eJournals unsere jugend 67/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
31
2015
673

Nebenjobs von SchülerInnen

31
2015
Claus Tully
Eric van Santen
Soziale Teilhabe im Kinder- und Jugendalltag setzt die Verfügung über Geld voraus. Die eigene Kaufkraft hängt vom Taschengeld der Eltern und von möglichen Jobs neben der Schule ab. Der aktuelle Forschungsstand in Deutschland und anderen Ländern verweist auf die Relevanz von Nebenjobs und auf deren vielfältige Wirkungen im Leben junger Menschen.
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125 unsere jugend, 67. Jg., S. 125 - 136 (2015) DOI 10.2378/ uj2015.art19d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Nebenjobs unterscheiden sich von regulären Beschäftigungsverhältnissen, sie sind anders konfiguriert und motiviert. Dies ist der Grund, warum es kaum gelingt, Umfang, Dauer und Qualität der im Job realisierten Beschäftigungsverhältnisse zu beschreiben. Der Vergleich von Job und beruflicher Tätigkeit macht die Differenzen deutlich. Die Übernahme von Nebenjobs ist sowohl von der Ausführung (aufseiten der Jugendlichen) als auch vom Job-Angebot auf Kurzfristigkeit ausgelegt. Beim Job geht es um Erwerbstätigkeit für Einkommen, die Identifikation mit der Arbeitstätigkeit ist gering. Es soll ermöglicht werden, abgetrennt von anderen Lebensbereichen (in Parallelwelten) zu leben. Die Qualifizierung erfolgt per „training on the job“, häufiger wechselnde Anstellungsverhältnisse sind die Regel. Im Kontrast dazu erfordert Beruf eine spezifische Ausbildung, stellt auf längerfristige Beschäftigung ab und erfordert in der Regel eine entsprechende Qualifikation. Es gibt eine hohe Identifikation mit dem Aufgabenbereich und mit den beruflichen Standards (Normen, Ethik usw.). Die Erwerbstätigkeit dient dem kontinuierlichen Lebensunterhalt und die Tätigkeit selbst beschreibt auch die gesellschaftliche Stellung, die mit dem Beruf korrespondiert. Nebenjobs als Bestandteil des Jugendalltags Die meisten Jugendlichen gehen zur Schule und sind darüber hinaus mit der Bewältigung spezifischer Entwicklungsaufgaben (Geschlechterrolle, Aufbau von Beziehungen zu anderen, Ablösung von den Eltern, Partnerschaften, Entfaltung politisch moralischer Kompetenzen) Nebenjobs von SchülerInnen Empirische Befunde aus Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Soziale Teilhabe im Kinder- und Jugendalltag setzt die Verfügung über Geld voraus. Die eigene Kaufkraft hängt vom Taschengeld der Eltern und von möglichen Jobs neben der Schule ab. Der aktuelle Forschungsstand in Deutschland und anderen Ländern verweist auf die Relevanz von Nebenjobs und auf deren vielfältige Wirkungen im Leben junger Menschen. von Prof. Dr. habil. Claus Tully Jg. 1949; Freie Universität Berlin und Freie Universität Bozen, Forschungsschwerpunkte: Jugendforschung, Technik und Modernisierung, Mobilität, informelles Lernen, Konsum und Geld im Jugendalltag Dr. Eric van Santen Jg. 1961; wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Jugendinstitut München, Forschungsschwerpunkte: Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe, Hilfeverläufe, Jugendforschung 126 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen beschäftigt. Wichtig ist in diesem Alter die eigene Positionierung sowohl in der Peergroup als auch in der Gesellschaft insgesamt. Der Erwerb eigenen Einkommens ist für Jugendliche aufgeschoben, damit sie sich qualifizieren (Luhmann 2004). Deshalb spricht die Jugendforschung in Deutschland von der Jugendphase als Moratorium. Die sukzessive Übernahme einer gesellschaftlich formulierten Erwachsenenrolle dauert in allen modernen Gesellschaften vergleichsweise lange. Dieser verlängerte Jugendalltag ist durch ein Agieren in Parallelwelten (Schule, soziale Netze, Alltagskulturen, Einbindung in Sport- und Freizeitangebote) gekennzeichnet. Die Wahrnehmung der Vielfalt der Optionen der Moderne führt zu einem (parallelen) Einklinken in unterschiedliche Lebensbereiche. Der Alltag Jugendlicher ist durch eine ökonomisch abhängige Existenz gekennzeichnet. Der Jugendstatus ist ein alimentierter. Der Jugendalltag war bis in die 1960er Jahre hinein in geringem Maß ökonomisiert und kommerzialisiert. In der heutigen Zeit dagegen setzen viele Alltagsaktivitäten die Verfügung über Geld voraus. Die Ausübung von Nebenjobs kann als Versuch gedeutet werden, den Widerspruch zwischen ökonomisch abhängiger Existenz und kommerzialisiertem Alltag zu bewältigen. Faktisch erschließen sich Jugendliche durch Nebenjobs zusätzliche Einkommen und Erfahrungswelten neben Schule, Familie, Peers und Medien. Sie knüpfen Kontakte zur Arbeitswelt, arbeiten mit Personen anderen Alters zusammen, lernen den Tausch von Zeit gegen Geld kennen, übernehmen Verantwortung und bekommen Anerkennung für ihr Tun. Neben einem finanziellen Nutzen gratifizieren Nebenjobs sozial. Über die verrichtete Arbeit erfahren Jugendliche Anerkennung, die sich grundlegend von der im Schulalltag (Stichwort: Beurteilung und Benotung) unterscheidet. Darüber hinaus sind durch die Arbeitswelterfahrungen nicht intendierte, beiläufige Lerneffekte zum Erwerb von Soft Skills zu erwarten. Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Nebenjobs in den USA und Europa Was die Forschungsdesigns der vorliegenden Untersuchungen zu den Jobs neben der Schule betrifft, so sind beachtliche methodische Unterschiede zu konstatieren. Häufigkeit von Nebenjobs Für die USA wird berichtet, dass in der neunten Klasse (14 - 15 Jahre) 41 % der Highschool-SchülerInnen arbeiten. Wie in anderen Ländern auch, nimmt mit dem Alter der Anteil nebenberuflich tätiger Jugendlicher zu. Jobben in der zehnten Klasse (15 - 16 Jahre) knapp zwei Drittel (65 %), so erhöht sich der Anteil im Abschlussjahrgang (17 - 18 Jahre) auf 87 % der Jugendlichen (Bureau of labor statistics 2005, 5f ). Auch wenn der Anteil der jobbenden Kinder bzw. Jugendlichen in Dänemark vergleichsweise hoch ist, so liegt er doch unter den berichteten Werten der USA. Mit 14 Jahren arbeiten hier 43 % der jugendlichen SchülerInnen. Mit 15 bis 17 bessert bereits mehr als die Hälfte von ihnen ihr Taschengeld mit Nebenjobs auf (Frederiksen 1999, 105). Für Großbritannien wurde danach gefragt, wie viele Jugendliche kürzlich einen Job hatten und ausgeführt, dass dies bei den 16bis 17-Jährigen bei 42 % der Fall war und dass dieser Anteil im darauffolgenden Schuljahr (bei den 17bis 18-Jährigen) auf 59 % stieg (Payne 2001, 13, 22). In Deutschland jobbt nach Tully (2004 a, 58) rund ein Drittel aller Jugendlichen ab dem 9. Schuljahr (also etwa ab dem 15. Lebensjahr) regelmäßig. Die Befunde der Shell Jugendstudie von 2010 berichten für die Altersgruppen der 12bis 14-Jährigen 15 % und für die der 15bis 17-Jährigen 33 % der SchülerInnen, die neben der Schule einem Job nachgehen und so über eine zusätzliche Einkommensquelle verfügen (Leven u. a. 2010, 87). Jugendliche aus der Ober- und Mittelschicht jobben häufiger als solche aus der Unterschicht (41 % vs. 20 %, Leven u. a. 2010, 39, 86). 127 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen Trotz der merklichen Unterschiede bei den Erhebungsmethoden lässt sich festhalten, dass in Nordamerika das Jobben im Jugendalter wesentlich verbreiteter ist als in anderen westlichen Wohlfahrtsstaaten. Länderübergreifend steigt mit zunehmendem Alter sowohl der Anteil der Jugendlichen mit Nebenjobs als auch der zeitliche Umfang, der für Arbeit aufgewandt wird. Pro Woche arbeiten in den meisten Ländern ein Großteil der Jugendlichen zwischen einer und zehn Stunden. Nur ein Viertel bis zu einem Drittel arbeitet zwischen zehn und 15 Stunden. Und lediglich ein äußerst geringer Anteil der Jugendlichen geht mehr als 20 Stunden pro Woche einem Nebenjob nach (Frederiksen 1999, 105; Howieson u. a. 2006, 74f; Payne 2001, 15, 23). Auch hier ist für die USA eine Ausnahme anzumerken, denn in den USA arbeiten Jugendliche mehr Stunden in Nebenjobs als in anderen Ländern (Bureau of labor statistics 2005). In Deutschland jobben auch Auszubildende rd. 9,2 Stunden zusätzlich zu ihrer Fulltime-Ausbildung (Beicht/ Krewerth 2010). Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen In den USA und in Dänemark jobben gleich viele Jungen wie Mädchen (Frederiksen 1999, 105; Bureau of labor statistics 2005). Dies gilt auch für Deutschland (vgl. Tab. 2). In Großbritannien dagegen gehen mehr Mädchen einer Nebentätigkeit nach als Jungen (Howieson 2006, 15; Payne 2001, 13). Jobmotive Der Gelderwerb ist Hauptmotiv für Nebenjobs (Frederiksen 1999, 109; Howieson u. a. 2006, 57). Es geht darum, das eigene Budget aufzustocken. Dagegen ist die Aufbesserung des Familieneinkommens eher die Ausnahme. Ziel ist die eigene ökonomische Verselbstständigung gegenüber der Herkunftsfamilie und die Finanzierung des eigenen Konsums. Lebensnotwendiges, wie Mobilität, Kleidung und mobile Kommunikation, wird vielfach neben dem Taschengeld von den Eltern (mit)finanziert (Tully u. a. 2011, 14). Somit geht es um Ablösung und Verselbstständigung, Unabhängigkeit wird deshalb auch häufig als zweithäufigstes Motiv genannt (Howieson u. a. 2006, 57). Unabhängigkeit meint aber auch, sich neue Kontakte und neue Bezugsgruppen zu erschließen und insgesamt weniger Zeit im elterlichen Haushalt zu verbringen. Zusätzlich verdientes Geld bietet die Chance, öfters auszugehen und dem familialen Haushalt häufiger fernzubleiben. Konsum mit selbst verdientem Geld ist in geringerem Maße den Eltern gegenüber rechenschaftspflichtig. Diese Souveränität ist Jugendlichen wichtig. Arbeiten, um sich auf die Berufswelt vorzubereiten, ist ein weniger verbreitetes Motiv unter den Jugendlichen. Nur ein geringer Prozentsatz unter ihnen gibt an, Erfahrungen in einem Berufsfeld sammeln zu wollen, in dem sie auch planen, später zu arbeiten (Howieson u. a. 2006, 57). Der Einstieg in die Berufswelt scheint subjektiv noch in weiter Ferne zu liegen, sodass nur wenige Jugendliche einen Nebenjob ausüben, um sich für die Berufswelt nützliche Fähigkeiten anzueignen (Patton/ Smith 2009, 56; Howieson u. a. 2006, 57). Nebenjob und schulische Leistungen Im Bezug auf den Zusammenhang zwischen Nebenjobs und Schulnoten existierten lange Zeit widersprüchliche Befunde. Einerseits wird die Vermutung bestätigt, dass Nebenjobs zu schlechteren Schulnoten und mehr Problemverhalten in der Schule führten (Lee/ Ju 2010, 3.228, McCoy/ Smyth 2007, 237), andererseits kann auch nachgewiesen werden, dass Jugendliche mit Nebenjobs sogar bessere Leistungen in der Schule zeigten (Tully 2004 b, 423). Diese polaren Positionen wurden dadurch aufgelöst, dass der zeitliche Umfang der Beschäftigungen in den Berechnungen berücksichtigt wurde. 128 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen Diese Erweiterung brachte die Erkenntnis, dass keinerlei Auswirkungen auf die schulischen Leistungen festzustellen sind, wenn Jugendliche nur eine geringe Zeit im Nebenjob verbringen. Kritisch wird dies erst ab einer bestimmten Schwelle. Hier zeigten die Arbeiten, dass Jugendliche mit steigendem Alter längere Zeit pro Woche im Job verbringen können, ohne dass negative Auswirkungen zu erwarten sind (Payne 2001, 73f; Staff u. a. 2010, 195). Ab einem Alter von 15 Jahren liegt die Grenze bei ca. 15 bis 20 Stunden pro Woche, also deutlich über dem Mittel der Arbeitszeit der Jugendlichen. Zu den unterschiedlichen Ergebnissen bestehen verschiedene Vermutungen. Eine Begründung für schlechtere schulische Leistungen lautet: Wer jobbt, hat weniger Zeit für Lernen und wenn der Job zu anstrengend ist, wird es schwierig, sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Im verdichteten Bildungsalltag dürfte, so eine Vermutung, wenig Spielraum für zusätzliche, den regulären Schulalltag ergänzende Aktivitäten vorhanden sein. Umgekehrt wird argumentiert, dass die NebenjobberInnen besser gelernt haben, sich ihre Zeit einzuteilen und insgesamt verantwortungsbewusster sind. Daher lernen sie sogar effektiver und erzielen bessere schulische Leistungen als Jugendliche, die keiner Nebentätigkeit nachgehen (z. B. Payne 2001, 65). Eine neutrale Position besagt, Nebenjobs sind nicht per se schlecht für die schulischen Leistungen. Bei geringem Umfang der Arbeitszeit besteht kein Unterschied zu SchülerInnen ohne Nebenjob. Ab einem bestimmten zeitlichen Arbeitsumfang ergibt sich allerdings eine deutliche Verschlechterung gegenüber nicht arbeitenden SchülerInnen. Beschrieben wird diese Annahme mit dem Begriff „Threshold-Modell“ (z. B. Marsh/ Kleitman 2005, 334f ). Tatsächlich ist ein kausaler Zusammenhang zwischen Job und Schulerfolg kaum nachzuweisen. Jugendliche verfolgen nicht das Ziel, stets effizient lernen zu wollen. Nur wenn das so wäre, könnten Nebenjobs als Verlust für Lernzeiten angesehen werden. Vermutlich lernen Jugendliche beim Nebenjob etwas, was künftig ihren Alltag bestimmt: Sie gewinnen Einblick in den Arbeitsalltag, sie gehen mit arbeitsbezogenen Anforderungen bewusst um. Auch ist zu vermuten, dass erkennbar leistungsschwache Jugendliche für diverse Jobs eher nicht beschäftigt werden. Dem widerspricht nicht, dass sich gerade solche Jugendliche mit schwachen schulischen Leistungen in der Welt der Arbeit besser aufgehoben sehen als in der Welt der Schule und ihre Energien primär in die Jobausübung investieren könnten (Entwisle u. a. 1999, 384). Nutzen und Funktion der Arbeitsweltkontakte In der internationalen Forschung existieren einige häufiger wiederkehrende Annahmen, die allerdings empirisch schwer zu belegen sind. Sie beziehen sich zum einen auf den Nutzen von Arbeitsweltkontakten und zum anderen auf die Funktion von Nebenjobs in Bezug auf den Prozess der Verselbstständigung von Jugendlichen. Nach Tully (2004 b, 421ff ) fungiert der Nebenjob immer auch als informelles Lernfeld, das außerhalb des organisierten Bildungssystems angesiedelt ist und zusätzliche Lernmöglichkeiten eröffnet. Die Ausübung eines Nebenjobs kann als Schritt zum Erlernen von Verantwortungsübernahme gesehen werden. Jugendliche müssen sich schließlich gängigen Bedingungen von Arbeit (Pünktlichkeit, Tausch von Freizeit gegen Geld, Zusammenarbeit mit Personen, ohne sich diese auszusuchen, Zusammenarbeit mit anderen Generationen usw.) unterwerfen. In der Schule wird über die Arbeitswelt aus zweiter Hand berichtet, im Rahmen von Nebenjobs kann gedachte berufliche Zukunft erprobt werden. Es kann ausgetestet werden, inwieweit angestrebte berufliche Tätigkeiten realitätskonform sind. Jugendlichen wird bewusst, welche Fähigkeiten erwartet werden, und sie sind häufig eher bereit, diese zu verbessern, um den späteren Berufseinstieg zu unterstützen. Nebenjobs müssen nicht unbe- 129 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen dingt Spaß machen. Sie werden anders beurteilt als freizeit- und peerbezogene Aktivitäten. Jobs finden in Parallelwelten statt, in denen nach anderen Prinzipien als im Schulalltag gehandelt werden muss. Das übergeordnete Lebensprojekt der Verselbstständigung schließt die Ablösung von Familie, Schule und die Entfaltung von Selbstvertrauen, Identitätsarbeit und die eigene Positionierung in der Gesellschaft ein. Nebenjobs können helfen, soziale- und Problemlösungskompetenzen (z. B. Teamarbeit, Kooperation, Verlässlichkeit, Übernahme von Verantwortung, situationsbezogene Bewältigungsstrategien) zu entwickeln (z. B. Tully 2004 b, 413). Hinzu kommen praktische und organisatorische Skills, Prozesse der Selbstregulierung, die Entfaltung von Verantwortungsbewusstsein und die Übernahme der Perspektiven von Erwachsenen (Marsh/ Kleitman 2005, 334). Jugendliche konfrontieren sich in Nebenjobs mit Tätigkeiten, die Soft Skills erfordern, die in der heutigen Wirtschaft gefragt sind (Howieson u. a. 2012, 429). Weiter kann die Planung der eigenen beruflichen Zukunft auf unmittelbare Erfahrungen zurückgreifen. Nur im unmittelbaren Kontakt und im konkreten Tun gelingt es, die Rolle als Beschäftigte/ r bei sich und anderen zu identifizieren (Wray-Lake u. a. 2011, 1113) Auswertung deutscher Untersuchungen - Datengrundlage und methodisches Vorgehen Die nachstehenden Befunde basieren auf Auswertungen des AID: A-Surveys 2009 „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ des Deutschen Jugendinstituts. Die Erhebung wurde als computerunterstütztes Telefoninterview realisiert (Alt u. a. 2011). Haushaltsinformationen (z. B. Einkommensverhältnisse, Bildung der Eltern) wurden bei Minderjährigen durch eine/ n geeignete/ n BerichterstatterIn, in der Regel die Mutter, erfasst. Die Datenauswertung beschränkt sich in diesem Beitrag auf die Altersgruppe von 13bis 17-jährigen SchülerInnen (N = 2.763). Es handelt sich um eine Personengruppe, die häufig über Geld verfügt, aber nur eingeschränkt vertragsfähig ist. Mit dem Erreichen des Erwachsenenalters ändert sich die Situation für Jugendliche grundlegend, da sie nun als voll vertragsfähig angesehen werden. Ergebnisse von Minderjährigen sind deshalb mit denen junger Erwachsener nur eingeschränkt vergleichbar. Empirie zu Nebenjobs in Deutschland Obgleich für die Generation der Jugendlichen heute der eigene kontinuierliche Einkommenserwerb aufgeschoben wird, werden von einem Teil der SchülerInnen Jobs ausgeübt, die dem temporären Gelderwerb dienen. Ein Drittel der 13bis 17-jährigen Jugendlichen arbeitet. Der Anteil steigt von 13 % der 13-Jährigen auf 55 % der 17-Jährigen (vgl. Tab. 1). Nach den Ergebnissen des AID: A-Surveys sind von diesen jobbenden SchülerInnen ➤ 20 % lediglich in den Schulferien tätig, ➤ 28 % lediglich außerhalb der Schulferien beschäftigt und ➤ 52 % sowohl innerwie auch außerhalb der Schulferien tätig. Die Daten geben keinen Anhaltspunkt für eine Altersabhängigkeit dieser Aufteilung auf Ferienjobs und solche neben den Ferien. Die Tabelle 1 zeigt differenziert nach verschiedenen Merkmalen die Häufigkeit der Ausübung von Nebenjobs bei SchülerInnen. Konsistent mit den Befunden aus anderen Ländern hierzu gilt, dass mit zunehmendem Alter der Anteil derer, die einem Nebenjob nachgehen, größer wird. Bei der Betrachtung der Häufigkeit von Nebenjobs in Deutschland sind 130 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen explizite Schutzregeln zu berücksichtigen (Feil 2003, 207ff ), so ist z. B. Babysitting durch Kinder verboten. Sie sollen vor Überforderung, zum Beispiel beim Tragen von Babys, geschützt werden. Zudem scheint es einen geschlechtsspezifischen Effekt zu geben: In den oberen Altersgruppen jobben mehr Mädchen als Jungen. Junge Frauen kellnern beispielsweise häufiger, doch ist die empirische Befundlage eher dürftig. Die Ausübung von Nebenjobs ist immer auch von der allgemeinen Lage abhängig. In Regionen und Orten, in denen das Arbeitsplatzangebot geringer ist, ist auch das Jobangebot geringer. Der Ost-Westvergleich zeigt in diesem Zusammenhang, dass in Westdeutschland SchülerInnen in jeder Altersstufe häufiger Nebenjobs haben als in Ostdeutschland. Wird die Ausübung von Nebenjobs durch SchülerInnen vor dem Hintergrund der regionalen Arbeitslosenquote betrachtet, dann lässt sich mittels einer multivariaten Analyse zeigen, dass der differierende Anteil von Nebenjobs in Ost- und Westdeutschland nicht nur auf die unterschiedliche Arbeitsmarktsituation zurückgeführt werden kann. Vielmehr scheint sich hier eine andere Tradition zwischen Ost- und Westdeutschland bezüglich der Aufnahme von Nebenjobs abzubilden. Es gibt Hinweise, dass ein Teil der Arbeiten, die in Westdeutschland von Jüngeren im Rahmen von Nebenjobs erledigt werden, in Ostdeutschland von Älteren übernommen werden. Die Altersstruktur der Mini-JobberInnen in West- und Ostdeutschland liefert hierfür Indizien. Der Anteil der jüngsten Altersgruppe an allen Personen mit einem Minijob ist in Ostdeutschland sehr viel niedriger als in Westdeutschland (Bundesagentur für Arbeit 2013, eigene Berechnungen). In Ostdeutschland könnten eher die Personen mit einem Nebenjob/ Minijob betraut werden, die sonst vom Arbeitsmarkt der Vollzeitbeschäftigung ausgeschlossen sind. Region Geschlecht Schule Migrationshintergrund Haushaltseinkommen Außerschulisches Amt/ Aufgabe Alter Ost West Männlich Weiblich Haupt- oder Realschule Gymnasium Ohne Mit Unter Median Über Median Ohne Mit Insgesamt 13 (n = 564) 5 % 14 % 13 % 13 % 14 % 12 % 13 % 14 % 13 % 12 % 10 % 22 % 13 % 14 (n = 618) 22 % 27 % 26 % 28 % 27 % 28 % 26 % 32 % 27 % 25 % 25 % 30 % 27 % 15 (n = 570) 26 % 34 % 33 % 35 % 32 % 37 % 36 % 20 % 32 % 36 % 30 % 41 % 34 % 16 (n = 451) 31 % 47 % 44 % 47 % 38 % 50 % 48 % 38 % 45 % 44 % 41 % 58 % 46 % 17 (n = 390) 47 % 56 % 48 % 63 % 44 % 59 % 55 % 57 % 55 % 57 % 54 % 59 % 55 % Tab. 1: Anteil der SchülerInnen mit Nebenjobs nach verschiedenen Merkmalen (Angaben in %) Quelle: AID: A 2009; eigene Berechnungen 131 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen Nebenjobs werden unabhängig vom Haushaltseinkommen aufgenommen. Weiter lassen sich auch keine Zusammenhänge zwischen Nebenjob und Bildungsniveau des Herkunftshaushalts ausmachen. Zudem gibt es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Nebenjobs und Migrationshintergrund. Lediglich die Differenzierung nach besuchten Schultypen zeigt, dass ab dem 15. Lebensjahr GymnasiastInnen etwas häufiger einen Nebenjob ausüben als Haupt- und RealschülerInnen. Im verdichteten Bildungsalltag dürfte, so eine gängige Vermutung, wenig Spielraum für zusätzliche, den regulären Schulalltag ergänzende Aktivitäten sein. Hier zeigt die Analyse der Surveydaten Folgendes: Jugendliche gehen Nebenjobs nach und engagieren sich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Kinder und Jugendlichen die Aufgaben und Ämter, die sie in Vereinen und Verbänden innehaben, für sich als „Nebenjob“ begreifen. Zumal sie für diese Aufgaben unter Umständen eine kleine Aufwandsentschädigung (Fahrtkostenerstattung oder Ähnliches) bekommen. Angesichts der Höhe des verfügbaren Taschengeldes können bereits geringe Beträge einen merklichen Anteil am verfügbaren Budget ausmachen. Die Kombination von Nebenjob und Engagement bestätigt eine gewisse Flexibilität gegenüber dem durchorganisierten Bildungsalltag. Auch gehen Nebenjobs offensichtlich nicht zu Lasten der Schulleistung. Unseren Daten folgend, ist die erhobene „letzte Schulnote in Deutsch“ bei der Gruppe, die jobbt, signifikant besser als bei Heranwachsenden ohne Nebenjob. Die Ausübung von Nebenjobs zwingt zu einem rationellen Zeitmanagement. In dieser Richtung weisen auch die Ergebnisse des Freiwilligensurveys 2009. Die dortigen Ergebnisse zur Plan- und Gestaltbarkeit der Freizeit besagen, dass das subjektive Zeitempfinden und die Fähigkeiten zur Gestaltung von Möglichkeitsräumen stark bildungsabhängig sind (TNS Infratest Sozialforschung 2010, 198). Mit steigendem Bildungsgrad wird die Planbarkeit der eigenen Freizeit positiver eingeschätzt. Odds Ratio Höchster Bildungsabschluss im Haushalt 1,04 Alter** 1,63 Weiblich (Männlich) 1,05 Haushalt oberhalb Medianeinkommen (unterh. Medianeinkommen) 0,79 Migrationshintergrund (kein Migrationshintergrund) 0,97 Schulnote für Deutsch 0,88 Übernahme von Aufgabe/ Amt im Verein (kein Amt/ Aufgabe)** 1,38 Übernahme von Aufgabe/ Amt in der Schule (kein Amt/ Aufgabe)** 1,49 Gymnasium (Haupt- und Realschule) 1,17 Ostdeutschland (Westdeutschland)* 0,66 Wohnort > 20.000 Einwohner (Wohnort < 20.000 Einwohner) 0,94 Arbeitslosenquote in der Wohnregion 0,99 Konstante 0,00 In Klammern: Referenzkategorie Signifikanzniveau: * p < 0.05; ** p < 0.01 Quelle: AID: A 2009; eigene Berechnungen (n = 2.763) Tab. 2: Zusammenhang zwischen Merkmalen 13bis 17-jähriger SchülerInnen und dem Nebenjob 132 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen Die Tabelle 2 enthält die Ergebnisse des statistischen Verfahrens der logistischen Regression mit der abhängigen Variablen: Nebenjob vorhanden (1) oder nicht (0). Die in der Spalte enthaltenen „Odds Ratio-Werte“ oberhalb von 1 verweisen auf eine höhere Wahrscheinlichkeit von Nebenjobs gegenüber der Referenzkategorie (z. B. männlich) bzw. höhere Werte der unabhängigen Variablen (wie Schulnote oder Alter). Werte unterhalb von 1 dagegen verweisen entsprechend auf eine niedrigere Wahrscheinlichkeit von Nebenjobs. Die multivariaten Ergebnisse (vgl. Tab. 2) bestätigen zum Teil die Betrachtung der bivariaten Zusammenhänge: Ausschlaggebend ist vor allem das Lebensalter. Geschlecht, Migrationshintergrund, besuchter Schultyp, höchster Bildungsabschluss im Haushalt spielen dagegen keine Rolle. Statistisch signifikant bleibt neben dem Lebensalter, die Unterscheidung nach Ost- und Westdeutschland sowie freiwilliges Engagement (Übernahme von Aufgaben und Ämtern) in und neben der Schule (z. B. im Jugendverband). Während sich bivariat kaum Unterschiede zwischen SchülerInnen aus Haushalten mit einem Haushaltseinkommen ober- und unterhalb des Medianeinkommens zeigen, ergibt das multivariate Modell eine höhere Wahrscheinlichkeit für Nebenjobs bei SchülerInnen aus Haushalten mit niedrigeren Einkommen. Die letzte Schulnote für Deutsch ist im multivariaten Modell nur noch auf dem 10 %-Niveau signifikant (p = 0,073). Offensichtlich beeinträchtigen Nebenjobs weder das freiwillige Engagement noch die Schulleistungen. Hinsichtlich der Selbstwirksamkeitswerte der SchülerInnen lässt sich ein signifikant positiver Zusammenhang mit der Ausübung eines Nebenjobs feststellen. Dies ist ein Indiz dafür, dass Nebenjobs einen Rahmen bilden können, in dem die eigenen Fähigkeiten unter realen Bedingungen getestet und weiterentwickelt werden können. Ob Personen mit höheren Selbstwirksamkeitswerten häufiger Nebenjobs annehmen d. h. die Selbstwirksamkeit Voraussetzung für die Aufnahme und nicht Ergebnis der Ausübung von Nebenjobs ist oder ob die Ausübung von Nebenjobs Gelegenheit bietet, die eigene Selbstwirksamkeit zu erleben, kann nicht beurteilt werden. Eine adäquate Prüfung dieser Zusammenhänge kann nur in einem Längsschnittdesign erfolgen. Verfügbares Budget von SchülerInnen Das bei den 17-jährigen SchülerInnen mit 81 % am häufigsten genannte Motiv für die Ausübung eines Nebenjobs ist „Geld verdienen“ (eigene Berechnungen mit dem Sozio-Ökonomischen Panel (SOEP), vgl. Frick u. a. 2008). Lediglich 15 % der 17-Jährigen nennen als Motiv für den Nebenjob das Interesse am Tätigkeitsinhalt. Nebenjobs werden von den Jugendlichen selbst also eher aus pekuniärer Sicht und weniger als Lern- und Erfahrungsfeld betrachtet. Deshalb stellt sich die Frage, wie sich die finanzielle Situation der Jugendlichen mit und ohne Nebenjobs eigentlich darstellt. Taschengeld, Zuwendungen, eigener Zuverdienst und sonstige Einkommensquellen bestimmen zusammengenommen das Budget, über das Jugendliche frei verfügen können. Eine entsprechende Frage nach der Relevanz der genannten Quellen des frei verfügbaren Geldes ergibt folgendes Bild: Im Durchschnitt geben die 13bis 17-jährigen Jugendlichen 1,8 Geldquellen an: Am häufigsten (91 %) werden die Eltern als Geldquelle genannt, weit abgeschlagen folgen die Großeltern und andere Verwandte (42 %), das selbstverdiente Geld (40 %) und sonstige Einkommensquellen (6 %). Hierbei ist anzunehmen und zu bedenken, dass einem Teil der Jugendlichen über das fest und frei zur Verfügung stehende Budget hinaus situativ zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird, wenn z. B. die Handy-Rechnung höher ausfällt als geahnt, Ausflüge finanziert werden müssen oder größere Anschaffungen gewünscht sind. 133 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen Die Tabelle 3 enthält wegen der starken Altersabhängigkeit eine Unterteilung nach einzelnen Altersjahrgängen. Je höher das Alter, desto größer das ermittelte Budget. Ab 16 steigt das verfügbare Budget sehr deutlich an. Dies dürfte den Zeitpunkt markieren, zu dem Jugendlichen eigene geldpflichtige Aktivitäten (z. B. „Ausgehen“) wichtig werden. Auch schlägt sich hier nieder, dass nun nach Aufnahme von Nebenjobs mit 16 bzw. 17 Jahren das verfügbare Budget merklich zunimmt. Die Differenzierung nach OstundWestdeutschland liefert keine Hinweise, dass bei den SchülerInnen dieser Regionen unterschiedlich viel verfügbares Geld vorhanden ist - und dies trotz unterschiedlicher Verbreitung von Nebenjobs. Unter den Merkmalen der befragten Personen hat das Geschlecht der SchülerInnen keinen Einfluss auf die Höhe des verfügbaren Budgets, während sich beim Migrationshintergrund geringe Unterschiede in der Höhe zeigen. SchülerInnen ohne Migrationshintergrund haben ein höheres Budget zur Verfügung als SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Diese Unterschiede unterschreiten jedoch im T-Test nicht die Signifikanzgrenze (Alpha: 0.05). Ähnliches zeigt sich bei der Unterscheidung nach besuchten Schultypen. Auch zeigen sich fast durchgängig höhere Werte bei den GymnasiastInnen als bei den Haupt- und RealschülerInnen, aber auch diese Differenzen sind nicht statistisch signifikant. Abbildung 1 veranschaulicht, dass mit Ausnahme des 15. Lebensjahres das Budget von SchülerInnen mit Nebenjobs deutlich über dem der SchülerInnen ohne Nebenjobs liegt. Die Differenz der Budgets ist bei den 16- und 17-Jährigen erheblich. Vorher sind es wohl eher kleine Nebenverdienste, die das verfügbare Budget in geringem Ausmaß erhöhen. Das Alter erweist sich in der statistischen Analyse der verschiedenen Einflussfaktoren auf die Höhe des Budgets als die wichtigste Einflussgröße unmittelbar gefolgt vom Nebenjob. Hö- Region Geschlecht Schule Migrationshintergrund Haushaltseinkommen Alter Ost West Männlich Weiblich Haupt- oder Realschule Gymnasium Ohne Mit Unter Median Über Median Insgesamt 13 (n = 552) 60 39 43 39 28 54 42 36 37 37 41 14 (n = 602) 38 46 45 45 47 45 45 46 44 50 45 15 (n = 564) 57 56 60 52 49 58 57 49 53 54 56 16 (n = 512) 80 105 104 102 66 95 105 92 87 105 103 17 (n = 533) 164 145 151 143 81 91 150 134 146 157 147 Tab. 3: Höhe des verfügbaren Budgets von SchülerInnen pro Monat (Angaben in Euro) Quelle: AID: A 2009; eigene Berechnungen (Westdeutschland (inkl. Berlin) N = 2.444; Ostdeutschland N = 319) 134 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen here Schulbildung im Haushalt korrespondiert mit niedrigeren Budgets der Jugendlichen (p = 0.055). Auch haben Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit geringerem Haushaltseinkommen kleinere Budgets zur Verfügung (p = 0.053). Alle anderen Einflussgrößen erweisen sich als statistisch nicht bedeutsam. Auffällig ist also, dass Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit geringerem Haushaltseinkommen offensichtlich ihre Budgets auch durch Nebenjobs nicht so weit anheben können, dass sich diese den Budgets von Jugendlichen aus Familien der oberen Haushaltseinkommen angleichen. Die statistische Analyse (lineare Regression auf die Höhe des verfügbaren Budgets) bei der kleinen Gruppe der SchülerInnen (n = 159), die kein Taschengeld beziehen und deren Budgets sich also allein aus dem eigenen Verdienst speisen, zeigt: Jugendliche aus finanziell besser gestellten Haushalten erzielen mit ihrem Nebenjob einen höheren Verdienst als Jugendliche aus finanziell schlechter gestellten Haushalten. Vermutlich verschafft die bessere ökonomische Stellung der Eltern auch den Kindern und Jugendlichen eine gute Startposition und damit Zugang zum „Markt“ von Nebenjobs. Dies legt den Schluss nahe, dass es sich um einen speziellen, nicht regulierten„Teil-Arbeitsmarkt“ handelt, wobei der Zugang zu Jobs vorwiegend informell geregelt ist. Absehbare Entwicklungen und Forschungsbedarf Nebenjobs sind in Deutschland an der Schnittstelle von formalem Arbeitsmarkt zu informellen Beschäftigungsformen angesiedelt. Dies spricht dafür, dass das Hauptbeschäftigungsfeld von Jugendlichen im Nebenjob in Deutschland häufiger im Bereich privater Hilfen und Dienste angesiedelt ist. Vermutlich war dies vor 20 bis 30 Jahren anders, als es noch für Vertretungen in Krankheitsfällen oder Urlaubsvertretungen Ferienjobs gab. Solche Tätigkeiten sind heute eher selten, denn einerseits wurden solche Beschäftigungsschwankungen Geschäftsbasis von professionellen Zeitarbeitsmarktunternehmen, andererseits ist Arbeit heute durchweg hoch flexibel organisiert in Form von Projektarbeit, Teilzeit-, Leih- und Minijobs. Hinzu kommt, dass auch der Anteil unqualifizierter Beschäftigungsverhältnisse rückläufig ist (Pfeif- 140 120 100 80 60 40 20 0 Euro 13 14 15 16 17 Alter Ohne Nebenjob Mit Nebenjob Abb. 1: Budget von SchülerInnen nach Alter sowie Nebenjob Quelle: AID: A 2009; eigene Berechnungen 135 uj 3 | 2015 Nebenjobs von SchülerInnen fer/ Kaiser 2009, 17). Für künftige Nebenjobs lässt sich von daher zunächst ein sinkendes Angebot erwarten. Wenn auch eine für den Markt der Nebenjobs relevante Veränderung in der demografischen Entwicklung vermutet werden kann: Mit zunehmendem Anteil von Älteren, könnte die Nachfrage nach persönlichen Dienstleistungen (Einkauf, Gartenpflege u. Ä. m.) zunehmen. Insgesamt jedoch steigt zumindest bislang in Deutschland die Nachfrage nach Jobs, nicht aber in gleicher Weise das Angebot. Bei typischen Nebenjobs, wie etwa die Verteilung von Werbung, ist bereits jetzt eine verschärfte Konkurrenz (z. B. durch Arbeitslose, MinijobberInnen, Hartz IV-BezieherInnen, RentnerInnen) um diese Jobs zu verzeichnen. Auch stehen SchülerInnen zunehmend in Konkurrenz zu Studierenden, deren Anzahl in den letzten 10 Jahren um 27 % zugenommen hat (Statistisches Bundesamt 2012, eigene Berechnungen) und die vermehrt neben ihrem Studium jobben (einen Anstieg von 60 % auf 65 % zwischen 2006 und 2009 verzeichnen Isserstedt u. a. 2010, 194). Da die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die in ökonomisch prekären familialen Verhältnissen aufwachsen, zunimmt (waren es im Jahr 2000 bei Kindern unter 15 Jahren noch ca. 16 %, so stieg die Zahl bis 2006 auf 26 %, Hübenthal 2009, 10), spricht vieles dafür, dass immer mehr Jugendliche auf eine ergänzende finanzielle Absicherung ihrer Existenz als SchülerInnen durch Zuverdienste angewiesen sind. Die Forschungen dazu stehen, wie ausgeführt, eher am Anfang. Die erkennbare Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Jugendalltags wird inzwischen auch in der Sozialforschung bemerkt. Während die Marktforschung auf diesem Feld kontinuierlich aktiv ist, wurde sie in der Jugendforschung bislang weitestgehend ignoriert. Für die meisten Untersuchungen gilt, dass sie einen Blick auf die Oberfläche des Themas erlauben, tiefer gehende Analysen und Schlussfolgerungen aber schwierig sind. Häufig fehlen Informationen zur Herkunft der Finanzmittel, über die Jugendliche verfügen (Tully/ Santen 2012), zur Art der Tätigkeiten, zu den zeitlichen Umfängen der Nebenjobs, dem Alter, in dem Jugendlichen begonnen haben, Nebenjobs auszuüben, sowie Operationalisierungen für mögliche Kompetenzgewinne. Prof. Dr. habil. Claus Tully IFC & T Maria-Theresa Str. 1 a 81675 München claus.tully@fu-berlin.de Dr. Eric van Santen Deutsches Jugendinstitut e.V. Nockherstraße 2 81541 München santen@dji.de Literatur Alt, C., Gille, M., Prein, G. (2011): Alltagswelten erforschen: AID: A. Forschungsziele, Methodik und Umsetzung der DJI-Surveyforschung. Impulse 92/ 93, 31 - 35 Beicht, U., Krewerth, A. 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