eJournals unsere jugend 67/4

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2015.art27d
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Rezension: Stefan Werner, 2014: Konfrontative Gewaltprävention. Pädagogische Formen der Gewaltbehandlung

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W. Topel
Aggressives bzw. gewalttätiges Handeln gehört zu den Verhaltensauffälligkeiten, die durch die Wechselwirkung unterschiedlicher personaler und extrapersonaler Bedingungskonstellationen hervorgerufen werden können (bio-psycho-sozialer Erklärungsansatz).
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184 uj 4 | 2015 Rezensionen Aggressives bzw. gewalttätiges Handeln gehört zu den Verhaltensauffälligkeiten, die durch die Wechselwirkung unterschiedlicher personaler und extrapersonaler Bedingungskonstellationen hervorgerufen werden können (bio-psycho-sozialer Erklärungsansatz). Ein wesentliches Merkmal dieser zielgerichteten körperlichen oder verbalen destruktiven Verhaltensweisen ist die beabsichtigte physische oder psychische Verletzung von Personen oder die Beschädigung von Objekten. Mit dem Begriff Gewalt werden in der Literatur zumeist besonders stark ausgeprägte Formen von Aggressionen bezeichnet, von denen Jungen in der Regel häufiger betroffen sind als Mädchen (oft relational aggressives Verhalten). Kinder, die ein hohes Ausmaß des aggressiven Agierens aufweisen, zeigen diese Symptomatik nicht selten auch im späteren Lebensalter, wenn dem nicht rechtzeitiginrelevantenTätigkeits-undLebensbereichen durch pädagogisch-therapeutische Aktivitäten begegnet wird. In der Vergangenheit sind unterschiedliche Interventionsverfahren eingesetzt worden, u. a. kognitives und soziales Fertigkeitstraining, Entspannungstraining, Aufbau prosozialer Fertigkeiten und Werthaltungen oder Elterntrainingsprogramme, die zu kurzfristigenVeränderungen aggressiven Verhaltens führten, deren langfristige Effekte dagegen aber gering waren. Das stellt auch der Autor der vorliegenden Schrift in Rechnung, indem er seine Erfahrung aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit gewalttätigen Verhaltensweisen beschreibt und aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen Anregungen für die Verbesserung der pädagogischen Kompetenzen gibt. Gegenstand seiner Darlegungen sind vor allem die sozialen, physischen und psychischen Gewaltphänomene, die in Schulen und sozialen Einrichtungen in Erscheinung treten. Er möchte insbesondere zeigen, wie mittels konfrontativer Methoden gewalttätiges Handeln „behandelt“ werden kann. Werner betont, dass im Kontext einer Konfrontativen Pädagogik der Entwicklungs- und Beziehungsgedanke erkennbar sein sollte, dass der konfrontative mit einem ressourcenorientierten Arbeitsansatz verbunden sein muss. Seiner Meinung nach benötigen die zumeist über einen längeren Zeitraum verfestigten Verhaltensmuster ein langfristiges „Behandlungsprogramm“, das auf Professionalität und Effizienz basiert. Der Praxisbezug der Publikation wird durch die Beiträge von fünf „Gastautoren“ erhöht. Die Schrift ist in drei Teile gegliedert. Teil 1 (Kapitel 1 - 7) vermittelt einen differenzierten und umfassenden Einblick in theoretische Grundlagen der prophylaktischen und intervenierenden Maßnahmen bei Gewalthandlungen. Ausgehend von Begriffsklärungen werden u. a. instruktive und praxisbezogene Ausführungen über die Gewaltprävention, Voraussetzungen zur Veränderung von Gewaltverhalten und die konfrontativen Ansätze der Gewaltprävention gemacht. Wichtig sind die Hinweise auf das Empowerment-Konzept, das die Stärken und Kompetenzen der KlientInnen fördern und ihre Emanzipation vorantreiben soll, und die Verknüpfung von Ressourcenorientierung und Konfrontation. Nicht zu Unrecht wird gefordert, die Defizitorientierung durch den Begriff der Ressourcenaktivierung zu ersetzen. Gegenstand von Teil 2 (Kapitel 8 - 10) sind die verschiedenen Ebenen der Gewaltprävention, in denen Vorbeugestrategien (primäre konfrontative Gewaltprävention), die Intervention für gefährdete und gering auffällige Personen Stefan Werner, 2014: Konfrontative Gewaltprävention. Pädagogische Formen der Gewaltbehandlung Weinheim/ Basel: Beltz Juventa, 267 Seiten, € 24,95 uj 4 | 2015 185 Rezensionen (sekundäre konfrontative Gewaltprävention) sowie die Hilfe in der Täterbehandlung und Rückfalleindämmung (tertiäre konfrontative Gewaltprävention) vorgestellt werden. Mit zahlreichen Übungen und Projekten (beispielsweise Igelheimer-Modell, Coolness-Training, Anti- Aggressivitäts-Training oder Täter-Opfer-Ausgleich) wird recht anschaulich, handlungsorientiert und theoretisch fundiert demonstriert, wie die Inhalte und Ziele pädagogischer und therapeutischer Maßnahmen realisiert werden können. Deutlich wird zudem die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Begleitung und der regelmäßigen Evaluierung der eingesetzten Methoden. Im abschließenden Teil 3 (Kapitel 11) werden schemapädagogische Ansätze, die von schemaorientierten Psychotherapien beeinflusst sind, erläutert. Es wird nachgewiesen, dass intrapsychische Strukturen (Schemata, Muster des Verhaltens) das konfrontative Konzept erweitern und unterstützen. Den Jugendlichen soll dadurch geholfen werden, den Einfluss der Vergangenheit auf ihr aktuelles Verhalten zu erkennen, und sie sollen zu Verhaltensänderungen motiviert werden. Zusammenfassend sei konstatiert: Auf der Grundlage kognitiver und lerntheoretischer Erkenntnisse ist der Autor bestrebt, sich konstruktiv und praxisorientiert mit der Entstehung und Herausbildung aggressiver/ gewalttätiger Verhaltensweisen auseinanderzusetzen und überdenkenswerte Vorschläge - ergänzend zu den bereits vorhandenen Angeboten - für die Prävention und Intervention zu unterbreiten. Es gelingt ihm, die konfrontative Methodik als überdenkenswerten Bestandteil des Gesamtkonzeptes der pädagogischen Arbeit darzustellen. Insbesondere LehrerInnen, ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen (SozialpädagogInnen) können der Publikation wertvolle Hinweise für den professionellen Umgang mit dem Gewaltverhalten entnehmen. Dr. habil. Wilhelm Topel, Leipzig DOI 10.2378/ uj2015.art27d