unsere jugend
4
0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2015.art44d
61
2015
676
Amaro Drom - Unser Weg
61
2015
Andrea Wierich
Ausgegrenzt und diskriminiert: In Deutschland leben Roma und Sinti immer noch häufig am Rande der Gesellschaft. Die interkulturelle Jugendselbstorganisation Amaro Drom e. V. schafft durch ihre Arbeit einen Raum, in dem Roma-Jugendliche zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrer Identität finden und sich für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen können.
4_067_2015_6_0006
262 unsere jugend, 67. Jg., S. 262 - 266 (2015) DOI 10.2378/ uj2015.art44d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Amaro Drom - Unser Weg Jugendarbeit zwischen Exklusion und Empowerment Ausgegrenzt und diskriminiert: In Deutschland leben Roma und Sinti immer noch häufig am Rande der Gesellschaft. Die interkulturelle Jugendselbstorganisation Amaro Drom e.V. schafft durch ihre Arbeit einen Raum, in dem Roma-Jugendliche zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrer Identität finden und sich für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen können. von Andrea Wierich Jg. 1984; M. A. in Literaturgeschichte, Politischer Wissenschaft und Soziologie, Vorstandsmitglied bei Amaro Drom e.V. und Pressereferentin des Berliner Landesverbands Amaro Foro e.V. Berlin, im Oktober 2014: Am Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma, neben dem deutschen Bundestag, versammeln sich etwa 100 Jugendliche, die meisten von ihnen Sinti und Roma. Sie haben Instrumente mitgebracht, eine kleine improvisierte Band, und Blumen und stehen im Kreis um das runde Mahnmal herum - ein Wasserbecken, in dessen Mitte ebenfalls eine Blume liegt. Die Band beginnt zu spielen: Djelem djelem, die internationale Hymne der Roma. Als die Band zu Ende gespielt hat, treten einzelne Jugendliche vor und tragen Gedichte vor. Es sind Gedichte von KZ-Häftlingen und Überlebenden des Mordes an einer halben Million europäischer Roma während des Nationalsozialismus. Jedes Gedicht wird zuerst auf Romanes, dann auf Deutsch vorgetragen. Am Ende der Zeremonie legen alle TeilnehmerInnen eine Blume an den Rand des Wasserbeckens, sodass es schließlich ganz von den bunten Blüten umgeben ist. Für einen Moment herrscht Schweigen, während die Jugendlichen des Leids ihrer Vorfahren gedenken. Die Jugendlichen sind TeilnehmerInnen des alljährlichen Bundesjugendtreffens von Amaro Drom e.V., einer interkulturellen Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma. Der Name des Vereins entstammt dem Romanes, der Sprache der Roma, und bedeutet „Unser Weg“. Amaro Drom e.V. wurde 2006 von jungen Roma und Nicht-Roma gegründet, um der Ausgrenzung und Diskriminierung junger Roma durch interkulturelle Jugendarbeit und Empowerment etwas entgegenzusetzen. Die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Roma und Nicht-Roma war dabei von Anfang an ein zentrales Element der Vereinsarbeit; gemäß der Satzung sind alle Gremien auf allen Ebenen von Amaro Drom zu mindestens 50 Prozent mit Roma besetzt. Sinti und Roma sind mit etwa zehn Millionen Menschen heute die größte europäische Minderheit. Aufgrund der Verwandtschaft des Romanes 263 uj 6 | 2015 Roma-Jugendorganisation mit dem Sanskrit weiß man, dass dieseVolksgruppe ursprünglich aus Indien kam und vor etwa 600 Jahren Europa erreichte. Die Wanderungsbewegungen waren dabei vielfältig und lassen sich anhand von Lehnwörtern aus anderen europäischen Sprachen im Romanes rekonstruieren. Dementsprechend heterogen sind Roma in Europa heute: Es gibt deutsche Sinti, deren Vorfahren vor 600 Jahren ins heutige Deutschland kamen, französische Manouches, kosovarische Ashkali und viele andere Gruppen. In Deutschland leben heute neben den Sinti auch verschiedene Gruppen osteuropäischer Roma, die teils schon im 19. Jahrhundert, teils als jugoslawische GastarbeiterInnen in den 1960er Jahren, teils als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und teils in den letzten Jahren vor allem aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland kamen. Ihre Situation in Deutschland, ihr rechtlicher Status und ihre Sprache sind dabei unterschiedlich; allen gemein ist die Erfahrung der Benachteiligung und Anfeindung. Der Kampf der Roma um Gleichberechtigung und Teilhabe begann erst vor einigen Jahrzehnten: 1971 fand in London der erste Weltkongress der Bürgerrechtsbewegungen der Roma statt. Seitdem gibt es die internationale Hymne der Roma, Djelem djelem, ebenso wie eine Nationalflagge: eine blaugrüne Fahne mit einem großen roten Chakra, das an die indische Herkunft der Roma erinnert, die Flagge der Roma auf der ganzen Welt. 600 Jahre Ausgrenzung und Verfolgung „Also, ich bin für Integration, aber diese Sinti und Roma, für die habe ich kein Verständnis.“ „Sind das richtige Rumänen oder sind es Zigeuner? An Zigeuner vermieten wir nicht." Solche und ähnliche Positionen sind in Deutschland immer noch weit verbreitet und begegnen den MitarbeiterInnen einer Roma-Selbstorganisation immer wieder in ihrer Arbeit. Antiziganismus, der Rassismus gegen Menschen, die sich selbst als Sinti und Roma definieren oder von anderen dafür gehalten werden, ist eine der wirkungsmächtigsten Formen von Rassismus im heutigen Europa. Die rassistischen Stereotype des angeblich parasitären Charakter der als „Zigeuner“ bezeichneten Menschen, ihrer archaischen Verbundenheit mit der Natur, ihres ziel- und planlosen Lebenswandels und ihrer Abweichung vom gesellschaftlich normierten und akzeptablen Verhalten haben sich dabei trotz historischer Modifikationen als erstaunlich konstant erwiesen und sind fest im kollektiven Unterbewussten der europäischen Gesellschaften verankert. Beispielsweise glauben die meisten Deutschen immer noch, dass Sinti und Roma umherziehen, obwohl längst über 90 Prozent der europäischen Roma sesshaft sind. Während bei anderen ethnischen Minderheiten in den meisten europäischen Gesellschaften inzwischen eine gewisse Sensibilität für Diskriminierung und für rassistische Ausgrenzung erreicht wurde, sind diese immer noch gesellschaftlich akzeptabel, sobald es um Roma und Sinti geht. Erst 2014 belegte eine Studie der Antidiskriminerungsstelle des Bundes, dass jeder dritte Deutsche keine Sinti und Roma als Nachbarn haben möchte, vielen ist bis heute nicht bewusst, dass „Zigeuner“ ein diffamierender Begriff ist. In anderen europäischen Ländern leben Roma häufig in segregierten Wohnvierteln, haben kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Rassistische Anfeindungen bis hin zu lebensbedrohlicher Gewalt sind keine Seltenheit und werden von der Polizei höchstens halbherzig verfolgt. Der europäische Antiziganismus ist historisch tief verwurzelt. Seit der Ankunft der ersten Roma in Europa ist ihre Geschichte eine Geschichte der Ausgrenzung, Verfolgung und Gewalt durch die europäischen Mehrheitsgesellschaften bis hin zur Ermordung einer halben Million Roma und Sinti im Nationalsozialismus. 264 uj 6 | 2015 Roma-Jugendorganisation Dieser Genozid wurde in Deutschland über Jahrzehnte hinweg nicht als solcher anerkannt; noch 1956 urteilte der Bundesgerichtshof, dass Roma und Sinti, die deutsche Konzentrationslager überlebt haben, keinen Anspruch auf Entschädigung hätten, weil sie nicht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern wegen ihres kriminellen Verhaltens inhaftiert worden seien. Erst 1982 wurde der Völkermord an den Sinti und Roma im Nationalsozialismus von Helmut Schmidt anerkannt, das deutsche Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma wurde erst 2012 eingeweiht, nach einem jahrzehntelangen Kampf der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma für die Anerkennung des Leids ihrer Vorfahren. Für viele Überlebende ist es bis heute nicht leicht, Entschädigungszahlungen zu erhalten oder gar eine Anerkennung ihres Leids in der deutschen Öffentlichkeit zu erreichen. In vielen anderen europäischen Ländern wird der Genozid bis heute totgeschwiegen. Im tschechischen Lety u Pisku befindet sich heute auf dem Gelände eines ehemaligen sogenannten Zigeunerlagers eine Schweinemastfarm. Deshalb kämpfen die europäischen Roma-Organisationen für die Etablierung des 2. August als Tag des Gedenkens: In der Nacht des 2. August 1944 wurden im sogenannten Zigeunerlager in Auschwitz-Birkenau fast 3.000 Roma und Sinti in einer einzigen Nacht ermordet. Es ist vor diesem Hintergrund umso erschreckender, dass Ignoranz und Ablehnung in Bezug auf Roma nach wie vor so weit verbreitet sind und rassistische Vorurteile nicht bekämpft, sondern verfestigt werden - häufig werden sie noch nicht einmal als Vorurteile wahrgenommen. In tagespolitischen Debatten fehlt es PolitikerInnen häufig an der nötigen Sensibilität für rassistische Unterstellungen. In Deutschland wurde in den letzten Jahren vor allem unter den Schlagwörtern „Armutszuwanderung“ und „Asylmissbrauch“ über Roma diskutiert; in beiden Debatten wurde das Szenario einer Invasion osteuropäischer Roma in die deutschen Sozialsysteme heraufbeschworen, das mit der empirisch belegbaren Realität wenig zu tun hat, in der Öffentlichkeit aber dennoch eine enorme Wirkung zeigte. Auf dem Höhepunkt der Debatte um die sogenannte Armutszuwanderung, innerhalb derer sich besonders die CSU durch rassistische Plattitüden hervortat, glaubten fast zwei Drittel der Deutschen, Rumänen und Bulgaren - womit in dieser Debatte implizit stets Roma gemeint waren - kämen vor allem wegen der Sozialleistungen nach Deutschland. Beide Debatten mündeten in äußerst umstrittene Gesetzesänderungen, bei denen abzuwarten bleibt, ob sie überhaupt verfassungskonform sind. Gedenken und Gegenwart In der Jugendarbeit von Amaro Drom ist das Gedenken an den Genozid ein zentrales Element. Für junge Roma ist es gerade angesichts der rassistischen Diskriminierung, die sie auch heute noch erfahren, wichtig, sich mit dem Völkermord an ihren Vorfahren auseinanderzusetzen. Es gibt heute keine europäischen Roma, die nicht die Nachkommen von Überlebenden sind, die nicht aus ihrer eigenen Familie die Schreckensgeschichten aus dieser Zeit kennen. Die Anerkennung dieser Gewalt als rassistisch motiviert verhilft auch zu einem anderen Umgang mit der Gewalt in der Gegenwart, ebenso wie zu einer Sensibilität dafür, was die Folgen von Hate Speech und Ausgrenzung sein können. Für die Entwicklung einer gemeinsamen und selbstbewussten Roma-Identität ist das Gedenken daher von großer Bedeutung. Das gemeinsame Gedenken ist dabei jedoch nur ein Teil der Jugendarbeit von Amaro Drom e.V. Auf dem Bundesjugendtreffen kommen jedes Jahr etwa 100 junge Roma und Nicht-Roma aus ganz Deutschland zusammen, um sich vier Tage lang in Workshops und Diskussionen auszutauschen und zu begegnen. Die Vielfalt der Aktivitäten entspricht den vielfältigen Erfahrungshintergründen der TeilnehmerInnen: 265 uj 6 | 2015 Roma-Jugendorganisation Neben einem Musikworkshop, aus dem die improvisierte Band hervorging, und anderen kreativen Formaten gibt es immer auch politische Bildungsarbeit im engeren Sinne, die Auseinandersetzung mit rassistischer Berichterstattung in Medien, mit politischen Debatten zu aktuellen Ereignissen und mit historischen Hintergründen. Die jugendlichen TeilnehmerInnen lernen, wie sie etwa einen Videospot über soziale Netzwerke verbreiten können, um eine möglichst große Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erreichen, und sie drehen den entsprechenden Videoclip, der antiziganistischen Sprachgebrauch satirisch bloßstellt, auch gleich selbst. Andere entwerfen Schablonen, um ihre selbst überlegte Botschaft gleich auf beliebig viele T-Shirts malen zu können, wieder andere denken sich alternative Schlagzeilen für Medien aus, um eine andere Berichterstattung über Roma zu erreichen. Das Bundesjugendtreffen ist nur der Höhepunkt der Arbeit, die kontinuierlich in den Landesverbänden von Amaro Drom geleistet wird. Dies sind bisher Terno Drom e.V. („Der junge Weg“) in Nordrhein-Westfalen, das Romabüro Freiburg und Amaro Foro e.V. („Unsere Stadt“) in Berlin, weitere Landesverbände sind im Aufbau. Die Landesverbände sind lokal vernetzt und betreiben eine engagierte Jugendarbeit vor Ort. Sie organisieren Ferien- und Freizeitaktivitäten für Jugendliche, Bildungsangebote und Berufsberatung. Außerdem werden die Jugendlichen durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote darauf vorbereitet, selbst als MultiplikatorInnen in der Jugendarbeit tätig zu werden. Es ist wichtig, dass Roma selbst in der Jugendarbeit aktiv werden, denn nach wie vor sind dort in Deutschland vor allem Angehörige der Mehrheitsgesellschaft engagiert, die die Diskriminierungserfahrungen der Roma-Jugendlichen nicht teilen. Eine weitere Zielgruppe der Vereinsarbeit neben den Jugendlichen selbst sind außerdem Angehörige der Mehrheitsgesellschaft in allen Altersstufen: Amaro Drom verfügt über qualifizierte ReferentInnen, die Weiterbildungen zu Antiziganismus anbieten, um die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft für rassistische Stereotype und alltägliche Diskriminierung zu sensibilisieren. In diesem Zusammenhang arbeitet der Verein eng mit WissenschaftlerInnen und wissenschaftlichen Einrichtungen wie etwa dem Dokumentationszentrum deutscher Sinti und Roma zusammen. Empowerment in ganz Europa Neben der nationalen Ebene ist die internationale Vernetzung ein entscheidendes Merkmal von Amaro Drom. Der Verein verfügt über Partnerorganisationen in allen europäischen Ländern. Amaro Drom ist Mitglied im Internationalen Netzwerk von Roma-Jugendorganisationen, ternYpe, ebenso wie im europäischen Roma-Freiwilligendienstnetzwerk Phiren Amenca. Über Phiren Amenca kommen jedes Jahr Roma-Jugendliche aus anderen europäischen Ländern zu Amaro Drom nach Deutschland, um einen einjährigen Freiwilligendienst zu leisten - für die meisten eine unvergessliche Erfahrung. Roma aus anderen europäischen Ländern haben es oft schwer, Zugang zu regulären Freiwilligendiensten zu finden oder überhaupt von ihnen zu erfahren. An dieser Stelle setzt Phiren Amenca an, indem gezielt Roma-Jugendliche angesprochen und erreicht werden und die Erfahrungen, die sie als Roma machen, in der Begleitung während ihres Freiwilligendienstes stets thematisiert und berücksichtigt werden. Außerdem entsendet Amaro Drom über Phiren Amenca Roma- und Nicht-Roma-Jugendliche, die ihren Freiwilligendienst bei einer der Partnerorganisationen im Ausland absolvieren. So entsteht ein immer dichteres Netzwerk in ganz Europa. Auch über die Freiwilligendienste hinaus ist die Vernetzung der Roma-Jugendlichen in den verschiedenen europäischen Ländern ein zentrales Anliegen von Amaro Drom. Bisheriger Höhepunkt war sicher die internationale Jugendbe- 266 uj 6 | 2015 Roma-Jugendorganisation gegnung in Krakau „Dik he na bister - Look and don’t forget”, die rund um den 2. August 2014 stattfand. 1.000 Jugendliche aus ganz Europa versammelten sich für vier Tage in Krakau, um am 2. August in Auschwitz-Birkenau des Mords an ihren Vorfahren vor genau 70 Jahren zu gedenken. Im Rahmen der Workshops und Seminare an den Tagen vor und nach dem 2. August hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, Roma zu begegnen, die die Konzentrationslager überlebt haben. Ihre erschütternden Geschichten hinterließen einen tiefen Eindruck, viele der Jugendlichen blieben nach Seminarende, um weitere Fragen zu stellen und ihren Respekt auszudrücken. Auch die Gedenkzeremonie am 2. August selbst war ein bewegender Moment: Der Auftritt der 1.000 jugendlichen Roma, die in einer langen Prozession aufs Lagergelände von Auschwitz-Birkenau liefen, riesige Roma-Fahnen schwenkend, war ein beeindruckendes Bild und ein starkes politisches Signal. Ein weiterer Höhepunkt in 2014 war die erste, künftig jährlich stattfindende Internationale Jugendkonferenz zu Antiziganismus in Wien unter dem Titel „Putren le jakha - Open your Eyes“. Organisiert von dem Wiener Verein Romano Centro, einer Partnerorganisation von Amaro Drom, versammelte diese Konferenz 70 junge Roma und Nicht-Roma aus elf europäischen Ländern für eine ganze Woche in Wien. Auch hier standen politische Bildungsarbeit und Empowerment ganz oben auf dem Programm, die TeilnehmerInnen setzten sich etwa im Forumtheater mit eigenen Diskriminierungserfahrungen auseinander, teilten sie mit den anderen und überlegten gemeinsam, wie man auf bestimmte alltagsrassistische Situationen besser reagieren kann. Viele hatten zum ersten Mal die Möglichkeit, ohne Angst vor Anfeindungen mit anderen Betroffenen über ihre Erlebnisse sprechen zu können, und die Erfahrung zu machen, dass dem Gefühl der Ohnmacht mithilfe von Empowerment etwas entgegengesetzt werden kann, dass es Möglichkeiten gibt, selbstbewusst auf Diskriminierung zu reagieren. Außerdem organisierten die TeilnehmerInnen einzelne Programmpunkte selbst, etwa einen aufsehenerregenden antirassistischen Flashmob in der Wiener Innenstadt oder eine Pressekonferenz, die den Jugendlichen zum ersten Mal die Möglichkeit gab, selbst mit MedienvertreterInnen zu sprechen und eigene Themen zu setzen. Die TeilnehmerInnen des Theaterworkshops beeindruckten mit ihrer Performance auf der öffentlichen Abschlussveranstaltung der Konferenz, und die öffentliche Resonanz und der Erfolg überwältigten alle TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen. Für die Jugendlichen war es ein unvergleichliches Erlebnis, andere junge Roma aus ganz Europa zu treffen und eine Woche mit ihnen zu verbringen. Deshalb wird die Konferenz künftig jedes Jahr stattfinden, immer in einem anderen Land, voraussichtlich 2016 in Deutschland. Es sind solche Begegnungen, solche Erfolge und solche Erfahrungen, die durch die Arbeit von Amaro Drom ermöglicht werden. Jugendliche Roma und Sinti haben es oft schwer, einen selbstbewussten Umgang mit ihrer Identität zu entwickeln oder auch nur anderen gegenüber zuzugeben, dass sie Roma sind - viele verschweigen es aus Angst vor Anfeindungen. Dies gilt in besonderem Maße für diejenigen, die an Orten leben, wo es außer ihnen keine oder kaum andere Roma gibt. Es ist kaum zu überschätzen, wie wichtig es für sie ist, sich selbst als Teil einer Gruppe zu erleben, in der alle anderen von ähnlichen Erfahrungen berichten können. Für viele ist es das erste Mal, dass sie ganz normal mit anderen Jugendlichen zusammensein können, als eine/ r von vielen, ohne Unterschiede. Amaro Drom schafft einen geschützten Raum, in dem die Jugendlichen ohne Angst vor Ausgrenzung zu sich selbst finden und eine eigene Identität entwickeln können. Andrea Wierich Amaro Drom e.V. Weichselplatz 8 12045 Berlin andrea@amarodrom.de www.amarodrom.de
