eJournals unsere jugend 70/5

unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Rezension: Peter Baumeister/Annette Bauer/Reinhild Mersch/Christa-Maria Pigulla/Johannes Röttgen (Hrsg. 2016): Arbeitsfeld Ambulante Hilfen zur Erziehung. Standards, Qualität und Vielfalt

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2018
Richard Günder
Peter Baumeister/Annette Bauer/Reinhild Mersch/Christa-Maria Pigulla/Johannes Röttgen (Hrsg. 2016): Arbeitsfeld Ambulante Hilfen zur Erziehung. Standards, Qualität und Vielfalt 1. Auflage, Lambertus-Verlag, Freiburg, 200 Seiten, € 20,–
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uj 5 | 2018 237 Rezension Hilfen zur Erziehung sollen immer dann als Leistungsangebote in Anspruch genommen werden, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung ansonsten nicht gewährleistet wäre. Neben den stationären Hilfen - Pflegefamilien und Heimerziehung - sind die ambulanten Hilfen zur Erziehung beispielhaft in den §§ 27, 29 - 31 und 35 SBG VIII normiert. Insgesamt 20 Autorinnen und Autoren aus Hochschulen und praktischen Arbeitsfeldern stellen in 11 Kapiteln ihre Praxiserfahrungen, Thesen sowie Fragestellungen zu den ambulanten Hilfen zur Erziehung vor. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Einführung in dieses vielschichtige Arbeitsfeld, sondern um Beiträge und Aspekte, die neue Fragen aufwerfen und zu fachlichen Diskussionen motivieren. Zunächst wird am Beispiel der Sozialpädagogischen Familienhilfe der Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit resümiert. Nicht mehr die isolierte, kindzentrierte Hilfe ist das Anliegen, sondern das Eltern-Kind-System bildet den Ausgangspunkt der sozialpädagogischen Angebote. Im Kontext des Kinderschutzes rückt allerdings das „Kindes“-Wohl wieder stärker in den Vordergrund. Im zweiten Kapitel werden statistische Daten zu den ambulanten Erziehungshilfen dargestellt: Nach wie vor ist die Erziehungsberatung mit Abstand die am meisten genutzte Erziehungshilfe. Sehr stark angestiegen sind die Fallzahlen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Ihr Zuwachs betrug zwischen 2008 und 2014 40 %. Für die Hilfen zur Erziehung im Allgemeinen sowie die ambulanten Leistungen im Besonderen sei „eine beachtliche Expansions- und Ausdifferenzierungsentwicklung zu konstatieren“. Unter der Fragestellung „Wird da mit offenen Karten gespielt? “ folgt eine kritische Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten im Bereich der Erziehungshilfen und der Absicht, einige grundlegend zu verändern. Gewarnt wird davor, im Zuge der SBG-VIII-Novelle den Hilfebegriff ausgerechnet „an einer zentralen Stelle“ wie den „Hilfen zur Erziehung“ zu eliminieren. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem vermeintlich überholten Begriff Hilfe „auch zentrale Grundwerte unserer Zivilisation über Bord geworfen werden“ könnten. Nicht nur der Hilfebegriff werde an die Wand gedrängt, sondern sogar der Begriff der „Erziehung“. In weiteren Abschnitten kommen Aspekte der Finanzierung ambulanter Erziehungshilfen zur Sprache, es werden Arbeitsbedingungen erörtert, die Sinnhaftigkeit der Supervision in diesem Arbeitsfeld wird betont. Unter dem Stichwort Lebensvielfalt wird angesichts des demografischen Wandels, der Migrationsgesellschaft und dem veränderten Familienbild die Notwendigkeit der Leistungsvielfalt in den ambulanten Erziehungshilfen hervorgehoben. Entsprechend vielfältig sind deren Methoden und Praxen. Beispielhaft werden u. a. erwähnt: ➤ Systemische Beratung ➤ Video-Home-Training ➤ Spiel als Methode in der Beratung ➤ Biografiearbeit ➤ Traumapädagogik ➤ Systemisches Elterncoaching ➤ Erlebnispädagogik Die Wirkungen ambulanter Erziehungshilfen werden kurz erörtert sowie deren zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen eingeschätzt. Peter Baumeister/ Annette Bauer/ Reinhild Mersch/ Christa-Maria Pigulla/ Johannes Röttgen (Hrsg. 2016): Arbeitsfeld Ambulante Hilfen zur Erziehung. Standards, Qualität und Vielfalt 1. Auflage, Lambertus-Verlag, Freiburg, 200 Seiten, € 20,- 238 uj 5 | 2018 Rezension Zwei Beiträge stellen Ansätze der Sozialpädagogischen Familienbegleitung in der Schweiz dar. Ein Unterschied zum deutschen Jugendhilfesystem wird in dem Vorrang der Abwehr von Gefährdungen des Kindeswohls gesehen. „So erscheint das (Schweizer) System besser auf Anordnung und Zwang denn auf niederschwellige und vereinbarte Unterstützung eingestellt.“ Wie schon anfangs erwähnt geht es in diesem Sammelband nicht darum, die unterschiedlichen ambulanten Hilfen vorzustellen. Das Buch richtet sich vor allem an eine solche Leserschaft, die bereits sachkundig ist, jedoch einen kritischen Diskurs gerne verfolgt und aktuelle Fragestellungen in diesem Arbeitsfeld fachlich nachvollziehen bzw. ergänzen möchte. Unter diesen Aspekten regt dieses Buch ungemein zum Überlegen und zur intensiven Diskussion an. Es sollte bei keinem Träger, der ambulante Hilfen zur Erziehung anbietet, fehlen, insbesondere bei keinem Jugendamt. Prof. Dr. Richard Günder E-Mail: guender@fh-dortmund.de DOI 10.2378/ uj2018.art37d