eJournals unsere jugend 69/6

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2017.art42d
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Rezension: Peter Löcherbach/Ria Puhl: Einladung zur Sozialen Arbeit: Kompendien der Sozialen Arbeit Bd. 2

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Dieter Kreft
Peter Löcherbach/Ria Puhl: Einladung zur Sozialen Arbeit: Kompendien der Sozialen Arbeit Bd. 2 NOMOS-Verlag Baden-Baden 2016, € 29,90
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282 uj 6 | 2017 Rezensionen In der noch jungen Reihe ‚Kompendien der Sozialen Arbeit‘ erscheinen nach Verlagsaussage Werke mit direktem Praxisbezug. Die Einladung zur Sozialen Arbeit habe ich als eine Art Einführung für diese Kompendienreihe verstanden und gelesen, obwohl sie als Band 2 ausgewiesen ist. Peter Löcherbach und Ria Puhl sind von ihrem Berufsweg her ‚breit aufgestellt‘ und sehr erfahren, sie lehren inzwischen beide an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Sozialwesen: in Mainz und in Köln). Beide hätten demzufolge auch eine durchaus traditionelle Einführung in die Soziale Arbeit schreiben können, aber sie haben einen ganz anderen Weg gewählt; ich gebe zu, er hat mich zuerst irritiert. Sie schreiben - nach einer Einleitung - 22 Geschichten zur Profession, ihrer Außenansicht, dem Selbstverständnis, der Innenansicht, den Auftraggebern, den Methoden, über (besondere) Einblicke und Perspektiven. Sehr locker sind die dazu beschriebenen Sachverhalte mit Gegenfragen kontrastiert - Hauptgrund meiner ersten Irritation. Nur diese Beispiele: ‚Einleitung - Hilf dir selbst, sonst hilft dir ein Sozialarbeiter‘, ‚Orientierungen in der Sozialen Arbeit - Alles Alltag oder was? ‘, ,Die Klienten … - Bitte nicht helfen, ich hab‘s schon schwer genug‘, ,Soziale Arbeit als professionelle Hilfe - Hauptsache, wir haben darüber gesprochen‘ usw. Gewissermaßen als Gegenpol zur etwas spielerischen Lockerheit haben sie Kolleginnen und Kollegen eingeladen, die Texte durch sog. Gedankensplitter praxiszubasieren. Der von Monika Knapp-Vater auf S. 54f war für mich ein sehr gelungenes Gegenstück zu einem doch sehr ‚verkopften‘ Text zur Gerechtigkeitsdebatte (mit sehr viel Nussbaum). Was ich hier leicht klagend andeute, gilt aber eher für die ersten Kapitel, wenn man sich als Leser noch an diese ungewohnte Lockerheit der Texte gewöhnen muss, weil man sich in einer Einführung (traditionell) auch Hardware-Erklärungen erhofft. Etwa im 3. Kapitel (Bandbreite Soziale Arbeit) und den (natürlich fachlich richtigen und sehr angemessenen) Ausführungen zur Veröffentlichung der Rechtsmediziner Tsokos und Guddat in ihrem Titel ‚Deutschland misshandelt seine Kinder‘ und dem tendenziellen Sozialarbeiter-Bashing darin (vgl. dazu den Zwischenruf in uj 11 + 12/ 2014, 501 - 505). Dazu hätte ich das, was Christian Schrapper immer wieder in unübertroffener Präzision zu den besonderen Aufgaben der Fachkräfte im ASD, insbesondere im Krisenmanagement, geschrieben hat, gern gelesen, zumindest einen Verweis darauf. Ab Kapitel 6 änderte sich mein Eindruck, die Texte wurden immer praxisnäher. Das (ich gebe zu, sehr skeptisch begonnene) Kapitel 16 (Genderperspektive) steht dann beispielhaft für diese Veränderungen: den Gegenstand klar und verständlich erklärend, analysierend, praxisverbunden; ich finde dieses Kapitel zu einem sehr strittigen Gegenstand geradezu hellsichtig. Was ist nun mein Fazit? Wir haben inzwischen - wie immer wieder lehrende Kolleginnen und Kollegen berichten - eine Generation von Studierenden, die nicht so gern Fachliteratur liest. Wer gelegentlich in die ‚neue praxis‘ schaut, kann das gut verstehen. Und bis auf wenige (häufig ältere) Autoren der Peter Löcherbach/ Ria Puhl: Einladung zur Sozialen Arbeit: Kompendien der Sozialen Arbeit Bd. 2 NOMOS-Verlag Baden-Baden 2016, € 29,90 uj 6 | 2017 283 Rezensionen Sozialen Arbeit sind viele (Fach-) Texte ‚schwere Texte‘, eben nicht so richtig einladend zum Weiterlesen. Wie es anders geht, hat immer wieder C. Wolfgang Müller, inzwischen 88 Jahre alt, bewiesen, seine Texte sind von geradezu literarischer Qualität und die Leser sind davon fasziniert - sie zu lesen, ist fachlich hilfreich und macht einfach auch Spaß: aber wer kann das schon so? Die Einladung zur Sozialen Arbeit ist natürlich gut zu lesen, schließlich ist Ria Puhl als langjährige Verantwortliche für das ‚sozialmagazin‘ eine Fachjournalistin von Rang und gegen den Lesefrust kann Lockerheit durchaus ‚ein Lockmittel‘ sein - und das vor allem ist das Andere, Besondere an diesem Buch! Diese Einladung, sich auf ganz andere Weise mit der Vielfalt und den Besonderheiten dieser Profession vertraut zu machen, hat durchaus ihren Reiz: als anderer Einstieg in ein dann stetig zu vertiefendes Verständnis für die ungewöhnlichen Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. Vielleicht ist sie aber auch interessant für Eltern, deren Kinder sich „unverständlicherweise“ für das Studienfach Sozialwesen entschieden haben, und die gern wissen möchten, was es damit auf sich hat. Oder auch für junge Leute, die sich schon für Soziale Arbeit interessieren („Helfen“), aber in ihrer Studienfachauswahl noch schwanken. Vielleicht muss, wenn heutzutage sowohl ein „unwilliger“ gewordenes „Fachlesepublikum“ als auch andere Zielgruppen erreicht werden sollen, eben ganz anders („locker“) geschrieben werden? Prof. Dieter Kreft; Nürnberg Kremie.nuernberg@t-online.de DOI 10.2378/ uj2017.art42d