eJournals unsere jugend 67/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2015
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Kinder beteiligen

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Elisabeth Dannenmann
Carsten Gutschmidt
Mit unserer Einrichtung KiTa Zwergenland waren wir von November 2004 bis Oktober 2007 am AWO Projekt „LernOrt KiTa“ beteiligt, was eingebettet war in ein kommunales Projekt „Lernendes Neumünster“. Die Aufgabenstellung zielte darauf ab, gemeinsam mit Rüdiger Hansen vom „Institut für Partizipation und Bildung“ als Koordinator, einer anderen AWO-KiTa und drei Kooperations-KiTas in Neumünster eine neue Lernkultur in Kindertagesreinrichtungen und im Übergang zur Grundschule zu entwickeln.
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118 unsere jugend, 67. Jg., S. 118 - 124 (2015) DOI 10.2378/ uj2015.art18d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Kinder beteiligen Ein Bericht aus der Praxis Mit unserer Einrichtung KiTa Zwergenland waren wir von November 2004 bis Oktober 2007 am AWO Projekt „LernOrt KiTa“ beteiligt, was eingebettet war in ein kommunales Projekt „Lernendes Neumünster“. Die Aufgabenstellung zielte darauf ab, gemeinsam mit Rüdiger Hansen vom „Institut für Partizipation und Bildung“ als Koordinator, einer anderen AWO-KiTa und drei Kooperations-KiTas in Neumünster eine „neue Lernkultur“ in Kindertagesreinrichtungen und im Übergang zur Grundschule zu entwickeln. von Elisabeth Dannenmann Jg. 1956; staatl. anerkannte Erzieherin, Fortbildungsreferentin, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, Leiterin der AWO-KiTa Zwergenland Der Schwerpunkt des Projektes „LernOrtKiTa“ war, zu überlegen, was Kinder heute lernen sollten, wie sie lernen und wie Erwachsene sie dabei unterstützen können. Im Ergebnis haben wir als Gesamtteam der KiTa Zwergenland festgestellt, insbesondere auch vor dem Hintergrund der interkulturellen Arbeit, dass Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen als Schlüssel zur Bildung gelten kann. Wir haben als gesamtes Team erfahren, dass Partizipation in einer KiTa heißt, dass Kinder Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme finden. Wir haben uns im Konsensverfahren entschieden, dass wir Kindern, die wir begleiten, künftig fachlich und engagiert ermöglichen wollen, Problemlösungskompetenz aufzubauen, ihre Entscheidungsfähigkeit zu entwickeln und sie sollten ihre Kommunikationsfähigkeit entfalten können. Für unsere Einrichtung galt es im Besonderen, die Bildungsmöglichkeiten von Kindern aus benachteiligten Familien und den Dialog mit den Eltern zu verbessern, um die Auswirkungen von Armut zu lindern. Unsere KiTa befindet sich in einem ausgewiesenen Gebiet „Soziale Stadt“. Bei uns begegnen sich täglich Menschen aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Lebensweisen, in Bezug auf religiöse und kulturelle Traditionen, was ein hohes Maß an Toleranz und Akzeptanz von allen Beteiligten erfordert. Wir haben unsere Einrichtung von 2002 bis 2005 interkulturell geöffnet und hier auf unterschiedlichen Ebenen für unsere pädagogische und Familien ergänzende Arbeit im Alltag wertschätzende Räume geschaffen. Carsten Gutschmidt Jg. 1969; staatl. anerkannter Erzieher, Gruppenleiter der AWO-KiTa Zwergenland, Multiplikator für interkulturelle Öffnungsprozesse, Partizipation in Kindertagesstätten und für das Konzept „Mitentscheiden und Mithandeln in der KiTa“ 119 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen Im Prozess der interkulturellen Öffnung haben wir Wege gefunden, um vor allen Dingen Eltern aus unterschiedlichen Nationen aktiv an die Entwicklungsprozesse ihrer Kinder heranzuführen, ihre Sensibilität zu stärken und sie zuverlässig zu beteiligen. Auch vor dem Hintergrund der interkulturellen Öffnung war der nächste Schritt, unser Konzept partizipativ einzubetten. Wir verfolgen das Prinzip „Teilhabe von Anfang an“ im Kontext des lebenslangen Lernens aller Beteiligten. Wie lernen Erwachsene ihre Macht zu teilen? Alles beginnt mit der Haltung der pädagogischen Fachkräfte. Ohne den Willen zur Beteiligung kann Partizipation nicht gelingen. Die pädagogischen Fachkräfte müssen über ein großes Vertrauen in die Kompetenzen der Kinder verfügen. Sie brauchen Klarheit und ein Bewusstsein für ihre Macht und das Selbstvertrauen, Macht teilen zu können. Sie sollten fehlerfreundlich und geduldig sich selbst, den KollegInnen und den Kindern gegenüber sein. Die KollegInnen sollen eine eigene Meinung haben und diese auch vertreten und natürlich jederzeit die Verantwortung behalten. Um dem guten Willen eine Verbindlichkeit folgen zu lassen, braucht eine Einrichtung festgeschriebene Rechte der Kinder, die ganz individuell für die eigene Einrichtung ausgehandelt wurden und, wie z. B. bei uns, in einer Kita- Verfassung niedergeschrieben sind. Jede pädagogische Fachkraft muss mitbestimmen, was ein Kinderrecht wird und was nicht. Denn nur die im Konsens entstandenen Rechte haben im Alltag bestand. Für die Entscheidungen, die den Bereich des Lebens in der Gemeinschaft betreffen, benötigt man Gremien. Bei uns sind dafür Gruppenkonferenzen eingerichtet worden, die mindestens einmal pro Woche tagen und der Hohe Rat (Kinderparlament), der mindestens alle zwei Wochen tagt. Darüber hinaus sollte eine Person verantwortlich für das Thema Partizipation sein, damit die Strukturen nicht mit der Zeit wieder verwässern. 120 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen Bei uns ist das Carsten Gutschmidt, Gruppenleitung Zwerge seit 1996 und Multiplikator für Partizipation, seit November 2012. Genauso wichtig ist es, die Verfassung regelmäßig in einer Teamfortbildung zu überprüfen. Das findet bei uns ca. alle zwei Jahre in einer dreitägigen Fortbildung statt. Ganz wichtig für die tägliche Arbeit sind natürlich die pädagogischen Kompetenzen, über die die MitarbeiterInnen verfügen müssen. Sie müssen geschult sein, richtig zuzuhören, um Inhalte nicht zu verfälschen. Es ist wichtig, offene Fragen zu stellen und Inhalte zu konkretisieren, Prozesse und Ergebnisse zu visualisieren. Hierfür wurde bei uns im Haus eine besondere Form der Protokollführung für Kinder entwickelt, die jetzt ein fester Bestandteil der „Kinderstube der Demokratie ist“. Die MitarbeiterInnen sollten die Fähigkeit besitzen zu moderieren oder die Bereitschaft, sich diese anzueignen. MitarbeiterInnen sollten darüber hinaus über eine Planungssicherheit verfügen, um Beteiligungsprojekte auf den Weg zu bringen. Alle Fähigkeiten sollten regelmäßig überprüft und trainiert werden. Wir haben als Gesamtteam im Konsens Strukturen geschaffen, die wir immer wieder überprüfen. Nachdem der Entschluss gefasst war, in unserer Einrichtung Partizipation zu leben, trafen wir uns zur verfassunggebenden Versammlung. Dies bedeutete eine Themen einleitende Teamfortbildung von fünf Tagen. Alle pädagogischen MitarbeiterInnen und die Hauswirtschaftskraft waren beteiligt. Neben dem theoretischen Input zum Thema haben wir uns sehr intensiv mit der eigenen Haltung beschäftigt. Wir haben Klarheit geschaffen über herrschende Machtverhältnisse und den alltäglichen „gutgemeinten“ Machtmissbrauch, in der Form, schon zu wissen, was für die Kinder gut ist. Wir haben unsere Zielsetzungen geklärt und immer wieder den Weg hinterfragt, unseren pädagogischen Auftrag und Kinderrecht immer wieder in Einklang gebracht. Wir haben Partizipation als Schlüssel zu Demokratie, Bildung und Qualität verstanden. Mit diesem Verständnis und unserem Bild vom Kind haben wir dann die geltenden Kinderrechte in unserer Einrichtung festgeschrieben. Da für einige Entscheidungen Gremien benötigt werden, haben wir uns für wöchentliche Gruppenkonferenzen und für den 14-tägigen Hohen Rat entschieden. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Eltern Klarheit über das Beteiligungskonzept der Einrichtung haben. So werden schon wesentliche Punkte der Kinderbeteiligung, als unsere konzeptionelle Handlungsgrundlage, den Eltern zum Beispiel im Aufnahmegespräch mitgeteilt und auf Elternabenden vertieft. Wir reflektieren als Gesamtteam alle zwei Jahre an drei Tagen unsere Arbeit hinsichtlich der Mitbestimmung von Kindern mit Rüdiger Hansen, vom Institut für Partizipation und Bildung. Hier schreiben wir nach Bedarf unsere Verfassung fort, arbeiten Unsicherheiten und Fragen auf, holen neue KollegInnen mit herein und überprüfen unsere Arbeit mit dem partizipativen Selbstcheck, der eigens mit und für unsere Einrichtung entwickelt wurde. Aktuell haben wir im Februar 2014 unsere Verfassung fortgeschrieben, um die Belange der neuen Krippengruppen und um das Beschwerdewesen voranzubringen. Wir reflektieren unsere Arbeit hinsichtlich der Mitbestimmung von Kindern auch im kollegialen Dialog, in Dienstbesprechungen und in der Supervision; und selbstverständlich immer gerne mit unserem Kollegen Carsten Gutschmidt, in seiner Funktion als Multiplikator für Partizipation. Er holt in besonderer Weise die neuen KollegInnen aus dem Krippenbereich oder KollegInnen, die aus der Elternzeit wieder zurückkommen, mit herein. Partizipation in verschiedenen Abstufungen und Grenzen für Kinder Sprechen wir in unserer Einrichtung von Partizipation, nutzen wir die Definition von Richard Schröder, in der sich Abstufungen der Partizi- 121 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen pation wiederfinden. „Partizipation heißt Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben in der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden.“ Die Abstufungen oder Bereiche in unserer Einrichtung legen wir daher wie folgt fest: Entscheidungen, die das eigene Leben betreffen, z. B.: ➤ Muss ich eine Jacke anziehen, wenn ich rausgehe? ➤ Muss ich schlafen, obwohl ich gar nicht müde bin? ➤ Muss ich essen, was ich mir aufgefüllt habe? Entscheidungen, die das Leben in der Gemeinschaft betreffen, z. B.: ➤ Regeln für das tägliche Miteinander in der Einrichtung, ➤ Anschaffungen von Spielmaterial, ➤ Einstellung einer pädagogischen Fachkraft. Als weitere Stufe ist noch die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten zu nennen, z. B.: ➤ Ich bin Opfer einer Regelverletzung geworden. ➤ Gefällte Entscheidungen werden nicht respektiert. ➤ Mir ist langweilig. Die Grenzen von Partizipation sehen wir ganz klar in der Überforderung. Nicht jedes Kind ist in der Lage oder Willens, eine Entscheidung zu fällen, die wir ihm zugestehen. So möchte ein Kind z. B. nicht entscheiden, ob es eine Jacke anzieht oder nicht, sondern möchte sich einfach umsorgt fühlen und wissen, dass es sich auf seine Bezugsperson verlassen kann. Eine weitere Grenze der Partizipation ist die Gefährdung. Sollte für die Kinder in unserer Einrichtung eine nicht überschaubare Gefahr bestehen, müssen wir als pädagogische Fachkräfte uns jederzeit unserer Verantwortung bewusst sein und die Rechte der Kinder ggf. einschränken. Noch klarer wird dies, wenn Gesetze betroffen sind. Rechte, die wir den Kindern zugestehen, müssen natürlich mit den geltenden Gesetzen möglich sein (z. B. Aufsichtspflicht). Die schwierigste Grenze von Partizipation findet man in den persönlichen Grenzen der einzelnen MitarbeiterInnen: wenn wir als pädagogische MitarbeiterInnen ein Recht zugestehen möchten, aber selbst überfordert sind, wenn wir ein Kind bei der Wahrnehmung seines Rechtes begleiten sollen. So ist es z. B. möglich, dass eine Mitarbeiterin davon überzeugt ist, dass ein Kind selbst entscheiden soll, wie hoch es auf einen Baum klettert, aber selbst aufgrund eigener Ängste diesen Vorgang nicht begleiten kann. Was aber, wenn gerade diese Kollegin die Aufsicht auf dem Spielgelände hat und ein Kind klettern möchte? Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir die Grenzen mit den Kindern kommunizieren müssen. Grundsätzlich gibt es bei uns das Recht auf Rechtfertigung. Wenn ein Recht entzogen oder eingeschränkt wird, hat das Kind den Anspruch darauf, von uns genau informiert zu sein, warum. Eine Rechtfertigung hat immer unmittelbar stattzufinden, damit nie der Eindruck einer Willkür entsteht. Wie lernen Kinder in unserer Einrichtung, ihre Beteiligung in Anspruch zu nehmen? Wenn wir uns jährlich, in der Regel am letzten Tag vor unserer Sommerschließzeit, in einem feierlichen Rahmen in unserer großen Bewegungshalle von den Schulkindern verabschieden, bekommen die Kinder, die sich während ihrer KiTa-Zeit in den „Hohen Rat“ haben wählen lassen, eine besondere Medaille, die sie stolz entgegennehmen. Manche waren einmal Delegierter oder Delegierte und manche zwei bis drei Mal während ihrer KiTa-Zeit. 122 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen Die neu aufgenommenen Kinder sind es oft nicht gewohnt, dass ihre Meinung, und was sie zu sagen haben, zählt. Im täglichen Morgenkreis werden die Kinder langsam dabei begleitet, ihre Selbstwirksamkeit zu entdecken und dass jedes Kind wichtig ist. Hier erleben sie, dass es wichtig ist, was sie erleben und was sie davon erzählen wollen. Parallel erleben die Kinder die Gruppenkonferenzen, die in der Regel ein bis zwei Mal wöchentlich stattfinden. Die Kinder besprechen zum Beispiel, wie Spielsachen zu nutzen sind, bringen Ideen für den Gruppenalltag ein und besprechen und vereinbaren Regeln, die für die Gemeinschaft ohne Verlierer wichtig sind. Hier äußern die Kinder Wünsche für das gemeinsame Frühstück und wie viel Kinder z. B. gleichzeitig in der Bauecke spielen können. Die neuen Kinder lernen hier von den älteren, wie es geht und was es sein kann. In einer Gruppe gibt es hierfür einen Konferenzteppich und eine Redekugel. Wer die Redekugel hält, hat das Wort. Die neuen Kinder halten oftmals die Kugel einfach sehr beeindruckt in der Hand und geben sie, ohne etwas zu sagen, dann weiter. Später erzählen sie z. B., dass der Großvater ein neues Auto hat oder dass es draußen regnet. Langsam lernen sie, durch das Vorbild der anderen, dass sie mit ihren Gedanken und Ideen den Gruppenalltag mitbestimmen können. Sie lernen, sich zu trauen, sich etwas zuzutrauen, ganz in ihrem eigenen Tempo. Sie erzählen davon, dass sie sich darüber ärgern, wenn sie von einem anderen Kind gehauen oder beim Spielen gestört wurden. Die Kinder erstellen Regeln für das Miteinander und bestimmen, welche Farbe der Gruppenraum haben soll, wenn er neu gestrichen wird. Sie überlegen gemeinsam, welche neuen Spielsachen angeschafft werden und wer eine Rausgehkarte für den Spielbereich ohne Erwachsene bekommt. In der Schneckengruppe haben die Kinder erst neulich bemängelt, dass Anja, die Gruppenleiterin, immer die Gruppenkonferenz leitet. Die Kinder wollten es selbst versuchen und wechseln jetzt jedes Mal die Gesprächsführung. Anfang Oktober eines Jahres werden in der Regel die Delegierten für den neuen „Hohen Rat“ gewählt und hier erleben die Kinder, dass Gruppen übergreifende Planungen stattfinden. Sie überlegen gemeinsam und immer lernen sie voneinander. Sie planen im Hohen Rat auch, was an Fasching gespielt werden soll, was es zum Lichterfest zu essen gibt, ob für die Bewegungshalle Fußballtore angeschafft werden und wie die neue Farbe im Frühstücksraum sein soll. Die Delegierten nehmen die Themen für die Gruppenkonferenzen mit in ihre Gruppen und bringen die dort abgestimmten Ergebnisse beim nächsten Treffen mit ein. Die Kinder entscheiden hier auch, welche Ausflüge sie vor den Sommerferien noch machen wollen. Ältere Kinder kommen ab und zu zur Einrichtungsleitung mit einer Beschwerde. Es ist zu langweilig oder auf dem Spielplatz ist der Wasserlauf kaputt, Carsten und Katrin, die pädagogischen Fachkräfte der Zwergengruppe, bringen einfach das Licht unter der Hochebene nicht in Ordnung oder vielleicht möchte ein Kind öfter Pudding zum Nachtisch. Zusammengefasst sind die den Fähigkeiten der Kinder angepassten Zugangswege: der direkte Dialog mit pädagogischen Fachkräften und Einrichtungsleitung, der Morgenkreis, die Gruppenkonferenz und der Hohe Rat. Pädagogische Fachkräfte und Kinder initiieren im Dialog entsprechende Themen. Wie engagieren sich Kinder in unserer KiTa und wie gestalten sie einen Beteiligungsprozess? Beispiel eines Prozesses zum Thema „Rausgehkarten“, Kinder gehen alleine, ohne Erwachsene auf das Spielgelände der KiTa: Dieser Prozess hat ein halbes Jahr gedauert, bevor sich die Kinder in der Zwergenruppe geeinigt haben und die Voraussetzungen Gruppen übergreifend im Hohen Rat abgestimmt wurden. Der Verlauf kann folgendermaßen beschrieben werden: 123 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen 1. Anlauf: das Thema wurde von den Kindern vorgestellt. 2. Die pädagogischen Fachkräfte stimmen dem Prozess zu und weisen die Kinder darauf hin, dass die Einrichtungsleitung den Vorschlägen zustimmen muss, weshalb eine gute Vorbereitung notwendig ist. 3. Wir verhandeln die Fragestellung, ob alle Kinder raus dürfen oder nur einige. 4. Die Kinder entscheiden, dass alle Kinder raus dürfen, die schon so groß sind wie Vivien (größtes Kinder in der Gruppe). 5. Die Kinder messen sich und stellen fest, dass die meisten Kinder, sogar die Schulkinder, kleiner sind als Vivien. 6. Die Motivation, den Prozess weiter zu gestalten, nimmt ab und der Prozess ist vorerst beendet. 7. Die Kinder nehmen ein paar Wochen später einen neuen Anlauf. 8. Sie haben neue Kriterien zum Rausgehen. 9. Der Vorschlag in einer Konferenz ist, dass alle Schulkinder alleine auf das Spielgelände gehen dürfen. 10. Die kleineren Kinder beschweren sich. 11. Die Lösung ist, dass alle 5bis 6-Jährigen rausgehen dürfen, die auch die Regeln für draußen einhalten können. 12. Es werden Regeln aufgestellt, die im Hohen Rat verhandelt werden müssen. 13. Die Kinder wollen eine Prüfung haben für die, die rausgehen dürfen. 14. Die Kinder müssen üben, wie sie sich im „Notfall“ bei einer Verletzung eines Kindes zu verhalten haben. 15. Die Kinder müssen die Regeln auf dem Spielgelände kennen, die im Hohen Rat beraten werden sollen. 16. Wenn ein Kind die Regeln kennt und auch weiß, wie es sich verhalten soll, wenn sich ein Kind verletzt, dann hat es die Prüfung für die „Rausgehkarte“ bestanden. 17. Das Verfahren muss mit der Einrichtungsleitung abgestimmt werden. Die Regeln für draußen müssen die Kinder Gruppen übergreifend im Hohen Rat aushandeln. Die Delegierten der Zwergengruppe bringen das Thema im nächsten Hohen Rat ein. 18. Der Hohe Rat nimmt sich bei einer Sitzung dem Thema „Regeln zum Rausgehen auf das Spielgelände“ an. Nach den Regeln des Rates sind anwesend: ➤ alle Delegierten aus den Gruppen, in der Regel zwei Kinder pro Gruppe, ➤ ein/ e von den Kindern gewählte/ r VertreterIn der Kinder, als Anwalt der Kinder und ➤ zwei pädagogische Fachkräfte aus dem Team. Verlauf der Sitzung: 1. Die Kinder handeln die Regeln aus, die abgestimmt und aufgezeichnet werden. 2. Die Kinder handeln aus, dass jede Gruppe zwei „Rausgehkarten“ bekommt und insgesamt sechs Kinder gleichzeitig auf dem Spielgelände sein dürfen. 3. Die Kinder handeln aus, dass Karten aus anderen Gruppen geliehen werden dürfen, wenn diese sie selbst nicht brauchen. 4. Die Kinder stimmen ab, dass sie gemeinsam mit ihrem/ ihrer erwachsenen VertreterIn das Verfahren mit der Einrichtungsleitung abstimmen. 5. Die aufgezeichneten und abgestimmten Regeln werden in jeder Gruppe ausgehängt. Wie beteiligen wir Eltern an den partizipativen Bildungs- und Entwicklungsprozessen ihrer Kinder? Im Vorwege haben wir den Elternbeirat über das Vorhaben unserer Teamfortbildungswoche informiert. Nach unserer verfassungsgebenden Teamfortbildungswoche haben wir, zusammen mit Rüdiger Hansen, zu einem Elternnachmittag eingeladen, um unseren neuen konzeptio- 124 uj 3 | 2015 Kinder beteiligen nellen Schwerpunkt vorzustellen und zu diskutieren. Thema war: „Unsere Kinder entscheiden mit! Wie wir Ihre Kinder besser auf die Zukunft vorbereiten können.“ Einleitend haben wir der Fragestellung an die Eltern Raum gegeben: „Wie haben Sie selbst gelernt? “ Eltern aus unterschiedlichen Nationen waren beteiligt und dementsprechend vielfältig fielen auch die Antworten und Geschichten aus, die von Neumünster bis Anatolien reichten. Die Eltern waren gleich im Thema und sehr bereit, sich im Folgenden damit auseinanderzusetzen: ➤ Was müssen Kinder heute lernen? ➤ Wie lernen Kinder? ➤ Wie lernen Kinder miteinander zu reden? ➤ Wie lernen Kinder sich zu entscheiden? ➤ Bericht über die Verfassungsgebende Versammlung. ➤ Worüber sollen die Kinder mit entscheiden? Die Eltern, von damals 74 waren 60 anwesend, waren sich einig darüber, dass sie ganz klar wollen, dass ihre Kinder so ernst genommen werden, so gefördert und begleitet werden sollen in ihren Entwicklungs- und Bildungsprozessen. Gerne wären sie früher auch so beteiligt worden. Es gab Redebedarf zu eigenen Entscheidungen der Kinder, zum Bereich Kleidung und zum Spielbereich ohne Aufsicht. Im Ergebnis konnten wir die Eltern dafür gewinnen, den Kindern etwas zuzutrauen, dass sie etwa nicht frieren wollen (Kinder entscheiden selbst, wie sie sich im Außenbereich kleiden) oder sich absichtlich in Gefahr bringen (Kinder entscheiden sich in der Regel für Wege, die für sie bewältigbar sind). Alle Bereiche stehen auch im Kontext der Begleitung und Aufsichtspflicht der pädagogischen MitarbeiterInnen. Die Eltern gaben ihr einstimmiges O. K. in der Gewissheit, dass kritische Abläufe in den Blick genommen und „kindgerecht“ aufbereitet werden. Aktuell informieren wir gerne in unserem Aufnahmegespräch, bei der Begleitung zum Betreuungsvertrag, auf ersten Elternabenden im KiTa-Jahr und gerne nach Bedarf an Gruppen-Elternabenden/ -Nachmittagen und im Elternbeirat über unsere Beteiligungsstrukturen. Wir laden Eltern immer wieder ein, ihre Meinung und Vorbehalte zu äußern und beantworten ihre Fragen gerne. Wir klären mit den Eltern auch, dass unsere konzeptionellen Grundlagen nicht verhandelbar sind. Bedeutung der Atmosphäre im Team, als verlässliche Größe für gelingende Partizipation An erster Stelle möchten wir sagen, dass wir in der AWO-KiTa Zwergenland ein klasse Team sind, mit einer hohen Mitarbeiterbindung, einem geringen Krankenstand und jeder Menge Spaß in fröhlichen Momenten. Die MitarbeiterInnen kommen aus fünf Kulturkreisen. Wir suchen und finden immer wieder praktische Lösungen für die Bedarfe in unserem Haus, überprüfen diese und schreiben diese auch fort. Wir legen großen Wert auf eine entwicklungsfördernde Atmosphäre im Haus. Das bedeutet, dass wir Auseinandersetzungen zeitnah klären, regelmäßig Mitarbeiter-Jahresgespräche führen, um die persönliche Situation beim Träger und in der Einrichtung zu klären und Unterstützungs- und Fortbildungsbedarf zu ermitteln. Wir legen Wert darauf, dass sich jeder und jede bei und mit uns wohl fühlen kann. Das sind alles Voraussetzungen für gelingende Partizipation im Krippen- und Elementarbereich. Elisabeth Dannenmann Carsten Gutschmidt AWO-Kita Zwergenland Vicelinstr. 21 d 24534 Neumünster kita-zwergenland@awo-sh.de