unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2017.art41d
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Zwischenruf: Misstraut den Jungen?
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C. Wolfgang Müller
Kürzlich hat diese Zeitschrift die jüngste der bisher 17 empirischen Jugendstudien vorgestellt, welche die Deutsche Shell Holding GmbH seit 60 Jahren finanziert. Jetzt liegt auch eine andere Studie vor, die dieses Bild von der jungen Generation auf eine andere, interessante Weise ergänzt und kontrastiert.
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280 unsere jugend, 69. Jg., S. 280 - 281 (2017) DOI 10.2378/ uj2017.art41d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Zwischenruf: Misstraut den Jungen? Anmerkungen zu einer anderen Jugendstudie 2017 Kürzlich hat diese Zeitschrift die jüngste der bisher 17 empirischen Jugendstudien vorgestellt, welche die Deutsche Shell Holding GmbH seit 60 Jahren finanziert. Jetzt liegt auch eine andere Studie vor, die dieses Bild von der jungen Generation auf eine andere, interessante Weise ergänzt und kontrastiert. Patrick C. Höring hatte seinen Bericht mit der Zwischenüberschrift versehen „Pragmatismus vor Idealismus, Sicherheit vor Wagemut“ (unsere jugend 2017 (2), 76). Er unterstrich den persönlichen und privaten Optimismus der gegenwärtigen jungen Generation bei gleichzeitig gedämpften gesellschaftlichen Erwartungen. „Es ist nicht alles rosig zur Zeit, aber wir machen das Beste daraus.“ Kurz darauf erschien eine andere empirische Untersuchung über das Vertrauen, das Erwachsene in Deutschland im Hinblick auf die Verteidigung und Weiterentwicklung unserer demokratischen Grundordnung und ihre konkreten Ausprägungen durch unsere Kinder und Jugendlichen haben. Beide Untersuchungen wurden übrigens von etablierten und anerkannten Meinungsforschungsinstituten (TNS Infratest bzw. infratest dimap) durchgeführt. Die neue Untersuchung mit 1.700 telefonisch und online Befragten im Dezember 2016. Auftraggeber aber war einmal eine international agierende GmbH, im letzten Fall jedoch ein sozialpädagogisch und jugendpolitisch engagierter Verein - das Deutsche Kinderhilfswerk e. V. Sein Präsident Thomas Krüger interpretierte in einem separaten Anhang zu den Befunden auch dessen Ergebnisse und einige jugendpolitische Konsequenzen. Interessant an den neuen Befunden war für mich die Reaktion der Erwachsenen auf Fragen, ob sie der heutigen Generation der Kinder und Jugendlichen zutrauen würden, Verantwortung für den Erhalt unserer Demokratie zu übernehmen. 64 Prozent der befragten Erwachsenen bejahten diese (geschlossene) Frage - 33 Prozent verneinten sie. Immerhin jeder Dritte. Nun das Ergebnis noch einmal in Großaufnahme: Je älter die Befragten waren, umso zahlreicher war ihr Vertrauen. Nur 58 Prozent der unter 30-Jährigen hatte Vertrauen in die Demokratie- Verteidigung durch die junge Generation. Bei den über 60-Jährigen waren es 68 Prozent. Auch die Einkommensverhältnisse scheinen eine Rolle zu spielen. Diejenigen, die über ein Monatseinkommen unter 1.500 Euro verfügen konnten, vertrauten zu 53 Prozent. Bei denen über 3.000 Euro waren es 11 Prozent mehr. Und nun kommt eine Tabelle, die mich ins Grübeln gebracht hat. Im Hinblick auf die Parteipräferenz der Befragten waren Anhänger der FDP am vertrauensvollsten im Hinblick auf die Demokratieerhaltung unseres Landes: 84 Prozent ihrer Befragten trauten Jugendlichen zu, später Verantwortung für unsere Demokratie zu übernehmen. Bei den SPD- Anhängern waren es nur 69 Prozent und bei den Linken am Schluss noch 56 Prozent. 281 uj 6 | 2017 Misstraut den Jungen? Bei meiner beruflichen Orientierung als gelernter empirischer Sozialforscher bin ich vorsichtig bei der Verallgemeinerung von solchen Befunden, die noch dazu auf vorgegebenen geschlossenen Fragen basieren. Aber eine Tendenz glaube ich dennoch zu erkennen und in meiner eigenen kommunikativen Praxis mit Eltern meines Alters auch vorsichtig bestätigt zu finden: Gut: Die Älteren und Einkommensstärkeren sind im Hinblick auf ihr Vertrauen in das Eintreten der jungen Generation für unsere Demokratie um 10 oder 11 Prozent vertrauensvoller als die anderen. Könnten dabei die unterschiedlichen Generationserfahrungen der befragten Erwachsenen eine Rolle gespielt haben? Die eher Skeptischen wurden 1985 und später geboren. Die eher Vertrauensvollen 1956 und früher. Sie waren zwischen 1968 und 1978 - in der Hochzeit der Studenten- und Schülerbewegung zwischen 12 und 22 Jahren alt, haben diese Zeit also selbst und/ oder über ihre Eltern mitbekommen. Die eher Skeptischen haben im gleichen Alter ein gesellschaftliches Klima erlebt, das von Individualisierung und der achselzuckenden Überzeugung geprägt war (und ist), dass jeder sich selber der Nächste sei und dass es die Konkurrenz wäre, nicht aber die Kooperation auch mit den Schwächeren, die unser Fortkommen bestimmen würde. Empirische Meinungsbefragungen geben selten belastungsfähige Antworten auf drängende Fragen. Aber sie ermutigen manchmal zu weiterführenden Überlegungen, vor allem dann, wenn sie unser aller Zukunft betreffen. Dr. C. Wolfgang Müller Bozener Str. 3 10825 Berlin
