unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2016.art24d
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Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus
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Katrin Kantak
Wie können Kompetenzen von Schul- und Sozialpädagogik, Unterstützungsleistungen der Systeme Schule und Jugendhilfe wirksam gekoppelt werden, damit junge Menschen nicht ins Abseits geraten? Eine Systematisierung der Erkenntnisse und Erfahrungen der Landeskooperationsstelle Schule – Jugendhilfe Brandenburg.
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158 unsere jugend, 68. Jg., S. 158 - 164 (2016) DOI 10.2378/ uj2016.art24d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Schulabsentismus in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe begegnen Strukturmodelle einer multiprofessionellen Förderung Wie können Kompetenzen von Schul- und Sozialpädagogik, Unterstützungsleistungen der Systeme Schule und Jugendhilfe wirksam gekoppelt werden, damit junge Menschen nicht ins Abseits geraten? Eine Systematisierung der Erkenntnisse und Erfahrungen der Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe Brandenburg. von Katrin Kantak Jg. 1962; Lehrerin, Supervisorin und Schulentwicklungsberaterin; Leiterin der Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe Brandenburg Die meisten Kinder und Jugendlichen haben Freude am Lernen und erleben ihre Schulzeit als wichtige und wertvolle Zeit ihres Lebens. Ein Teil der schulpflichtigen jungen Menschen aber ist schulmüde, schwänzt zeitweise oder verweigert den Schulbesuch ganz. Es ist in erster Linie Aufgabe des Schulsystems, Kindern und Jugendlichen auch in schwierigen Lebens- und Bildungssituationen ein erfolgreiches Lernen in der Schule zu ermöglichen. Das Wohlbefinden junger Menschen, ihre Neugier, ihr Selbstvertrauen, ihre Fähigkeiten zur sozialen Interaktion, ihre Bereitschaft und auch Möglichkeit, sich auf schulisches Lernen einzulassen, existieren jedoch nicht abgekoppelt von ihren außerschulischen Lebenswelten, von den Bedingungen des Aufwachsens in Familie, Wohngebiet und weiterem sozialen Umfeld. Die Kinder- und Jugendhilfe mit ihrem gesellschaftlichen Auftrag, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern, vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen und Eltern bei der Erziehung zu beraten und zu unterstützen, ist breiter aufgestellt: Ihr Auftrag bezieht sich auf alle Lebenswelten, Schule einschließlich. Und er konkretisiert sich am Thema Schule für junge Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind (siehe § 13 SGB VIII). Insofern stehen beide öffentlichen Systeme, Schule wie Kinder- und Jugendhilfe, in der Verantwortung. Und sie verfügen dementsprechend über je eigene, sich ergänzende Kompetenzen: Während Lehrkräfte in ihrer Ausbildung Expertise in 159 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus bestimmten Fachgebieten (wie Geografie, Mathematik, deutsche Sprache und Literatur) und didaktisch-methodische Kenntnisse und Fähigkeiten der Wissensvermittlung erworben haben, besitzen sozialpädagogische Fachkräfte vor allem Know-how dafür, junge Menschen und Familien bei ihrer Lebensbewältigung zu unterstützen und in ihren sozialen sowie (mit Elternbezug) Erziehungskompetenzen zu stärken. Der nachfolgende Beitrag zeigt Möglichkeiten der Leistungskoppelung beider Systeme und des professionellen Zusammenwirkens beider Berufsgruppen in der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen auf, die aus dem Schulsystem herauszufallen drohen oder am Ort Schule nicht mehr erfolgreich gefördert werden können. Die Angebote lassen sich in Bezug auf ihre Nähe zum regulären Unterrichts- und Schulbetrieb in einem Stufenmodell abbilden (siehe Abb. 1): Lernort Schule Der „Königsweg“ besteht darin, Kinder und Jugendliche am Ort Schule so zu unterstützen, dass ein gänzliches Herausfallen aus dem Schulsystem verhindert wird. Insofern gilt es, den Regelort Schule zu stärken und die Haltekräfte rund um Schule so zu mobilisieren, dass ein Verbleib in der Schule und damit auch in der Gemeinschaft der Gleichaltrigen möglich ist. Angebote der Schule Für Schule ist diese Herangehensweise durchaus ungewöhnlich, scheint doch qua gesetzlicher Schulpflicht klar geregelt, dass alle Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter in die Schule „zu gehen haben“. Über welche Handlungsansätze und Möglichkeiten verfügt Abb. 1: Handlungsmöglichkeiten von Schule und Jugendhilfe bei Schulverweigerung Quelle: © www.kobranet.de/ Katrin Kantak 160 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus die Schule, damit alle Schüler/ innen - unabhängig von ihrer individuellen Ausgangslage - Schule als guten Ort für sich empfinden? In erster Linie gilt es, jeder Schülerin und jedem Schüler schulische Lernerfolge zu ermöglichen. Grundlage dafür ist eine individuelle, stärkenorientierte Förderung, wo nötig angereichert durch Sonderpädagogik. Ein positives, angstfreies Schulklima, eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung sowie verlässliche Regeln und Rituale tragen dazu bei, dass sich Schüler/ innen an der Schule gut aufgehoben fühlen. Treten Probleme bei einzelnen Schüler/ innen auf, werden diese wahrgenommen und erkundet. „Keinen zurücklassen“ als gelebte Schulkultur, in der z. B. durch Patenschaften Unterstützung auf der Peerebene stattfindet, gibt dem Einzelnen die Sicherheit, bei Problemen nicht allein zu sein. Schulisches Lernen wird u. a. durch Projekt- und Praxislernen handlungsorientiert und methodisch abwechslungsreich gestaltet und dadurch von den Schüler/ innen auch im Hier und Jetzt als lebensnah und sinnstiftend erlebt. Doch auch und gerade Schulen, die sensibel für die Lebenslagen und Bedürfnisse ihrer Schüler/ innen sind und die o. g. Handlungsmöglichkeiten bereits weitgehend ausschöpfen, nehmen die Grenzen einer rein schulischen Förderung und die Notwendigkeit weitergehender Unterstützung für einzelne, besonders problembelastete Schüler/ innen und ihre Familien wahr. Sie suchen die Kooperation mit außerschulischen Partnern, insbesondere der Jugendhilfe. Angebote in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe in der Schule Die Jugendhilfe kann wesentlich dazu beitragen, dass gerade Kinder und Jugendliche in Problemlagen am Lern- und Lebensort Schule bedarfsgerecht unterstützt werden. Die bundesweit etablierteste Form der Jugendhilfeleistung in der Schule ist die Schulsozialarbeit. Aber auch weitere Jugendhilfeleistungen - v. a. interessenorientierte Angebote der Jugendarbeit, ambulante und teilstationäre Hilfen zur Erziehung - stärken Kinder und Jugendliche, die den Ort Schule für sich zwar noch als wichtigen Ort betrachten und aufsuchen, aber allein von schulischen Lernangeboten nicht ausreichend oder nur noch teilweise erreicht werden (können). Unabhängig davon, welche dieser Leistungen zum Einsatz kommen, ist es notwendig, dass Lehrkräfte und die mit den jungen Menschen und ihren Familien arbeitenden Jugendhilfefachkräfte miteinander kooperieren, ihre Ziele und Unterstützungsleistungen aufeinander abstimmen und gemeinsam Verantwortung für die Umsetzung übernehmen. Beratung und Begleitung im Einzelfall Anzeichen von Schulabsentismus werden am Ort Schule sichtbar und erfordern eine schnelle Reaktion. Werden sie nicht erkannt, können sie zu weiterem Abdriften führen bzw. den Wiedereinstieg für den/ die Schüler/ in erschweren. Da am Ort Schule viele Personen mit dem jungen Menschen arbeiten, ist zu klären, wer aktiv wird und als Schlüsselperson hauptverantwortlich einsteigt, quasi „den roten Faden“ hält. Zu entscheiden ist dies eher nach Beziehungsqualität als nach formaler Zuständigkeit, denn die Person sollte das Vertrauen des jungen Menschen genießen und ein Beziehungsanker auch in schwierigen Situationen sein. Infrage kommen v. a. Klassenleiter/ in oder Schulsozialarbeiter/ in. Unabhängig davon, ob diese Schlüsselperson Lehr- oder Jugendhilfefachkraft ist, geht es darum, die konkrete Situation zu verstehen und gemeinsam mit dem jungen Menschen, den Eltern und den in der Schule und ggf. auch außerhalb relevanten Akteuren nach Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen, Ziele und Maßnahmen zu verabreden und in der Umsetzung zu begleiten. Die Beteiligung der Eltern und des jungen Menschen an gemeinsamen Fallgesprächen stellt sicher, dass der Datenschutz kein Hindernis für eine Ver- 161 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus zahnung individueller schulischer Förderplanung und sozialpädagogischer Unterstützung darstellt. Konkrete und konsequent ressourcenorientiert angelegte Materialien für die Beratung und Begleitung im Einzelfall finden sich in einer gemeinsamen Handreichung des Landkreises Barnim und der regionalen Schulaufsicht. Interessenorientierte Angebote Gerade wenn sich - aufgrund welcher Ursachen auch immer - Probleme beim Lernen und Zusammenleben in der Schule ergeben bzw. verschärfen, wenn ein Wegbleiben für den Einzelnen zeitweise attraktiver und sinnvoller erscheint als in die Schule zu gehen, können interessenbezogene Angebote am Ort Schule eine Brücke zum Schulbesuch darstellen bzw. halten. Dabei kann es sich sowohl um schulische Angebote als auch um außerschulische Angebote (z. B. im Bereich des Sportes, der Jugendarbeit/ Jugendsozialarbeit oder auch der Jugendkulturarbeit) handeln, die hohe Attraktivität für den betreffenden jungen Menschen haben und sein Selbstwertgefühl stärken. Um das Potenzial solcher Angebote gezielt zur Unterstützung des regelmäßigen Schulbesuchs zu nutzen, bedarf es ihrer Integration in die schulische Förderplanung und der Zusammenarbeit der Fachkräfte, die diese Angebote leiten, mit den Lehrkräften im Regelunterricht. Angebote zur Stärkung sozialer Kompetenzen Angebote sozialen Lernens am Ort Schule werden in Abstimmung mit der Schule konzipiert und häufig im Tandem Sozialarbeiter/ in - Lehrkraft gestaltet. Sie können jugendhilfeseitig im Rahmen der Schulsozialarbeit (§ 13 SGBVIII) oder auch als Hilfe zur Erziehung in Form sozialer Gruppenarbeit (§ 29 SGBVIII) Umsetzung finden. Insbesondere Schüler/ innen mit norm- und erwartungswidrigem Verhalten in Form von aktionsorientierten Widerstandsformen (Unterricht stören, Beleidigen oder Bedrohen, Sachbeschädigung u. a.) eignen sich in spezifischen sozialen Lernarrangements alternative Handlungsstrategien an. Aber auch Schüler/ innen, die sich zurückziehen und nur schwer gelingende soziale Kontakte aufbauen können, werden durch ein Training sozialer Kompetenzen gestärkt. Grundlage solcher Angebote bildet ein gruppenpädagogisches Konzept/ ein Trainingskonzept sozialen Lernens. Denkbar sind unterschiedliche Strukturvarianten wie erlebnispädagogisch ausgerichtete soziale Gruppenarbeit, geschlechtsspezifische Angebote etc. am Ort Schule. Z. B. besteht umgesetzt im Rahmen der Ganztagsangebote die Chance, eine halboffene Gruppe zu bilden, die andere Schüler/ innen, ggf. Freunde der schulausstiegsgefährdeten Kinder/ Jugendlichen einbezieht und damit auch Lernen am Vorbild ermöglicht und die Integration der Zielgruppe unterstützt. Auszeitgestaltung, z. B. in einer Schulstation Eine als notwendig erachtete kurzfristige Herausnahme eines Schülers/ einer Schülerin aus einer für alle Beteiligten belastenden Situation gehört zum Alltag an Schulen. Folgt die Auszeit keinem pädagogischen Konzept bzw. ist mit ihr eine einseitige Schuldzuweisung an den jungen Menschen verbunden, wird sie von ihm in der Regel als demütigend und demotivierend erlebt. Eine selbst gewählte oder auch angeordnete Auszeit kann für alle Beteiligten dann sinnvoll sein, wenn sie pädagogisch gestaltet wird, d. h. dem jungen Menschen die Möglichkeit gibt, seine Situation und sein Handeln zu reflektieren, Unterstützung v. a. bei der Entwicklung von Handlungsalternativen leistet und darüber hinaus Begleitangebote zurück in den Regelbetrieb bietet. Für eine solche individuelle Begleitung besitzt die Jugendhilfe sozialpädagogisches Know-how. Insofern suchen Schulen für die Auszeitgestaltung die Unterstützung der Jugendhilfe. Geleistet wird sie - wo etabliert - auf Grundlage von § 13 SGB VIII, 162 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus z. T. aber auch in Verbindung mit § 27ff SGB VIII. In jedem Fall ist eine Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, insb. der Klassenlehrkraft notwendig, um verursachende Faktoren zu identifizieren und Maßnahmen der Abhilfe (in Bezug auf den jungen Menschen bzw. auch bezüglich der Unterrichtsgestaltung) zu erörtern und umzusetzen. Temporäre Lerngruppe mit dem Ziel der Reintegration in eine Schulklasse Bei Schülerinnen und Schülern, die durch schulischen Regelunterricht nicht mehr erreicht werden, aber den Ort Schule noch als zentralen Ort für sich akzeptieren, können hoch individualisierte Angebote unterstützend wirken. Insbesondere vielzügige Schulen nutzen die Möglichkeit, dafür eine temporäre, zumeist klassenstufenübergreifende Lerngruppe einzurichten. Für jede/ n Schüler/ in wird hier ein eigener Lern- und Entwicklungsplan erstellt und umgesetzt. Die in der Lerngruppe tätigen Lehrkräfte und Jugendhilfefachkräfte nutzen dafür ein flexibles Bausteinsystem aus einzelfallbezogener Arbeit, sozialem Lernen in der Kleingruppe, differenzierten schulischen, sozial- und werkpädagogischen Lernangeboten sowie Elternarbeit. Es erfolgt eine Einstiegsdiagnostik und eine schulische Förder- und sozialpädagogische Hilfeplanung. Während der Zeit des Lerngruppenbesuches werden gemeinsam mit der Klassenleitung und den Fachlehrkräften der Regelklasse Absprachen getroffen, die sichern, dass eine Reintegration möglich ist. Zum Teil geschieht die Reintegration fließend, beginnend z. B. in einzelnen Fächern bzw. bei ausgewählten Klassenaktivitäten. Eine solche temporäre Lerngruppe stellt hohe Anforderungen an die multiprofessionelle Zusammenarbeit der pädagogischen Fachkräfte: Sie bilden ein Team, in das jede Person und Berufsgruppe ihre spezifischen Kompetenzen einbringt. Erst im Zusammenspiel dieser ist die erforderliche ganzheitliche Unterstützung des jungen Menschen möglich. Jugendhilfeseitig kann das Angebot nach § 13 in Verbindung mit § 27 Hilfen zur Erziehung (konkret § 29 als soziale Gruppenarbeit oder § 32 SGB VIII als integrierter Tagesgruppenplatz) umgesetzt werden. Lernen am anderen Ort Angebote am anderen Ort, in der Regel bei einem Jugendhilfeträger, ermöglichen vorübergehend oder auch endgültig (dann ohne Reintegrationsanspruch in die allgemeinbildende Schule) eine andere, ruhigere Umgebung und stellen für den jungen Menschen eine deutliche Zäsur zu Besinnung und Neuausrichtung dar. Angebote in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe am anderen Ort Bei den Angeboten, die in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe (konkret von Einzelschule und Jugendhilfeträger) umgesetzt werden, kann der junge Mensch im Status des Schülers bleiben, erfüllt seine Schulpflicht quasi in einer Außenstelle der Schule mit Unterstützung von Lehrkräften und Fachkräften des (i. d. R. freien) Trägers. Das sichert ihm eine staatliche Zertifizierung der am anderen Ort erbrachten Leistungen (Zeugnisse, Schulabschluss). Für die Schule ist diese Struktur insofern erleichternd, als dass die als schwierig erlebten Schüler/ innen nicht mehr am Ort Schule sind. Im Interesse der jungen Menschen ist dieser Schritt allerdings gut abzuwägen, denn eine Rückkehr an die Regelschule aus diesem Setting, das einen gewissen Schonraum bietet, ist eine erhebliche Schwelle, die zu überschreiten erfahrungsgemäß einen hohen Krafteinsatz aller Beteiligten erfordert und bei einem Teil der jungen Menschen nicht mehr gelingt. Insofern sind vor allem für jüngere Schüler/ innen Unterstützungsangebote am Ort Schule zu bevorzugen. 163 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus Beratung und Begleitung im Einzelfall Unabhängig von der Ausgestaltungsform des Angebotes ist eine Beratung und Begleitung des einzelnen jungen Menschen unabdingbar. Sie beginnt bei der gemeinsamen Überlegung von Lehrkräften, Jugendhilfefachkräften, Eltern und dem jungen Menschen selbst, ob ein solches Angebot infrage kommt und welche Ziele mit dem Aufenthalt am anderen Ort verfolgt werden. Ist dafür eine Entscheidung von Jugendamt bzw. Schulaufsicht notwendig, sind diese ebenfalls beteiligt. Vor Ort arbeiten Lehrkräfte und Jugendhilfefachkräfte im Team, bringen schulcurriculare und darüber hinausgehende Lernziele in einer integrierten individuellen Förder- und Hilfeplanung zusammen, arbeiten - entsprechend ihrer Qualifikationen - arbeitsteilig an deren Umsetzung und planen wiederum gemeinsam mit Eltern und jungem Menschen die Anschlussperspektive der Maßnahme. Temporäre Lerngruppe mit dem Ziel der Reintegration in Schule Eine temporäre Lerngruppe (analog zur Beschreibung am Ort Schule) kann auch räumlich außerhalb einer Schule angesiedelt sein. Das ist insbesondere für junge Menschen sinnvoll, die die Schule über lange Strecken nicht mehr besucht und eine große Distanz zur Schule aufgebaut haben. Ein solches Vorhaben wird z. T. auch als regionales Angebot von mehreren Schulen genutzt. Dies erschwert allerdings für die im Projekt tätigen Pädagog/ innen die Gestaltung der Kooperationsbeziehungen mit den Herkunftsschulen. Schulverweigerer-Projekt im Übergang Schule - Beruf Ein Schulverweigerer-Projekt im Übergang Schule - Beruf ermöglicht Schüler/ innen im 9. bzw. 10. Schulbesuchsjahr, die von regelschulischen Angeboten nicht mehr erreicht werden und aufgrund ihrer komplexen Problemlage auch keine Erfolgsprognose für eine Rückkehr an die allgemeinbildende Schule haben, eine qualifizierte Erfüllung der Schulpflicht und den Erwerb eines Schulabschlusses am anderen Ort. Darüber hinaus wird gemeinsam mit dem jungen Menschen an einer Anschlussperspektive in die Berufsweltgearbeitet. Sozialpädagogische Ziele (wie psychosoziale Stabilisierung, Hilfe zur Lebensbewältigung, Stärkung einer positiven Eltern-Kind-Beziehung) und schulische Ziele stehen dabei gleichwertig nebeneinander. Sozial-, schul- und werkpädagogische Ansätze ergänzen sich und werden im Sinne eines integrierten Angebotes umgesetzt. Die Erkenntnisse und Erfahrungen mit diesem Modell im Land Brandenburg sowie Arbeitshilfen für seine Umsetzung (u. a. Qualitätsstandards) finden Sie auf der Homepage der Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe [kobra.net]. Schulergänzende oder schulersetzende Angebote der Jugendhilfe Neben den in Kooperation mit dem Schulsystem gestalteten Unterstützungsangeboten für junge Menschen im schulpflichtigen Alter mit Schulausstiegstendenzen bzw. Schulabstinenz kommen jugendhilfeseitig auch nachfolgend benannte Leistungen zum Einsatz, die im Rahmen dieses Beitrages aber nicht näher ausgeführt werden. Zu ihnen gehören: ➤ lerntherapeutische Angebote (nach § 35 a SGB VIII, z. T. gekoppelt mit stationärer Unterbringung), ➤ Fernschule (z. B. Flex-Fernschule als heilpädagogisches Erziehungshilfeangebot nach § 27 SGB VIII) oder auch ➤ Angebote der Jugendberufshilfe, wenn die Schulpflicht vorzeitig beendet wurde. Auch die Eingliederungshilfe in der Schule (Jugendhilfeleistung nach § 35 a SGB VIII) ist hier eingeordnet (vgl. Abb. 1). Obwohl sie eine individuelle Begleitung des i. d. R. jüngeren Schulkindes im Schulalltag darstellt, ist sie regelhaft 164 uj 4 | 2016 Gemeinsame Verantwortung Schulabsentismus weder in Abstimmung mit der Schule konzipiert noch wird sie in gemeinsamer Verantwortung mit der Schule umgesetzt. Katrin Kantak kobra.net GmbH/ Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe Benzstr. 8/ 9 14482 Potsdam Tel. (03 31) 7 04 69 56 kantak@kobranet.de Literatur Landkreis Barnim, Staatliches Schulamt Eberswalde (Hrsg.) (2014): Wenn Schüler nicht zur Schule gehen. Eine Handreichung für Schulen im Landkreis Barnim. Eberswalde. http: / / www.kobranet.de/ nc/ aktuelles/ material.html? download=Broschuere_BAR_2014_ final_01.pdf&did=55, 30. 11. 2015 [kobra.net]: http: / / www.kobranet.de/ themen/ jungemenschen-in-problemlagen/ schulverweigerung/ material.html, 30. 11. 2015
