unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2018.art41d
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Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe
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Alexander Hundenborn
Martina Sussenburger
Fachkräfte der Erziehungshilfe müssen das Spannungsfeld zwischen Schutz und Ermächtigung im Handeln mit digitalen Medien in der Praxis umsetzen. Das nachfolgend skizzierte Projekt PowerUp stellt die Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze sowie Praxistipps für die Beantwortung dieses Spannungsfeldes vor.
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260 unsere jugend, 70. Jg., S. 260 - 266 (2018) DOI 10.2378/ uj2018.art41d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe Nicht nur eine technische Herausforderung Fachkräfte der Erziehungshilfe müssen das Spannungsfeld zwischen Schutz und Ermächtigung im Handeln mit digitalen Medien in der Praxis umsetzen. Das nachfolgend skizzierte Projekt PowerUp stellt die Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze sowie Praxistipps für die Beantwortung dieses Spannungsfeldes vor. von Alexander Hundenborn Jg. 1990; B. A. Soziale Arbeit, Fachreferent Medienpädagogik und Erziehungshilfe bei der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW Digitale Entwicklungen in der Gesellschaft Sie hören, sehen oder lesen sicherlich nicht selten von „digitaler Transformation“ oder „Digitalisierung“. Diese Begriffe beschreiben den gesellschaftlichenWandel, in dem viele Lebensbereiche durch den Einsatz digitaler Technologien geprägt sind. Es vollzieht sich somit nicht nur ein rein technologischer Wandel, sondern vielmehr ein gesamtgesellschaftlicher, kultureller Wandel. Von der merkantilen Seite der Wirtschaft wie auch der der Bildung und der Unterhaltung entstehen durch digitalisierte Prozesse viele neue Wege, die eine Begleitung und Einordnung erfordern. Dieser Wandel ist nicht nur im privaten Alltagsleben, sondern auch in der pädagogischen Praxis der Erziehungshilfe zu beobachten. Die seit 1998 jährlich stattfindende JIM-Studie (Jugend, Information, Multimedia) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) zeigt langfristige Veränderungen des jugendlichen Medienalltags auf. So lässt sich auch hier eine digitale Transformation feststellen. Fast jede/ r Jugendliche besitzt ein Smartphone, hat Zugang zum Internet (vor allem auch mobil) und die Alltagskommunikation findet via Messengerdiensten statt. Doch auch in der Lebenswelt der Erwachsenen lässt sich diese Entwicklung feststellen. Der Digital-Index der Initiative D21 verzeichnet ein stetiges Wachstum der Internetnutzer 50 +. Es lässt sich erkennen, dass die Entwicklungen der Digitalisierung alle betreffen. Nicht ohne Grund konstatiert der 15. Kinder- und Jugendbericht, dass, wer nicht (digital) kommuniziert, nicht teilnimmt (BMFSFJ 2017, 306). Basierend hierauf muss auch auf die Digitale Martina Sussenburger Jg. 1989; M. A. Medienbildung, Fachreferentin Medienpädagogik und Erziehungshilfe bei der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW 261 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe Spaltung (digital divide) und die Digitale Ungleichheit (digital inequality) Bezug genommen werden. Wie der Bildungsbericht thematisiert, sind die Zugangsvoraussetzungen nicht mehr die ausschlaggebende Herausforderung für die digitale Bildung, sondern vielmehr die Ungleichheit, digitale Medien wahrzunehmen, inhaltlich aufzunehmen und kompetent, selbstbestimmt und kritisch mit ihnen zu agieren. Aus dieser Entwicklung der Digitalisierung der Gesellschaft ergibt sich die Frage nach dem Verhalten der Sozialen Arbeit, insbesondere der Hilfen zur Erziehung zur digitalen Entwicklung. Die Erziehungshilfe hat den Auftrag, die AdressatInnen ihrer Angebote und Maßnahmen im Sinne einer Förderung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu unterstützen (§ 1 Abs. 1 SGB VIII). Aus diesen beiden grundlegenden Aussagen resultiert die Aufgabe an die Erziehungshilfe, auch die digitale Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen in den Blick zu nehmen. Hierbei kann es aber nicht nur um den Schutzauftrag gehen, dieser Ansatz würde für alle Beteiligten der Hilfeprozesse wenig zufriedenstellend sein und sich auch am pädagogischen Alltag messen lassen müssen. Ziel muss es sein, das allgemeine Grundverständnis von Lebenswelt- und Ressourcenorientierung auch bei einer Implementation von medienbildnerischer Praxis in der Erziehungshilfe heranzuziehen. Der folgende Artikel zeigt die Erfahrungen auf, die im Zusammenspiel aus Medienpädagogik und Erziehungshilfe im Projekt PowerUp entstanden sind. Sie können eine Idee bieten, wie Antworten und Lösungen für die digitale Transformation in der Erziehungshilfe gefunden werden können. PowerUp - Medienpädagogik und Erziehungshilfe Das Projekt PowerUp hat sich im Zeitraum von 2015 - 2017 mit einer Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung zum Ziel gesetzt, medienpädagogische Praxis auf eine Passung zum Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung hin zu überprüfen und umzusetzen. Aus der Praxis heraus zeigte sich, dass medienpädagogische Projekte in der Erziehungshilfe meist nur von kurzer Dauer waren und wenig langfristige Veränderungen anstoßen konnten. Dass aber die AdressatInnen der Erziehungshilfe oftmals andere Ausgangssituationen mitbringen, als die Zielgruppe in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, bedeutet auch, dass sich externe Angebote, wie bspw. Medienpädagogik, hierauf einstellen und methodisch und didaktisch auf die Erziehungshilfe eingehen müssen. Hier hat PowerUp Methoden der Medienpädagogik überprüft, verändert und neu zusammengesetzt, um auf die Bedarfe und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Kontext der Erziehungshilfe eingehen zu können. Weitere Erkenntnisse, dass in vielen Einrichtungen strukturelle Hindernisse bestehen, die die medienpädagogische Praxis einschränken, machte sichtbar, dass eine große Herausforderung für die Einrichtungen darin besteht, ein vermeintlich unbekanntes und unsicheres Feld mit in die Praxis einzubeziehen. Der Spagat zwischen Schutzauftrag und Lebensweltorientierung benötigt eine weitreichende Veränderung in Bezug auf digitale Strukturen, wie beispielsweise einem flächendeckenden Internetzugang oder allgemeine Rahmenbedingungen für die medienpädagogische Praxis. Erfahrungen des Projekts PowerUp Digitale Medien eröffnen vielfältige Dimensionen. Gerade im pädagogischen Bereich sind diese nicht immer positiv aufzunehmen und kritisch zu hinterfragen. In der Erziehungshilfe befinden sich die Kinder und Jugendlichen in einer Lebenssituation, in der sie Unterstützung benötigen. Deswegen ist es notwendig, die Kinder und Jugendlichen zu schützen und eventuell auch zu begrenzen. 262 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe In einer digitalen Welt, die vermeintlich davon geprägt ist, unbegrenzt, frei und offen zu sein, lassen sich die Auswirkungen und Lebensräume der Kinder und Jugendlichen sehr viel schwieriger überblicken. Das bedeutet, dass gerade die Fachkräfte in den Einrichtungen der Erziehungshilfe dafür fort- und weitergebildet werden müssen, um auch in der digitalen Welt unterstützende Begleitende zu sein. Diese Rolle auszufüllen bzw. annehmen zu können, erfordert zum einen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit medienpädagogischen und medienbildnerischen Prozessen, aber zum anderen auch eine professionelle Haltung. Diese Haltung setzt die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie der digitalen Transformation von Einrichtungsstrukturen, der (digitalen) Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen, den eigenen ethischen und moralischen Vorstellungen gegenüber digitalen Medien und deren Fähigkeiten und Möglichkeiten voraus. Dieser Auseinandersetzungsprozess ist selbstverständlich kein leichter und kann auch ggf. emotional aufgeladen sein. Um diese Auseinandersetzung zu rahmen, muss sich jedoch auch die Einrichtung auf struktureller Ebene diesem Prozess widmen. Welche Ressourcen können zur Verfügung gestellt werden? Welche technischen Veränderungen müssen, sollen und können umgesetzt werden? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen beachtet und kommuniziert werden? Welche Risiken ergeben sich daraus und welche Unsicherheiten kann man den Mitarbeitenden nehmen? Viele dieser Fragestellungen sind gewiss nicht unbekannt. In vielen Einrichtungen fehlen schlichtweg Zeit und Geld, um sich gemeinsam auf die Suche nach Antworten zu machen. Gleichwohl ist es in der heutigen Zeit jedoch notwendig, diese Auseinandersetzung gemeinsam zu führen. Die Kinder und Jugendlichen bewegen sich mit oder ohne pädagogische Rahmung und Begleitung in digitalen Medien. Daher ist es nun an der Zeit, konstruktiv und perspektivisch mit diesem Thema umzugehen. Wie kann die Erziehungshilfe den medialen Alltag der Kinder und Jugendlichen begleiten und sicherstellen, dass hier keine (weitergehende) Benachteiligung erfahren wird? Praxisansätze Für die Einrichtungen der Erziehungshilfe zeigte sich, dass die Digitalisierung oder auch die Entwicklung einer medienpädagogischen Haltung einen Prozess anstößt, der viele hierarchische Ebenen betrifft und im Sinne einer langfristigen Planung mit partizipativer Einbeziehung aller Beteiligten strukturiert werden sollte. Digitalisierung und Medienbildung sind lebendige Prozesse. Eine regelmäßig zusammentreffende Gruppe von Mitarbeitenden sowohl aus der Leitungsebene als auch aus der Praxis der Wohngruppen wird als sehr gewinnbringend wahrgenommen. Auch die Einbeziehung von Beteiligungsinstrumenten, wie Jugendvertretungen oder Jugendparlamenten schaffte bei den Kindern und Jugendlichen häufig ein Verständnis und eine Akzeptanz darüber, dass es nicht nur darum geht, einen WLAN-Anschluss so schnell wie möglich umzusetzen, sondern auch die dafür passenden Regelungen zu schaffen. Alle Mitarbeitenden, Leitungen und Jugendlichen aus diesen Arbeitsgremien können so die unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse kommunizieren und gemeinsam Entscheidungen auf den Weg bringen, die für die Gesamteinrichtung den Weg in Richtung Digitalisierung ermöglicht. Partizipative Prozesse, wie die der Arbeitsgremien etc., erfordern meist eine Moderation, die die unterschiedlichen Perspektiven aufgreift, einen gemeinsamen Wissensstand als Ausgangslage bietet und die Ergebnisse zusammenfasst und ordnet. Inhalt der Arbeitsgremien können die Festlegung von Mediennutzungsverträgen, der Möglichkeit von Internetzugängen für die Kinder und Jugendlichen, Regelungen zu Arbeitszeiten der Mitarbeitenden und vor allem auch 263 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe die Eckpfeiler für eine gemeinsame, offene und kritische Haltung in der Arbeit mit digitalen Medien sein. Diese gemeinsame Haltung, die in den Arbeitsgremien entwickelt wird, ist vor allem in der pädagogischen Praxis auch für die Mitarbeitenden ein wichtiger Anhaltspunkt. Die persönliche Meinung der Mitarbeitenden soll hier durch eine professionelle Haltung zu digitalen Medien und Medienbildung ergänzt werden. In der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dass Einrichtungen eine gemeinsame Linie haben, an der sich alle orientieren können. Ein Medienkonzept/ digitale Leitlinien oder ein Handbuch zur Medienbildung kann diese Orientierung geben. In solchen Konzepten oder Leitlinien können Antworten auf Fragen aus der Praxis gegeben werden, wie beispielsweise die Einsicht des Smartphones des Kindes oder Jugendlichen durch MitarbeiterInnen. So müssen MitarbeiterInnen nicht bei jeder Frage recherchieren, sondern bekommen praxisnahe Unterstützung durch ihren Arbeitgeber. Ein weiterer wichtiger Bestandteil, der den Fachkräften ermöglicht, pädagogisch mit digitalen Medien zu agieren, ist, das Wissen über die Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen sowie Wirkungsfaktoren und Vorbzw. Nachteile von Plattformen und Kommunikationsmöglichkeiten zu kennen. Durch Fort- und Weiterbildungen kann dieses Wissen transportiert werden. Um dieses Wissen zu festigen, gilt es natürlich auch, das Gelernte anzuwenden. Aus den Erfahrungen der Fortbildungsangebote von PowerUp zeigte sich, dass die Verknüpfung von praktischen Methoden, die niedrigschwellig in der Erziehungshilfe umgesetzt werden können, mit dem medienpädagogischen Input besonderes nachhaltig wirkt. Je nachdem, welche Medienthemen in der Einrichtung präsent sind, müssen Schwerpunkte fokussiert und/ oder angepasst werden. Zusätzlich zu den Fort- und Weiterbildungen für die Fachkräfte hat die Erfahrung gezeigt, dass es auch sinnvoll ist, nachhaltige Angebote für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Häufig werden sie als „ExpertInnen“ ihres Medienhandelns wahrgenommen. Letztendlich haben die Kinder und Jugendlichen die Kompetenzen, die Geräte und Plattformen zu bedienen. Welche Mechanismen mit merkantilen Hauptinteressen hinter kostenlosen Plattformen stecken und um langfristige Entscheidungen bspw. bezüglich des Datenschutzes treffen zu können, fehlt es jedoch an theoretischem Background. Um jedoch Praxisangebote zielgruppengerecht zu konzipieren, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Medienpädagogik und Erziehungshilfe notwendig. Im Konkreten für die pädagogische Praxis bedeutet dies, dass erprobte medienpädagogische Methoden für die Zielgruppe der Erziehungshilfe angepasst werden müssen und nur gelingen können, wenn diese in enger Absprache mit den MitarbeiterInnen implementiert werden. Dieser Prozess gelingt nicht mit einer einseitigen Betrachtungsweise, sondern muss aus beiden pädagogischen Perspektiven, kritischer Reflexion der Medienlandschaft und aktivierender Wertschätzung in den Blick genommen werden. Die Praxisansätze, die sich hieraus ergeben haben, sind jeweils modular und anpassbar an die Zielgruppe. Sie spiegeln die Interessen der Kinder und Jugendlichen wider und verknüpfen sie mit pädagogischen Lernräumen. Für die Praxisangebote bedeutet das, dass sie nicht nur ein reines Unterhaltungsangebot sind, sondern die Kinder und Jugendlichen dazu motivieren, sich reflexiv und kritisch mit der eigenen Mediennutzung auseinanderzusetzen. Analog hierzu schaffen die Praxismodule zusätzlich den Raum, die medialen Interessen und Fähigkeiten kreativ umzusetzen. Hierbei gilt es, die Kinder und Jugendlichen ressourcenorientiert wahrzunehmen. Wie sehr die Kinder und Jugendlichen mediale Inhalte praktisch selbst 264 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe umsetzen können, welche Hilfestellungen benötigt und wie die Methoden auch langfristig verwendet werden können, sind hier die Fragestellungen, die durch die Durchführung der Praxisprojekte erlebbar beantwortet werden. Um die Vorbehalte der Fachkräfte abzubauen, selbst medienpädagogisch tätig zu werden, ist es wichtig, dass sie an Praxisprojekten mit den Kindern und Jugendlichen teilnehmen. Empfehlungen für die Kinder- und Jugendhilfe Nachdem in dem vorangegangenen Kapitel die Ausgangslage der Digitalisierung und ihre Auswirkungen auch auf die Erziehungshilfe thematisiert wurden und die Ansätze des Projektes PowerUp vorgestellt wurden, sollen in diesem Kapitel ganz konkrete Vorschläge und Empfehlungen für Praxisprobleme gegeben werden. Die Themenauswahl bezieht sich auf Anfragen aus der Praxis, welche im Projekt PowerUp häufig bearbeitet werden. Internetzugänge ermöglichen und Jugendschutzsoftware einsetzen Die Einrichtung von Internetzugängen für Kinder und Jugendliche ist ein Thema, das viele Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt. Durch die Abschaffung der Störerhaftung, der Haftung des Anschlussbetreibers eines Vergehens der Netzwerknutzenden, hat sich die Rechtslage für Einrichtungen zwar geändert, aber um sich gänzlich abzusichern, sollten Träger bei der Einrichtung eines Internetzugangs für AdressatInnen immer noch darauf achten, dass sie einen Anbieter nutzen, der die Daten des Internetzugangs durch eine gesicherte Verbindung übermittelt. So wird bei Rechtsverstößen nicht der Anbieter des Internetzugangs (die Einrichtung) sichtbar, sondern der Betreiber des Internetanschlusses. Bei der Wahl des Anbieters gibt es neben den finanziellen und technischen Faktoren auch ideelle und pädagogische Gesichtspunkte, welche diskutiert werden sollten. So bietet z. B. die Freifunk-Initiative recht günstig und einfach handhabbar WLAN-Lösungen an (https: / / freifunk.net). Da die Freifunk-Initiative sich für ein freies, flächendeckendes WLAN-Netz einsetzt, gibt es hier nicht die Möglichkeit Jugendschutzsoftware oder zeitliche Begrenzungen einzurichten. Andere, meist kommerzielle Anbieter wie „Mein Hotspot“ oder „TheCloud“, bieten Komplettlösungen an, welche auch mit Zeitfenstern und Jugendschutzsoftware versehen werden können, diese sind dann kostenintensiver. Die Entscheidung, wie Internetzugänge geschaffen werden können, sollte, da sie Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit hat, immer gemeinsam von Führungskräften, Fachkräften und IT/ EDV getroffen werden. Anhand des Themas Internetzugänge in der Erziehungshilfe wird deutlich, wie die Verzahnungen von IT und pädagogischer Arbeit durch die Digitalisierung stärker wird. Die Arbeitsbereiche können manche Entscheidungen nicht mehr ohne einander treffen, da sie weitreichenden Einfluss aufeinander nehmen. Dies betrifft auch die Frage nach der geeigneten Jugendschutzsoftware. Wird im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe ein Zugang zum Internet angeboten, gibt es zum einen die Möglichkeit, die Geräte, welche dafür zur Verfügung gestellt werden, mit einer Jugendschutzsoftware zu versehen, oder aber die Jugendschutzeinstellungen direkt am Router vorzunehmen, sodass alle Geräte, die sich über das zur Verfügung gestellte WLAN anmelden, im geschützten Rahmen surfen. Eine Software für PC, Tablet und Smartphone ist z. B. JUSPROG (Jugendschutzprogramm), die sich bei Routern als Jugendschutzlösung direkt am Router integrieren lässt. Bei Filterlösungen ist es wichtig, dass diese nicht die pädagogische Arbeit mit dem Medium erschweren. YouTube beinhaltet zwar viele Videos, die für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind, aber die Plattform stellt auch hervorragende Tutorials, zum Beispiel zur Erklärung von Unterrichtsthemen, zur Verfü- 265 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe gung. Hier sind also wieder gute Absprachen zwischen PädagogInnen und TechnikerInnen gefragt. Zum Einstieg in die Nutzung des Internets können auch Kinderseiten wie FragFinn oder Blinde Kuh genutzt werden, welche Kindern nur Inhalte zeigen, die für sie geeignet sind. Mediennutzungsverträge Um die pädagogische Arbeit abzusichern und gemeinsame Absprachen zwischen Kindern und Jugendlichen und den PädagogInnen transparent darzustellen, eignen sich Mediennutzungsvereinbarungenoder Mediennutzungsverträge. Diese können auch spezielle Wünsche, Regelungen und Maßnahmen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen als partizipatives Instrument zugeschnitten sind, mit aufnehmen. Von schriftlichen Absprachen abgesehen, kann ein weiteres Instrument der pädagogischen Arbeit mit dem Internet ein „Internetführerschein“ sein. Kinder und Jugendliche, welche in der Einrichtung das zur Verfügung gestellte WLAN nutzen möchten, müssen vorher einen Führerschein machen, um die notwendigen Kompetenzen nachweisen zu können. Klicksafe und Internet- Abc bieten Quizze für unterschiedliche Altersklassen an, welche z. B. für einen solchen Führerschein genutzt werden können. Messenger-Kommunikation Auch beim Thema Messenger-Kommunikation mit Kindern, Jugendlichen, Eltern und anderen in Hilfeprozesse involvierte Institutionen wird deutlich, dass Digitalisierungsprozesse in der Sozialen Arbeit dazu auffordern, den Einsatz von Medien immer ethisch, pädagogisch, rechtlich und technisch zu reflektieren. Die meisten Menschen sind heute über WhatsApp zu erreichen. Um mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren zu können, wünschen sich viele PädagogInnen die Möglichkeit, diesen Messenger zu nutzen. Die Nutzung von WhatsApp widerspricht jedoch dem deutschen Datenschutz. Die Kontaktdaten des Smartphones, auf dem WhatsApp installiert ist, werden an die Server von WhatsApp übermittelt, dies betrifft auch die Kontakte, welche nicht an der Whats- App-Kommunikation beteiligt sind. Betroffene müssen der Weitergabe ihrer Daten in Deutschland zustimmen. Eine datenschutzkonforme Nutzung von WhatsApp im pädagogischen Kontext ist kaum möglich. Viele Träger arbeiten an Lösungen, um Messengerkommunikation einsetzen zu können. Es gibt Pilotprojekte, bei denen auf einem Diensttelefon WhatsApp installiert ist, welches nur für die WhatsApp-Kommunikation genutzt werden darf und auf dem nur die TeilnehmerInnen der Messengerkommunikation im Telefonbuch hinterlegt sind. Außerdem darf über WhatsApp nur datensensibel kommuniziert werden. Andere Träger versuchen, Messengerkommunikation über die Verwendung eines datenschutzkonformen Messengers zu lösen. Mögliche Messenger, welche kostenfrei sind und weniger Nutzerdaten erheben, sind die Messenger Hoccer oder SimsMe. Des Weiteren stehen die Server der Messenger in Deutschland und sind somit verpflichtet, nach deutschem Datenschutz zu agieren. Aber auch bei einem Wechsel zu einem anderen Messenger ist zu beachten, dass die Messenger nicht für die Kinder- und Jugendhilfe konzipiert wurden und damit z. B. Features wie „Selbstzerstörende Nachrichten“ beinhalten, die im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe auch Möglichkeiten zur missbräuchlichen Nutzung bieten (z. B. Cybermobbing). Welche Lösung bei der Verwendung von Messengern in der Erziehungshilfe gewählt wird, muss gut zwischen MitarbeiterInnen und Einrichtung vereinbart werden, damit der Einsatz für alle Beteiligten sicher, transparent und praktikabel ist. Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW c/ o ComputerProjekt Köln e.V. Weinsbergstraße 190 50825 Köln 266 uj 6 | 2018 Digitalisierung in der Kinder-und Jugendhilfe Literatur BMFSFJ (Hrsg.) (2017): 15. Kinder- und Jugendbericht. In: https: / / www.bmfsfj.de/ blob/ 115438/ d7ed644 e1b7fac4f9266191459903c62/ 15-kinder-und-ju gendbericht-bundestagsdrucksache-data.pdf, 29. 3. 2018 Initiative D21 e.V. (2018): D21-Digital-Index 2017/ 2018. In: http: / / initiatived21.de/ publikationen/ d21-digitalindex-2017-2018/ , 29. 3. 2018 Feierabend, S., Plankenhorn, T., Rathgeb, T. (2017): JIM- Studie: Jugend, Information, (Multi-) Media. Hrsg. v. mpfs. Stuttgart. 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