unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Armut und Armutsprävention in Kindertageseinrichtungen
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Gerda Holz
Kinderarmut ist als gesellschaftliches Phänomen vielerorts in Deutschland zu finden. Folglich sind Einrichtungen, die mit Kindern zu tun haben, auch mit der Armutsproblematik konfrontiert. Beispielhaft für die Kindertageseinrichtungen (Kita) wird skizziert, wie stark es diese betrifft und was sie tun können, um armutspräventiv zu wirken. Armutssensibles Handeln ist gefordert.
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57 unsere jugend, 68. Jg., S. 57 - 67 (2016) DOI 10.2378/ uj2016.art10d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Gerda Holz Sozialarbeiterin (grad.), Diplom-Politikwissenschaftlerin Armut und Armutsprävention in Kindertageseinrichtungen Chancen für armutssensibles Handeln Kinderarmut ist als gesellschaftliches Phänomen vielerorts in Deutschland zu finden. Folglich sind Einrichtungen, die mit Kindern zu tun haben, auch mit der Armutsproblematik konfrontiert. Beispielhaft für die Kindertageseinrichtungen (Kita) wird skizziert, wie stark es diese betrifft und was sie tun können, um armutspräventiv zu wirken. Armutssensibles Handeln ist gefordert. Armut in Kindertageseinrichtungen Armutsbetroffenheit der Kitas - Hinweise zur Verteilung Jedes Kind ist anders und bringt daher seine Lebensbedingungen, den familiären Background, die elterlichen Erziehungsvorstellungen und Kompetenzen automatisch mit in jede Institution. Die Quote armer Kinder in einer Einrichtung beeinflusst die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte, folglich die Möglichkeiten der individuellen Förderung der Kinder, die Zusammenarbeit mit den Eltern und damit das Gelingen inklusiver Arbeit. Mit der Armutsproblematik aber sind hierzulande die Kitas und ihre Fachkräfte sehr unterschiedlich konfrontiert. Abhängig von der Lage der Einrichtung, ihrem Platzangebot und Ruf, ihrer Trägerschaft und nicht zuletzt ihrem Konzept besuchen keine, einige wenige, einige, viele oder sehr viele arme Kinder die jeweilige Kita. „Welchen Armutsanteil hat die Einrichtung? “ ist bisher nur selten Gegenstand von Berichterstattung. In der amtlichen Statistik (d. h.: Statistik der Kinder- und Jugendhilfe, Teil III: Kinder in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege), die die Kitas jährlich zum 1. März erheben müssen, taucht das Merkmal bislang nicht auf. So sind Kommunen - oder auch Träger und Einrichtungen -, die diese Information für wichtig erachten, gezwungen, die Daten gesondert und damit selbst zu erfassen. Hier haben vor allem zwei Kommunen viel dazu beigetragen, neues empirisches Wissen zu generieren: Wiesbaden und Mülheim an der Ruhr. Beide Kommunen verfolgen mit ihren Analysen u. a. die Absicht, Projekte und Maßnahmen besser platzieren zu können. Zunächst zu Mülheim an der Ruhr: Rund 28 Prozent der unter sechsjährigen Mülheimer Kinder lebten 2012/ 13 von Sozialgeld (SGB-II-Leistungen). Sie wohnten - wie andernorts auch - keinesfalls gleichmäßig verteilt im Stadtgebiet, 58 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung sondern konzentrierten sich in einigen städtischen Quartieren, z. B. lagen die Armutsquoten in der Innenstadt und in Mülheim-Styrum bei über 40 bzw. 50 Prozent. In den wohlhabenden Gebieten war dagegen nicht einmal jedes zehnte Kind unter sechs Jahren armutsbetroffen. Diese ungleiche Verteilung findet sich auf Einrichtungsebene wieder. Anhand der SGB-II-Quote für die Kitas, die über Informationen zu den EinschülerInnen der Schuleingangsuntersuchungsjahre 2009/ 10 bis 2012/ 13 ermittelt wurde, zeigte sich eine erhebliche Streuung der Kinderarmut. Bei den rund 80 untersuchten Kitas lag die Armutsbetroffenheit der Einrichtungen zwischen 0 und 72 Prozent. Die Mülheimer Daten offenbaren zudem, dass das vermutete Muster „Armutsbetroffenheit der Kita = Armutsbetroffenheit des Quartiers“ keineswegs immer gilt: Auch in benachteiligten Quartieren finden sich Kitas mit einer sehr niedrigen SGB-II- Quote sowie in wenig belasteten Sozialräumen Kitas mit einem überdurchschnittlichen Armutsanteil in der Einrichtung (vgl. Gross/ Jehles 2015). In Wiesbaden führte die Jugendhilfeplanung 2012 eine Strukturdatenanalyse über die Kitas in der Stadt durch. Eine Frage lautete: Welche Kita hat welchen Anteil an armen Kindern? In Abb. 1 (vgl. linke Säule) ist wiedergegeben, wie sich die rund 170 Kitas in punkto Armutsanteil verteilen: In knapp der Hälfte (44 %) stellt Armut die Ausnahme dar (d. h. weniger als 10 % arme Kinder), in gut einem Drittel (36 %) ist der Anteil armer Kinder durchschnittlich (d. h. 10 % bis unter 33 %), knapp ein Fünftel (d. h. 19 %) hat einen überdurchschnittlichen Armutsanteil (d. h. 1/ 3 bis unter 2/ 3 arme Kinder) und bei einer kleinen Minderheit (1 %) der Kitas wachsen mehr als zwei Drittel ihrer Kinder unter Armutsbedingungen auf. Die Wiesbadener Untersuchung analysiert die Armutsquoten der Kitas aber nicht nur aus Einrichtungsperspektive, sondern ebenso aus der Perspektive der Kinder. Die entsprechende Fra- 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % KT, in der Armut die Ausnahme darstellt (weniger als 10 % Kinder mit Bezug AlgII) KT mit durchschnittlichem Armutsanteil (10 % bis unter 1/ 3 der Kinder in der KT mit Bezug AlgII) KT mit überdurchschnittlichem Armutsanteil (1/ 3 bis unter 2/ 3 der Kinder in der KT mit Bezug AlgII) KT, in der Armut der Normalzustand ist (mind. 2/ 3 der Kinder in der KT mit Bezug AlgII) 44 36 19 1 5 39 52 4 Perspektive KT Perspektive Kinder Abb. 1: Verteilung armer Kinder auf Kitas nach Armutsanteil - Wiesbaden 2012 KT = Kindertageseinrichtung. Lesehilfe: 52 % der armen Kinder (vgl. rechte Säule) werden in Wiesbaden in den 19 % der „KT mit überdurchschnittlichem Armutsanteil“ betreut (vgl. linke Säule). Nur 5 % der armen Kinder werden in Wiesbaden in einer der Kindertagesstätten betreut, in der „Armut die Ausnahme darstellt“ (= 44 % der Kindertagesstätten). Quelle: KT-Strukturdaten 2012 der Landeshauptstadt Wiesbaden, vgl. Hock et al. 2014, 37. 59 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung ge lautet: Wo werden arme Kinder mehrheitlich betreut? Die Ergebnisse sind in der rechten Säule in Abb. 1 erfasst: Die deutliche Mehrheit der armen Kinder (56 %) wird in Kitas mit überdurchschnittlichem Armutsanteil betreut. Nur jedes 20. arme Kind (5 %) ist in Einrichtungen zu finden, in denen sie eher eine Ausnahme darstellen. Diese Verteilung auf Kita-Ebene kann natürlich regional abweichen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass in punkto Armutsthematik Kindertagesstätte nicht gleich Kindertagesstätte ist. Bereits eine 2006 durchgeführte bundesweite Erhebung mit Angaben aus 1.000 Kitas verwies auf eine höchst unterschiedliche Verteilung (vgl. Holz 2007). Armutsbetroffenheit scheint erst einmal für viele Einrichtungen weniger relevant. 41 Prozent der befragten Kitas gaben an, dass ihre Einrichtung eher gering betroffen ist, aber in rund einem Viertel der Kitas ist die Arbeit mit sehr vielen armen und sozial benachteiligten Kindern für den Alltag prägend (vgl. Tab. 1). Einflussfaktoren und Einflussmöglichkeiten auf die (Armuts-)Verteilung in der Kita Folgende Einflussfaktoren scheinen den Anteil armer Kinder in Kitas zu beeinflussen: (1) Lage der Einrichtung bzw. die soziale Segregation in der Kommune/ dem Kreis, (2) Platzangebot der Einrichtung, (3) Konzept der Einrichtung, (4) Träger der Einrichtung und (5) Ruf der Einrichtung (vertiefende Erläuterungen vgl. Hock/ Holz/ Kopplow 2014). Viele dieser die soziale Zusammensetzung der Kinder in der Kita (mit)bestimmenden Faktoren, lassen sich - so gewollt - beeinflussen, wenn auch weniger durch die frühpädagogischen Fachkräfte als durch die Kommunen/ Kreise in ihrer Planungs- und Steuerungsfunktion sowie die Träger in ihrer Steuerungsfunktion (z. B. über die Definition von Aufnahmekriterien, Weiterentwicklung und Implementierung von Konzepten und Fachberatung). Die Einflussmöglichkeit der Einrichtung selbst liegt im Wesentlichen in der Steuerung der Zugänge im Einzelfall. Zwar gibt es meist klare Aufnahmeregeln, dennoch hat die Einrichtungsleitung deutlichen Einfluss auf die Zugänge. Drei Beispiele: ➤ Sprechzeiten/ Anmeldezeiten: Je großzügiger diese bemessen sind bzw. je flexibler damit umgegangen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch schlechter organisierte und überforderte Eltern (was unter den armen Eltern häufiger vorkommt als bei anderen Elterngruppen) ihre Vormerkung bzw. Anmeldung realisieren. ➤ Abwägung der Aufnahmekriterien: Die meisten Einrichtungsleitungen haben oder hätten die Möglichkeit, z. B. über die Definition von „Dringlichkeiten“ gemäß § 24 a Abs. 3 SGB VIII, die Reihenfolge der Aufnahme nach den üblichen Aufnahmekriterien - z. B. nach Datum der Vormer- Anteil sozial benachteiligter Kinder Anzahl Prozent Eher gering Eher mittel Eher hoch Sehr hoch Gesamt 414 338 201 61 1.014 40,9 33,3 19,8 6,0 100,0 Die Kategorisierung der Kindertagesstätten wurde, nach Angaben der Einrichtungen, wie folgt vorgenommen: „sehr hoch“ = wenn a) (= Anteil arme Kinder) und b) (= Anteil Migrantenkinder) und c) (= Anteil aus anregungsarmen Familien) in der Kita mehr als 50 % ausmacht. „eher hoch“ = wenn a), b) oder c) höher als 50 %, „eher mittel“ = wenn a), b) oder c) mindestens einmal zwischen 30 % und 50 %, „eher gering“ = wenn weder a) noch b) noch c) über 30 % lag. Quelle: Kita-Erhebung Bertelsmann Stiftung 2006; Holz 2007, 7. Tab. 1: Anteil sozial benachteiligter Kinder (3 bis 6 Jahre) in Kitas in Deutschland 60 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung kung/ Anmeldung - zu verändern. Geht sie restriktiv, d. h. buchstabengetreu, mit den Aufnahmekriterien um, dann haben arme Kinder in der Regel geringere Chancen, einen Platz zu bekommen. ➤ Kontaktpflege, „Werbung“ und Kooperationsbeziehungen: Die Art und Weise, wie auf Eltern bzw. bestimmte Elterngruppen zugegangen wird, kann die Zugänge ebenfalls beeinflussen: Beteiligt sich z. B. die Kita am Elterncafé für junge Eltern im Stadtteil und pflegt sie Kontakte zum Sozialdienst/ ASD und zum Fallmanagement SGB II, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch arme Eltern/ Kinder Zugang zur Einrichtung bekommen. Wirbt die Kita für ihr Angebot jedoch im Rahmen von zentralen Familienbildungsangeboten wie PeKiP, Babyschwimmen usw., die meist von Mittelschicht-Eltern wahrgenommen werden (vgl. u. a. BMFSFJ 2010, 14), gilt eher das Gegenteil. Weitere Faktoren sind die Gestaltung des Anmelde- und Vormerksystems, aber auch die „Personalpolitik“ - d. h. die Teamstruktur mit Fachkräften aus allen kulturellen und sozialen Gruppen. Diese keinesfalls abschließende Auflistung verdeutlicht, warum - auch unter sonst gleichen Bedingungen (z. B. gleicher Stadtteil, gleiches Platzangebot) - die eine Kita mehr arme Eltern und Kinder hat als die andere. Die Armutsbetroffenheit einer Einrichtung hat Konsequenzen für die Kinder: Eine ausgewogene „soziale Mischung“ befördert inkludierende Prozesse und erhöht Teilhabechancen. Die Armutsbetroffenheit der Einrichtungen hat aber genauso Konsequenzen für die dort arbeitenden Fachkräfte, wie es in einem Leserbrief sehr ausdrucksstark formuliert wurde: „[…] als Erzieher war ich 13 Jahre lang in einer Brennpunkteinrichtung tätig. Inzwischen habe ich die Stelle gewechselt und musste erkennen, dass die Rahmenbedingungen, in denen ich jahrelang gearbeitet habe, erschreckend sind. […] Meiner Ansicht nach grenzen die Rahmenbedingungen in manchen Brennpunkteinrichtungen an Kindes-, Familien- und Pädagogen-Wohlgefährdung. […]“ (Auszug Leserbrief Carlo Schönberger, Kindergarten heute, 1/ 2013, 36) Insbesondere die (Un-)Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen scheint in engem Zusammenhang mit der Sozialstruktur der Kita-Kinder zu stehen. In der jüngeren Vergangenheit versuchen verschiedene Bundesländer wieder stärker auf die besonderen Herausforderungen von sozial stark belasteten Quartieren und in Erweiterung auf deren besondere Bedarfe einzugehen. Armutssensibilität in Kindertageseinrichtungen Was ist mit Armutssensibilität (nicht nur) in Kitas gemeint? So wenig bisher dieThematik „Armutsbetroffenheit von Einrichtungen“ umfassend erforscht ist, so sehr stehen wir am Anfang der Überlegungen, was Armutssensibilität in einer Einrichtung ist und ausmacht. Armutssensibilität wird hier verstanden als Feinfühligkeit und Empfindlichkeit gegenüber armutsbetroffenen Menschen - ihrer Lebenslage, ihren Bedürfnissen und Bedarfen, ihren Ressourcen und Bewältigungsstrategien, ihren Rechten. Sie ist ein pädagogischer Anspruch an Fachkräfte und Institutionen und lässt sich auf verschiedenen Ebenen umsetzen: (1) persönliche Ebene (z. B. Haltungen, Wissen, Kompetenzen und Handlungen), (2) institutionelle Ebene (z. B. konzeptbasierte Arbeit der Kita, Angebotsgestaltung sowie (3) strukturelle Ebene (z. B. sozialräumliche Vernetzung, Netzwerkarbeit in kommunalen Präventionsketten, Interessenvertretung). Armutssensibilität in der Kita ist zwingende Voraussetzung zum armutspräventiven Handeln durch die Kita. 61 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung Ansatzpunkte für Kitas zum armutspräventiven Handeln Die nachfolgend skizzierten Ansatzpunkte sind das Ergebnis einer Expertise im Auftrag der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte - WIFF (vgl. Hock et al. 2014), an deren Erarbeitung die Autorin beteiligt war. Für die Expertise wurden 2013 fragebogengestützte Interviews mit frühpädagogischen Fach-/ Leitungskräften in sechs Wiesbadener Kindertagesstätten durchgeführt. Die Auswahl berücksichtigte eine gewisse Bandbreite an Trägern, Konzepten, Betreuungsformen, sozialer Mischung der Kinder in den Kitas und Vernetzung im Stadtteil. Ausgangspunkt war die Annahme, dass die genannten Kriterien eine Bedeutung für die Arbeit der frühpädagogischen Fachkräfte mit armutsbetroffenen Kindern haben und mit möglichen Unterschieden mit den jeweiligen Rahmenbedingungen zusammenhängen könnten. Im Ergebnis lassen sich in sieben Bereichen wichtige Ansatzpunkte zum (armuts)präventiven Handeln in der Kita bzw. für die Arbeit der frühpädagogischen Fachkräfte generieren. Allgemein / vorab ➤ Transparenz über die Zugangskriterien aller Träger im Stadtteil für alle Eltern herstellen und in jeder Kita vorhalten Bei der Vormerkung ➤ Eltern persönlich, über Geschwisterkinder, Freunde oder Nachbarn daran erinnern, ihre Vormerkung zu verlängern (so dies vom Träger gefordert wird) sowie großzügiger Umgang bei Terminüberschreitungen: Arme/ benachteiligte Kinder nicht gleich streichen! ➤ Großzügige Auslegung der Trägervorgaben (mit Einverständnis des Trägers), wenn bei Eltern sprachliche Verständigungsprobleme oder Schwierigkeiten beim Umgang mit Bürokratie vermutet werden Bei der Aufnahme ➤ Bevorzugte Aufnahme von Alleinerziehenden und Berufstätigen in prekären Lebenslagen, weil andernfalls Arbeitsplatzverlust und damit Armut drohen ➤ Alle Eltern über Möglichkeiten und Procedere der Gebührenbezuschussung bzw. Gebührenübernahme informieren und Hilfe beim Ausfüllen der Formulare anbieten ➤ Benachteiligte Kinder möglichst früh (jung) aufnehmen und Ganztagsplätze anbieten ➤ In Einrichtungen mit überwiegend armutsbetroffenen Kindern innerhalb der Kita die Verteilung steuern, um in allen Gruppen eine möglichst gute Mischung zu erzielen und vermutete zusätzliche Belastungen, die durch die Aufnahme eines Kindes aus prekären Verhältnissen entstehen, gleichmäßig zu verteilen ➤ In Einrichtungen mit sozial gemischter Zusammensetzung und ausreichenden Kita-Plätzen im Stadtteil Kinder konsequent nach Rang auf der Warteliste aufnehmen, weil damit automatisch der Status der Mischung erhalten bleibt ➤ In Einrichtungen mit sozial gemischter Zusammensetzung benachteiligte Kinder bevorzugt aufnehmen, wenn der Stadtteil nicht über ausreichende Platzkapazitäten verfügt Tab. 2: Armutssensible Maßnahmen beim Zugang zu Kindertagesstätten 62 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung 1) Anmeldung, Vormerkung und Zugang zum Angebot Kindertagesstätte Der Zugang zur Kita wird wesentlich durch die Lage der Einrichtung und das konkrete Platzangebot (ganztags/ halbtags? Kindergemeinschaftsgruppen? Krippenangebot? ) mitbestimmt. Auch ist es wichtig, Kinder aus Familien in prekären Lebenslagen möglichst früh in der Kita zu betreuen und zu fördern, um ihre Bildungschancen zu verbessern. Die Einrichtungsleitung und die einzelne frühpädagogische Fachkraft können Eltern in ökonomischen Risikolagen durch folgende Maßnahmen beim Zugang zur Einrichtung unterstützen (vgl. Tab. 2). 2) Aufnahme - Phase des Übergangs von der Familie in die Kita Auf alle Kinder und ihre Eltern trifft es zu, dass sie den Übergang in relativ kurzer Zeit bewältigen müssen. Für alle Kinder heißt das z. B., die (zeitweise) Trennung von den Eltern zu verkraften, die neue Umgebung zu erkunden und neue Eindrücke zu verarbeiten, neue Regeln kennenzulernen und sich als Kind in einer Kindergruppe neu zu definieren. Für alle Eltern bedeutet das z. B., sich (zeitweise) von ihrem Kind lösen zu können, Vertrauen zu den Fachkräften zu entwickeln, ihre Regeln und Umgangsformen zu akzeptieren und die neue Rolle, Eltern eines Kita-Kindes zu sein, anzunehmen. Belastete Eltern kommen mit mehr Ängsten in die Einrichtung. Zum einen treten sie mit dem Eintritt des Kindes in die Kita aus dem privaten Raum heraus und machen ihre prekäre Lage öffentlich. Zum anderen fehlen ihnen soziale Erfahrungen und das Vertrauen darauf, dass sie selbst und ihre Kinder gut aufgenommen werden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, gerade diesen Familien in der Übergangszeit ausreichend Zeit und Unterstützung anzubieten sowie ihnen wertschätzend zu begegnen, damit der Übergang für die Kinder zu einer positiven, für ihre Bildungskarriere wertvollen Lernerfahrung werden kann. Armutsbedrohten Kindern fehlen, wenn sie in der Kita ankommen - laut Aussagen der Fachkräfte -, oftmals elementare Erfahrungen mit Materialien wie z. B. Büchern, Malstiften und -papier, Schere und Kleber, Naturerfahrung, Erfahrungen mit Theatern und Museen, Bewegung drinnen und draußen. Vor allem die Fachkräfte, die mit Kindern unter drei arbeiten, stellen fest, dass Informationen über gesunde Ernährung fehlen. Zu kleine Wohnungen, fehlendes Wissen über die Bedeutung gesundheitlicher Versorgung und früher Förderung, andere Prioritätensetzung seitens der Eltern werden als Ursache dafür genannt. Den frühpädagogischen Fachkräften ist meist bewusst, dass diese Faktoren mit wirtschaftlicher Armut einhergehen. Sie streben daher in ihren Einrichtungen die Kompensation mangelnder Erfahrungen der Kinder mithilfe geeigneter Angebote an. Armutssensibles Handeln umfasst u. a. ➤ Aktives und wertschätzendes Zugehen auf die Eltern, z. B. durch Hausbesuche und Begleiten der Familie von zu Hause in die Kita. ➤ Gezielte Förderung von Kontakten der Familien zu anderen Eltern, z. B. gezielte Einbindung in das Elterncafé, einen Elterntreff. ➤ Aktive Nachfrage zu Ämter-/ Behördenangelegenheiten, z. B. Klärung, ob Beitragsübernahme klappt, Unterstützung leisten. ➤ Oft, aber wertschätzend und situationsangepasst informieren, z. B. welche (Unterstützungs-)Angebote es in der Kita oder in der Kommune gibt. ➤ Ängste nehmen und Unsicherheiten als Normalität für jede Familie in dieser Eingewöhnungsphase darstellen. 3) Konzepte der Kindertagesstätte Nach Einschätzung der befragten Fachkräfte sind alle pädagogischen Konzepte prinzipiell dafür geeignet, mit Kindern und Eltern in ökonomischen Risikolagen zu arbeiten. Aber was macht eine armutssensible Kindertagesstätte aus? Wenn pädagogische Konzepte armutssensibel sein sollen, so … 63 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung ➤ müssen sie zuallererst die wirtschaftliche Lage der Eltern berücksichtigen und Kosten für entwicklungsfördernde Angebote möglichst gering halten, indem sie beispielsweise keine kostenpflichtigen Angebote Dritter in die Kita holen. ➤ müssen alle Angebote der Kita prinzipiell allen Kindern zugänglich sein und das einzelne Kind sollte dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen (d. h. konzeptionell wird kein Kind ausgeschlossen, weil seine Eltern sich ein Angebot nicht leisten können oder den pädagogischen Nutzen von z. B. musikalischer Früherziehung als Zusatzangebot nicht einschätzen können). ➤ muss auch wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Bildungskarriere des einzelnen Kindes in Kleingruppen mit Fokus auf die Sprachentwicklung gearbeitet werden. ➤ müssen viele, ausgewählte (gesundheitspräventive) Bewegungsangebote drinnen und draußen stattfinden, weil insbesondere Kinder aus armutsbedrohten Familien in beengten Wohnverhältnissen leben und selten oder gar nicht zusätzlich zur Kita zum Turnen, Schwimmen, Ballett o. Ä. gehen. ➤ muss es Angebote in der Natur, z. B. Waldwochen, geben und evtl. hierfür fehlende Kleidung bei Bedarf auch durch die Kindertagesstätte beschafft werden. ➤ müssen regelmäßig (Bildungs-)Ausflüge unternommen werden. 4) Interaktion in der Kindergruppe Die befragten Fachkräfte berichten von ihren Erfahrungen, dass die Kinder im Elementarbereich sehr wohl untereinander wahrnehmen, wer arm ist und wer nicht. Entwicklungsabhängig bemerken sie, wer welche Kleidung trägt, und streben an, chic gekleidet in die Kita zu kommen bzw. tolle Spielsachen mitzubringen. Ausgrenzungen finden auch dann statt, wenn die Körperhygiene der Kinder mangelhaft ist (typische Kinderreaktion: „der stinkt, da möchte ich nicht sitzen“). Körperpflege und saubere Kleidung sind nicht nur eine Frage des Geldes. Dennoch sind es die Kinder aus prekären Verhältnissen, die den Fachkräften (und den anderen Kindern! ) durch mangelnde Pflege auffallen. Das macht Interventionen auf Gruppenwie auf Elternebene absolut notwendig, um Stigmatisierungen und Ausgrenzungen der Kinder entgegenzuwirken. Aus Sicht der befragten Fachkräfte ist Inklusion zu befördern durch pädagogische Angebote,… ➤ die alle Kinder stärken und ihren Selbstwert sowie ihre Wertschätzung gegenüber anderen fördern und dabei gezielt Kinder mit besonderem Bedarf in den Blick nehmen. ➤ die bezogen auf Kinder in prekären Lebenslagen Wert legen auf: lieber viele kleine anlassbezogene, die aktuelle Situation aufklärende Tür- und Angelgespräche mit Eltern auf Augenhöhe statt eines großen „bestellten“ Eltern(kritik)gespräches, Wechselkleiderfundus, Ausgrenzung in der Kindergruppe besprechen, Einbeziehung aller Eltern: Eltern sollen das Problem in der Kindergruppe kennen und die Kinder/ die Kindertagesstätte dabei unterstützen, es zu lösen. 5) Arbeit am Thema „Armut“ im Team Das Thema Armut wird im Kita-Alltag überwiegend im Zusammenhang mit Festen und Ausflügen im Team angesprochen, der Impuls dazu geht in der Regel situativ von frühpädagogischen Fachkräften aus. Die finanzielle Absicherung von Ausflügen usw. stellt keiner der Interviewten als Problem dar - kein Kind wird ausgeschlossen, jeder darf mit, es findet sich immer ein Weg. Die Sozialdaten ihres Stadtteils waren vier von sechs interviewten Leitungen (! ) bekannt. In Stadtteilen, in denen die Kita zum Beispiel in 64 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung eine Analyse der Elternbedarfe einbezogen war, fand eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Sozialdaten des Stadtteils statt als in den anderen. Interessant ist ebenfalls eine Beschäftigung mit eigenen Armutserfahrungen (1. Fokus = eigene Erfahrungen aus der Kindheit und 2. Fokus = aktuelle Betroffenheit infolge von „working poor“). Diese sehr sensiblen Themen - weil sehr persönlich und sofort Emotionen weckend - im Team zu besprechen, erfordern aber eine gute Teamkultur sowie eine wirkliche Fähigkeit und den gelebten Umgang mit Selbstreflektion. Eine solche Diskussion liefert ganz neue Perspektiven und Rückschlüsse auf die eigene Haltung und die in der Einrichtung gelebte Kultur. Folgende Angebote wurden von den befragten frühpädagogischen Fachkräften als unterstützende Angebote genannt. Eine armutssensible Kita unterstützt durch … ➤ Beratung über BuT-Leistungen (Bildung und Teilhabe), ➤ Hilfestellung bei der Beschaffung und Ausfüllung der Formulare, ➤ Angebot der Ratenzahlung (wenn z. B. größere Geldbeträge wie für Freizeiten anfallen), ➤ Elternspenden, vom Elternbeirat verwaltete Beträge, ➤ Kleiderfundus in der Einrichtung, ➤ Mitnahmebörse (für jedermann, unabhängig vom Budget), ➤ Spiele und Bücher zur kostenlosen Ausleihe (z. B. als „Sprach- und Spiele-Rucksäcke“). 6) (Zusammen-)Arbeit mit Eltern Ohne die Eltern geht es nicht - die Erkenntnis hat sich mittlerweile durchgesetzt. Möchte man in der Kita in Zusammenarbeit mit Eltern herkunftsbedingter Bildungsbenachteiligung entgegensteuern, kann man sich an den „7 großen B’s“ der Arbeit mit Eltern orientieren: Begegnung, Beratung, Bildung, Begleitung, Betreuung, Budget und Beteiligung (vgl. Gemeinschaftsinitiative 2010). Der spannenden Frage, ob arme Eltern für die Belange ihrer Kinder für die Fachkräfte schwer erreichbar sind, kann hier nicht vertiefend nachgegangen werden, aber hierzu liefern zwei neue Studien viel Realität beschreibendes Material über die Lebenslage und die Potenziale armer Familien (vgl. Laubstein 2014, Andresen/ Galic 2015). Zurück zur Befragung der Kita-Fachkräfte. Hier lässt sich resümieren: Die meisten Eltern werden sehr wohl erreicht, und zwar durch persönliche Ansprache, wenn Hilfe gebraucht wird, also mithilfe eines ressourcenorientierten (d. h. wertschätzenden) und nicht defizitorientierten Umgangs miteinander. Diese Erfahrung haben Fachkräfte vor allem aus Kitas mit überwiegend benachteiligten Kindern gemacht. Armutssensible Zusammenarbeit mit Eltern bietet viele Möglichkeiten im Rahmen von Beratung bis zur Beteiligung, wie sie beispielhaft in Tabelle 3 aufgeführt sind. Auch armutssensible Kitas erreichen selten, dass sich armutsbetroffene Eltern aktiv an der Mitwirkung im Elternbeirat beteiligen. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies zwingend notwendig ist, kann man doch voraussetzen, dass sich Eltern in belasteten Lebenslagen vorrangig mit anderen Dingen als den Beiratsthemen „herumschlagen“ müssen. Auch hierzu liefern die Studien von Laubstein und Andresen/ Galic wertvolle Hinweise, um den Druck und das Bewältigungshandeln von Eltern in finanziellen Risikolagen auch nur ansatzweise nachzuempfinden. Es gibt allerdings genauso einige wenige Eltern, die gar nicht erreicht werden (wollen), z. B. weil sie in der Kita ausschließlich die Entlastung suchen und keine weiteren Erwartungen haben. An dieser Stelle war bei allen befragten frühpädagogischen Fachkräften Rat- und Hilflosigkeit wahrzunehmen. In solchen Fällen soll- 65 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung te durchaus der beratende Austausch mit dem Jugendamt gesucht werden. Getragen durch einen Präventions- und keinen Interventionsgedanken können diesen Eltern so noch ganz andere zugehende und fördernde sowie auch fordernde Angebote gemacht werden. Dafür aber ist ein differenzierter Blick auf den Elterntyp, seine Belastung, Erwartungen und Bedürfnisse erforderlich, weil man mit einem Format eben nicht alle Eltern erreicht. 7) Vernetzung und Kooperation Wer in einer Kita Eltern für Angebote für sich, ihre Kinder oder zusammen mit ihren Kindern gewinnen möchte, geht am besten den Weg über die Fachkraft als Vermittlerin zwischen Angebot und Zielgruppe. Ist die Gruppenerzieherin überzeugt/ nicht überzeugt von Qualität und Wirkung eines Angebotes, spüren das die Eltern und gehen hin oder eben nicht. Zitat Begegnung ➤ anlassbezogene Möglichkeiten, wie das gemeinsame Frühstück am Morgen nach der Übernachtung im Kindergarten, den Eltern-Kind-Nachmittag oder das Elterncafé während der Eingewöhnungsphase im Sommer ➤ Listen mit Elternadressen und Telefonnummern; Fachkräfte fördern aktiv gegenseitige Besuche der Kinder ➤ anlassunabhängige Möglichkeiten, sich untereinander zu treffen, z. B. in einem immer zugänglichen Elterntreff ➤ Angebote für Eltern mit Kindern (Grillnachmittag) bzw. mit Kinderbetreuung Beratung ➤ das so genannte Tür- und Angelgespräch anstelle des „bestellten“ Gespräches - Fachkräfte sind für Fragen immer ansprechbar (Eltern-)Bildung und Begleitung ➤ ein Elterncafé mit Programm, Informationen und Begleitung ➤ z. B. den akustischen Elternbrief in verschiedenen Sprachen (entwickelt im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojektes „Lilo Lausch - Zuhören verbindet“ der Stiftung Zuhören und der Vodafone Stiftung Deutschland) Budget ➤ Feste für Eltern und Kinder (aber: Achtung Kosten! Gutes Beispiel: alle Eltern, die Essensspenden zu Festen mitbringen, erhalten als Gegenleistung Gutscheine, mit denen die ganze Familie auf dem Fest kostenlos Essen und Getränke erhält) Beteiligung ➤ Elternerwartungen und -wünsche abfragen, z. B. im Rahmen von Entwicklungsgesprächen (Fragebogen sind meist für die Zielgruppe weniger geeignet! ). ➤ Eltern die Möglichkeit bieten, eigene Ressourcen einzubringen, z. B. in der (nichtdeutschen) Muttersprache vorlesen („Meine Mama / mein Papa liest vor“), Mütter und Väter zum Kochen oder Backen mit Kindern einladen (Materialien stellt die Kindertagesstätte), bei Eltern Fähigkeiten aus einem erlernten Handwerk abfragen und sie darüber in die Kita einbinden. Tab. 3: Möglichkeiten armutssensibler Zusammenarbeit mit den Eltern 66 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung einer Fachkraft: „Das geschieht ohne Worte! Die (Eltern) sehen dich an und wissen sofort, was du davon (dem Angebot) hältst, da brauchst du dann gar nichts mehr zu sagen! “ Fachkräfte sollten die Angebote für Eltern und den Anbieter gut kennen, was sich wie folgt gestalten lässt. (Armutssensible) Fachkräfte können Eltern für Angebote gewinnen, wenn … ➤ die Anbieter sich und ihr Angebot in der Kita vorstellen, z. B. während eines Festes einen Spielstand anbieten und dabei für sich und ihr Angebot werben, ➤ Angebote in den Räumen der Kita stattfinden, ➤ gegenseitiger Informationsaustausch sichergestellt ist, ➤ die Kita und die Anbieter sonstiger Angebote im Stadtteil vernetzt sind und sich regelmäßig gemeinsam mit dem, was Eltern brauchen, befassen. Vieles, aber nicht alles, was Kinder für eine gute Entwicklung brauchen, kann in den Kita-Räumen geboten werden. Anreize zum Entdecken der Welt schaffen heißt auch, nach außen zu gehen. Die armutssensible Kita nutzt daher die Ressourcen, die der Stadtteil bzw. das weitere Umfeld bietet, als Ergänzung der eigenen Angebotspalette für alle Kinder und trägt dabei Sorge dafür, dass sie auch von armutsbelasteten Eltern und ihren Kindern in Anspruch genommen werden. Die Kita ist mit allen notwendigen Partnern im Sozialraum vernetzt. Sie hält Informationen über Angebote und Öffnungszeiten vor und begleitet solche Eltern, die von sich aus dort nicht ankommen würden, bei der Kontaktaufnahme (z. B. zusammen anrufen, Kontakt in der Kita organisieren, gemeinsam hingehen). Fazit Die Äußerungen der Kita-Leitungen stellen sehr deutlich klar, dass die vorhandenen pädagogischen Ansätze frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung prinzipiell eine armutssensible Arbeit ermöglichen und unterstützen, weil sie alle die Stärkung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellen: seine gesunde, kognitive und soziale Entwicklung, die Stärkung seiner Selbstwirksamkeit und seine Unabhängigkeit. Bestätigt wird dieses Verständnis u. a. durch den Kinderreport 2012, der der frühen Beteiligung der Kinder an Entscheidungsprozessen in der Kindergruppe, dem Erleben von Selbstwirksamkeit und Teilhabe einen Einfluss auf die Beendigung von Armutskarrieren zuschreibt (vgl. Deutsches Kinderhilfswerk 2012). Genauso deutlich wurde seitens der Leitungskräfte ausgeführt, dass armutssensible Arbeit auf verschiedenen Ebenen im Alltag stattfinden muss, damit die Wirkung langfristig bei den Kindern ankommt. Neben der weiteren theoretischen Fundierung des Aspektes „Armutssensibilität in und durch Einrichtungen“ gilt es aber ganz besonders, das bereits vorliegende Praxiswissen bundesweit zu verbreiten und zum allgemeinen Qualitätsstandard in der Arbeit mit und für junge Menschen zu machen. Gerda Holz Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. Zeilweg 42 60439 Frankfurt a. M. gerda.holz@iss-ffm.de 67 uj 2 | 2016 Armutssensibles Handeln in der Kindertagesbetreuung Literatur Andresen, S., Galic, D. (2015): Kinder. Armut. Familie. Alltagsbewältigung und Wege zu wirksamer Unterstützung. Bertelsmann-Stiftung: Gütersloh Deutsches Kinderhilfswerk (2012): Kinderreport 2012 - Zusammenfassung. Mitbestimmung in Kindertageseinrichtungen und Resilienz. Berlin, http: / / www.die beteiligung.de/ pdf/ kinderreport_2012_dkhw_kurz fassung.pdf Gemeinschaftsinitiative AWO Niederrhein, ISS-Frankfurt am Main, Stadt Monheim am Rhein - Jugendamt (2010): Für die Zukunft unverzichtbar ‚sozialpädagogische Elternbildung‘ Impulspapier. Essen Gross, T., Jehles, N. (2015): Der Einfluss von Armut auf die Entwicklung von Kindern. Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung. Gütersloh, https: / / www. bertelsmann-stiftung.de/ fileadmin/ files/ BSt/ Publikationen/ GrauePublikationen/ 03_Werkstattbericht_ Einfluss_von_Armut.pdf Hock, B., Holz, G., Kopplow, M. (2014): Kinder in Armutslagen: Grundlagen zum armutssensiblen Handeln in der Kindertagesbetreuung. Expertise im Auftrag des WIFF. München Holz, G. (2007): Wer fördert Deutschlands sozial benachteiligte Kinder? Rahmenbedingungen zur Arbeit von Kitas mit sozial benachteiligten Kindern. Eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh Laubstein, C. (2014): Expertise zu „Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin“. Frankfurt a. M., http: / / www.iss-ffm.de/ presse/ m_321 LVR = Landschaftsverband Rheinland - Landesjugendamt: Koordinationsstelle „Netzwerke gegen Kinderarmut“. Online verfügbar: http: / / www.lvr.de/ de/ nav _main/ jugend_2/ jugendmter/ koordinationsstel lekinderarmut/ koordinationsstellekinderarmut_1. jsp
