unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2017.art34d
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Die Freiheit, die ich meine
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Gönül Kaya
Yasmin Kassar
Gonca Monypenny
Das 5-jährige Modellprojekt „Die Freiheit, die ich meine“ von Gesicht Zeigen! richtet sich speziell an Mädchen und Frauen. Wir erarbeiten und erproben innovative und zielgruppenspezifische Konzepte für die Arbeit mit Mädchen und Frauen unterschiedlicher Herkunftskontexte, die ihre Identität unter anderem auch über ihre religiöse Zugehörigkeit definieren.
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227 unsere jugend, 69. Jg., S. 227 - 235 (2017) DOI 10.2378/ uj2017.art34d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Gönül Kaya geb. in Ankara; hat Sozialwissenschaften an der HU Berlin studiert, Referentin für Migration/ Integration, Diversity und Radikalisierungsprävention Die Freiheit, die ich meine Ein Islamismuspräventionsprojekt von Gesicht Zeigen! für ein weltoffenes Deutschland Das 5-jährige Modellprojekt „Die Freiheit, die ich meine“ von Gesicht Zeigen! richtet sich speziell an Mädchen und Frauen. Wir erarbeiten und erproben innovative und zielgruppenspezifische Konzepte für die Arbeit mit Mädchen und Frauen unterschiedlicher Herkunftskontexte, die ihre Identität unter anderem auch über ihre religiöse Zugehörigkeit definieren. Hintergrund Die wachsende Radikalisierung junger Menschen im religiös begründeten Extremismus hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Die neo-salafistische Bewegung ist die am schnellsten wachsende jugendkulturelle Bewegung in Deutschland. Wir beobachten eine Wechselwirkung von Entfremdung und Radikalisierung - je mehr Jugendliche (mit Migrationshintergrund oder mit solchem markierten) sich von der Mehrheitsgesellschaft argwöhnisch bis ablehnend behandelt fühlen, umso eher wenden sie sich von ihr ab, was wiederum zu einer noch stärkeren Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft führt. Immer wieder berichten uns Jugendliche von selbst erlebten Diskriminierungserfahrungen oder dem unguten Gefühl, dass demokratische Werte wie Gleichheit, Partizipation und Chancengerechtigkeit eher mehr verpflichtende Ideale als gesellschaftliche Realität sind. Wer sich in der verwirrenden Komplexität unserer globalisierten Welt nicht mehr zurechtfindet und sich womöglich auch zu den VerliererInnen zählt, sucht nach vermeintlichem Wissen, Orientierung, Regeln, Halt, Anerkennung Yasmin Kassar geb. in Berlin; hat Islamwissenschaft, Arabistik und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und arbeitet seit 2008 in der Antisemitismus- und Islamismusprävention Gonca Monypenny geb. in Göttingen; hat Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert, Referentin für Demokratieerziehung und Islamismusprävention in Präventionsprogrammen Alle Autorinnen arbeiten für Gesicht Zeigen! an dem Projekt „Die Freiheit, die ich meine“. 228 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt und nach einfachen Welterklärungsmustern. Hier bietet sich für viele Jugendliche offenbar der religiös begründete Extremismus an. Bisher gibt es nur wenige Angebote und noch weniger erfolgreiche Lösungsansätze, wie die Gesellschaft mit solchen jungen Menschen umgehen und sie wieder ins demokratische Gemeinwesen integrieren kann. Dabei muss unterschieden werden zwischen altersbedingter„normaler“ pubertärer Revolte und einem endgültigen Abschied aus der verbindlichen Wertegemeinschaft, d. h. einem gefestigten Weltbild, das sich bewusst gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wendet. Unser Konzept Hier setzt Gesicht Zeigen! an: Wir arbeiten daran, Frauen und Mädchen einen positiven Zugang zu ihrer Heimat, der Bundesrepublik Deutschland, zu vermitteln. Sie sind ein Teil dieser Gesellschaft und sollen diese aktiv mitgestalten können. Es geht uns darum, sie in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, Partizipationsmöglichkeiten aufzuzeigen, und schließlich ihren demokratischen Elan zu wecken. Eines unserer Ziele ist es, die Projektteilnehmerinnen wiederum zu Multiplikatorinnen zu machen, die auf ihr soziales Umfeld einwirken. Wir wenden uns mit diesem Projekt explizit an Mädchen und Frauen. Bisherige Islamismuspräventionsprojekte konzentrieren sich oft auf männliche Jugendliche, radikalisierte Frauen und Mädchen werden meist als Mitläuferinnen und nicht als durchaus aktive, selbstbestimmte Subjekte wahrgenommen. Bei der Frage, was eigentlich religiös motivierter Extremismus ist und wie er sich dabei von der Religion unterscheidet, ist es wichtig, jungen Menschen ein mündiges, reflektiertes und kritisches Religionsverständnis zu vermitteln. Vor allem gilt es, sich kritisch mit den religiös begründeten Inhalten auseinanderzusetzen und abwertende Haltungen zu korrigieren. Sozialraumansatz: Analyse und Konzeption Wir verfolgen einen sozialraumorientierten Präventionsansatz. Die Erfahrungen der Präventionsarbeit zeigen immer wieder, wie wichtig es Gesicht Zeigen! für ein weltoffenes Deutschland ermutigt Menschen, aktiv zu werden gegen Rassismus, Islamismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt. Der Verein agiert bundesweit. Er greift in die aktuelle politische Debatte ein und bezieht öffentlich Stellung. Ziele von Gesicht Zeigen! sind die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements und die Sensibilisierung für jede Art von Diskriminierung. Hierfür entwickelt der Verein seit 16 Jahren vielfältige Projekte zur Demokratieerziehung und Partizipation, geht an Schulen, bietet Fortbildungen und Seminare für die politische Bildung an und entwickelt pädagogische Materialien für die vorurteilssensible Bildung. Außerdem initiiert Gesicht Zeigen! öffentliche Kampagnen, die von zahlreichen Prominenten unterstützt werden. Abb. 1: Gesicht Zeigen! für ein weltoffenes Deutschland 229 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt ist, verschiedene Perspektiven sowie möglichst alle relevanten AkteurInnen in die Arbeit mit jungen Menschen einzubinden. Wenn die Präventionsarbeit gelingen will, muss sie die gesamte Lebensrealität junger Menschen in den Blick nehmen und sollte neben dem schulischen Umfeld auch das familiäre und soziale Umfeld beachten. Damit unser Angebot passgenau und zielgruppenspezifisch sein kann, haben wir uns zunächst ein genaues Bild über die Problem- und Bedarfslagen des Sozialraums gemacht und alle wichtigen AkteurInnen recherchiert und angesprochen, um diese einzubinden. Im Zuge unserer Sozialraumanalyse haben wir alle Einrichtungen in Berlin-Mitte, die mit jungen Frauen und Mädchen arbeiten, aufgesucht und unser Projekt vorgestellt. Aus diesen Gesprächen haben sich verschiedene Kooperationsbeziehungen ergeben: So konnten wir mit zwei Sekundarschulen eine Zusammenarbeit verabreden und - in enger Absprache mit den SchulleiterInnen und den verantwortlichen LehrerInnen - ein halbjähriges Workshopkonzept für die Schülerinnen des Ethikunterrichts der 9. Klassen erarbeiten und bereits durchführen. Ferner ergab sich eine Kooperation mit dem Projekt „Kiezmütter für Mitte“. Letzteres qualifiziert arbeitslose Frauen über ein halbes Jahr lang für die Tätigkeit als Kiezmutter - mit Schulungen zu verschiedenen Themen wie z. B. kindliche Entwicklung und Erziehung, Kita und Schule, häusliche Gewalt, Ernährung, Demokratiebildung etc. Nach der Qualifizierung machen Kiezmütter Hausbesuche, vor allem bei sozial schwachen Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf, und sind dort wiederum aufklärend und beratend tätig. Für die Kiezmütter-Qualifizierung konzipierten wir eine Fortbildungsreihe zum Themenkomplex politische Bildung, mit dem Ziel, diese fest in die Qualifizierung zu verankern. In diesem Rahmen konnten wir bisher über 60 Kiezmütter (zwischen 25 - 62 Jahren) fortbilden. Die durchgeführten Seminare beschäftigen sich mit dem Diversity-Ansatz, der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, der Vorurteilsbildung sowie Radikalisierungsprozessen bei Jugendlichen. Wie wichtig die Einbindung von Eltern und Angehörigen in der Präventionsarbeit ist, haben uns unsere bisherigen Erfahrungen immer wieder gezeigt. Wie sonst können junge Menschen zu selbstbewussten und reflektierten BürgerInnen heranwachsen, wenn die Eltern dabei nicht mitmachen? Alle Anstrengungen der politischen Bildung geraten an ihre Grenzen, wenn das Elternhaus dagegen arbeitet. Sozialräumliche Vernetzung: Maßnahmen Neben der Problem- und Bedarfsanalyse sowie der Einbindung der Zielgruppe in die Konzeptentwicklung bedeutet der sozialräumliche Ansatz auch die Vernetzung wichtiger AkteurInnen im Sozialraum. Vor allem gilt es, unterschiedliche Akteure im Bezirk zusammen und miteinander ins Gespräch zu bringen und eine Plattform zu schaffen, auf der sich VertreterInnen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft begegnen und sich über die Herausforderung der Einwanderungsstadt austauschen können. Dafür initiierten wir eine Vernetzungs- und Austauschrunde, die unter dem Namen „Mitte im Gespräch“ als feste Einrichtung viermal jährlich stattfindet. Regelmäßig kommen so die unterschiedlichsten AkteurInnen wie z. B. Jugendeinrichtungen, Polizei, ElternvertreterInnen und Schulen des Bezirkes zusammen, um sich besser kennenzulernen und auszutauschen. In kürzester Zeit ist es uns gelungen, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die es auch ermöglicht, auf aktuelle Vorkommnisse zu reagieren. Der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Herr Dr. Christian Hanke, fungiert als Schirmherr der Dialogrunde und nimmt regelmäßig teil. 230 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt Methoden: Diversity- und Empowermentansatz Ein wesentlicher Kernsatz unseres methodischen Vorgehens ist es, die Diversität jedes Einzelnen anzuerkennen und die Heterogenität einer pluralen Einwanderungsgesellschaft sichtbar zu machen. Vor allem gilt es, Mädchen und Frauen bei ihrer Suche nach Identität und Zugehörigkeit zu unterstützen und deutlich zu machen, dass es verschiedene Identitätsmerkmale gibt und die religiöse Identität nur ein Merkmal unter vielen ist, um so einer Überbetonung der religiösen Selbstbzw. Fremdzuschreibung entgegenzuwirken. In all unseren Angeboten verfolgen wir den Empowerment-Ansatz, d. h., wir wollen die Teilnehmerinnen stärken und ihnen verschiedene Partizipationsmöglichkeiten in der Gesellschaft aufzeigen. Vor allem gilt es, Mädchen und Frauen mit Zuwanderungsgeschichte in ihrem Selbstwert und ihrer Selbstverortung als Bürgerinnen zu stärken. Gemeinsam mit unseren Teilneh- Abb. 2: Austauschrunde „Mitte im Gespräch“ mit Prof. Dr. Ahmet Toprak, Dr. Christian Hanke, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, und Sophia Oppermann, Geschäftsführung von Gesicht Zeigen! (v. l. n. r.) Abb. 3: Teil der Wanderausstellung „Immer Bunter! Einwanderungsland Deutschland“ im Deutsch-Historischen Museum Berlin 231 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt merinnen wollen wir zeigen, dass sich Frauen und Mädchen mit muslimischem Glauben sehr wohl auch als Bürgerinnen begreifen und sich an der Gestaltung des Gemeinwesens beteiligen wollen. Dabei zeigt sich, dass es wichtig ist, Gestaltungsspielräume sichtbar zu machen und die jungen Frauen dabei zu begleiten und zu motivieren, neue Räume zu erkunden und sich in diesen auch zu behaupten. Aus diesem Grund ergänzen wir unsere Workshopreihe mit Exkursionen, die wir z. B. in den Berliner Dom, das Jugend- oder Jüdische Museum sowie in die Wanderausstellung: „Immer Bunter - Einwanderungsland Deutschland“, die bis Oktober 2016 im Deutsch-Historischen Museum in Berlin gastierte, unternehmen. Konkret: Workshopreihe zur Aktivierung und Sensibilisierung von Frauen und Mädchen Anfang 2016 starteten wir die halbjährige Workshopreihe „Wer ist wir? “ in unseren Ausstellungsräumen 7xjung. Mit 20 Schülerinnen der 9. Klassen aus der Hedwig-Dohmsowie der Theodor-Heuss-Sekundarschule führten wir insgesamt 18 Workshops durch. Von Anfang an bestätigten sich unsere Erwartungen, dass sich vor allem Mädchen offener und selbstbestimmter äußern, wenn sie unter sich sind und sich in einem geschützten Raum befinden. Das Hauptziel der Workshopreihe war es, das Selbstwertgefühl sowie das Engagement der Schülerinnen zu stärken und ihnen Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Gesellschaft aufzuzeigen. Vor allem wollten wir die Teilnehmerinnen motivieren, eigene Ideen zu entwickeln und diese auch einzubringen. In einer ersten Runde wurden Erwartungen und Wünsche abgefragt und diese in unsere Angebotspalette mit aufgenommen. Bei der konkreten Vorstellung unserer Workshopreihe sowie deren Ziele fasste eine der Schülerinnen unsere Idee treffend zusammen: „Mädchen sollen gestärkt werden, damit sie die Demokratie in diesen schwierigen Zeiten stärken können.“ Abb. 4: Eine der Fragen aus dem Ja-Nein-Spiel des Vereins Gesicht Zeigen! im Rahmen unseres Workshops zum Thema Geschlechterrollen und -bilder 232 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt Im Verlauf der Reihe beschäftigten wir uns mit Fragen von Identität und Zugehörigkeit, vor allem galt es, sich in spielerischer Form mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen und Eigen- und Fremdzuschreibungen kritisch zu hinterfragen. Viele Schülerinnen erzählten hier von Erfahrungen sexueller und rassistischer Belästigung. Einige der erzählten Geschichten waren teils mit Stereotypisierungen und Vorurteilen verwoben, sodass wir diese aufgreifen und in den nächsten Sitzungen thematisieren konnten. Die Themenkomplexe Migration und Diversity beschäftigten sich mit Selbst- und Fremdwahrnehmung, Zuschreibungen und Vorurteilen. Immer ging es uns dabei auch um kritische Selbstreflexion. Nach welchen Merkmalen beurteilen wir Menschen? Wie sieht es aus mit Merkmalen wie der ethnischen bzw. religiösen Zugehörigkeit? Kann man die religiöse Zugehörigkeit eines Menschen erkennen oder erkennen wir diese nur dann, wenn entsprechende religiöse Symbole zugeordnet werden? Geschlechterbilder und -rollen waren weitere wichtige Themenfelder. Hier verglichen die Schülerinnen ihre eigenen konstruierten Geschlechterbilder und -rollen mit dem Rest der Gruppe und diskutierten die unterschiedlichen Ansichten. Eigenes Material - Islamitivity Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland ist ein weiterer wichtiger Themenschwerpunkt unserer Workshopreihe. Als wir feststellten, dass es kaum pädagogische Materialien hierzu gibt, die Anfragen von LehrerInnen und MultiplikatorIn- Abb. 5: Von den Schülerinnen gefertigte Assoziationen eines perfekten Mannes und einer perfekten Frau - eine unserer Methoden im Rahmen des Workshops zu Geschlechterbildern und -rollen 233 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt nen allerdings konsequent ansteigen, entwickelten wir das interaktive Wissensspiel Islamitivity. Das Spiel ist unser Versuch, verbreitetes Halbwissen und Vorurteile durch Fakten zu ersetzen. Zu oft werden Debatten über den Islam in Deutschland einseitig geführt und mit pauschalisierenden Bildern wie Kopftuchfrauen mit gesenktem Blick, schwer bepackt mit Einkaufstüten, sowie betenden, bärtigen Männern untermauert. Des Weiteren finden wir es wichtig, dass PädagogInnen das Thema „Islam und Muslime in Deutschland“ im Unterricht behandeln können, auch wenn die eigene Unsicherheit, etwas Falsches zu sagen, groß ist. Denn viele SchülerInnen wünschen sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema Religion mit all seinen unterschiedlichen Aspekten. Zeit also für eine Methode, die als Handwerkszeug dienen kann, sich mit grundlegenden Begriffen zur religiösen Alltagspraxis von Muslimen in Deutschland zu befassen. Diese sollen entweder pantomimisch, zeichnerisch oder mündlich beschreibend dargestellt werden. Das Islamitivity ermöglicht eine intensive Diskussion und Reflexion mit und über die Assoziationen, die die Darstellungen der Begriffe bei den Spielenden auslösen. So wird der Imam oft als alter, bärtiger Mann dargestellt und das Erstaunen ist groß, wenn die Vielfalt an Imamen und Imaminnen in Deutschland aufgezeigt wird. Ein weiteres Beispiel ist der Begriff des Dschihad, der häufig sehr negativ ausgelegt wird, obwohl die wichtigere Bedeutung des Begriffs im Bemühen der Gläubigen liegt, sein oder ihr Leben im Einklang mit dem Islam zu führen. Der Spaßfaktor des Spiels, speziell bei den pantomimischen Darstellungen, ist groß und so gingen auch bei unseren Schülerinnen mit fortschreitendem Spielverlauf die anfänglichen Hemmungen verloren, und es zeigten sich großer Einfallsreichtum und schauspielerisches Talent. Wir empfehlen das Spiel für alle Altersgruppen ab 12 Jahren, für eine Gruppengröße ab 9 aufwärts. Es kann auf unserer Webseite unter http: / / www.gesichtzeigen.de/ angebote/ material/ bestellt werden. Abb. 6: Workshop zum Thema „Islam und Muslime in Deutschland“ mit unserem im Projekt entwickelten Islamitivity-Spiel 234 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt Bilanz nach einem Jahr: Anregungen für die Kinder- und Jugendhilfe Nach über einem Jahr der Arbeit mit Frauen und Mädchen im Berliner Bezirk Mitte kann ein erstes Zwischenresümee gezogen werden: 1. Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre Unsere Entscheidung, mit Frauen und Mädchen separat zu arbeiten, hat sich bewährt. Es zeigt sich, dass offener über Probleme geredet und eine vertrauensvollere Atmosphäre geschaffen wurde. Letztere ist die Grundvoraussetzung, um schwierige Themen ansprechen zu können und selbstreflektierte Auseinandersetzungen über eigene Zuschreibungs- und Abwertungsmechanismen offen anzugehen. 2. Angebote außerschulischer Bildungsträger als Ergänzung an Schulen Unsere Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, dass Schulen Unterstützung durch außerschulische Bildungsträger erfahren und diese durch verschiedene Angebote den Lehrauftrag der Schulen ergänzen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die außerschulischen Angebote als zusätzliche Maßnahmen begriffen werden. Außerschulische Träger haben dabei vielfältige Möglichkeiten: Sie können kreative, interaktive Methoden der politischen Bildung einbringen, innovative Ansätze erarbeiten und anbieten, sowie diese an die jeweiligen Bedarfslagen anpassen. 3. Verstärkte Schulkooperationen mit Trägern der Jugendarbeit Eine weitere Erkenntnis lässt sich nach einem Jahr der engen Kooperation mit zwei Sekundarschulen im Berliner Bezirk Mitte festhalten: Die Träger der Jugendarbeit müssen sich auf die Veränderungen an Schulen einstellen. In Berlin bieten bereits 58 von 118 Sekundarschulen den gebunden Ganztagsunterricht an, d. h. viele SchülerInnen sind bis 16 Uhr in der Schule. Allerdings übersteigt die Nachfrage das vorhandene Angebot, da es an Ressourcen und Unterstützung von außerschulischen Trägern fehlt. Bisher konzentrierten sich z. B. Jugendclubs und -vereine darauf, SchülerInnen nach der Schule Angebote wie Hausaufgabenhilfe, Diskussionsrunden, sportliche Aktivitäten usw. in ihren Räumlichkeiten anzubieten. Durch die verlängerte Schulzeit bleiben diese Angebote nun häufig ungenutzt, gleichzeitig fehlen Angebote, um den Ganztagsbetrieb an Schulen vielseitig und attraktiv zu gestalten. 4. Diversität im Projektteam Nach unserer Erfahrung sollte sich die Diversität der Migrationsgesellschaft auch im Projektteam selbst widerspiegeln. Besonders die Einbeziehung von PädagogInnen mit muslimischer Sozialisation ist wichtig. Eine grundlegende Stärke des Projektes liegt de facto in der Zusammensetzung des Teams selbst. Die Projektmitarbeiterinnen und auch die Teamerinnen sind durch ihre eigenen, vielfältigen, persönlichen und herkunftsmäßigen Profile für die Zielgruppe interessant, spannend und zugänglich zugleich. Durch die unterschiedlichen Bezüge zu Religion, Kultur, Migration und Identität des Projektteam, wurden vorschnelle Zuschreibungen vonseiten der Teilnehmenden bereits gleich zu Beginn irritiert. Trotzdem stellen die Teamerinnen mit ihrer demokratischen Verwurzelung eine Vorbildfunktion dar, nicht zuletzt durch ihre mehr oder weniger stark ausgeprägte eigene religiöse Haltung. 5. Lernen im außerschulischen Lernort 7xjung Unsere Entscheidung, die Workshopreihe mit den Schülerinnen nicht in der Schule durchzuführen, sondern im außerschulischen Lernort 7xjung, hat sich bewährt. Die Räumlichkeiten von 7xjung bieten viel Platz sowie ein anpassungsfähiges Setting. Hier konnten wir unsere Workshops mit Elementen der Spiel- und Theaterpädagogik wie Körper- und Bewegungs- 235 uj 5 | 2017 Die Freiheit, die ich meine - Ein Islamismuspräventionsprojekt übungen sowie Rollenspielen und weiteren interaktiven Methoden der politischen Bildung erweitern, für die Teilnehmenden eine ganz neue ungewöhnliche Erfahrung. Die Räume stellen im Gegensatz zu den Schulräumen und herkömmlichen Museen eine Art Wohlfühlatmosphäre her, die die Schülerinnen sehr gut angenommen haben. Gönül Kaya E-Mail: Kaya@gesichtzeigen.de Yasmin Kassar E-Mail: Kassar@gesichtzeigen.de Gonca Monypenny E-Mail: Monypenny@gesichtzeigen.de
