eJournals unsere jugend 71/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Rezension: Thomas Hülshoff (2017): Psychosoziale Intervention bei Krisen und Notfällen

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2019
A. Topel
Rezension Thomas Hülshoff (2017): Psychosoziale Intervention bei Krisen und Notfällen Ernst Reinhardt Verlag, München, 339 Seiten, € 39,99 Krisen und Notfallsituationen gehören zum täglichen Leben. Sie können erhebliche Unsicherheiten, Ängste und Gefährdungen hervorrufen, sodass für Einzelpersonen, Paare und Gruppen Hilfsmaßnahmen notwendig werden, um körperlichen, psychischen und sozialen Folgeschäden zu begegnen. Nicht zuletzt in der Sozialen Arbeit, in Erziehung und Bildung und in medizinischen Arbeitsfeldern treten oft problematische Situationen auf, die hohe Anforderungen an die Handlungskompetenz der Betroffenen stellen, da Lösungsstrategien nicht sofort sichtbar werden oder ausreichende Erfahrungen fehlen. Besonders in Notfallsituationen ist die interdisziplinäre Kooperation verschiedener Berufsgruppen zum Schutz einzelner Menschen oder ihres sozialen Umfeldes unerlässlich. [...]
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134 uj 3 | 2019 Rezensionen Krisen und Notfallsituationen gehören zum täglichen Leben. Sie können erhebliche Unsicherheiten, Ängste und Gefährdungen hervorrufen, sodass für Einzelpersonen, Paare und Gruppen Hilfsmaßnahmen notwendig werden, um körperlichen, psychischen und sozialen Folgeschäden zu begegnen. Nicht zuletzt in der Sozialen Arbeit, in Erziehung und Bildung und in medizinischen Arbeitsfeldern treten oft problematische Situationen auf, die hohe Anforderungen an die Handlungskompetenz der Betroffenen stellen, da Lösungsstrategien nicht sofort sichtbar werden oder ausreichende Erfahrungen fehlen. Besonders in Notfallsituationen ist die interdisziplinäre Kooperation verschiedener Berufsgruppen zum Schutz einzelner Menschen oder ihres sozialen Umfeldes unerlässlich. Der Autor des vorliegenden Lehrbuches, Arzt und Familientherapeut, unternimmt den anerkennenswerten Versuch, die häufigsten und wichtigsten Krisen- und Notfallsituationen zu thematisieren, die in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit, der Pädagogik und Psychologie auftreten können. Das ist eine nützliche Handlungsorientierung für Studierende, aber auch für Praktiker, die damit wichtige Hinweise für den konstruktiven Umgang mit psychosozialen Krisen und Notfällen erhalten. Das Studium der Schrift wird erleichtert durch ihren Praxisbezug, Fallbeispiele, Literaturempfehlungen und kurze Zusammenfassungen am Ende einzelner Abschnitte. In den beiden ersten der in sieben Kapitel gegliederten Publikation („Grundlagen“, „Interventionen“) geht es zunächst darum, Basiswissen über das Erscheinungsbild von Krisen und Notfällen zu vermitteln sowie diverse Kriseninterventionen, komplementäre Konzepte und Methoden vorzustellen. Das geschieht praxisrelevant und wissenschaftlich fundiert. Besonders interessant sind Ausführungen zum Stress und zur Stressbewältigung, zur Salutogenese, zu posttraumatischen Belastungsstörungen, erste Hilfemaßnahmen, zur Durchführung der Krisenintervention und zu den Ebenen des Empowerments. Die hier erwähnten komplementären Methoden (u. a. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung) sind einigen Lesern sicher auch aus anderen Kontexten bekannt. Es ist zu begrüßen, dass zugleich auf Hilfen für Helfer hingewiesen wird: Möglichkeiten der Prävention und Behandlung der Burnout-Gefährdung. Gegenstand der Kapitel 3 („Interventionen bei Krisen mit besonderer Selbstgefährdung“) und 4 („Entwicklungskrisen“) sind u. a. suizidale Krisen, Pubertätskrisen, Krisen im familiären Bezug sowie Ansätze der systemischen Familientherapie. Damit werden Verhaltensphänomene und Behandlungsmöglichkeiten angesprochen, die oft eine Herausforderung für das professionelle Handeln in der Sozialen Arbeit, Pädagogik, Medizin und Psychologie darstellen. Hilfreich für das Verständnis der Eskalation und Deeskalation von Krisensituationen sind dieInformationenüberBedingungskonstellationen, Deeskalationstechniken und die Rolle der Eskalationsprophylaxe. Bemerkenswert sind überdies die Darlegungen zur Salutogenese im Familiensystem, zur ressourcen- und lösungsorientierten Krisenarbeit sowie zu den Methoden der systemischen Krisenintervention. Wie auch eigene langjährige Erfahrungen in der praktischen pädagogisch-psychologischen Arbeit mit behinderten, psycho-sozial auffälligen, familiengelösten und elternlosen Kindern und Jugendlichen ausweisen, korrelieren Krisen- und Notfallsituationen in vielen Fällen mit somatischen und psychischen Erkrankungen, Thomas Hülshoff (2017): Psychosoziale Intervention bei Krisen und Notfällen Ernst Reinhardt Verlag, München, 339 Seiten, € 39,99 uj 3 | 2019 135 Rezensionen Behinderungen, Störungen des Erlebens und Verhaltens. Darauf macht Hülshoff zu Recht im 5. Kapitel („Krisen im Kontext von Krankheit“) aufmerksam, indem er sich mit den Ursachen, Folgen und Interventionen bei Krebs, Psychosen, Sucht und Abhängigkeit auseinandersetzt. Es gelingt ihm gut, die jeweilige Symptomatik zu charakterisieren und adäquate Vorschläge für die Beratung und Therapie zu unterbreiten. Vor allem die Mitarbeiter der Jugendhilfe und ihrer Einrichtungen finden in den Kapiteln 6 („Traumatische Krisen und Gefährdung des Kindeswohls“) und 7 („Krisen im Kontext von Flucht, Vertreibung und Migration“) brauchbare Hinweise für den effizienten Umgang mit Praxisproblemen, beispielsweise der Kindesvernachlässigung und der Kindesmisshandlung, dem sexuellen Missbrauch, der häuslichen Gewalt oder den Traumatisierungen und posttraumatischen Belastungen in Abhängigkeit von Krieg, Folter und Flucht. Anregungen für das sozialpädagogische Handeln vermitteln zudem die Grundsätze zur Traumapädagogik und über traumatherapeutische Verfahren. Überdenkenswert sind die Empfehlungen zur transkulturellen Interaktion und der narrativen Therapie. Fazit: Ein Lehrbuch, das sowohl Studierenden als auch Praktikern wertvolle Anregungen für das professionelle Handeln in Krisen- und Notfallsituationen vermittelt. Im Mittelpunkt der zieladäquaten Interventionen stehen psychosoziale Aspekte. Dr. habil. W. Topel, Leipzig DOI 10.2378/ uj2019.art22d