eJournals unsere jugend 67/4

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2015
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Rezension: Ernst Kern, 2014: Personzentrierte Körperpsychotherapie

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2015
W. Topel
Psychotherapie, ein Gebiet der Angewandten Psychologie, wendet eine Vielzahl psychologischer Mittel und Methoden an, um Störungen des Erlebens, Verhaltens und Handelns zu mindern oder zu beheben. Primitive Formen psychologischer Behandlungsmethoden wurden bereits vor Jahrtausenden praktiziert.
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uj 4 | 2015 187 Rezensionen Ernst Kern, 2014: Personzentrierte Körperpsychotherapie München: Ernst Reinhardt Verlag, 186 Seiten, € 24,90 Psychotherapie, ein Gebiet der Angewandten Psychologie, wendet eine Vielzahl psychologischer Mittel und Methoden an, um Störungen des Erlebens, Verhaltens und Handelns zu mindern oder zu beheben. Primitive Formen psychologischer Behandlungsmethoden wurden bereits vor Jahrtausenden praktiziert. Die Herausbildung wissenschaftlich begründeter Formen der Intervention begann u. a. mit der Entwicklung der Psychoanalyse durch Sigmund Freud. Zentrale Konzepte der Psychotherapie lassen sich verschiedenen Therapieschulen zuordnen: Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie, Humanistische Psychologie, Systemische Therapie und Allgemeine Psychotherapie. Die konkrete Therapie (einzeln oder in der Gruppe) ist oft ein langwieriger, umfassender und multifaktorieller Prozess, der eine gründliche Diagnostik voraussetzt. Der Autor, der über Erfahrungen u. a. in der Gesprächspsychotherapie, Verhaltenstherapie, Tanztherapie und Traumatherapie verfügt, verweist auf seine enge Beziehung zur personenzentrierten Psychotherapie (Humanistische Psychologie), ohne die Einbeziehung effektiver Verfahren aus anderen Therapierichtungen als problematisch zu empfinden. Er plädiert dafür, in der Therapie und Beratung den Körper mehr zu beachten,„Körpertherapie“ mit der verbalen Therapie zu vereinen, sodass von einer „Körperpsychotherapie“ gesprochen werden kann. Vor allem seine Erkenntnisse aus der therapeutischen Tätigkeit mit frühen und schweren psychischen Verletzungen (Trauma, Borderline, Essstörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen) bilden die Grundlage für vielfältige Behandlungsangebote, die trotz der Überschneidung mit anderen körperorientierten Verfahren der personzentrierten Körperpsychotherapie ein eigenes Profil verleihen. Arbeitsblätter, Abbildungen, Fallbeispiele, ein Literaturverzeichnis und Sachregister erleichtern die Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen. Welche theoretischen Grundlagen sind bei einer personzentrierten Körperpsychotherapie zu beachten? Dazu nimmt Kern in den Kapiteln 1 und 2 Stellung, indem er auf phänomenologische Elemente verweist, den humanistischpsychologischen Hintergrund erörtert, entwicklungspsychologische, neurobiologische Erkenntnisse darstellt und auf Emotionen als „Schlüsselstelle“ der Psychotherapie hinweist. Besonders wichtig ist der Bezug auf die Grundhaltungen Empathie, Akzeptanz und Kongruenz (Rogers), die bekanntlich ebenfalls in der Erziehung, Bildung und Sozialen Arbeit (Tausch) eine große Bedeutung haben, da sie in fördernden, nicht-direktiven Tätigkeiten unerlässliche Bedingungen der Persönlichkeitsentwicklung sind. In den Praxiskapiteln 3 bis 7 werden Angebote für Therapie und Beratung unterbreitet. Der Autor hofft, durch die Körperbetonung die Therapie zu erweitern und neue Möglichkeiten der Intervention aufzeigen zu können. Im Einzelnen geht es hier um die Rolle personzentrierter therapeutischer Grundhaltungen in der körperorientierten Umsetzung, zentrale Körperaspekte, ein„Alphabet der Leiblichkeit“ und grundlegende „Leibbewegungen“ sowie ein Modell körperpsychotherapeutischer Entwicklungsphasen. Bedeutsam für die praktische therapeutische Tätigkeit sind überdies die kurzen Ausführungen über einzelne Störungsbilder, die den PraktikerInnen einen schnellen Überblick gewähren sollen: Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen, Borderline-Störungen und Traumafolgestörungen. 188 uj 4 | 2015 Rezensionen Summa summarum: Obwohl die personzentrierte Körperpsychotherapie kein eigenständiges therapeutisches Verfahren ist, kann die im Buch vorgeschlagene Sichtweise doch dazu beitragen, körperliche Vorgänge noch stärker zu beachten und sie im Einklang mit personzentrierten Aspekten nicht nur in Beratung und Therapie, sondern auch in der Prävention zu praktizieren. Deshalb können der vorliegenden Schrift nicht nur psychologische BeraterInnen und TherapeutInnen wertvolle Anregungen entnehmen, sondern auch KörpertherapeutInnen und PädagogInnen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Dr. habil. W. Topel, Leipzig DOI 10.2378/ uj2015.art29d