unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2014
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Fußball und Fernsehen
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2014
Nils Havermann
Gibt es irgendeine Bewegung in Deutschland, die im 20. Jahrhundert erfolgreicher war als der Fußballsport? Während Parteien, Kirchen und Gewerkschaften kontinuierlich Mitglieder verloren, verzeichnet der DFB als Dachverband des deutschen Fußballs ständig Zuwächse. Grund dafür ist nicht allein die Attraktivität des Sports. Die große Begeisterung für das runde Leder wurde in Deutschland durch das Fernsehen gefördert. Als in den achtziger Jahren andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung aufkamen und den Rang des Fußballs als populärste Sportart streitig machten, entwickelte es neue Formen der TV-Berichterstattung und machte dadurch den heutigen Fußball-Boom erst möglich.
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242 unsere jugend, 66. Jg., S. 242 - 246 (2014) DOI 10.2378/ uj2014.art27d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Der Beitrag des Fernsehens zum triumphalen Siegeszug des Fußballs in Deutschland Gibt es irgendeine Bewegung in Deutschland, die im 20. Jahrhundert erfolgreicher war als der Fußballsport? Während Parteien, Kirchen und Gewerkschaften kontinuierlich Mitglieder verloren, verzeichnet der DFB als Dachverband des deutschen Fußballs ständig Zuwächse. Grund dafür ist nicht allein die Attraktivität des Sports. Die große Begeisterung für das runde Leder wurde in Deutschland durch das Fernsehen gefördert. Als in den achtziger Jahren andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung aufkamen und den Rang des Fußballs als populärste Sportart streitig machten, entwickelte es neue Formen der TV-Berichterstattung - und machte dadurch den heutigen Fußball-Boom erst möglich. von Dr. Nils Havemann Jg. 1966; Studium der Geschichte, Romanistik und Politischen Wissenschaften in Bonn, Paris und Salamanca, zurzeit beschäftigt am Historischen Institut der Universität Stuttgart Die Angst war groß unter den großen deutschen Fußballvereinen, als 1952 in Hamburg der bundesrepublikanische Fernsehbetrieb begann. Die Schatzmeister der Clubs glaubten damals, dass mit den Spielübertragungen in diesem damals noch jungen Medium das Interesse der Zuschauer an einem Stadionbesuch abnehmen könnte. Aber wenn die Fans nicht mehr in Massen in die Stadien strömten, drohte eine wichtige Einnahmequelle auszutrocknen. Immerhin erhielten die großen Fußballstars wie Fritz Walter, Max Morlock oder Helmut Rahn schon damals ein ordentliches Einkommen für ihre Ballkünste, und diese Gehälter wurden in jenen Jahren vornehmlich aus dem Verkauf der Eintrittskarten finanziert. Die Befürchtung der Vereine schien berechtigt zu sein. Die Fernsehmacher erkannten sofort, dass sich Fußball zu einem wichtigen Baustein im Programm entwickeln würde und dass eine TV-Übertragung den Stadionbesuch überflüssig machen könnte. Im August 1952 übertrug der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) in Hamburg im Rahmen seiner Vorbereitungen zur Aufnahme eines regulären Programms erstmals ein Spiel. Es war eine Testübertragung für einige wenige ausgesuchte Zuschauer, und es handelte sich dabei um eine Oberligabegegnung zwischen dem Hamburger SV und Altona 93. Das kleine Team, das diesen Testlauf durchführte, war restlos überzeugt von dem Potenzial, das die Übertragung eines Spiels im Fernsehen bot. Dabei kamen bei dieser Partie auf dem HSV-Platz an der Rothenbaumchaussee gerade einmal drei Kameras zum Einsatz - eine lächerlich kleine Zahl im Vergleich zu den Dutzenden von Kame- 243 uj 6 | 2014 Fußball und Fernsehen ras, die heute aus allen erdenklichen Perspektiven das Geschehen auf dem Platz und im Umfeld der Stadien einfangen. Trotz der bescheidenen Mittel stellte das Fernsehteam der ersten Stunde enthusiastisch fest, dass die Menschen am Bildschirm das Spiel genauer verfolgen konnten als die Zuschauer vor Ort auf den Rängen. Sogar die besondere Atmosphäre im Stadion, so hieß es im Testbericht des Fernsehteams, konnte durch die Tontechnik eingefangen und in die heimischen Wohnzimmer vermittelt werden. Angesichts des gewaltigen Erfolgs dieser ersten Übertragung war es nicht verwunderlich, dass schon in den fünfziger Jahren im Fernsehen die Sendezeit, die mit Fußball gefüllt wurde, rasch anstieg. Die ARD, der Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland, mischte sich zunehmend in Umbaumaßnahmen von Stadien ein, damit sich die Qualität der Fernsehübertragung weiter verbessern konnte: Abstellplätze für Ü-Wagen, die Ausstattung von Sprecherkabinen, Durchzugsrohre, Kabelkanäle, Beleuchtung etc. verlangten eine anspruchsvolle Infrastruktur, die bei jedem Bauschritt berücksichtigt werden musste. Diese Entwicklungen lösten bei den großen Fußballvereinen in Deutschland und beim DFB großes Unbehagen aus. Denn das Fernsehen wurde zu einem beliebten Konsumprodukt der aufstrebenden Wohlstandsgesellschaft in der jungen Bundesrepublik. Da sich bald viele Bundesbürger ein Gerät anschaffen konnten, verstärkte dies die Gefahr, gewohnheitsmäßige Stadionbesucher zu verlieren. Daher begann schon zur gleichen Zeit die Auseinandersetzung über das Honorar, das die Fernsehsender an den DFB für die Übertragungen zu überweisen hatten. 1953 stellte der DFB die Weichen für die sogenannte „Zentralvermarktung“ des Fußballs. Mit diesem Begriff war gemeint, dass nicht die Vereine die ersten Ansprechpartner der Sender waren, sondern der Verband, der danach trachtete, die Fernsehrechte an den Spielen im Paket zu vermarkten. Dahinter verbarg sich die Absicht, dass nicht nur die Vereine in den Genuss der Honorare kommen sollten, deren Spiele regelmäßig übertragen wurden. Es sollten auch die vielen kleinen Clubs, deren Spiele für das Fernsehen uninteressant waren, zumindest einen kleinen Anteil aus diesen Einnahmen erhalten. Der Hintergedanke war, den finanziellen Abstand zwischen den großen und den kleinen Vereinen nicht zu groß werden zu lassen. Die Summe, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen anfänglich für die Übertragungsrechte zahlte, scheint aus heutiger Sicht bescheiden gewesen zu sein. Gerade einmal umgerechnet rund 320.000 Euro sind für die Übertragungsrechte an der Bundesliga für die Saison 1965/ 66 geflossen. In der Saison 2013/ 2014 waren es hingegen rund 560 Millionen Euro. Was aber auf den ersten Blick wie eine gigantische Verteuerung dieser Rechte anmutet, relativiert sich mit der Tatsache, dass in den 1960er Jahren ARD und ZDF in der Regel am Spieltag jeweils nur maximal 30 Minuten Ausschnitte von wenigen Spielen zeigen durften. Vergleicht man dies mit den ausgedehnten Sendungen, die es in der Gegenwart dem zahlenden Fernsehkonsumenten ermöglichen, sogar jedes Bundesligaspiel am Bildschirm live zu verfolgen, so ist der gewaltige Sprung bei den Honoraren für die Übertragungsrechte nicht mehr ganz so gewaltig. ARD und ZDF machten trotz der starken Beschränkung bei der Sendezeit insgesamt einen guten Job, wenn sie von der Bundesliga berichteten. Die hohe Akzeptanz kann nicht nur an den hohen Einschaltquoten festgemacht werden, welche die ARD-Sportschau und das Aktuelle Sportstudio im ZDF an den Bundesligaspieltagen hatten. Sie kann auch daran ermessen werden, dass vor allem die ARD-Sportschau der sechziger und siebziger Jahre das Lebensgefühl der Menschen mitprägte. Viele persönliche Erzählungen offenbaren, dass die meisten noch genau wissen, wie diese Samstage verliefen, zu deren Höhepunkten die Bundesliga-Berichterstattung gehörte. Sie erinnern sich im Detail daran, wie sie schon am Nachmittag den Radioreportagen lauschten, während sie gleichzeitig ihre Autos wuschen, den Kaffeetisch deckten oder selbst auf einem Bolzplatz kickten. Gegen 244 uj 6 | 2014 Fußball und Fernsehen 18 Uhr schließlich, wenn die Sportschau auf Sendung ging, wurde ihr legendärer Moderator Ernst Huberty schon fast wie ein altes Familienmitglied oder als ein gern gesehener Gast im heimischen Wohnzimmer empfangen. Dabei war das Format an sich aus heutiger Sicht eher langweilig: Wie bereits angedeutet, gab es nur ein paar Ausschnitte von wenigen Spielen; die Kommentatoren der Spiele fühlten sich einem äußerst nüchternen Berichtstil verpflichtet, der oft jegliche Begeisterung für das Gezeigte vermissen ließ; und von den Spielen, die nicht von der Kamera eingefangen worden waren, gab es nur klägliche Informationen, die dem geneigten Zuschauer bisweilen nicht einmal verrieten, wer die Tore geschossen hatte. Eine solche Darstellungsform des Fußballs wäre heutzutage undenkbar und würde einen Sturm des Protestes unter den Anhängern hervorrufen. Die öffentlich-rechtlichen Sender verpassten es mit ihren anfänglich populären Fernseh-Formaten, sich rechtzeitig auf die sich wandelnden Konsumgewohnheiten einer neuen Generation einzustellen. Der kontinuierlich wachsende Wohlstand der Gesellschaft und viele technische Neuerungen hätten es erfordert, den konsumfreudigen und erlebnishungrigen Menschen eine ansprechendere Darstellungsform zu präsentieren. Es bestand also die Notwendigkeit, gezielt auf das veränderte Konsumverhalten der nachwachsenden Generationen einzugehen, zumal viele neue Arten der Unterhaltung aufkamen, die dem Fußball den Rang als beliebteste Freizeitbeschäftigung abzulaufen drohten. Vor allem der Tennissport mit den großen Erfolgen eines Boris Becker oder einer Steffi Graf schien in den achtziger Jahren „König Fußball“ vom Thron der populärsten Sportart der Bundesdeutschen stürzen zu können. Jedenfalls sank das Zuschauerinteresse an den Fußballspielen merklich, die Stadionränge blieben oft leer, und auf den Tribünen war immer häufiger nur noch jener harte Kern von Traditionsfans zu sehen, die den Vereinen wegen ihrer Gewaltbereitschaft mehr Probleme als Freude bereiteten. An dieser bedrohlichen Entwicklung für den deutschen Fußball gaben die großen deutschen Vereine den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF eine große Mitschuld. Vor allem der Hamburger SV und der FC Bayern München, die damals als die innovativsten Clubs galten, waren sich einig in dem Urteil, dass das Produkt Fußball im Fernsehen viel zu schlecht dargestellt wurde. Sie ärgerten sich über die triste Übertragungsform, die nicht mehr den gestiegenen Anforderungen der Konsumenten entsprach, und empörten sich insbesondere über die„Nörgler“ unter den Fußballkommentatoren, die es wagten, ein schlechtes Spiel im Fernsehen auch als schlecht zu bezeichnen. Wenn der deutsche Fußball also nicht gegenüber anderen Formen der Sport- und Freizeitgestaltung weiter abfallen wollte, mussten neue Formate entwickelt werden, die das Interesse am Fußball wieder weckten - selbst wenn die Leistungen der Spieler auf dem Platz vielleicht objektiv nicht dazu angetan waren, unter den Fans Begeisterungsstürme hervorzurufen. Von dieser Warte aus war es für den deutschen Fußball eine günstige Wendung, dass sich ab Anfang der achtziger Jahre die deutsche Fernsehlandschaft radikal zu verändern begann. Privatsender wie RTL und SAT.1 drängten auf den Markt und machten den öffentlich-rechtlichen Anbietern im Kampf um die Gunst des Publikums Konkurrenz. Sie taten es in allen Bereichen mit Formaten, die konservativen Repräsentanten der Gesellschaft wechselweise die Schames- und Zornesröte ins Gesicht trieben: Talk-Shows bei den privaten Sendern waren gezielt auf Krawall ausgerichtet, Humor geriet zu purem Klamauk, und zur späten Stunde waren gelegentlich billige Sexfilmchen zu sehen, weswegen RTL und SAT.1 im Volksmund bald auch als „Tittensender“ bezeichnet wurden. Dem deutschen Fußball war der zweifelhafte Ruf der neuen Player auf dem Fernsehmarkt weitgehend gleichgültig. Denn ihm bot sich nun die Möglichkeit, diesen Sport in einer völlig neuen, „modernen“ Form auf der Mattscheibe zu präsentieren. Daher beschloss der DFB - vor 245 uj 6 | 2014 Fußball und Fernsehen allem auf Druck der großen Vereine - erstmals für die Saison 1988/ 89, die Erstverwertungsrechte an der Bundesliga nicht mehr an die öffentlich-rechtlichen Sender zu verkaufen, sondern an ein Privatunternehmen zu veräußern, das dafür die Summe von rund 20 Millionen Euro überwies - mehr als das Doppelte von dem, was die öffentlich-rechtlichen Sender zuvor auf den Tisch gelegt hatten. Das Kalkül dabei war einfach: Wer bereit war, so viel Geld für die Übertragung von Fußballspielen zu zahlen, der musste auch daran interessiert sein, dass die Zuschauer sie sich im Fernsehen anschauten. Denn andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, über angemessene Preise für die TV-Reklamespots die Kosten wieder einzufahren. Folglich würden sich die privaten Sender bei Übertragungen davor hüten, an einem Spiel unnötig herumzumäkeln. Es bestand also die berechtigte Hoffnung, für schlechte Leistungen nicht mehr übermäßig kritisiert zu werden. Und in der Tat leiteten die Privatsender eine Revolution im Sportfernsehen ein. Nach ein paar ersten misslungenen Gehversuchen, bei denen sich die Fernsehzuschauer erst einmal daran gewöhnen mussten, dass die Berichterstattung von reichlich Reklame unterbrochen wurde, kristallisierten sich Darstellungsformen heraus, die den deutschen Fußball spektakulär und unterhaltsam präsentierten - und somit die beinahe erloschene Leidenschaft der Deutschen für das runde Leder wieder entfachten: Es kamen Journalisten wie Jörg Wontorra oder Reinhold Beckmann zum Einsatz, die mit ihren lockeren Moderationen die Sendungen in informative Unterhaltungsshows zu verwandeln vermochten; es gab ungewöhnlich viele Interviews vom Spielfeldrand; ständig wurden neue Statistiken erstellt, die den Fans selbst die banalsten Details einer Begegnung in einer interessanten Form vermittelten; und die massive Erhöhung der Anzahl von Kameras führte zu völlig neuen Perspektiven auf das Spielgeschehen und verlieh selbst einem langweiligen Kick eine glanzvolle Optik. Nicht minder bedeutsam war in dieser Hinsicht die Tatsache, dass am Mikrofon Kommentatoren saßen, die nicht mehr wie in den Jahrzehnten zuvor bei den öffentlich-rechtlichen Sendern das Geschehen möglichst nüchtern und sachlich begleiteten, sondern jede halbwegs gescheite Aktion auf dem Platz mit Lobeshymnen überschütteten. Nur ein Beispiel: Als im August 1993 Augustine Azuka („Jay-Jay“) Okocha in der Begegnung zwischen Eintracht Frankfurt gegen den Karlsruher SC einen Treffer erzielte, geriet Reporter Jörg Dahlmann am Mikrofon regelrecht in Ekstase: Er sprach von „Samba für das ausflippende Publikum“ und behauptete: „Das haben wir seit Libuda nicht mehr erlebt“ und„Das ist das Beste, was der Fußball bieten kann“. Objektiv war das Tor von Okocha, der im Strafraum ein paar Haken geschlagen hatte, bevor er mit einem Schuss den gegnerischen Torhüter überwand, sicherlich schön anzusehen gewesen, aber es war gewiss nicht annähernd so spektakulär wie Treffer, die in den Jahrzehnten zuvor beispielsweise ein Klaus Fischer mit seinen Fallrückziehern, ein Uwe Seeler mit seinen Flugkopfbällen oder gar ein Maradona mit seinen rasanten Dribblings zu markieren pflegte. Aber bei den Zuschauern kamen solche maßlosen Übertreibungen offensichtlich gut an: Sie ließen sich vom emotionalen Überschwang anstecken - und verspürten in den neunziger Jahren wieder verstärkt das Bedürfnis, sich die Spiele nicht nur im Fernsehen, sondern auch wieder live vor Ort anzuschauen. Damit gelang den Privatsendern etwas, was in den Jahrzehnten zuvor kaum für möglich gehalten worden war: Der DFB hatte lange Zeit die Übertragungszeiten sehr stark eingeschränkt, weil er davon ausging, dass ein Übermaß an Fußball im Fernsehen zu einer Übersättigung des Zuschauers führen und ihn vom Stadionbesuch abhalten könnte. Nun aber geschah das Gegenteil: Ab den neunziger Jahren stiegen die Zahlen der Stadionbesucher in dem Maße, wie das Fernsehen von den Spielen berichtete. Wenngleich dafür sicherlich nicht allein die veränderten TV-Formate verantwortlich waren: Sie hatten einen entscheidenden Anteil daran, dass der Fußball den Status als beliebteste Sportart in 246 uj 6 | 2014 Fußball und Fernsehen Deutschland festigen konnte. Dass dies keineswegs selbstverständlich war, hatten die achtziger Jahre gezeigt, als sich viele Feuilletonisten überzeugt gaben, dass der Abstieg des Fußballs in der Gunst der Bundesbürger unaufhaltsam sei. Da sich mittlerweile die öffentlich-rechtlichen Sender in ihrer Fußballberichterstattung den Formaten angepasst haben, welche die Privaten entwickelt haben, wird sich dies wahrscheinlich auch in Zukunft nicht so schnell ändern. Dennoch ist diese Entwicklung zweischneidig: Gewiss ermöglichte sie es den deutschen Vereinen, wieder Anschluss an die Weltspitze zu finden und vor allem wirtschaftlich auf einem solideren Fundament zu stehen als zuvor. Bis weit in die achtziger Jahre hinein waren die meisten Bundesligaclubs de facto bankrott und konnten nur durch die großzügige Förderung der öffentlichen Hand finanziell über Wasser gehalten werden. Aber die bisweilen schönfärberische Darstellung des Fußballs im Fernsehen, die aus der Notwendigkeit erwächst, eine teuer erstandene Ware dem Fernsehkonsumenten als Luxusgut zu verkaufen, tendiert dazu, die unangenehmen Begleiterscheinungen des Berufsfußballs in der TV-Berichterstattung auszublenden. Themen wie Gewalt im Stadion, Doping, Spielmanipulationen oder Korruption bei den großen Verbänden werden zunehmend von den Printmedien bearbeitet, während gerade die Sender, welche die Fernsehrechte für Fußball-Großveranstaltungen für viel Geld erworben haben, nicht so gerne davon berichten: Das Vergnügen der Fernsehzuschauer soll nicht beeinträchtig werden, weil dies die hohen Einschaltquoten und somit auch die betriebswirtschaftlichen Kalkulationen gefährden könnte. Nicht zuletzt aus diesem Grund lohnt es sich, während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien Informationen nicht nur über das Fernsehen einzuholen. Jedenfalls haben bislang die großen Zeitungen ausführlicher über die zahlreichen sozialen Probleme berichtet, die dieses Großereignis für die einheimische Bevölkerung mit sich bringt, als das Fernsehen. Der ökonomische Interessenkonflikt besteht hier noch nicht in dem Maße wie bei den Fernsehsendern. Dr. Nils Havemann Universität Stuttgart Historisches Institut, Abteilung Neuere Geschichte Keplerstraße 17 70174 Stuttgart nilshavemann@aol.com Weiterführende Literatur Ballensiefen, M., Nieland, J.-U. (2007): Talkshowisierung des Fußballs. Der Volkssport in den Fesseln des Fernsehens. In: Mittag, J., Nieland, J.-U. (Hrsg.): Das Spiel mit dem Fußball. Interessen, Projektionen und Vereinnahmungen. Klartext, Essen, 325 - 348 Dussel, K. (2010): Deutsche Rundfunkgeschichte. 3. Aufl., UVK-Verl.-Ges., Konstanz Eggers, E. (2009): Geschichte des Sportjournalismus. In: Horky, T., Schauerte, T., Schwier, J., Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.): Sportjournalismus. UVK-Verl.-Ges., Konstanz, 15 - 26 Florschütz, G. (2005): Sport in Film und Fernsehen. Zwischen Infotainment und Spektakel. Dt. Univ.-Verl., Wiesbaden Havemann, N. (2013): Samstags um halb 4. Die Geschichte der Fußballbundesliga. Siedler, München Kühnert, D. (2004): Sportfernsehen & Fernsehsport. Die Inszenierung von Fußball, Formel 1 und Skispringen im deutschen Fernsehen. Fischer, München Schaffrath, M. (2000): Das sportjournalistische Interview im deutschen Fernsehen. Empirische Vergleichsstudie zu Live-Gesprächen bei Fußballübertragungen auf ARD, ZDF, RTL, SAT. 1, DSF und Premiere. Lit, Münster/ Hamburg/ London
