professionalisierung Sozialer Arbeit sowie das Konzept der NS-Volkspflege eingegangen. Das Buch führt weiter in die Nachkriegszeit über die Phase der Politisierung und Demokratisierung bis hin zum Ende der 1980er Jahre; die Geschichte der Sozialen Arbeit in der DDR wird bedacht. Gleichwohl finden historische Prozesse Berücksichtigung, die es vor dieser Zeit gab: So weist die Autorin einerseits darauf hin, dass bereits im Mittelalter und in der Neuzeit gesonderte Institutionen bestanden, die soziale Hilfe leisteten, und auch der Übergang vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung wird gleichberechtigt zu den übrigen Epochen aufgeführt. Damit lässt sich im Vergleich zu Hering/ Münchmeier festhalten, dass die geschichtlichen Bezüge weitergefasst sind. Der tatsächliche Ertrag der „Geschichte Sozialer Arbeit“ von Kuhlmann lässt sich aber erst gebührend würdigen, wenn das Studienbuch zusammen mit dem „Textbuch“ gesehen wird: Während der erste Band als Lehrbuch im übli- 223 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit chen Sinne konzipiert ist, handelt es sich beim zweiten um einen reinen Quellenband, der Originaltexte aus unterschiedlichen Epochen integriert. Die Beträge reichen dabei von Thomas von Aquin, Juan Luis Vives und Johann Hinrich Wichern über Henriette Schrader-Breymann, Herman Nohl und Alice Salomon bis hin zu Klaus Mollenhauer, Walter Hollstein und Hans Thiersch und bieten damit eine gut sortierte, einführende Auswahl zu den „Klassikern der Sozialen Arbeit“. Während das Layout der Bände im Vergleich zur oben beschriebenen Veröffentlichung schlicht gehalten ist, sind diese dennoch gut für die Lehre für StudienanfängerInnen einsetzbar. Beide Bände wirken gut aufeinander abgestimmt, so finden sich im Studienband immer wieder Verweise auf den Textband. Die Quellentexte im zweiten Band sind kurz gehalten und sollen als Einstieg und Grundlage für Diskussionen im Rahmen von Lehrveranstaltungen und Fortbildungen dienen. Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland Ohne jeden Zweifel zählen Christoph Sachße und Florian Tennstedt zu den höchst geachteten Historikern der Sozialen Arbeit. Beide haben sich nicht nur durch eine Vielzahl von Forschungsprojekten und Veröffentlichungen - auch im Bereich der Geschichtswissenschaft - einen Namen gemacht, sondern bestimmten darüber hinaus maßgeblich die Hochschullehre für ganze Generationen von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen mit. Zur „Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland“ liegen nunmehr vier Bände im Kohlhammer Verlag vor: ➤ Band 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg. Bereits im Jahr 1980 und 1998 in überarbeiteter zweiter Auflage erschienen, untersucht der Band die Wandlungen der Fürsorge im Spätmittelalter und in der Reformation, beschreibt sodann die Armenfürsorge im Zeitalter des Absolutismus bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und anschließend die Entwicklungen im Rahmen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Den Autoren geht es darum, Grundprinzipien und Leitlinien herauszuarbeiten und die langfristige Entwicklung staatlicher Fürsorgepolitik im Kontext gesellschaftlichen Wandels aufzuhellen. ➤ Band 2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege, 1988 erschienen, aktuell als Nachdruck des vergriffenen Originaltitels erhältlich. Gegenstand ist die Entwicklung von der Armenfürsorge zur Wohlfahrtspflege in der Zeit zwischen der Gründung des Deutschen Reichs und dem Ende der 1920er Jahre, der Prozess des Aufbaus und der Ausdifferenzierung eines umfassenden Systems öffentlicher Wohlfahrtspflege aus der traditionellen Armenfürsorge, der mit der Weltwirtschaftskrise sein vorläufiges Ende fand. ➤ Band 3: Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, 1992 erschienen. Er behandelt die Umgestaltung des Systems sozialer Sicherung in der Zeit vom Beginn der Weltwirtschaftskrise bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Der Band untergliedert sich dabei in zwei große Teile: Zunächst wird der Aufstieg des autoritären, von der nationalsozialistischen Ideologie und Politik durchdrungenen Wohlfahrtsstaates bis 1938, dann in einem zweiten Teil die Radikalisierung nationalsozialistischer Konzepte nachgezeichnet, die sich mit dem Kriegsbeginn unverkennbar nachweisen lässt. Der Band zeichnet die Umgestaltung des Wohlfahrtsstaates zu einem System rassistischer Volkspflege nach. ➤ Band 4: Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit, im Jahr 2012 veröffentlicht. Es wird der Wiederaufbau von Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit von 1945 bis 1953 untersucht. Die Autoren heben hervor, dass sie insbesondere die „Schwelle des Übergangs vom Nationalsozialismus zur Nachkriegszeit, das Schicksal von Organisationen und rechtlichen Regelungen im Übergang vom Nationalsozialismus ins Nachkriegsdeutschland“ interessiert (S. 11). Der Band be- 224 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit schränkt sich dabei auf die westdeutschen Entwicklungen, während die Fürsorgepolitik der Sowjetischen Besatzungszone/ DDR unbehandelt bleibt. Übergreifend lässt sich festhalten, dass bei allen Bänden der Akzent mehr auf der Tradition der Sozialarbeit liegt, während sozialpädagogische Verläufe zwar berücksichtigt, aber nicht den gleichen Stellenwert erhalten; ein weiterer Fokus bildet die Ausrichtung auf die Entwicklung öffentlicher Träger. In allen Bänden finden sich immer wieder Angaben zur Herausbildung des Berufsstandes der heutigen SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen sowie anderer sozialer Berufe. Unterschiede zwischen den Bänden liegen insbesondere in der zeitlichen Dimensionierung: Während der erste Band Armenwesen und -fürsorge über Jahrhunderte hinweg abbildet, untersucht der letzte einen Zeitraum von acht Jahren. Dass aber die untersuchte Zeit kein Bewertungs- oder gar Qualitätskriterium sein kann, zeigt das umfangreiche Werk zum Nationalsozialismus, mit dem die Autoren einen maßgeblichen Beitrag zur Aufarbeitung dieser Zeit geleistet haben. Anzumerken bleibt, dass die vier Bände heute einen festen Bestandteil der Basisliteratur im Bereich der Geschichte der Sozialen Arbeit bilden. Unter dem Gesichtspunkt des didaktischen Aufbaus sowie der Verwendung in der Lehre ist es zu bedauern, dass das Konzept des ersten Bandes, welches neben dem eigentlichen Text einen großzügig angelegten Quellen- und Materialienteil zu jeder untersuchten Epoche sowie weiterführende Literaturangaben und biografische Hinweise vorsah, nicht bei den übrigen Bänden beibehalten werden konnte. Ergänzende und weiterführende Basisliteratur Nachfolgend werden nunmehr Werke aufgeführt, die sich konzeptionell von der bislang beschriebenen Basisliteratur unterscheiden: In Bezug auf die Erstveröffentlichung hätte in dieser Sammelrezension eigentlich zunächst die „Geschichte der Sozialen Arbeit“ von Wolf Rainer Wendt aufgeführt werden müssen, die erstmals 1983 aufgelegt wurde und 2008 in der 5. Auflage zweibändig und völlig neu bearbeitet erschien. Sie entstand ursprünglich als Arbeitsbuch speziell für den Gebrauch in Vorlesungen und Seminaren mit der Zielsetzung, Studierenden einen Überblick zur Entstehung und zu den vielfältigen Entwicklungslinien Sozialer Arbeit seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu geben. Der erste Band trägt den Untertitel „Die Gesellschaft vor der sozialen Frage“ und versteht sich als „Diskursgeschichte“, die zuerst in den Gesellschaften der Bürger, sodann parallel auf politischer, glaubensgemeinschaftlicher, administrativ-pragmatischer und wissenschaftlicher Ebene nachgezeichnet wird. Interessant ist nicht nur, dass Wendt von der starren Orientierung an nationalstaatlichen Epochen abweicht, sondern seinen Blick weit über Deutschland hinaus auf andere Länder richtet. Aber nicht nur in der Berücksichtigung internationaler Dimensionen, die im Vergleich zu der in dieser Sammelrezension vorliegenden Standardliteratur einzigartig ist, liegen die Stärken dieses Buches, vielmehr wird - am Ende des ersten Bandes, insbesondere dann im zweiten Band - auf die Profession eingegangen, deren Herausbildung er, mit der Sozial- und Bildungsreform um 1900 beginnend, bis zur Jahrhundertwende nachgeht. Dabei ist - wie Wendt selbst vermerkt - die „Lektüre nicht einfach; sie setzt einige historische Kenntnisse voraus und verlangt, vielfältigen Bezügen zu folgen“ (Band 1, S. VIII). Von der Anlage, dem Schwierigkeitsgrad der Texte und der inhaltlichen Komplexität her betrachtet sind beide Bände für wissenschaftlich orientierte LeserInnen geeigneter als für StudienanfängerInnen. Während aber beide Bände die Geschichte der Sozialen Arbeit auf rund 1.000 Seiten auf hohem Niveau wissenschaftlich nachzeichnen, bleibt die Zeit des Nationalsozialismus und der DDR nahezu unbehandelt - ein Umstand, der außerordentlich verwundert und nicht befriedigen kann. 225 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit Ein weiterer Einführungs- und Überblicksband sei aufgeführt, der sich in seiner ungewöhnlichen Anlage von allen in dieser Sammelrezension aufgeführten Monografien unterscheidet: Im Jahr 2010 und unter dem Titel „Wie aus Helfen Soziale Arbeit wurde“ publiziert, entwirft Helmut Lambers ein interessantes und gut lesbares Lehrbuch, das systemtheoretisch ausgerichtet ist und sich dabei am gesellschaftstheoretischen Verstehenskonzept Niklas Luhmanns orientiert. Soziale Arbeit wird hier anhand des Formenwandels von persönlicher zu gesellschaftlicher Hilfe nachgezeichnet: „Die Sinnkonstruktion Sozialer Arbeit wird in den in allen Gesellschaften und innerhalb ihrer Entwicklungen zu beobachtenden Bestrebungen gesehen, Formen des Bedarfsausgleiches zu schaffen. Unter Bedarfsausgleich“, so führt Lambers weiter aus, „wird die Hilfe verstanden, die in Gesellschaften als angemessene Menschensorge angesichts der durch ständige Ausdifferenzierung von Gesellschaften hervorgerufenen ,humanen Folgeprobleme‘ für erwartbar gehalten wird“ (S. 7). Die historische Entwicklung wird in diesem Studienbuch als „soziale Evolution“ und im Sinne Luhmanns demzufolge in drei Zeitdimensionen entworfen: Nach einem rein quantitativ kürzeren ersten Kapitel zur„Archaischen Gesellschaft“, verstanden als segmentär differenzierte Einheiten (wie Stämme, Sippen) mit geringer Komplexität, fokussiert Lambers - allein schon aufgrund der gegenwärtigen Forschungslage - in einem zweiten Kapitel auf „Hochkultivierte Gesellschaften“, die hoch entwickelt und komplex sind und in denen die Gesellschaftszugehörigkeit über soziale Schichten und Rangdifferenzen gekennzeichnet ist; er unterteilt hier in Mittelalter/ Neuzeit, Europäische Aufklärung und Klassik/ Idealismus/ Romantik. Zum anderen skizziert er in einem dritten, ebenfalls sehr umfangreichen Kapitel die „Moderne und spätmoderne Gesellschaft“ und damit hochkomplexe und äußerst weit entwickelte Gesellschaften, die aus einer Vielzahl unterschiedlicher autonomer sozialer Systeme bestehen; unterteilt ist dieser Abschnitt in Industrialisierung, Moderne/ Niedergang sowie Spätmoderne/ Zukunft. Mit diesem Lehrbuch schließt Lambers zweifellos eine Lücke in der Lehre für jene Studiengänge, die mehr systemtheoretisch ausgerichtet sind. Zuletzt sei in diesem Abschnitt auf den „Grundkurs Soziale Arbeit“ von Timm Kunstreich hingewiesen, der 1997 erstmalig und 2009 bereits in der 4. Auflage erschien: Ebenfalls aus Vorlesungen an Hochschulen, insbesondere an der Evangelischen Hochschule in Hamburg, entstanden, versteht sich das zweibändige Lehrbuch als Geschichte der Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Diakonie. Der Verfasser stellt dabei immer wieder Bezüge zu Hamburg, zum Rauhen Haus und der evangelischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik her. Kunstreich will Soziale Arbeit zwischen den Polen der „Sozialdisziplinierung“ und „Pädagogik des Sozialen“ in seinen historischen und aktuellen Dimensionen erschließen und richtet hierbei mit den Jahren 1850, 1890, 1925, 1935, 1955, 1970 sowie 1995 sieben Blicke auf unterschiedliche Zeitpunkte der Geschichte. Das Lehrbuch wurde unter Mitarbeit verschiedener Beteiligten entwickelt und beinhaltet zahlreiche äußerst kreative Gestaltungselemente, beispielsweise fiktive Gespräche zwischen bekannten Persönlichkeiten der Sozialen Arbeit bis hin zu Video- Dokumentationen, die zum Selbstkostenpreis bezogen werden können. Gleichwohl muss hier angemerkt werden, dass das Lehrbuch seit geraumer Zeit von unterschiedlichster Seite heftige Kritik erfährt: Anlass hierfür bildet die Aufnahme eines rund 40-seitigen Beitrages zur Sozialen Arbeit in der DDR, abgefasst von Eberhard Mannschatz, einem Repräsentanten der ostdeutschen Jugendhilfe, bis 1991 Professor für Sozialpädagogik an der Humboldt-Universität in Berlin. Folge ist, dass in diesem Lehrbuch in skandalöser Art und Weise die mittlerweile auch durch wissenschaftliche Studien belegte repressiv-ideologische Ausrichtung der DDR-Jugendhilfe und die da- 226 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit mit verbundenen umfangreichen Menschenrechtsverletzungen bewusst bagatellisiert, verschleiert und geleugnet werden. Dabei gilt (selbst-)kritisch festzuhalten, dass die Missbilligung am Lehrbuch von Kunstreich nicht von der wissenschaftlichen Fachwelt selbst kam, sondern es erst einer couragierten und aus Ostdeutschland stammenden Studentin an der Evangelischen Hochschule Hamburg bedurfte, um öffentlich auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Das Lehrbuch ist mit den allgemeingültigen ethischen Standards in Forschung und Lehre unvereinbar und kann nicht mehr für die Hochschullehre zur Sozialen Arbeit empfohlen werden. Einführungen zur Methoden- und Professionsgeschichte Ohne jeden Zweifel stellt die Berufs- und Professionsentwicklung in allen genannten Werken eine wichtige Darstellungsdimension dar; die historische Reflexion dient hier nicht zuletzt der Identitätsbildung und Selbstvergewisserung. An dieser Stelle sei abschließend auf zwei Bände eingegangen, die mit einer jeweils besonderen Ausrichtung auf diesen Auftrag an die Geschichtsschreibung eingehen: Ähnlich wie die beiden Historiker Sachße/ Tennstedt bemüht sich C. Wolfgang Müller seit Jahrzehnten um die historische Fundierung und gilt heute als eine der großen Persönlichkeiten Sozialer Arbeit. Seine derzeit in der 5. Auflage und im Jahr 2009 erschienene Monografie„Wie Helfen zum Beruf wurde“ gilt seit Langem als ausgewiesene Standardliteratur, die Generationen von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen Orientierung gab. 1982 veröffentlichte C. W. Müller den ersten Teil, der die Entwicklung bis zum Jahr 1945 nachzeichnete, 1988 den zweiten Teil, der die Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis heute skizzierte; beide Teile wurden zu einem Band zusammengefasst, überarbeitet, erweitert und aktualisiert. Dabei stellt sein Buch „keine umfassende Geschichte Sozialer Arbeit in Deutschland“ dar, sondern ist vielmehr, den Worten des Autors weiter folgend, „der Versuch, Methoden Sozialer Arbeit als handwerklichen Kern ihrer Berufe in der Entfaltung durch soziale Bewegungen zu rekonstruieren“ (S. 9). Mit dieser Ausrichtung ist das Lehrbuch weit angelegt, wagt zunächst auf rund zehn Seiten einen Blick auf die urchristliche Zeit, das Mittelalter und die beginnende Neuzeit, in den Absolutismus bis hinein in das 19. Jahrhundert. Damit wird sogleich deutlich, dass der Fokus von C. W. Müller auf den historischen Verläufen im 20. Jahrhundert liegt. Unter Genderaspekten ist erfreulich, dass er in den Mittelpunkt seiner weiteren Kapitel die historischen Wurzeln der Hilfen im Einzelfall sowie der Settlementbewegung in England und den USA sowie die entsprechenden Entwicklungen in Deutschland stellt und diese insbesondere mit dem Wirken von Mary Richmond, Jane Addams und Alice Salomon für die LeserInnen veranschaulicht. Im Weiteren geht der Autor auf die Jugendbewegung und den Stellenwert der „Gruppe als Selbsterziehungs-Mittel“ ein, um sodann die institutionelle Ausdifferenzierung und fürsorgerische Methodenlehre während der Weimarer Republik aufzuzeigen. Schließlich beschreibt C. W. Müller unter der Überschrift „Das Dritte Reich und der Rückfall in die Barbarei“ die NS-Zeit und schließt - tief emotional bewegt - mit der Aufforderung: „Keine Geschichte Sozialer Berufe in Deutschland kann diese Tatsache übersehen oder übergehen, keine Ausbildung von Studierenden der Sozialarbeit kann vermeiden, diesen unmenschlichen Teil unserer Berufsgeschichte zur Sprache zu bringen“ (S. 115). In den weiteren Ausführungen skizziert er jeweils in einzelnen Kapiteln die Entwicklung nach 1945, zunächst die Gruppenpädagogik, sodann die soziale Einzelfallhilfe und Gemeinwesenarbeit, um schließlich auf Veränderungen im Zuge der Studenten- und Sozialarbeiterbewegung, den Einfluss der neuen sozialen Bewegungen auf die Soziale Arbeit und die weiteren Entwicklungen bis heute einzugehen. 227 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit Die Berufs- und Professionsgeschichte steht zuletzt in meinem eigenen, im Jahr 2012 herausgegebenen Lehrbuch mit dem Titel „Einführung in die Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit“ sehr deutlich im Mittelpunkt. Auch wenn an dieser Stelle keine Bewertung erfolgen kann - zu Rezensionen siehe beispielsweise www.socialnet.de -, darf doch zumindest inhaltlich informiert werden: Zielsetzung des Lehrbuches ist es, in einem weiten Wurf die historischen Wurzeln des Berufsstandes der SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen nachzuzeichnen und einen Überblick zur Erwerbstätigkeit und Ausbildung zu ermöglichen. Trotz des einführenden Charakters basiert das Buch auf der aktuellen Forschungslage aus dem Bereich der Sozialen Arbeit sowie auf den Beiträgen aus den Bezugswissenschaften. Als besondere Vorgehensweise werden Schilderungen und Beschreibungen zum Berufsalltag von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen integriert, beispielsweise in Form von Tagebüchern, Erfahrungsberichten, Beiträgen aus Fachzeitschriften, zum Teil ältere historische Dokumente, um so den LeserInnen die Möglichkeit zu geben, Vergangenes konkret und fassbar nachvollziehen zu können. In inhaltlicher Perspektive skizziert das Lehrbuch zunächst die Berufsentwicklung seit der beginnenden Neuzeit, wobei der zeitliche Schwerpunkt insgesamt betrachtet auf dem 19. und 20. Jahrhundert liegt. Neben der Entwicklung der sozialen Frauenschulen und des Berufs der „Wohlfahrtspflegerin“, die üblicherweise in der Geschichtsschreibung große Beachtung finden, werden zwei weitere Entwicklungslinien identifiziert: zum einen die Kleinkindererziehung und der Beruf der „Jugendleiterin“, zum anderen die Sozialarbeit von Männern. Neben der Darstellung der historischen Verläufe der Sozialen Arbeit im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik wird in zwei gesonderten Kapiteln auf den Nationalsozialismus eingegangen, auf Rassenhass, Terror und Volkspflege, dann aber auch auf Verfolgung und Widerstand von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen. Die Namen dieser couragierten BerufskollegInnen, die sich der NS-Barbarbei widersetzten, drohen heute in Vergessenheit zu geraten; diesen ist das Lehrbuch gewidmet. Die geschichtlichen Prozesse im Nachkriegsdeutschland und in den darauf folgenden Jahrzehnten werden gesondert für die BRD und DDR skizziert, um sodann epochenübergreifend die Entwicklung der Hochschulausbildung als einen der zentralen Aspekte der Entwicklung zur Profession Soziale Arbeit herauszustellen. Zusammenfassende Empfehlungen Wie die überblicksartige Zusammenstellung der vorliegenden Sammelrezension zeigt, besteht heute eine ganze Reihe unterschiedlicher Standardwerke, die eine inhaltliche Einführung zur Geschichte der Sozialen Arbeit auf wissenschaftlicher Grundlage ermöglichen. Bis auf das beanstandete Lehrbuch von Kunstreich sind sämtliche aufgeführten Monografien für die Lehre empfehlenswert. Gleichwohl darf zusammenfassend darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Werke unterschiedliche inhaltliche Schwerpunktsetzungen vornehmen, beispielsweise in Bezug auf die unterschiedlichen Traditionen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, die Berücksichtigung des professionellen Aspektes bis hin zur internationalen Vernetzung Sozialer Arbeit. Indem Lambers mit einer systemisch orientierten Geschichtsanalyse zugleich seine wissenschaftstheoretische Ausrichtung offenlegt, zeigt er auf, dass bei den anderen AutorInnen ebenfalls selbstverständlich keine neutralen Analysen vorgenommen werden, sondern unterschiedliche Vorverständnisse, Ziele und Konstruktionen vorliegen; historische Verläufe werden stets aus einem bestimmten Blickwinkel heraus betrachtet. Auch in zeitlicher Perspektive lassen sich deutliche Unterschiede feststellen: Während alle Standardwerke das 20. Jahrhundert berücksichtigen, wird das 19. Jahrhundert nicht durchweg vollständig bearbeitet, und trotz der seit Jahr- 228 uj 5 | 2013 Geschichte der Sozialen Arbeit zehnten vorliegenden Forschungsergebnisse von Sachße/ Tennstedt wird der Einfluss der beginnenden Neuzeit für die Entwicklung Sozialer Arbeit vielfach noch unzureichend wahrgenommen. Nahezu völlig ausgeblendet wird zudem, dass die historischen Wurzeln Sozialer Arbeit und damit die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit sozialen Problemstellungen weit bis in das Mittelalter und frühchristliche Zeit zurückreichen und nicht zuletzt erheblich von jüdischen Traditionen geprägt werden. Schließlich bleiben noch Defizite in Bezug auf das 20. Jahrhundert festzuhalten: Während die angemessene, kritische Reflexion der nationalsozialistischen Zeit heute in der Geschichtsschreibung als wissenschaftlicher Standard gilt, sollte der gleiche Maßstab - über 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung - auch bezüglich der Geschichte der DDR angebracht sein; die ostdeutsche Entwicklung muss als eine zentrale Epoche der gesamtdeutschen Geschichte der Sozialen Arbeit in unser aller Bewusstsein integriert werden und Eingang in die Lehre sämtlicher Hochschulen finden. Im Hinblick darauf, dass das Lehrgebiet zumeist in den unteren Semestern angesiedelt ist, sind unter Berücksichtigung methodischdidaktischer Gesichtspunkte - wie leichte Verständlichkeit trotz anspruchsvoller inhaltlicher Erläuterungen, Erklärung wichtiger Begriffe und Kurzzusammenfassungen, leserfreundliches Layout - insbesondere die Werke von Hering/ Münchmeier, Kuhlmann, Lambers, Müller und Amthor empfehlenswert; die beiden reinen Textbände von Wendt sind qualitativ hochwertig, setzen aber seitens der Studierenden bereits bestehendes historisches Vorwissen bzw. erhöhten Erklärungsbedarf seitens des Lehrenden voraus. In inhaltlicher Perspektive sollten alle genannten Lehrbücher durch die Bände von Sachße/ Tennstedt - abhängig von den jeweiligen Schwerpunktsetzungen - sinnvolle und nachhaltige Ergänzung finden. Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor Würzburg Literatur Amthor, R. C., 2012: Einführung in die Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit. Weinheim Hering, S./ Münchmeier, R., 4 2007: Geschichte der Sozialen Arbeit. Weinheim Kuhlmann, C., 2008: Geschichte der Sozialen Arbeit. 2 Bände. Schwalbach Kunstreich, T., 4 2009: Grundkurs Soziale Arbeit. 2 Bände. Bielefeld Lambers, H., 2010: Wie aus Helfen Soziale Arbeit wurde. Bad Heilbrunn Müller, C. W., 5 2009: Wie Helfen zum Beruf wurde. Weinheim Sachße, C./ Tennstedt, F., 1988ff: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Band 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg ( 2 1998); Band 2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871 bis 1929 (1988); Band 3: Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus (1992); Band 4: Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit 1945 - 1953 (2012). Stuttgart Wendt, R. W., 5 2008: Geschichte der Sozialen Arbeit. 2 Bände. Stuttgart
