eJournals unsere jugend 70/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Soziale Arbeit in ländlichen Räumen

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2018
Stefanie Debiel
Sozialräumlich bedingte Ungleichheitslagen in ländlichen und hier insbesondere ländlich peripheren Räumen betreffen junge, aber auch alte Menschen in besonderer Weise. Der Beitrag fokussiert einen professionellen Handlungsauftrag Sozialer Arbeit an der „Schnittstelle zwischen den Generationen“ und zeigt Handlungsprämissen für Praxis und Hochschul(aus)bildung auf.
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108 unsere jugend, 70. Jg., S. 108 - 114 (2018) DOI 10.2378/ uj2018.art17d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Prof. Dr. Stefanie Debiel Jg. 1965; Professorin für Soziale Arbeit/ Kinder und Jugendliche an der HAWK in Holzminden Soziale Arbeit in ländlichen Räumen - Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen den Generationen Sozialräumlich bedingte Ungleichheitslagen in ländlichen und hier insbesondere ländlich peripheren Räumen betreffen junge, aber auch alte Menschen in besonderer Weise. Der Beitrag fokussiert einen professionellen Handlungsauftrag Sozialer Arbeit an der „Schnittstelle zwischen den Generationen“ und zeigt Handlungsprämissen für Praxis und Hochschul(aus)bildung auf. Sozialpädagogisches/ sozialarbeiterisches Handeln im Generationengefüge - Fachtheoretische Verortung Sozialpädagogisches und sozialarbeiterisches Handeln im Generationengefüge ist nicht neu, sondern den disziplinären Traditionen von Sozialarbeit und Sozialpädagogik inhärent. Aktuelle, sowohl demografisch als auch sozialräumlich bedingte generationale Ungleichheitslagen, insbesondere für junge Menschen in ländlich-peripheren Räumen, weisen allerdings auf neue professionelle Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe und entsprechend adäquate sozialpädagogische Ansätze einer Generationenorientierung hin. Historisch und in Abgrenzung zur Sozialarbeit hat die Sozialpädagogik ihre Ursprünge in der subsidiären pädagogischen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen als Antwort auf „(…) Erziehungsprobleme und Jugendnöte des deutschsprachigen Raumes (…)“ (Buchkremer 2009, 12). Die aus dem amerikanischen Raum stammende Sozialarbeit hingegen legte ihren Fokus weniger auf eine pädagogische als vielmehr emanzipatorische und lebensphasenübergreifende Unterstützung von Menschen in benachteiligenden Lebenslagen, verbunden auch mit dem Ziel der Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse (Buchkremer 2009, 14). Auch wenn nach heutigem fachwissenschaftlichen Verständnis die Trennschärfe zwischen beiden Disziplinen zunehmend aufgehoben scheint und diese unter dem Begriff Soziale Arbeit subsumiert werden (Mühlum 2011, 773f ), soll im Kontext dieses Beitrags noch einmal pointiert auf die historischen Wurzeln eingegangen werden. Unter Würdigung beider Disziplinen wird damit auch ein spezifischer Handlungsauftrag Sozialer Arbeit an der Schnittstelle zwischen Sozialpädagogik und Sozialarbeit und damit zugleich an der Schnittstelle zwischen den Generationen, also zwischen „Jung und Alt“ abgeleitet. 109 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen Generationale Lagen gewinnen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines unausgewogenen Verhältnisses zwischen wenigen jungen und vielen alten Menschen zunehmend und damit zugleich wieder an gesellschaftlicher, politischer und sozialpädagogischer/ sozialarbeiterischer Relevanz. „Wieder“ insofern, als die Orientierung an der Generationenfrage als anthropologisch-pädagogische Prämisse bereits bei den„Klassikern“ der (Sozial-)Pädagogik im 19./ 20. Jahrhundert vorkam. Mit Klaus Mollenhauer rückte Mitte der 1960er Jahre das durchaus auch problematische Verhältnis zwischen den Generationen in den sozialpädagogischen Blick. Ende der 1980er Jahre wurde der Generationenbegriff als analytische Kategorie und im Weiteren unter Bezugnahme auf die von Franz-Xaver Kaufmann in den 1990er Jahren vorgenommene Begriffsdifferenzierung zwischen Generationenbeziehungen und Generationenverhältnissen auch für pädagogische Handlungszusammenhänge reflektiert (Bock 2005, 26ff ). Auch jüngere erziehungs- und sozialwissenschaftliche Studien knüpfen analytisch an diesen Generationendiskurs an. Sie identifizieren mit Bezugnahme auf die aktuelle Altersentwicklung im Kontext des demografischen Wandels spezifische gesellschaftliche und politische Herausforderungen (z. B. Lüscher u. a. 2009) sowie pädagogische und hier spezifisch intergenerationelle Handlungsbedarfe (z. B. Antz u. a. 2009, Jacobs 2010). Im Wesentlichen geht es um die nachhaltige Stärkung von Generationenbeziehungen und -verhältnissen zur Herstellung von Generationensolidarität, unter Berücksichtigung strukturell bedingter potenzieller Ambivalenzen (Lüscher u. a. 2009, 5). Damit werden zwei Ebenen angesprochen, die hier, in Anlehnung an eine weitere begriffliche Differenzierung von Lüscher u. a. (2009, 5), folgenden Rückschluss für Soziale Arbeit im Generationendiskurs erlauben. Die Autoren (ebd.) beschreiben Generationenverhältnisse als „strukturelle Gegebenheiten“, die es dynamisch und hier auf Ebene von Generationenbeziehungen zu gestalten gilt. Als Auftrag für ein sowohl sozialarbeiterisch als auch gleichermaßen sozialpädagogisch geprägtes Handeln lässt sich ableiten, dass es emanzipatorisch darum gehen kann, gerechte Verhältnisse im Zusammenleben der Generationen zu ermöglichen und durch sozialerziehliche Einflussnahme einen Beitrag zur Gestaltung dieses Prozesses zu leisten. Strukturelle Gegebenheiten für Generationenverhältnisse in ländlichen Räumen unterscheiden sich von Gegebenheiten in städtischen Räumen. Eine entsprechende Analyse zur Ableitung spezifischer professioneller Anforderungen an sozialpädagogisches/ sozialarbeiterisches Handeln in ländlichen Räumen bedarf somit einer Bestandsaufnahme, um welche strukturellen Unterschiede und Ungleichheiten es sich hier handelt. Jung sein und alt werden in ländlichen Räumen - Sozialräumliche Disparitäten und generationenbezogene Herausforderungen In den aktuellen Berichterstattungen der Bundesregierung zur Lebenssituation junger und alter Menschen, hier sowohl im 15. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2017) als auch im 7. Altenbericht (BMFSFJ 2016), sind die Generationenlagen insgesamt und ländlich periphere Räume als strukturelle Kategorie sozialräumlich bedingter Ungleichheit für die jeweilige Altersgruppe expliziter Gegenstand der Analyse. Auf aktueller und prognostischer Datenlage des Statistischen Bundesamtes ist festzustellen, dass Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 25 Jahren trotz Zuwanderung im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mit 11 % im Jahr 2014 und prognostizierten 9 % für das Jahr 2030 weiterhin eine gesamtgesellschaft- 110 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen liche Minderheit bilden (werden) (BMFSFJ 2017, 137f ). Dabei wird es zu unterschiedlichen Entwicklungsverläufen kommen. Vor allem ländlich periphere Räume sind von Bevölkerungsabnahme insgesamt und hier von der Abwanderung junger Menschen sowie dem Verbleib der zunehmend älteren Generation in besonderem Maße betroffen (BMI 2011, 171ff ). Mangelhafte Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven verschärfen diese Abwanderungstendenzen (BMFSFJ 2017, 259). Damit ist und wird es einerseits grundsätzlich für diese Altersgruppe schwer, eigene Interessen im Verhältnis zur älteren Generation zu vertreten und durchzusetzen (BMSFJ 2017, 192) und nach Einschätzung der Sachverständigenkommission (ebd., 48) muss Jugend mehr denn je „(…) als generationale Lage betrachtet werden“. Aufgrund dessen sollte verstärkt in den Blick genommen werden, wie Jugendliche lebensalterspezifischen Herausforderungen begegnen und wie es zudem möglich ist, altersgerechte Lebensbedingungen zu schaffen. Entsprechende Ungleichheiten, auf die es hier zu reagieren gilt, ergeben sich im gesamtintergenerationalen Vergleich für junge Menschen z. B. hinsichtlich steigender Qualifikationsanforderungen zwecks Etablierung auf dem regulären Erwerbsarbeitsmarkt (BMFSFJ 2017, 192). Für Jugendliche in peripheren ländlichen Räumen zeichnen sich weitere regionalspezifische Ungleichheiten ab. Mit der sinkenden Zahl an Kindern und Jugendlichen einher gehen quantitativ abnehmende, eingeschränktere Möglichkeiten der Erreichbarkeit von formalen und non-formalen Bildungseinrichtungen. Gleichermaßen eingeschränkter sind Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und Pflege von Gleichaltrigenkontakten (BMFSFJ 2017, 256f ). Kennzeichnend für das gemeinschaftliche Leben in ländlichen Räumen insgesamt ist auch, dies zeigen Studien zur Sozialen Arbeit in ländlichen Räumen, eine für alle BewohnerInnen stärker wahrnehmbare soziale Kontrolle (Debiel 2012, 54). Für Jugendliche, als zunehmend und insbesondere in ländlichen Räumen marginalisierte Gruppe, trifft dies in besonderer Weise zu. Zugleich entsteht für Jugendliche ein Anpassungsdruck, sich den im Sozialraum dominierenden Jugendgruppen anschließen zu müssen, um nicht ausgegrenzt zu werden (BMFSFJ 2017, 257). Weitere Ungleichheiten ergeben sich in ländlich peripheren Räumen hinsichtlich der Nutzung digitaler Medien, aufgrund mangelnder technischer Ausstattung und Nutzungsmöglichkeiten des Internets (ebd., 259). Aus den hier aufgezeigten strukturell bedingten Ungleichheitslagen lassen sich vielfältige Bedarfe und Herausforderungen, auch für sozialpädagogisches Handeln, ableiten. Zentral hervorgehoben wird im Kontext dieses Beitrags und mit Bezugnahme auf den 15. Kinder- und Jugendbericht (BMFSJ 2017, 113ff ) als fachpolitisch hochaktueller Analyse folgende, auch auf den Sozialraum bezogene zentrale Handlungsempfehlung: Es geht um stärkere Formen der politischen Partizipation von Jugendlichen im Kontext struktureller und damit auch generationaler Ungleichheitslagen. Welche Ungleichheiten erleben im Vergleich ältere Menschen in ländlichen Räumen und wo gibt es hier intergenerationale Schnittstellen? Einer spezifisch sozialräumlichen Perspektive nimmt sich explizit der siebte Altenbericht der Bundesregierung, der sich insbesondere mit den kommunalen Herausforderungen hinsichtlich der Altersentwicklung im demografischen Wandel befasst, an. Prognostisch ist zunächst davon auszugehen, dass im Jahr 2050 der Anteil der Personen, die 60 Jahre und älter sind, mit antizipierten 33 bis 40,1% relativ hoch sein wird (BMFSFJ 2016: V). Als grundlegende Herausforderung einer zunehmend von Alterung betroffenen Gesellschaft benennt die Sachverständigenkommission (BMFSJ 2016, 22) die „Förderung und Erhaltung von Teilhabe“ alter Menschen und versteht darunter die Möglichkeit des Einzelnen „(…) an sozial relevanten Institutionen und Einrichtungen gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens teilzunehmen“ (ebd.). Entsprechende Teilhabemög- 111 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen lichkeiten sind jedoch regional ungleich verteilt (BMFSF 2016, 54) und kommen in ländlich peripheren Räumen besonders zum Tragen. Auch hier müssen alte Menschen mit dem o. g. unausgewogenen Generationengefälle zwischen mehr alten im Verhältnis zu wenigen jungen Menschen leben. Hinzu kommen Veränderungen im alltäglichen Miteinander und Veränderungen von nachbarschaftlichen und familiären Gefügen und Beziehungen. Ebenfalls machen sich für diese Altersgruppe die Folgen einer abnehmenden Versorgungslage und Infrastrukturausstattung in Verbindung mit der häufig schweren Erreichbarkeit ferner gelegener Angebote (BMFSFJ 2016, 103ff ) negativ bemerkbar. „Für ältere Menschen und Hochaltrige, die in den so beschriebenen ländlichen peripherisierten Räumen leben, bedeutet dies zumeist eine deutliche Einschränkung von Teilhabe“ (ebd., 104). Insgesamt spricht sich die ExpertInnenkommission (ebd., 284ff ) für die Sicherung gesellschaftlicher Teilhabe alter Menschen aus und empfiehlt zugleich regionalspezifisch orientierte Beteiligungsverfahren und insbesondere für ländliche Regionen neue Formen interkommunaler Vernetzung. Fasst man mit Bezug auf die hier zitierten ExpertInnenanalysen zur Lage junger und alter Menschen regional bedingte Ungleichheiten in ländlich peripheren Räumen zusammen, so ergeben sich vergleichend zentrale „Schnittstellen zwischen Jung und Alt“. Diese erfordern zugleich politische Handlungsstrategien und ziehen fachliche Aufträge für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, die in den Regionen professionell mit der Unterstützung der jeweiligen Altersgruppen betraut sind, nach sich. In ländlich peripheren Räumen leben erheblich weniger junge als alte Menschen und diese Tendenzen verschärfen sich. Junge Menschen stellen mit ihren Interessen damit einen deutlich geringen Anteil der Bevölkerung in diesen Regionen dar und die Berücksichtigung jugendeigener Interessen sollte zugleich im kommunalen Interesse liegen, um gleichwertige Lebensbedingungen für alle zu ermöglichen. Im Umkehrschluss sind die vielen alten Menschen auf eine hohe Versorgungs- und gute Infrastruktur angewiesen, die gleichermaßen gefährdet sind. Beide Altersgruppen haben letztlich Interesse an einer altersgerechten Daseinsvorsorge und Infrastrukturausstattung. In Summe zeichnen sich hier ähnliche Bedarfslagen ab in Bezug auf Mobilität, ausreichende Versorgungsstrukturen sowie Bildungs- und Freizeitangebote. Ebenso gibt es vermutlich auch generationenbezogen unterschiedliche Bedarfslagen, die kommunal berücksichtigt und abgedeckt werden sollten. Zu nennen sind hier für ältere Menschen z. B. ausreichende und niedrigschwellige Betreuungs- und Pflegeangebote, Jugendliche wiederum haben ein Bedürfnis nach jugendeigenen und jugendgerechten Bildungs- und Freizeitangeboten. Gemeinsame Schnittmenge in beiden hier zitierten Expertisen bildet die jeweilige Empfehlung zur Ermöglichung von Partizipation an Entwicklungsprozessen und dem sozialen Leben in der Region. Die Schaffung gleichwerter Lebensräume für alle Generationen in vom demografischen Wandel sehr unterschiedlich betroffenen Regionen wird ebenfalls in der demografiestrategischen Stellungnahme der Bundesregierung (BMI 2017, 9) explizit hervorgehoben. Generationelle Partizipation als Querschnittthema professionellen Handelns in ländlich peripheren Räumen Mit Bezug auf die bisherigen Ausführungen kann die Förderung generationeller Partizipation als ein Querschnittsthema zwischen „Jung und Alt“ mit besonderer Relevanz für ländliche Räume identifiziert werden. Welche Rolle spielt in diesem Kontext professionelle Soziale Arbeit? Traditionell orientiert sich, wie bereits aufgezeigt, Soziale Arbeit an Herausforderungen in 112 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen spezifischen Lebensphasen und Lebenslagen. Die aktuelle Praxis orientiert sich institutionell häufig an spezifischen Altersgruppen. Die Notwendigkeit einer lebensphasenbezogenen professionellen Orientierung soll an dieser Stelle nicht in Abrede gestellt werden. Selbstverständlich bedarf es eines professionellen Fachverständnisses und Methodenrepertoires, um angemessen mit einer spezifischen Altersgruppe arbeiten zu können. Die bisherigen Ausführungen aus generationaler und regionaler Perspektive zeigen aber auch, dass es in ländlich peripheren Räumen einerseits altersspezifische Herausforderungen zu bewältigen gibt und zugleich auf dieser Grundlage generationenübergreifende Gemeinsamkeiten entstehen. Emanzipatorisch und damit eher aus der Tradition der Sozialarbeit kommend, ergibt sich sowohl aus Perspektive der Kinder- und Jugendhilfe als auch der Altenhilfe die Anforderung, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen und altersgerecht bei der Wahrnehmung von Interessen im lokalen Raum zu unterstützen. Junge Menschen stellen in ländlich peripheren Räumen aktuell und prognostisch quantitativ eine spezifische Minderheit dar. Hier ist Jugendhilfe in besonderem Maße gefordert, einem emanzipatorischen (klassisch sozialarbeiterischen) Verständnis folgend, die Partizipation von Kindern und Jugendlichen auf sozialräumlicher und kommunaler Ebene zu unterstützen, um Interessen artikulierbar zu machen. Übliche Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung sind repräsentativ besetzte Kinder- und Jugendparlamente oder offen angelegte Kinder- und Jugendforen bzw. themenbezogene Beteiligungsprojekte. Zur Umsetzung bedarf es einer entsprechenden Einbindung in kommunale Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse, entsprechender Vernetzungsstrukturen im Sozialraum sowie der nachhaltigen Absicherung durch personelle, räumliche und zeitliche Ressourcen und Anbindung dieser Aufgabenbereiche an eine verantwortlich vonseiten kommunaler Entscheidungsträger benannte Person bzw. Einrichtung, z. B. der offenen Jugendarbeit (Debiel 2015, 227ff ). Es hat sich aufgrund der bisherigen Ausführungen gezeigt, dass es Überschneidungen mit sozialräumlich bedingten Ungleichheitslagen für ältere Menschen gibt. Für Jugendliche sowie alte Menschen, die (noch) über kein eigenes Fahrzeug (mehr) verfügen, ist ein gemeinsamer Nenner die eingeschränkte Mobilität. Aber auch die abnehmende Infrastruktur und damit verbundene Ausdünnung ländlicher Regionen sind Themen, die die jüngere und ältere Generation betreffen. Kommunale Partizipationsprozesse sollten somit in ländlichen Räumen nicht nur, aber unbedingt auch generationenübergreifend ansetzen, um Interessen zu bündeln und Synergien herzustellen (Debiel 2015). An dieser Stelle ist wiederum sozialpädagogisches „Know-how“ gefragt, um interaktive Prozesse im Dialog zwischen den Generationen zu gestalten. In Folge ist zudem und hier orientiert an allgemeineren Erkenntnissen zu Besonderheiten sozialpädagogischen Handelns in ländlichen Räumen (Debiel 2012, 58ff ) eine lokale Vernetzung zwischen den Institutionen vor Ort anzustreben, die mit jungen und/ oder alten Menschen arbeiten. Für solche Vernetzungsvorhaben besteht ein spezifisches Potenzial ländlicher Sozialer Arbeit darin, dass die soziale Nähe „kürzere“ Wege ermöglicht und eine interinstitutionelle Zusammenarbeit erleichtern kann. Mit den hier gebündelten Synergien kann es möglich sein, auf weiterhin vorhandene altersspezifische Bedarfslagen und eine entsprechend notwendige Personalausstattung für jugendbezogene sowie seniorengerechte Angebote in ländlichen Räumen aufmerksam zu machen. Zugleich können kreative Angebotsstrukturen an der Schnittstelle zwischen Jung und Alt geschaffen werden, um Begegnungs- und Teilhabeangebote, z. B. in Form intergenerationeller Erzählcafés oder generationenübergreifender Beteiligungsprojekte im Sozialraum, zu ermöglichen. 113 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen Generationenbezogene Anforderungen an Fachkräfte der Sozialen Arbeit und deren Ausbildung für ländlich periphere Räume Professionelles sozialpädagogisches/ sozialarbeiterisches Handeln in ländlichen Räumen unterscheidet sich nicht grundlegend von professionellem Handeln in städtischen bzw. Ballungsräumen. Es erfordert jedoch spezifische Kompetenzen und ein vertieftes Fachwissen über ländliche Strukturen und entsprechende Herausforderungen (Debiel 2012, 63). Spezifische Herausforderungen sind aktuell und auch prognostisch, wie aufgezeigt, die starken Ausprägungen der Altersentwicklung in ländlich peripheren Räumen, aus denen sich spezifische Anforderungen an Generationenorientierung ergeben. Neben der institutionellen Orientierung an einer spezifischen Generation bedarf es in ländlichen Räumen, hier im Sinne von Maja Heiners (2007, 432ff ) generell für die Profession gesetzten Prämisse einer „reflektierten Parteilichkeit“, zugleich auch einer an sozialräumlichen Bedarfen orientierten Ausrichtung an generationenübergreifenden Herausforderungen. Damit verbunden ist eine institutionelle, an einzelnen Individuen ansetzende sowie eine auf deren Interessenvertretung im Sozialraum orientierte Perspektive. Insofern ist hier auch „Schnittstellenmanagement“ zwischen den Institutionen und Generationen gefragt. Mehrgenerationenhäuser, aber auch intergenerationelle Projekte als Kooperation zwischen mehreren Institutionen, bieten hier Ansatzpunkte für fachliche Unterstützung. Für Fachkräfte der Sozialen Arbeit bedeutet dies, über entsprechende intergenerationelle und auf Interaktion zwischen den Generationen setzende Kompetenzen zu verfügen und zugleich partizipativ und sozialraumorientiert in die Region zu wirken (Debiel 2011, 38). Die Vermittlung entsprechender Kompetenzen sollte wiederum curricularer Bestandteil von Hochschulen und insbesondere von solchen Ausbildungsstätten sein, die für sozialpädagogisches/ sozialarbeiterisches Handeln in ländlichen Regionen ausbilden. So erscheint es sinnvoll, modular und lehrveranstaltungsbezogen den aktuellen Generationendiskurs fachtheoretisch und unter sozialräumlichen Gesichtspunkten spezifisch für ländliche Räume aufzugreifen und entsprechend aktivierende Handlungskonzepte zielgruppenbezogen sowie generationenübergreifend zu vermitteln. Abschließend bleibt festzuhalten, dass sozialpädagogisches/ sozialarbeiterisches Handeln in ländlichen Räumen an der Schnittstelle zwischen „Jung und Alt“ herausfordernd nicht nur für die professionelle Praxis ist. Herausforderungen ergeben sich für eine fachwissenschaftliche Fundierung des Themas vonseiten der Hochschulen durch Forschung und Lehre. Hinsichtlich des Schnittstellenthemas sozialraumorientierter Partizipation sind wiederum kommunal Verantwortliche aufgefordert, entsprechende Expertise durch professionelle Fachkräfte demografiestrategisch einzubinden. Prof. Dr. Stefanie Debiel Haarmannplatz 3 37603 Holzminden E-Mail: stefanie.debiel@hawk.de 114 uj 3 | 2018 Soziale Arbeit in ländlichen Räumen Literatur Antz, E.-M., Franz, J., Frieters, N., Scheunpflug, A., Tolksdorf, M. (2009): Generationen lernen gemeinsam. Theorie und Praxis intergenerationeller Bildung, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld Bock, K. (2005): Generation und Soziale Arbeit. Wie der Begriff „Generation“ in die Soziale Arbeit kam. Sozial Extra 6, 26 - 29 Buchkremer, H. (Hrsg.) (2009): Handbuch Sozialpädagogik. Ein Leitfaden in der sozialen Arbeit. 3. vollst. überarb. Aufl. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Bundesministerium des Innern (BMI) (Hrsg.) (2017): Jedes Alter zählt. „Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“, Berlin Bundesministerium des Innern (BMI) (Hrsg.) (2011): Demografiebericht. Bericht der Bundesregierung zur demografischen Lage und zukünftigen Entwicklung des Landes, Berlin Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2017): 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Bundestagsdrucksache 18/ 11050 Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2016): Siebter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune - Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften. Bundestagsdrucksache 18/ 10210 Debiel, S. (2015): Partizipation von Kindern und Jugendlichen in ländlichen Regionen. In: Hammer, V., Ronald, L. (Hrsg.): Neue Wege aus der Kinder- und Jugendarmut. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und sozialpädagogische Handlungsansätze. Beltz Juventa, Weinheim/ Basel, 221 - 233 Debiel, S. (2011): Intergenerationelle Begegnung und Beteiligung in ländlichen Räumen. Ansätze zur Gestaltung des Zusammenlebens von „Jung und Alt“. In: Sozial Extra 3 - 4, 35 - 38 Debiel, S. (2012): Professionelles Handeln von SozialarbeiterInnen/ SozialpädagogInnen in ländlichen Räumen. Ergebnisse einer explorativen Studie. In: Debiel, S., Engel, A., Hermann-Stietz, I., Litges, G., Penke, S., Wagner, L. (Hrsg.): Soziale Arbeit in ländlichen Räumen. VS Verlag, Wiesbaden, 53 - 65 Heiner, M. (2007): Soziale Arbeit als Beruf. Fälle - Felder - Fähigkeiten. Ernst Reinhardt Verlag, München Jacobs, T. (2010): Dialog der Generationen. Leben - Gesellschaft - Schule: Plädoyer für eine intergenerative Pädagogik. 2. unv. Aufl., Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler Lüscher, K., Liegle, L., Lange, A., (2009): Bausteine zur Generationenanalyse. Eine Übersicht über Begriffe, Konzepte und Forschungsarbeiten. In: Deutsches Jugendinstitut e. V. (Hrsg.): DJI Bulletin: Plus 86 (2), 1- 8 Mühlum, A. (2011): Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 7. völl. überarb. u. akt. Aufl. Nomos Verlag, Baden-Baden, 773 - 777