unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Rezension: Kunkel, P.-C. / Kepert, J. / Pattar, A. (Hrsg.), 2018: Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar
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2018
Roland Merten
Kunkel, P.-C. / Kepert, J. / Pattar, A. (Hrsg.), 2018: Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar Nomos, Baden-Baden, 7. Auflage, 1562 Seiten, € 98,–
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348 uj 7+8 | 2018 Rezension Das SGB VIII hat eine eigenwillige Geschichte: Bei seiner Einführung im Zuge des KJHG wurde es von der Fachwelt zunächst als gar zu familienlastig und zu wenig kindzentriert kritisiert. Im Laufe der Jahre hat es gleichwohl eine starke Anhängerschaft gewonnen, unter teilweisem Vergessen vormaliger kritischer Positionen. Obgleich mit dem SGB VIII ein eher marginaler Bereich sozialstaatlicher Hilfen geregelt wird, zieht dieses Gesetz beständig neue Reformbemühungen auf sich: 60 Änderungen in 25 Jahren, das ist rekordverdächtig. Und der letzte Versuch einer - diesmal großen - Änderung ist im Jahr 2017 durch die Nichtbefassung im Bundesrat gescheitert. „Die Reformruine bestand zum Schluss noch aus u. a. Ergänzungen beim Kinderschutz, Ansätzen von Inklusion, strengerer Einrichtungsaufsicht, Änderungen bei den Auslandsmaßnahmen und einer gewissen Verstärkung der Beratung“ (5). Von einem großen Wurf kann wohl kaum die Rede sein. Wie stark tagespolitische Ereignisse dabei in Gesetzesänderungen einfließen, zeigen die Regelungen zur vorläufigen Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42 a - 42f ). Vieles bedarf nun der Konkretisierung, wobei aktuelle Rechtsprechung und vorliegende Kommentierung durchaus nicht immer übereinstimmen; hier bleiben höchstrichterliche Entscheidungen abzuwarten. Auch terminologisch ist das Gesetz problematisch. So wird in § 8 a Abs. 1 Satz 2 nach der Änderung neuerlich von einer „Gefährdungseinschätzung“ gesprochen, im zweiten Absatz der alte Begriff der „Gefährdungsabschätzung“ aber beibehalten; der begriffliche Neuerungswert bleibt offen. In § 42 a Abs. 5 soll das unbegleitete minderjährige Kind mit seinen Verwandten zusammengeführt werden, die sich „im Inland oder im Ausland auf[halten]“, als gäbe es darüber hinaus noch andere Aufenthaltsorte. Tagespolitische Geschäftigkeit und juristische Präzision passen eben nicht immer zusammen. Aber eines ist unverändert deutlich: Die längst überfällige Kindzentrierung des SGB VIII ist bisher ausgeblieben (insbesondere für Kinder nicht-deutscher Herkunft), die Gleichwertigkeit von Kinder- und Elternrechten ist bis dato nicht erreicht. Wer die Ausführungen der einzelnen Kommentierungen aufmerksam liest, wird an vielen Stellen auf die rechtlichen Herausforderungen aufmerksam, die ein großer Wurf zur Änderung des SGB VIII wird bewältigen müssen. Im angestoßenen Reform-Wirrwarr des letzten Jahres die Aktualisierung eines Kommentars in Angriff zu nehmen, erfordert Mut und Frustrationsstärke bei Herausgebern, KommentatorInnen und Verlag gleichermaßen. Sie haben sich dieser Herausforderung gestellt und einerseits alle aktuellen Gesetzesänderungen ab 1. 1. 2018 sowie andererseits die bereits beschlossenen und ab 25. 5. 2018 geltenden datenschutzrechtlichen Änderungen (§ 61ff ) eingearbeitet. Höchste Aktualität und juristische Präzision passen in einem Kommentar durchaus zusammen. Beides kann in der vorliegenden Ausgabe des Lehr- und Praxiskommentars besichtigt werden. Prof. Dr. Roland Merten DOI 10.2378/ uj2018.art53d Kunkel, P.-C./ Kepert, J./ Pattar, A. (Hrsg.), 2018: Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar Nomos, Baden-Baden, 7. Auflage, 1562 Seiten, € 98,-
