eJournals unsere jugend 69/4

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2017.art27d
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2017
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Ein Blick über den Tellerrand

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2017
Klavdija Paldauf
Die Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. anderen wichtigen Bezugspersonen bei Kindern und Jugendlichen, die in Erziehungsheimen untergebracht sind, ist eine der wesentlichen Bedingungen, wenn wir eine erfolgreiche Erziehungswirkung aufbauen wollen. Mit sozialpädagogischen Ansätzen versuchen wir, offene Beziehungen zu gestalten und die Elternkompetenzen wiederherzustellen.
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181 unsere jugend, 69. Jg., S. 181 - 188 (2017) DOI 10.2378/ uj2017.art27d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Ein Blick über den Tellerrand Erfahrungen mit Elternarbeit bei Heimkindern im Erziehungsheim in Slowenien Die Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. anderen wichtigen Bezugspersonen bei Kindern und Jugendlichen, die in Erziehungsheimen untergebracht sind, ist eine der wesentlichen Bedingungen, wenn wir eine erfolgreiche Erziehungswirkung aufbauen wollen. Mit sozialpädagogischen Ansätzen versuchen wir, offene Beziehungen zu gestalten und die Elternkompetenzen wiederherzustellen. von Klavdija Paldauf Jg. 1976; seit 2008 Erzieherin im Erziehungsheim Veržej, Slowenien, Mitglied im slowenischen Projekt „Formative Evaluation“ Einleitung Für die erfolgreiche Erziehungsarbeit der Kinder ist die Zusammenarbeit mit den Eltern unbedingt notwendig, was zahlreiche Studien im In- und Ausland nachweisen. Auch slowenische Erzieher im Erziehungsheim Veržej kommen zu ähnlichen Erkenntnissen. Die Familien, mit denen wir in Kontakt kommen, sind in der Mehrheit nicht funktional und können keine optimale Entwicklung für ihre Kinder leisten. Deshalb zählen wir die Mitarbeit mit den Eltern bzw. anderen wichtigen Bezugspersonen zur wesentlichen Bedingung für erfolgreiche Erziehungswirkung. Die Bedürfnisse für die Miteinbeziehung der Eltern in die Arbeit mit den Kindern sind immer höher. Auf der einen Seite bringt das für die sozialpädagogischen Fachkräfte (d. h. Erzieher) neue Aufgaben, neue Pflichten und neue Verantwortung mit, wobei es auf der anderen Seite ermöglicht, dass eine erfolgreichere Erziehungsarbeit stattfinden kann. Wir schaffen Möglichkeiten, dass Familienmitglieder erkennen können, dass der Erfolg in der Erziehung und die Weiterentwicklung ihre Verantwortung ist. Familie und Kinder im Erziehungsheim Wenn Eltern vom vielfältigen Sozialnetz soziale Unterstützung bekommen, äußert sich das auch bei Kindern, da diese dann von den Eltern bessere emotionale Unterstützung bekommen. Es ist zu erkennen, dass Verhaltensstörungen seltener vorkommen, bessere Sozialfähigkeiten und -kompetenzen entwickelt werden, Schulleistungen gesteigert und Depressionen nicht so häufig registriert werden (Vec 2001, 131). In Fällen, in denen solche Entwicklungen nicht zustande kommen, können sich zahlreiche Formen und Stufen von Verhaltensstörungen entwickeln und im schlimmsten Fall muss als Maßnahme der Erziehungshilfe das Kind in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe untergebracht werden. Nach Ansicht von Krajnčan (2006) ist eine Fremdunterbringung für die Fa- 182 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien milie eine außerordentlich stressige Angelegenheit. Sie stellt einen massiven Eingriff in das Leben des Kindes dar sowie auch in das Elternrecht und die Autonomie der Familie (Taube 2000, 4). Um Stress zu mindern, ist eine Zusammenarbeit mit allen in diesem Hilfeprozess Beteiligten von großer Bedeutung. Erziehungsheim Veržej Das Erziehungsheim Veržej ist eine der drei Einheiten der öffentlichen Einrichtung Osnovna šola Veržej. Die beiden anderen Einheiten sind Kindergarten und Grundschule. Unsere Einheit, das Erziehungsheim, empfängt Kinder, die emotionale und Verhaltensstörungen vorweisen, die in der Literatur unterschiedlich erklärt und definiert werden. Zusammenfassend können wir sagen, dass das Verhalten solcher Kinder extrem auffällig bzw. abweichend, unangepasst, unangemessen und störend wirkt, was sich auch im emotionalen Bereich stark bemerkbar macht und häufig auch mit Lernstörungen verbunden ist. Im Alltag zeigt sich das in zahlreichen und sehr unterschiedlichen Formen und Stufen. Wir arbeiten mit schulpflichtigen Kindern (zwischen 6 und 15 Jahre alt) mit emotionalen und Verhaltensstörungen, die vom Sozialamt bei uns untergebracht werden oder mit gerichtlichem Beschluss ins Heim kommen. Die Kinder kommen aus allen Teilen Sloweniens. Wir bieten „eine Schule fürs Leben und für die Arbeit“ an, mit der Absicht, dass die Entwicklungsstagnation unterbrochen wird und sich Bedingungen für eine neue Entwicklung entfalten. Unser Erziehungsheim ist zuständig für die Hilfeleistung für Kinder, die eine spezielle sozialpädagogische Behandlung benötigen. Für die Facharbeit im Heim sorgen in erster Linie Erzieher mit sozialpädagogischer Ausbildung, Heimleiterin und Schuldirektor. Auch in der Schule haben die Lehrer sozialpädagogische Kenntnisse. Mit den Kindern arbeiten zusätzlich noch eine Sozialarbeiterin im Heim, eine Pädagogin in der Schule, eine Psychologin, ein Arzthelfer und andere nichtpädagogische Mitarbeiter. Nach Bedarf werden auch andere Fachkräfte aus dem fachlichen Umfeld (wie Kinderpsychologen, Kinderpsychiater, Kinderarzt…) einbezogen. Für die Kinder im Heim stehen 24 Erzieher in sechs Erziehungsgruppen rund um die Uhr das ganze Jahr zur Verfügung. Die Kinder wohnen während der Woche im Heim. In den meisten Fällen verbringen sie Wochenenden, Feiertage und Ferien zu Hause bzw. bei Pflegefamilien. Auch dann stehen Fachkräfte immer sowohl telefonisch als auch im Heim zur Verfügung. Wir versuchen für Familiarität, Entspannung, Offenheit und Toleranz zu sorgen. Dies schafft Grundlagen für das Bilden positiver Lebenserfahrungen und die Entwicklung eines positiven Selbstbildes der Kinder. Die für die Erziehung verantwortlichen Personen in unserer Einrichtung und die Eltern müssen zusammenarbeiten, wobei sozialpädagogische Beratung und Unterstützung im Vordergrund steht. Infolgedessen ergibt sich, dass die Sozialpädagogen unterschiedliche Aufgaben haben. Vor allem betonen wir immer wieder, dass wir die Eltern nicht ersetzen können. Unsere Aufgabe ist es, die Familie FAMILIE: Unterstützung aus dem Sozialnetz bzw. dem Umfeld KINDER: Wohlbefinden, Abwesenheit von Verhaltensstörungen ELTERN: Sensibilität, Wärme und Reaktionen in der Erziehung Abb. 1: Sozialnetz und die Familie 183 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien zu unterstützen und ihnen bei Kompetenzen zu helfen, die sie nicht ausreichend bewältigen. Die Erzieher sind somit Begleiter, Unterstützer und Berater für die Familie. Mit unterschiedlichen Formen und Methoden der Kinder- und Familienhilfe fordern wir die Eltern auf, verantwortungsbewusster zu handeln und (größere) Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen. Die Ziele sind individualisiert geplant und auf die Reintegration des Kindes in das primäre Umfeld eingestellt, und dabei ist enge Elternzusammenarbeit notwendig. Elternzusammenarbeit im Erziehungsheim Veržej Die Elternzusammenarbeit ist für uns von sehr großer Bedeutung, da wir vor allem für die Erhaltung der emotionalen Bindungen mit der Familie sorgen wollen. In manchen Fällen werden diese sogar neu gestaltet oder erneut wiederhergestellt. Zeitgleich werden das Kind und das primäre Umfeld stufenweise auf die Rückkehr des Kindes vorbereitet. Deshalb ist eine enge und aktive Zusammenarbeit mit den Eltern unbedingt notwendig. Unsere enge und aktive Zusammenarbeit soll den Eltern den Sinn der Fremdunterbringung näherbringen, damit die Bedeutung der Unterbringung im Heim sinnvoll erscheint. Eltern sollen erkennen, wie solche Aktivitäten auf das Kind wirken, damit wir dann zusammen planen können, wie sie selbst noch etwas zum Fortschritt des Kindes und zu besseren Beziehungen innerhalb der eigenen Familie beitragen können. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die sichtbare Resultate bringen soll, wo sich die Beziehungen stärken, Konflikte, Unterschiede und Missverständnisse mindern, sind unmittelbare persönliche Kontakte unerlässlich, und dafür engagieren wir uns sehr. Bei unserer Familienarbeit entsteht so ein Dreieck zwischen Eltern, Kindern und Erziehern im Heim. Dabei steht der Aufbau eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Eltern, Heimmitarbeitern und Kindern im Vordergrund. Erzieher als Facharbeiter lernen die Familie und deren Familiendynamik kennen und versuchen diese zu verstehen, damit dann zusammen gemeinsame Ziele geformt werden können, die der Entwicklung des Kindes und zugleich der Familie angepasst werden. Um erfolgreich zu wirken, sollen die Verhältnisse zwischen allen Beteiligten in Form einer Partnerschaft herrschen. Formen und Ebenen der Elternzusammenarbeit im Erziehungsheim Veržej Bei der Darstellung der Formen der Elternzusammenarbeit in Erziehungsanstalten beziehe ich mich auf die Aufteilung von Mikša (2015), die die Elternzusammenarbeit in formelle und informelle Formen aufteilt, wobei jeweils die Intensität der Zusammenarbeit berücksichtigt wird. Als Erstes wird die Ebene der Benachrichtigung erwähnt. Dabei geht es lediglich um Informationsaustausch zwischen Eltern und Erziehern bezüglich der Arbeit und dem Leben des Kin- Kinder und Jugendliche Erzieher im Heim Eltern bzw. Bezugspersonen Abb. 2: Hilfedreieck 184 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien des. Es folgt die Ebene der individuellen persönlichen Interaktion zwischen Eltern und Erziehern, wo neben dem Informationsaustausch noch eine intensivere Interaktion zwischen den Beteiligten stattfindet. Abschließend wird die Ebene der intensiven Elternarbeit erwähnt. Mit sehr intensiver Zusammenarbeit soll bewirkt werden, dass später stufenweise Verhaltensmusteränderungen der Eltern und der Kinder bzw. der ganzen Familie realisiert werden. Alle Ebenen der Elternzusammenarbeit kommen sowohl in formellen wie auch in informellen Formen vor, nur die Ebene der intensiven Zusammenarbeit hat keine formelle Form (ebda.). Im Erziehungsheim Veržej setzen wir alle Ebenen und Formen der Mitarbeit mit den Eltern ein. Die Betonung liegt vor allem auf den informellen Formen der Mitarbeit, da sich diese als besonders erfolgreich erwiesen haben und den Eltern in Wahrheit auch näherliegen, weil wir mithilfe von informellen Formen der Zusammenarbeit tatsächlich eine Partnerbeziehung zwischen Institution und der Familie aufbauen, was für die Weiterentwicklung des Kindes und der Familie von großer Bedeutung ist. Wir bemühen uns, die individuell angepassten Ebenen zu befolgen. Häufig können aber die Ebenen und Formen der Mitarbeit nicht genau unterschieden werden, sondern werden eng miteinander verknüpft eingesetzt. Formelle Formen der Mitarbeit Formelle Formen dienen vor allem der Verständigung, Informierung, Informationsaustausch, Meinungsaustausch oder Ähnliches. Eltern bekommen zugleich Informationen über Schulleistungen und Erziehungsarbeit im Heim, heben Fragen aus Situationen von zu Hause hervor und suchen zugleich Rat für die Weiterarbeit mit ihren Kindern zu Hause. So findet ein Austausch zwischen Erziehern und Eltern statt, die sich gegenseitig über die Kinder informieren, nachdem diese bei ihnen waren. Der erste Kontakt des Kindes und der Eltern mit der Institution kommt natürlich während des informativen Besuches vor. Beteiligt sind die Sozialarbeiter vom Sozialamt, unsere Sozialarbeiterin, Psychologin, Heimleiterin und ein Erzieher. Unsere Haupttätigkeiten werden den Eltern und Kindern vorgestellt, Informationen über Organisation und Art der Arbeit werden gegeben, Formen und Methoden bzw. entsprechende Hilfe werden mit der Absicht vorgestellt, den Eltern bei der Entscheidung für Fremdunterbringung des Kindes im Heim zu helfen. Jedes Kind hat gemeinsam mit seinen Eltern eine Teambesprechung, die mindestens zweimal jährlich vorgesehen ist. Neben Eltern Formelle Elternarbeit Informelle Elternarbeit Ebene der Benachrichtigung Informativer Besuch, Sprechstunden, Elternabende, Elternvorträge, Elternrat und Schulrat Telefongespräche Ebene der individuellen persönlichen Interaktion Teambesprechungen Elternbesuche im Heim, Hausbesuche der Erzieher, Kreative Workshops, Geselligkeits-, Kultur- und Sporttreffen Ebene der intensiven Elternarbeit --- Beratungsgespräch bzw. therapeutisches Gespräch, Zeit im Heim verbringen Tab. 1: Formen und Ebenen der Elternzusammenarbeit (vgl. Mikša, 2015, 199) 185 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien und Facharbeiter vom Sozialamt gehören zum Team jeweils Heimsozialarbeiterin, Psychologin, Heimleitung, Erzieher und Klassenlehrer des Kindes oder nach Bedarf auch andere Fachmitarbeiter. Das Team wird für jedes Kind schon am Anfang festgesetzt. In der Praxis findet die Teambesprechung einen Monat nach dem Empfang im Heim und am Schuljahresende bzw. wenn das Kind die Institution verlässt, statt. Wir besprechen zuerst Ziele der Hilfsarbeit mit dem Kind und dessen Familie und vereinbaren diese in einem individuellen Erziehungsplan. Später werden Fortschritte bzw. noch nicht erbrachte Leistungen des Kindes, die im individuellen Erziehungsplan vorgesehen sind, besprochen, geändert und weitergeplant. Die Teambesprechung ist auch als Evaluation der Arbeit vorgesehen. Nach Bedarf können Teambesprechungen auch häufiger vereinbart werden, vor allem bei Bewältigung einer akuten Situation zu Hause oder im Heim. Bei der Terminplanung werden alle Beteiligten berücksichtigt. Einmal pro Monat finden an unserer Schule Sprechstunden statt. Meistens werden diese von Eltern aus verschiedenen Gründen nicht besucht. Stattdessen werden die Informationen über die Schulleistungen den Erziehern mitgeteilt, die diese dann telefonisch an die Eltern weiterleiten, damit wir zusammen die Weiterarbeit planen können. Viermal jährlich sind Elternabende geplant. Diese werden von den Eltern auch oft gut besucht. Zweimal im Jahr wird zugleich auch ein Vortrag für die Eltern veranstaltet, wo aktuelle Themen und Probleme mit den Eltern bearbeitet und besprochen werden. Jede der sechs Gruppen wählt am Schuljahresanfang auch einen Vertreter, der die Interessen der Eltern im Elternrat vertritt. Aus dieser Gruppe wird ein Vertreter noch für den Schulrat auserwählt, der dann alle Eltern der Heimkinder vertritt. Informelle Formen der Mitarbeit Wegen der positiven Erfahrungen werden diese Formen immer häufiger eingesetzt. Es hat sich erwiesen, dass solche Formen wirksamer und intensiver sind und so bessere Resultate erzielt werden, da diese Formen die Eltern nicht zu sehr belasten und sie viel entspannter wirken. Intensive Beziehungen zwischen Eltern und Heim werden individuell aufgebaut, was gute Bedingungen für Änderungen im Verhalten und der Verhältnisse darstellt. Am häufigsten wird das Telefongespräch mit den Eltern eingesetzt. Es geht um einen Informationsaustausch zwischen Eltern und Erziehern oder anderen Fachmitarbeitern. Häufig wird dabei auch ein Beratungsgespräch bzw. therapeutisches Gespräch geführt. Die Eltern erkundigen sich über die Kinder im Heim. Außerdem suchen sie Rat und Hilfe für die Zeit, die sie mit den Kindern zu Hause verbringen, äußern ihre Sorgen, suchen Bestätigung für die Bestrebungen bei den Verhaltensänderungen oder brauchen nur jemanden, der ihnen zuhört, sie nicht verurteilt und an den sie sich wenden können, um Rat zu erhalten. Bei diesen Kontakten passen wir uns den Eltern und der Situation an. Die Eltern haben die Möglichkeit, jeden Tag anzurufen. Einige nehmen dieses Angebot auch täglich wahr. Wenn Eltern uns nicht selbst kontaktieren, rufen Erzieher mindestens zweimal wöchentlich bei ihnen an. Eine häufige Form der Zusammenarbeit sind Elternbesuche im Heim. Formelle Formen der Mitarbeit (vor allem Sprechstunden, Elternabende und Teamsitzungen) werden mit informellen Formen verbunden, damit Eltern Heimbesuche besser nutzen. Eltern besuchen uns nach ihren Möglichkeiten. Wir versuchen die Eltern zu motivieren, so oft wie möglich daran teilzunehmen, da ein persönlicher Kontakt sehr wichtig und erwünscht ist. In letzter Zeit erkennen auch die Eltern, dass derartige Mitarbeit geeigneter und auch wirksamer ist. Anwesend sind Erzieher, Eltern, nach Bedarf auch unsere Berater oder die Heimleitung. 186 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien Wenn Eltern an anderen Formen nicht teilnehmen, planen wir, zusammen mit unseren Beratern (wenn nötig auch mit dem Sozialamt), einen Hausbesuch der Erzieher bei der Familie. In allen Fällen ist ein Hausbesuch einmal bis zweimal jährlich vorgesehen. Manchen Eltern ist ein Hausbesuch angenehmer als der Besuch in einer Institution. Da haben sie ihre Privatsphäre, fühlen sich lockerer und wohler. Heimbesuche oder Hausbesuche werden mit den Eltern ausgemacht. In den meisten Fällen besuchen ein bis zwei Erzieher die Eltern zu Hause und besprechen sich dann auch mit dem Erzieherteam des Kindes. Als eine Alternative zu Hausbesuchen bieten wir seit ein paar Jahren an, dass die Eltern eine gewisse Zeit im Heim verbringen können. Nach Vereinbarung kommen Eltern einen Tag, ein Wochenende oder einen Teil der Ferien ins Heim, wo eine individuelle, vertiefte und intensive Arbeit nur mit ihnen, ihrem Kind und dem Erzieher oder einem engem Erzieherteam geplant ist. Nach Bedarf werden auch andere Fachmitarbeiter mit einbezogen. Seit mehreren Jahren machen wir sehr gute Erfahrungen mit kreativen Workshops, die in letzter Zeit immer zahlreicher besucht werden. Diese sind zweimal jährlich geplant. Kinder, Eltern und Erzieher verbringen einen lockeren Vormittag zusammen. Zusätzlich werden auch Mitarbeiter vom Sozialamt, die für das Kind sorgen, eingeladen. So lernen wir uns alle in einer entspannten Situation kennen. Wir besprechen Leistungen, Erfolge, Misserfolge, Dilemmata, Fragen und weitere Arbeit auf der einen Seite und nutzen diese Zeit für das Zusammensein, Kreativität und andere entspannte Aktivitäten auf der anderen Seite. Als entspannte Aktivitäten sehen wir auch Geselligkeits-, Kultur- und Sporttreffen vor, die in unserer Anstalt oder außerhalb stattfinden und wo die Kinder mitmachen. Dazu gehören Treffen vor Feiertagen und Festen oder anderen wichtigen Ereignissen (z. B. Weihnachten, Neujahr, Muttertag, Ostern, Schulende, Abschlussball, Staatsfeiertage …), Auftritte, Ausstellungsbesuche, Preisverleihungen, Sportereignisse oder Ähnliches. Die Eltern beteiligen sich an diesen Ereignissen vor allem dann, wenn ihre Kinder daran teilnehmen. Die meisten Anlässe sind schon im Jahresplan geplant, gelegentliche und nicht geplante Aktivitäten werden bei Bedarf später vereinbart. Hindernisse bei der Mitarbeit mit den Eltern im Erziehungsheim Veržej Das häufigste Hindernis, das die Eltern angeben, ist die Entfernung des Erziehungsheims. Wir betreuen Kinder aus ganz Slowenien - aus einem Umkreis von bis zu 300 km. Eine geringe Entfernung des Elternhauses kann positiv auf die Hilfeplanung und Ausübung wirken, da die Eltern dann häufiger und intensiver Kontakt pflegen können, aber andererseits ist eine größere Entfernung besser, wenn unangemessene Gesellschaft und Umfeld das Kind negativ beeinflussen. Unsere Dorfumgebung ist abgelegen und nicht so sehr von negativen Einflüssen der Stadtumgebung beeinträchtigt. Mit Entfernung verbunden sind auch Logistik und Zeitaspekte. Öffentliche Verkehrsmittel sind zwar vorhanden, aber die Fahrintervalle sind nicht häufig. Dazu kommt, dass viele Eltern kein Auto haben und/ oder keinen Führerschein besitzen. Ein Besuch im Heim ist deswegen in vielen Fällen für die Eltern sehr zeitaufwendig und auch mit ihren Arbeitsverpflichtungen schwer vereinbar Wir versuchen, die Eltern in ihrer jeweiligen Lage so viel wie möglich zu unterstützen und ihnen entgegenzukommen, indem wir die Mitarbeit im Voraus und zusammen mit ihnen planen, ihnen bei der Organisation helfen und auch einen Teil der Kosten zu übernehmen. Es 187 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien ist uns sehr wichtig, persönlichen Kontakt mit Eltern aufrechtzuerhalten, und deshalb ist das Entgegenkommen sehr erwünscht und notwendig. Neben oben genannten Hindernissen, die auch überprüfbar sind, kommen auch subjektive Hindernisse dazu. Am häufigsten sehen wir, dass Eltern nicht fähig sind, Verantwortung für die Situation zu übernehmen, oder einfach nicht bereit sind, Änderungen in die Familie einzuführen. Der Änderungsprozess ist in den meisten Fällen sehr lang. Positive Wirkungen sind auf kurze Zeit nicht sichtbar und deshalb bekommen Eltern manchmal den Eindruck, dass es zu keinem Fortschritt kommt. Eltern erkennen keinen Sinn in der Heimunterbringung als Art der Hilfeform oder haben zu große Erwartungen. In vielen Fällen verursacht das schlechte Erfahrungen, die die Eltern bei der vorherigen Hilfesuche schon gesammelt haben, und führt zu Enttäuschung, Machtlosigkeit und Mangel an Selbstbewusstsein der Eltern. Oft sind auch schlechte bzw. entfremdete Beziehungen in der Familie präsent. Zudem sehen wir, dass es schneller zur Ablehnung kommt, wenn zusätzlich noch die Umgebung, Verwandtschaft bzw. das Sozialnetz der Familie solche Hilfeformen (d. h. Heimunterbringung) nicht befürwortet. Als eine Art von Hindernis bzw. Mangel sehen wir in unseren Erfahrungen die (zu) späte Entscheidung zur Unterbringung im Heim als angebrachte Hilfe für die entstandene Situation. Manche Kinder werden erst mit 14 oder 15 Jahren zu uns gebracht und bleiben nur ein Jahr oder sogar weniger bei uns, weil sie anschließend in die Sekundärstufe des Schulsystems übergehen. Die Zusammenarbeit und erfolgreiche Hilfe kann deswegen nicht rechtzeitig beginnen und ist auch nicht so wirksam, da der Prozess zu schnell unterbrochen wird. Die Kinder verlassen die Einrichtung gerade dann, wenn erste Zeichen positiver Wirkung solcher Hilfen zum Vorschein kommen. Wir haben die Erfahrung gesammelt, dass Kinder, die früher unsere Hilfe bekommen, wenn die Probleme noch geringer sind bzw. sich noch nicht in so großem Maße entfaltet haben, mehr davon haben und sich positive Wirkung auch schneller einsetzt, da die Hilfen dann länger erhalten wurden. Fazit Arbeit mit den Eltern bzw. der Familie des Kindes hält emotionale Beziehungen aufrecht und ist unbedingt notwendig, da das Kind und die Familie im ganzen Hilfeprozess auf die Rückkehr des Kindes vorbereitet wird. Die Mitarbeit mit den Eltern und der Familie des Kindes, d. h. Zusammenarbeit, ermöglicht die Aufrechterhaltung der emotionellen Bindungen und ist notwendig für die schrittweise Vorbereitung des Kindes und des Familienumfeldes auf die Wiederkehr des Kindes in das Primarumfeld. In unserem Erziehungsheim versuchen wir, trotz allen objektiven Hindernissen, unterschiedliche Formen der Elternarbeit zu entfalten. Persönliche Kontakte und unmittelbare Zusammenarbeit mit Eltern von Angesicht zu Angesicht sind uns sehr wichtig, da sie echte Situationen bilden, wo intensive Verhältnisse zwischen allen Beteiligten entwickelt werden können. Das trägt zur Annäherung zwischen Eltern und Kindern bei und infolgedessen werden Beziehungen gestärkt, Konflikte, Unterschiede und Missverständnisse vermindert. Die Rolle der Erzieher, d. h. Sozialpädagogen, ist sehr umfassend. Wir versuchen, die Eltern zu unterstützen, ihre Elternrolle zu stärken und ihnen Hilfe bei akuten Situationen zu leisten, sie beim Lernen der angemessenen Handlung in spezifischen Situationen zu beraten, bei der Verbesserung der Kommunikation zwischen Familienmitgliedern zu helfen, unangemessene Muster zu verändern und zusammen reale Ziele zu gestalten. Um das zu erreichen, wird die Zusammenarbeit individuell geplant, tatsäch- 188 uj 4 | 2017 Elternarbeit in Slowenien Literatur Arbeitshilfe zur Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern in Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe (2012): Dresden. https: / / www.dres den.de/ media/ pdf/ jugend/ jugend-kinderschutz/ Arbeitshilfe_Beteiligung_Kinder_und_Jugendliche_ 2012.pdf, 21. 3. 2016 Fachliche Standards in der Heimerziehung: http: / / jufaunna.de/ wp-content/ uploads/ Fachliche-Standardsin-der-Heimerziehung.pdf, 21. 3. 2016 Goltz J., Stauber, B. 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Klavdija Paldauf Osnovna šola Veržej - Enota Dom Puščenjakova 7 9241 Veržej Slowenien E-Mail: klavdija.paldauf@viz-verzej.si