eJournals unsere jugend 69/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
111
2017
6911+12

Beziehungskiste Jugendarbeit

111
2017
Yvonne Oeffling
Die Kinder- und Jugendarbeit wird geprägt vom Engagement junger Menschen für junge Menschen. Es geht also um Beziehung und Beziehungen, d. h. es „menschelt“. Das Thema „Nähe und Distanz“ stellt somit einen elementaren Bereich der Präventionsarbeit für dieses Feld dar. Der Artikel greift verschiedene Beziehungskonstellationen auf und bietet Handlungsempfehlungen für die Praxis.
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473 unsere jugend, 69. Jg., S. 473 - 478 (2017) DOI 10.2378/ uj2017.art71d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Beziehungskiste Jugendarbeit Nähe & Distanz als wichtiger Aspekt der Prävention sexueller Gewalt Die Kinder- und Jugendarbeit wird geprägt vom Engagement junger Menschen für junge Menschen. Es geht also um Beziehung und Beziehungen, d. h. es „menschelt“. Das Thema „Nähe und Distanz“ stellt somit einen elementaren Bereich der Präventionsarbeit für dieses Feld dar. Der Artikel greift verschiedene Beziehungskonstellationen auf und bietet Handlungsempfehlungen für die Praxis. von Yvonne Oeffling Jg. 1983; Master of Social Management; Pädagogische Mitarbeiterin bei AMYNA e.V. - Verein zur Abschaffung von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt Die Kinder- und Jugendarbeit hat frühzeitig damit begonnen, sich mit dem Thema der Prävention von sexuellem Missbrauch auseinanderzusetzen. Schaut man auf die bundesweit tätigen Jugendorganisationen, so gibt es kaum mehr einen Verband, der das Thema noch nicht bearbeitet hat. Neben der Implementierung struktureller Schutzelemente (Verhaltenskodex, Krisenleitfaden, Partizipations- und Beschwerdesysteme, Qualifizierung ehrenamtlicher und hauptberuflicher Mitarbeitender usw.) geht es aber vor allem um die Gestaltung verlässlicher Beziehungen. Dies kann nur dann gelingen, wenn Ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende zuverlässig, vertrauenswürdig, wertschätzend und transparent in ihrem Denken und Handeln sind. Eine Kultur der Achtsamkeit „Wir setzen uns ein für eine Kultur der Achtsamkeit.“ - „In unserem Jugendverband haben wir einen kritischen Umgang mit Nähe und Distanz.“ - „Wir haben einen grenzenachtenden Umgang miteinander.“ - Solche Sätze finden sich häufig in den Präventionskonzepten der verschiedenen Einrichtungen und Verbände der Kinder- und Jugendarbeit. Selten sind diese Leitbild-Sätze allerdings untermauert durch konkrete Handlungsleitlinien. Wer mit Aktiven der Jugendarbeit spricht, bekommt immer wieder auch folgenden Satz zu hören: „Wenn man ehrenamtlich in der Jugendarbeit aktiv ist, steht man ja eh mit einem Bein im Gefängnis.“ Diese oder ähnliche Bekundungen sind nicht als vereinfachte Einschätzung von Ehrenamtlichen abzutun, dahinter steckt eine ernst zu nehmende Unsicherheit. Der Satz beschreibt das Dilemma und die Orientierungslosigkeit, die Ehrenamtliche auch heute noch oft verspüren, gerade wenn es um Fragen von Nähe und Distanz im Umgang mit Mädchen und Jungen geht. Dieser Unsicherheit Wissen und Handlungskompetenz entgegenzusetzen, sollte ein wesentliches Ziel von Präventions- 474 uj 11+12 | 2017 Beziehungskiste Jugendarbeit arbeit sein. Es braucht also mehr als schön klingende Sätze in Konzepten, um eine Kultur der Achtsamkeit tatsächlich lebendig werden zu lassen. Wissen schützt! Damit kompetentes Handeln an die Stelle schlotternder Knie tritt, gilt es mit Blick auf ein angemessenes Nähe-und-Distanz-Verhältnis verschiedene Perspektiven im Blick zu behalten. Rechte von Kindern und Jugendlichen Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind eine entscheidende Größe bei der Frage, was eigentlich in Ordnung ist und was nicht. Völkerrechtlich verbindlich sind die Rechte von Kindern in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Die Kinderrechte können dabei verschiedenen Kategorien zugeordnet werden: Überlebensrechte, Schutzrechte, Entwicklungs- und Förderrechte sowie Beteiligungsrechte (Wunderlich 2009). Diese Rechte müssen sich Kinder und Jugendliche nicht verdienen. Um diese Rechte für sich in Anspruch nehmen zu können, dürfen sie auch zu nichts verpflichtet werden. Ein Eingriff in diese Rechte darf niemals willkürlich, sondern nur gut begründet geschehen. Für Kinder und Jugendliche muss vorab transparent gemacht werden, wer und aus welchen Gründen in diese Rechte eingreifen darf (Fremdgefährdung; Selbstgefährdung). Wo sind Kinderrechte in der Kinder- und Jugendarbeit erlebbar? Wie schlägt sich das im Handeln der verantwortlichen MitarbeiterInnen nieder? Diese Fragen müssen beantwortet werden, dann erst ist ein erster Schritt hin zu einem angemessenen Umgang mit Nähe und Distanz ganz konkret gestaltet. Um wessen Bedürfnis geht es? Gerade nach dem Missbrauchsskandal 2010 war sehr oft zu hören: „Jetzt dürfen wir Kinder auf keinen Fall mehr auf den Schoß nehmen“. Statt dieser pauschalen Aussage sollte vielmehr die Frage gestellt werden: Wessen Bedürfnis ist es denn, dass das Kind auf dem Schoß sitzt? Sucht das Kind gerade nach Nähe, weil es zum ersten Mal von zu Hause weg ist und einen Moment Geborgenheit braucht, um die aufregende Zeit der Ferienfreizeit verarbeiten zu können? Oder ist es das Bedürfnis des Betreuers oder der Betreuerin, weil das Kind „ja ach so knuffig“ ist? Mitarbeitende in der Kinder- und Jugendarbeit sollten ihr eigenes Handeln dahingehend immer wieder kritisch überprüfen und ihre Handlungsweisen ggf. anpassen. Ein angemessener Umgang mit Nähe und Distanz mit betreuten Kindern und Jugendlichen darf sicherlich nicht von den persönlichen Bedürfnissen der Betreuungsperson geleitet werden, außer wenn es darum geht, eigene Grenzen zu wahren. Neben diesen beiden ganz grundlegenden Perspektiven gilt es aber auch, die verschiedenen Facetten von Beziehungen im Blick zu behalten, die im Feld der Jugendarbeit vorhanden sind. Beziehungskisten Jugendarbeit Gerade im Feld der Jugendarbeit treffen ganz unterschiedliche Konstellationen von Beziehungen aufeinander, die verschiedene Antworten auf die Frage „Ist das eigentlich noch o. k.? “ benötigen. Im Folgenden werden Beziehungen unter Jugendlichen, zwischen ehrenamtlichen Leitungspersonen und Jugendlichen sowie von hauptberuflichen Mitarbeitenden und Jugendlichen unter ausgewählten Gesichtspunkten beleuchtet. 475 uj 11+12 | 2017 Beziehungskiste Jugendarbeit Sexuelle Grenzüberschreitungen durch Jugendliche „Sexueller Übergriff eines jugendlichen Täters in drei Fällen.“ „Sexueller Übergriff - Jugendclique fällt über zwei Schülerinnen her.“ „Sexuelle Übergriffe im Feriencamp! “ Diese und ähnliche Überschriften lassen sich immer wieder in der Tagespresse finden. Trotz dieser medialen Präsenz verharmlosen und bagatellisieren jedoch viele Erwachsene nach wie vor bekannt werdende sexuelle Übergriffe durch Jugendliche. In den meisten Fällen tun sie dies, weil sie sich hilflos und überfordert fühlen und nicht wissen, wie sie sinnvoll darauf reagieren sollen (Rudolf-Jilg 2010). Wichtig ist es jedoch, zu klären, welche einvernehmlichen sexuellen Aktivitäten von Jugendlichen denn im jeweiligen Setting der Jugendarbeit überhaut o. k. sind und welche nicht? Wann muss eine haupt- oder ehrenamtliche MitarbeiterIn einschreiten? Küssen am Lagerfeuer, o. k.? Zusammen in einem Zelt übernachten, o. k.? Ein gemeinsamer Diskurs der verantwortlichen MitarbeiterInnen, ggf. danach auch zusammen mit den betreuten Mädchen und Jungen, kann helfen, die erforderliche Klarheit und Transparenz zu schaffen. Dies bietet den MitarbeiterInnen Sicherheit im Umgang mit den sexuellen Aktivitäten von Jugendlichen und ein Basiswissen, wann eine Intervention notwendig ist bzw. welche Handlungen als grenzüberschreitend eingestuft werden müssen. Bei der Erarbeitung solcher„Dos“ &„Don’ts“ ist es von Bedeutung, gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten ebenfalls zu reflektieren. Wenn Knutschen am Lagerfeuer für alle o. k. ist, dann auch, wenn zwei Jungs oder zwei Mädchen knutschen. Hier kann ggf. eine Intervention der MitarbeiterInnen notwendig werden, um die beiden vor Anfeindungen zu schützen. Diese Debatte und die dann daraus entstehenden Vereinbarungen („Dos“ & „Don’ts“) sind zum einen ein wichtiges Signal, dass Jugendarbeit sprachfähig zu dieser Thematik ist, und schafft zum anderen eine Klarheit darüber, was als unangemessen oder grenzverletzend definiert wird. Der Graubereich unangemessenen Verhaltens wird dadurch klarer und Grenzüberschreitungen können niedrigschwellig thematisiert werden, bevor es eventuell zu (massiven) Formen von Übergriffen kommt. Wenn aus GruppenleiterIn und TeilnehmerIn ein Paar wird Jugendarbeit ist geprägt von Beziehungen. Deshalb scheint es nicht weiter verwunderlich, dass es auch zu Liebesbeziehungen zwischen ehrenamtlichen GruppenleiterInnen und TeilnehmerInnen kommen kann, gerade dann, wenn der Altersunterschied gering ist. Handelt es sich hier doch um eine scheinbar klassische Form von Peergroup-Kontakten. Immer wieder taucht dabei die Frage auf: „Dürfen DIE das? “ Prinzipiell sollte gelten, Liebesbeziehungen zwischen ehrenamtlichen GruppenleiterInnen und TeilnehmerInnen mit geringem Altersunterschied nicht grundlegend abzulehnen. Sie gehören zum natürlichen Alltag der Jugendarbeit, fordern allerdings einen verantwortungsbewussten Umgang. Die folgenden Anregungen sollen eine Orientierungshilfe bieten, wie mit solchen Gegebenheiten umgegangen werden kann. Information als Schlüssel der Prävention Wenn es zu einer Liebesbeziehung zwischen GruppenleiterIn und TeilnehmerIn kommt, regieren oft Panik und Mythen. Diese blockieren einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Situation und sind für alle Beteiligten wenig hilfreich! 476 uj 11+12 | 2017 Beziehungskiste Jugendarbeit Ziel sollte es deshalb sein, zu einem überlegten und reflektierten Handeln zu kommen. Dazu brauchen die in der Jugendarbeit Aktiven Grundlageninformationen aus verschiedenen Themenbereichen: ➤ Sexuelle Entwicklungen im Jugendalter ➤ Grundlegende Informationen zu Sexualität und sexueller Vielfalt ➤ Rechtliche Grundlagen ➤ Grundlagen der Gruppendynamik Transparenz schaffen - Vertrauen gewinnen In erster Linie ist es natürlich eine Privatsache, WER mit WEM zusammen ist. Geht es aber um eine Beziehung zwischen GruppenleiterIn und TeilnehmerIn, hat diese Rollenänderung jedoch auch Einfluss auf das Gesamtgeschehen der Gruppe. Durch die Doppelung der Rollen ist die Beziehung nicht nur reine Privatsache, sondern sie hat eben auch Auswirkungen auf die jeweiligen Rollen der beiden als GruppenleiterIn und TeilnehmerIn. Wichtig ist es daher, zu definieren, wer die Handlungsverantwortung trägt, die Situation zu klären. Ehrenamtliche GruppenleiterInnen verstehen sich als LeiterInnen einer Gruppe. Übertragen auf den Zusammenhang des Rollenkonflikts „Wenn aus GruppenleiterIn und TeilnehmerIn ein Paar wird“ ist es also Aufgabe des/ der ehrenamtlichen GruppenleiterIn, Konsequenzen zu ziehen. Damit diese Konsequenzen nicht von Fall zu Fall individuell entwickelt werden müssen, ist es hilfreich, die Thematik in einer LeiterInnenrunde zu diskutieren und ein Verfahren zu entwickeln, wie in solchen Situationen generell vorzugehen ist. Solche Absprachen bieten allen Beteiligten Handlungssicherheit und schaffen Sicherheit und Transparenz. Mögliche Punkte für eine Vereinbarung wären folgende: ➤ Wir machen in der Leitungsrunde transparent, wenn wir mit einem/ einer TeilnehmerIn zusammenkommen. ➤ Wenn aus GruppenleiterIn und TeilnehmerIn ein Paar wird, wird die Leitung der Gruppe abgegeben. ➤ Bei Fahrten oder Freizeiten steht nicht das Paar, sondern die Rolle innerhalb der Jugendarbeit im Vordergrund. Sich Verlieben ist etwas Wunderbares! Es passiert, dass diese Gefühle auch zwischen GruppenleiterIn und TeilnehmerIn entstehen und sich daraus eine Beziehung entwickelt. Dies ist schön und es gibt keinen Grund, dies prinzipiell zu verteufeln! Wichtig ist eben nur, dass bereits im Vorfeld klar ist, wie mit diesen Situationen umgegangen wird. Nutzung von sozialen Medien von hauptberuflichen Mitarbeitenden mit Blick auf die Tätigkeit Wenn ehrenamtliche oder hauptberufliche Mitarbeitende in Online-Communities aktiv sind, tauchen sehr schnell Fragen auf, ob sie auch mit den Kindern und Jugendlichen vernetzt sein dürfen oder nicht, bzw. wie sie sich selbst in der Community präsentieren. Bei Facebook und Co. lassen sich private und dienstliche Nutzung oder Mitteilungen nicht sauber voneinander trennen. Deshalb ist es sinnvoll zu überlegen, in welcher Eigenschaft und Funktion (Privatperson; haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeitende,…) das jeweilige soziale Netzwerk vorwiegend genutzt werden soll (Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 2014). Aus der Forschung zu TäterInnenstrategien und der Auswertung von Fällen ist bekannt, dass die Vermischung von Privatbereich und Ehren-/ Hauptamt ein Nährboden für sexuelle Übergriffe sein kann. Für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene ist es häufig schwierig, diese „Graubereiche“ zu erkennen und zu bewerten. Welche Normen und Regeln gelten gerade? Die für private Kontakte oder die für Kontakte im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements oder dienstlichen Verhältnisses? Diese Orientierungskompetenz 477 uj 11+12 | 2017 Beziehungskiste Jugendarbeit wird manchmal in sozialen Netzwerken besonders auf die Probe gestellt. Deshalb ist es sinnvoll, dass Fachkräfte sich grundlegende Fragen zu Identifizierbarkeit und Transparenz stellen. Dies kann helfen, die „Graubereiche“ möglichst klein zu halten. Als erster Schritt können persönliche Reflexionsfragen helfen, die Identifizierbarkeit und Transparenz zu hinterfragen: ➤ Welche Informationen (beruflich, privat) gebe ich von mir preis? ➤ Als „wer“ (Privatperson, MitarbeiterIn in Haupt- oder Ehrenamt, Mitglied in einem Leitungsorgan? ) spreche ich? ➤ In welcher Funktion kommuniziere ich (privat, dienstlich, öffentlich)? Neben der persönlichen Reflexion und Beschäftigung mit Fragen zur Nutzung sozialer Netzwerke ist es ratsam, im Rahmen einer Teamsitzung das Thema zu besprechen. Eine gemeinsame Linie und die Vereinbarung von einigen konkreten Regeln zur Nutzung von sozialen Netzwerken geben eine Orientierungshilfe für alle Nutzerinnen und Nutzer (Jugendliche, ehren- und hauptamtlich Aktive, …) was unter einem respektvollem und transparenten Miteinander „online“ gemeint ist. Zusammenfassung Um den verschiedenen „Beziehungskisten“ innerhalb der Kinder- und Jugendarbeit gerecht zu werden und Übergriffe, egal in welchen Konstellationen, zu vermeiden, gilt es, in der Prävention folgende Punkte im Blick zu behalten. Transparenz schafft Sicherheit Sog. Schutzvereinbarungen können auf der breiten Straße pädagogisch sinnvollen und erwünschten Handelns die Abzweigung hin zu grenzenverletzendem bzw. nicht erwünschtem Handeln markieren und dies für Kinder, Eltern und Einrichtung/ Verband deutlich erkennbar machen (Rudolf-Jilg 2013). Sie dienen generell sowohl dem Schutz von Mitarbeitenden bzw. Ehrenamtlichen im Kontakt mit Kindern und Jugendlichen vor einem falschen Verdacht als auch dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor (sexuellem) Missbrauch und Gewalt - dies gilt nicht nur für face-to-face-Begegnungen, sondern auch für Kontakte in sozialen Netzwerken. Passgenaue, auf das individuelle Betreuungssetting (Zeltlager, Gruppenstunde, offener Jugendtreff ) angepasste Regelungen bieten allen Beteiligten Transparenz und Handlungssicherheit und damit eine niedrigschwellige Möglichkeit, ggf. Missstände anzusprechen. Nicht über die Köpfe der Kinder und Jugendlichen hinweg Jugendliche äußern zunehmend den Wunsch, dass sexualisierte Gewalt in den verschiedenen Bereichen der Jugendarbeit besprochen wird, und das nicht erst nach erlebter sexualisierter Gewalt (Krollpfeiffer 2016). Der Anspruch auf Mitgestaltung von Kindern und Jugendlichen an Präventionsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendarbeit steht auch für die Beteiligungskultur, die diese Felder auszeichnet (Schröer/ Wolff 2016). Um also eine Akzeptanz für die geschaffenen Regelungen von allen Beteiligten zu erreichen, ist es wichtig, nicht über die Köpfe der Kinder und Jugendlichen hinweg zu entscheiden. Um sie geht es! Ihr Schutz steht neben dem Schutz von Mitarbeitenden vor falschem Verdacht an erster Stelle! Beschwerdemöglichkeiten schaffen Beschwerdemöglichkeiten stellen einen wichtigen Baustein der Prävention von sexuellem Missbrauch dar. Um für den Schutz von Kindern tätig werden zu können, müssen verantwortliche Erwachsene erst einmal von Grenzverlet- 478 uj 11+12 | 2017 Beziehungskiste Jugendarbeit zungen und sexuellem Missbrauch erfahren. Die sicherste Quelle dafür sind die Kinder selbst. Kindern dieses Erzählen zu erleichtern, muss ein zentrales Element der Prävention sein. Dabei gilt es, vielfältige, niedrigschwellige und regelmäßige Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Mit der Haltung: „Wir GruppenleiterInnen sind ja da! Die Kids können schon kommen, wenn was ist! “ ist es hier nicht getan! Die Frage nach einem angemessenen Umgang mit Nähe und Distanz sollte also auch und gerade in der Kinder- und Jugendarbeit möglichst konkret diskutiert werden. Erst klare Regelungen und Transparenz schaffen an dieser Stelle Handlungskompetenz und lassen Verantwortliche mit ihrer Unsicherheit nicht im Regen stehen. Yvonne Oeffling AMYNA e.V. - Verein zur Abschaffung von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt Mariahilfplatz 9 81541 München Tel.: (0 89) 89 05 74 51 31 E-Mail: yoe@amyna.de Literatur Krollpfeiffer, D. (2016): Sichtweisen von jungen Menschen aus der Jugendarbeit auf sexualisierte Gewalt. Sexualisierte Gewalt enttabuisieren und besprechen. In: Sozialmagazin, 41. Jg., H. 7 - 8, 15 - 21 Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/ Publizistik (Hrsg.) (2014): Social Media Guidelines. In: http: / / hand lungsfelder.bayern-evangelisch.de/ downloads/ ELKB- Social-Media-Guidelines-ELKB-2014.pdf, 7. 4. 2017 Rudolf-Jilg, C. (2013): Das ist nicht O. k.! Schutzvereinbarungen im Umgang mit dem Patenkind. In: AMYNA e. V. (Hrsg.): Verletzliche Patenkinder. Prävention von sexuellem Missbrauch in Patenschaftsprojekten. AMYNA, München, 95 - 100 Rudolf-Jilg, C. (2010): Eine (hilflose) Jugend zwischen Bushido und Niceguys. Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen. In: AMYNA e.V. (Hrsg.): Prävention geht alle an! AMYNA, München, 57 Schröer, W., Wolff, M. (2016): Schutzkonzepte in der Jugend(verbands)arbeit. Dem Vertrauensvorschuss seitens der Jugendlichen nachhaltig gerecht werden. In: Sozialmagazin, 41. Jg., H. 7/ 8, 84 - 89 Wunderlich, T. (2009): Kinderrechte in der Caritas. Leitlinie zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in den Einrichtungen und Diensten der Caritas - zur Diskussion und Reflexion verbandlicher Praxis. In: https: / / dieseite36.jimdo.com/ beteiligung/ fachpra xis/ praxisbeispiele/ , 7. 4. 2017