unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags
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Markus Gewald
Ist es möglich, mit Seilen, Augenbinden oder Bällen mit einer Schulklasse draußen nachhaltig erlebnispädagogisch zu arbeiten – und dabei mehr mitzunehmen als nur Spaß & Fun?
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163 unsere jugend, 71. Jg., S. 163 - 169 (2019) DOI 10.2378/ uj2019.art27d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Markus Gewald Jg. 1967; Diplom-Sozialarbeiter (FH), Schulsozialarbeiter am Melanchthon Gymnasium Bretten Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Wie gelingt Handlungs- und Interaktionspädagogik (trotzdem) mit Schulklassen draußen? Ist es möglich, mit Seilen, Augenbinden oder Bällen mit einer Schulklasse draußen nachhaltig erlebnispädagogisch zu arbeiten - und dabei mehr mitzunehmen als nur Spaß & Fun? Erlebnispädagogik - und Schule? Eine Definition von Erlebnispädagogik ist folgende (u. a. nach Heckmair/ Michel 1993, zitiert nach Muff 1997, 27): „Unter Erlebnispädagogik verstehen wir eine handlungsorientierte Methode, in der durch Gemeinschaft und Naturerlebnisse in naturnahen oder pädagogisch unerschlossenen Räumen neue Raum- und Zeitperspektiven erschlossen werden, die einem pädagogischen Zweck dienen.“ Erlebnispädagogik hat also weniger mit Abenteuerromantik zu tun, sondern bietet vielmehr eine Kombination aus Bewegung, Gruppenerlebnis, Naturerleben und Selbsterleben der eigenen Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit an. Dabei stehen u. a. die Entwicklung von Kommunikation, Selbstbewusstsein, selbstbestimmtem Handeln, Verantwortungsbewusstsein, Belastungs- und Stresstoleranz und die Fähigkeit, Probleme zu analysieren und zu lösen und Entscheidungen zu treffen im Fokus. Abb. 1: Problemlösung 164 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Dagegen hat in der Schule die Vermittlung bzw. Erarbeitung von fachlichem Wissen einen zentralen Stellenwert - die Auffassungen, wie diese Vermittlung zu geschehen habe, unterscheiden sich dabei grundlegend. Das klassische Lernparadigma, an dem sich immer noch ein großer Teil schulischen Unterrichts orientiert, lässt sich durch einige „Merkmale“ charakterisieren; z. B. durch Verkopfung: Lernen wird beinahe ausschließlich als rationaler, weitgehend ohne Gefühle auskommender Vorgang angesehen oder als Fremdbestimmung: fachliche Autoritäten treffen die wesentlichen Entscheidungen und legen diese in Lehrplänen fest. Der Erfolg dieser Art des Lernens besteht in der Regel aus kurzfristigem„Erinnern“ an den Lernstoff - um diesen dann (spätestens) nach den Prüfungen in der Regel wieder zu vergessen (Gilsdorf/ Volkert 2004, 22). Persönlichkeitsförderung und soziales Lernen spielen dabei bestenfalls Nebenrollen. Erfahrungsorientierte Pädagogik orientiert sich dagegen in der Regel an einem Grundverständnis von„Lernen als ganzheitlicher Tätigkeit“; d. h. Erfolg wird ganz wesentlich von der Art und dem Ausmaß der dabei beteiligten Gefühle bestimmt (Gilsdorf/ Volkert 2004, 22). Neues wird umso einfacher und nachdrücklicher gelernt (und auch „behalten“), je besser und sinnvoller es in bereits bestehende Zusammenhänge eingeordnet werden kann. Außerdem wird die Fähigkeit gefördert, bei neuen Fragen oder Ideen Zusammenhänge herzustellen und dadurch Zugriffsmöglichkeiten auf bereits vorhandenes bzw. anderweitig genutztes Wissen zu haben (vgl. Gilsdorf/ Volkert 2004). Erleben und Lernen schließen sich demzufolge nicht aus; ein dementsprechend umfassendes Verständnis von Lernen (mit Bezügen zum handlungsorientierten Unterricht vgl. Gudjons 2014) kann und wird Bildungsprozesse anstoßen, bereichern und vertiefen. Die beiden Begriffe bedürfen vielmehr einer engeren „Verzahnung“. Durch gesamtgesellschaftliche Veränderungen, fehlende sichere und ausreichende Lebensorientierung in vielen Familien kommt auch der Schule ein immer bedeutenderer Stellenwert in der Vermittlung und Ausgestaltung grundlegender Lebenskompetenzen zu. „Sie ist die einzige gesellschaftliche Einrichtung, die alle Kinder in einem Alter und in einer Entwicklungsphase erreicht, in welcher der junge Mensch noch die entscheidenden Lebensstrategien erlernen kann. Diese Aufgabe muss von der Schule heute wahrgenommen werden, um den Anforderungen der Gesellschaft zu entsprechen“ (Gilsdorf/ Volkert 2004, 436). Die Schule als „Lerninstanz“ scheint jedoch, zumindest auf den ersten Blick, kaum geeignet zu sein, in dieser Situation einen konstruktiven Beitrag zur Entfaltung jugendspezifischer Bedürfnisse zu leisten. Große Klassen, 45- oder 90-Min.-Takt, Fachlehrersystem, Notendruck usw. machen erlebnis- oder erfahrungsorientiertes Lernen nicht eben leicht. Schule ist per se sicher auch nicht vorrangig „zuständig“ - fachliche Lernziele haben in der Regel in der Unterrichtsrealität oft Vorrang vor sozialen Lernzielen. Darüber hinaus gehört es wesentlich zum Inhalt der Schule bzw. den Fächern, dass viele der hier vermittelten Inhalte und Fähigkeiten erst „später“ gebraucht werden. Aber - „eine Institution (Schule), deren Selbstdefinition davon lebt, Menschen auf Zukunft vorzubereiten, gerät in das Legitimierungsvakuum und ggf. in eine Sinnkrise, wenn sich herausstellt, dass die Zukunft selbst unsicher geworden ist“ (Gudjons 2014, 17). Die abschließenden Zertifikationen und Zeugnisse sind in der Regel kein „Freifahrschein“ mehr für (knapper werdende) Arbeits- und Studienplätze oder die Gewissheit, das Erlernte als Wissen und Fähigkeit im (späteren) Leben einsetzen zu können (vgl. Gudjons 2014). 165 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Hans Thiersch, inzwischen emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik an der Universität Tübingen, hat die Situation Heranwachsender in der Schule einmal in einem Bild sehr treffend zusammengefasst: „So leben sie - in den Lernangeboten, in den Lebenserwartungen - gleichsam auf einer großen Treppe, die zu besteigen mühsam ist und von der sie doch wissen, dass das Portal am Ende der Treppe nur über wackelige Bretter hinunter ins offene Gelände führt“ (Gudjons 2014, 18). Warum besteht immer noch vielerorts der Glaube, dass der Schulstoff tatsächlich (viel) wichtiger sein soll für das künftige Wohl der Kinder - als die Entwicklung von Sozialverhalten, Lebensfreude, Umgangsformen, Kreativität und Fantasie (vgl. Precht 2013)? Schule soll ein Lernort sein - aber auch ein Raum für neue Erfahrungen, Herausforderungen und eigene Grenzerweiterungen. Die Abenteuerbzw. Erlebnispädagogik kann in diesem Zusammenhang (weit) mehr bieten, als dies bisher meist von schulischer Seite wahrgenommen wird. Weg vom reinen „Event“- Charakter oder nur als „Highlight“ im sonst eher grauen Schulalltag können beispielsweise in Kombination bzw. Kooperation mit der Schulsozialarbeit diese Spielräume geschaffen werden, in denen Jugendliche innerhalb eines verantwortbaren Rahmens mit Herausforderungen und Grenzen experimentieren können (Gilsdorf/ Volkert 2004, 15). Aber gerade die Erlebnispädagogik läuft dabei Gefahr, als „exklusive“ Methode für besonders auffällige oder„schwierige“ Schüler missverstanden zu werden. Eine auf diese Gruppe bezogene „Pädagogik des Rettungsankers“ beinhaltet nicht nur die Gefahr einer weiteren Ausgrenzung oder Stigmatisierung; „… sie vernachlässigt auch die emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Jugendlichen, die nicht auffallen. Auf der Suche sind aber auch diese Jugendlichen“ (Gilsdorf/ Volkert 2004, 17). Lange tat sich die Erlebnispädagogik dabei schwer, im Kontext Schule eine ernsthafte Rolle zu spielen - was sicher auch von ihrer Selbstdarstellung herrührte. Lehrkräfte suchen meist, und auch verständlicherweise, eher in Richtung neuer methodischer Anregungen, ergänzender Angebote oder „Aktionen“, die ohne allzu viel Aufwand in den Unterricht (bzw. ins Klassenzimmer) integrierbar sind (vgl. Gilsdorf/ Volkert 2004, 13). Die Schule - und Erlebnispädagogik Das Melanchthon-Gymnasium in Bretten (kurz: MGB) ist ein allgemeinbildendes Gymnasium im Landkreis Karlsruhe mit knapp 900 Schülerinnen und Schülern. Seit acht Jahren gibt es Schulsozialarbeit an der Schule; zuerst eine 75 %-Stelle, inzwischen erweitert auf 90 %. Ich bekleide diese von Anfang an und habe das Profil der Schulsozialarbeit am MGB entwickelt und aufgebaut. Es gibt insgesamt in Bretten sechs SchulsozialarbeiterInnen; verteilt auf sechs weiterführende Schulen. Anstellungsträger ist die Stadt Bretten. Verschiedene Präventionsprogramme, Projektangebote und Hilfsmöglichkeiten am MGB waren bereits implementiert, als ich an die Schule kam; es gab aber wenig Verzahnung oder Vernetzung derselben. Durch enge Zusammenarbeit mit (Präventions-)Lehrkräften, Schulleitung und Elternvertretern gelang es im Laufe der Jahre, das Sozialcurriculum der Schule neu zu entwickeln und mit Leben zu füllen; die Angebote aufeinander abzustimmen und verbindliche Präventionsprogramme (Sucht- und Gewaltprävention; Gesundheitsförderung) in den Klassenstufen einzuführen. Das MGB ist auch teilnehmende Schule am landesweiten Präventions-Programm „stark.stärker.WIR“ des Landes Baden-Württemberg. 166 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Da ich schon in meiner vorherigen Arbeitsstelle mit Schulklassen erlebnispädagogisch gearbeitet hatte (im Rahmen der offenen Jugendarbeit), wollte ich auch an der Schule entsprechende Angebote installieren. Beginnend mit freiwilligen Angeboten (Kletter-AGs) kamen relativ schnell verbindliche sozialpädagogische Klassenprojekte hinzu - anfangs für die Klassen 5; dann weiterführend bis zur Klasse 9. Diese sind inzwischen fest im Schuljahres-Plan verankert. Einige Angebote und Beispiele für die Arbeit mit Schulklassen Gute Zeitpunkte, erlebnispädagogisch mit Schulklassen zu arbeiten, stellen an unserer Schule hauptsächlich zwei Klassenstufen dar: Klasse 5: Das Starten und Ankommen an der Schule, Vertrauensaufbau und beginnende Kooperation sind elementare Bestandteile der Klassenfindung; wie auch die individuelle Entwicklung der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Klasse 8: Durch die individuelle Profilwahl (Musik, NWT, Sprachen) werden die Klassen neu zusammengesetzt - der Prozess der „Klassenfindung“ wird also neu durchlaufen; flankiert vom Einsetzen der Pubertät und dem u. U. belastenden „Nachtrauern“ nach den alten Klassenkameraden aus der Unterstufe. Diese Klassenprojekte finden, soweit möglich, zu Beginn des Schuljahres statt - zum einen, weil die 5. Klassen kurz danach ins Landschulheim fahren (und beim Training dann schon vorher ein erster Eindruck der Klasse entsteht), zum anderen ist die Chance, die Aktionen im Freien durchzuführen, im September/ Oktober aufgrund der Witterung deutlich höher als später im Jahr. Wichtig bei Angeboten dieser Art ist es, aus der Schule „rauszukommen“ - Natur bzw. naturnahe Räume stellen eine andere Motivations- und Erlebnisbasis dar als ein (eher trister) Schulhof - auf dem ggf. auch andere SchülerInnen bzw. Klassen bei den Aktionen zuschauen könnten. Bei uns in Bretten ist dies gut planbar: es befindet sich ein kleineres Wald- und Wiesengelände ungefähr 25 - 30 Minuten fußläufig entfernt von der Schule. Dieses Gelände gehört der Stadt bzw. dem Naturfreundeverein und kann, nach Absprache, genutzt werden. Die Klassen gehen, gemeinsam mit zwei Lehrkräften, von der Schule los und werden von mir direkt vor Ort empfangen. Ich bin schon vorher draußen und bereite alles vor. Wir starten in der Regel mit einer kurzen Vorstellung und einem Warm-up-Spiel. Die 5. Klassen werden dann geteilt: eine Teilgruppe geht mit mir (und einer Lehrkraft) zu einem vorbereiteten Seilparcours; die zweite Lehrkraft bleibt mit der anderen Hälfte der Klasse auf dem Wiesengelände und beschäftigt sich dort. Nach ca. einer Stunde ist Wechsel: Die erste Gruppe geht zurück zur Wiese, die zweite Gruppe kommt in den Seilparcours. Abb. 2: Begegnung Natur 167 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Die Lehrkräfte wechseln, wenn möglich, nicht: So hat der/ die KlassenlehrerIn die Möglichkeit, beide (Teil-)Gruppen im Parcours zu beobachten und kann sich ggf. sofort bzw. zeitnah mit dem Schulsozialarbeiter austauschen. Bei den Übungen stehen Vertrauensaufbau, Zusammenarbeit und das Reden darüber im Vordergrund - der Spaß soll dabei auch nicht zu kurz kommen. Die (meisten) 5. Klässler genießen die Freiheit und Offenheit, die im Wald herrscht - und erfinden häufig eigene Aktivitäten oder Spiele, welche dann auf dem Wiesengelände durchgeführt werden. Die 8. Klassen bleiben während der gesamten Aktion zusammen - sie sind i. d. R. zahlenmäßig etwas weniger als die 5.-Klässler, außerdem nicht mehr so sprunghaft und aufgedreht. Die Klasse bekommt nun Aufgaben, welche sie nur im Team lösen kann. Dafür wird jede Übung in drei Phasen unterteilt: Der Schulsozialarbeiter erklärt die Übung; wartet auf Rückbzw. Verständnisfragen; die Gruppe berät sich und führt die Aufgabe durch; im Anschluss erfolgt direkt eine Reflexion des Erlebten (verbal, symbolisch oder kreativ). Wichtig bei dem gesamten Prozess sind Kommunikation, Interaktion und Kooperation zwischen den SchülerInnen; dabei die flankierenden Beobachtungen und Beschreibungen durch mich und den/ die involvierte(n) KlassenlehrerIn. In der Abschlussrunde bewertet jede Schülerin und jeder Schüler, was er bei den Aktionen über sich und die Klasse erfahren und gefühlt hat. Bei Bedarf seitens der Klasse bzw. der Lehrkraft kann im zweiten Schulhalbjahr nochmals ein ähnlich gelagertes Projekt stattfinden - mit dann anspruchsvolleren Übungen und neuen Auswertungsmethoden. Beobachtungen und Erfolge Tragfähige Erkenntnisse sind in diesem Zusammenhang schwer messbar - es gibt aber trotzdem Anzeichen, welche die Sinnhaftigkeit solcher Projekte bestätigen können: Bei Abfrage der SchülerInnen zu einem späteren Zeitpunkt haben diese das Erlebte meist noch gut in Erinnerung (auch beispielsweise, wenn sie in der 8. Klasse kommen, sich daran zu erinnern: „Oh, hier waren wir doch in der 5. Klasse schon mal! “). Schon bei einem mehrstündigen Training mit einer Klasse im Wald sind, auch ohne zu sehr in „Schubladen“ zu denken, bestimmte Verhaltensweisen bzw. Auffälligkeiten der Klasse bzw. von einzelnen SchülerInnen zu bemerken: ➤ wie offen agiert die Klasse? ➤ wie klappt die Zusammenarbeit? ➤ wer bringt sich gut ein? ➤ wer achtet auf andere? ➤ wer ist außen vor? ➤ wer zieht die Aufmerksamkeit auf sich? In Abstimmung mit den jeweiligen Klassenlehrern können daraus Gespräche, Hilfestellungen oder Unterstützungen für die entsprechenden SchülerInnen erfolgen. Für die SchülerInnen bieten solche Übungen, im geschützten Rahmen, auch die Möglichkeit, Neues zu probieren, die eigene, angestammte Rolle zu verlassen bzw. zu tauschen und neue Perspektiven für sich zu entdecken. Bei Beobachtungen im Schulalltag ist, auch nach Rücksprache mit Lehrkräften, durchaus eine gewisse Entspannung der Klasse bzw. eine Stärkung der Klassengemeinschaft zu bemerken - besonders aber, wenn die Klassenaktion nochmals im Klassenverband zum Thema wird. Ein/ e KlassenlehrerIn hat beispielsweise danach einige Aktions-Bilder im Klassenzimmer aufgehängt. An diesen kann er, auch weiter im laufenden Schuljahr oder wenn es thematisch passt, aktuelle Klassensituationen mit Outdoor- Situationen vergleichen und ggf. in Verbindung bringen. 168 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Herausforderungen und Grenzen Erlebnispädagogische Kooperationsspiele lockern den Schulalltag auf und sind motivierend für eine Gruppe - vor allem, wenn eine (neue) Klasse „entsteht“. Dies bedingt aber auch ein authentisches und professionelles Auftreten des Schulsozialarbeiters: realistische Zeitplanung, Gelände-Check vor Ort, Transparenz des Handelns, hohe Empathie, zielgerichtetes Handeln bei den Aktionen und ein intaktes Sicherheitsmanagement sind dabei wichtige Aspekte. Darüber hinaus auch eine gute Zusammenarbeit mit den beteiligten Lehrkräften: klare und offene Kommunikation, gemeinsame Absprachen, transparente Rollenklärung. Natürliche Grenzen im Schulalltag erschweren zuweilen die Durchführung solcher Angebote: Terminüberschneidungen, Klassenarbeiten oder Schulveranstaltungen haben oftmals Priorität und beeinträchtigen in manchen Fällen die Durchführung der Klassenprojekte. Ein anderes Problem bleibt der Transfer des Erlernten in den Schulalltag: So werden Klassenaktionen in einer Halle oder draußen häufig als „Spaß“ gesehen; der Unterricht dagegen als „Ernst“. Es ist daher hilfreich, die Gruppe immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Aktionen mit dem Seil, der Plane oder den Augenbinden „auch“ Schule sind - nur eben anders; und es machbar ist, Erkenntnisse, die bei solchen Aktionen über einen selbst oder über die Gruppe gewonnen wurden, in den Schulalltag gewinnbringend einfließen zu lassen. Durch diesen fachübergreifenden Transfer lassen sich durchaus Erlebnisse und Erkenntnisse vom „Wald“ in den Klassenraum übertragen (z. B. bei der Seilüberquerung habt ihr eure individuellen Stärken eingesetzt - macht dies doch auch im Latein-Unterricht: die Besseren unterstützen die Schwächeren). Empfehlungen für pädagogische Fachkräfte Erlebnispädagogisch mit Klassen bzw. Gruppen zu arbeiten macht aus vielerlei Sicht Sinn: es besteht ein Aufforderungscharakter und eine Klasse agiert „außerhalb“ der Schule in der Regel authentischer, begeisterter und offener - und es macht auch den Beteiligten meistens Spaß. Grundlage für Wertschätzung und Akzeptanz solcher Angebote ist dabei aber zwingend, dass diese auch Aufnahme ins Schulprogramm bzw. Schulcurriculum finden; abgesegnet durch einen Beschluss der Gesamtlehrer-Konferenz (GLK). Weiterhin ist die Aufnahme in ein bestehendes (Gesamt-)Präventionskonzept der Schule denkbar - erlebnispädagogische Klassenprojekte sind beste Gewaltprävention! Für SozialpädagogInnen (an der Schule) gibt es inzwischen verschiedenste Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im erlebnisorientierten Bereich - beginnend von Wochenendseminaren zu speziellen Themen (wie z. B. Arbeiten mit Slacklines) bis zu, modular aufgebauten, längeren Zusatzqualifikationen (beispielsweise die „ZQ Kooperationsübungen“ im Institut für Jugendarbeit Gauting). Schulinterne Fortbildungen für LehrerInnen sind darüber hinaus sinnvoll: wir besitzen inzwischen an der Schule sogenannte erlebnispädagogische „Spielekisten“, welche mit diversem Material (wie Bälle, Planen, Augenbinden, Seile usw.) ausgestattet sind und Spielanleitungen beinhalten. Durch Schulung (hauptsächlich) der KlassenlehrerInnen, wie diese Hilfsmittel eingesetzt werden können, wird das Wissen darüber weitergegeben und verbreitet. Die LehrerInnen verlieren dadurch auch die Berührungsängste, mit ihren Klassen auch selber etwas zu „versuchen“ (z. B. im Rahmen der Klassenlehrerstunde oder auf einer Klassenausfahrt). 169 uj 4 | 2019 Erlebnispädagogik im Korsett des Schulalltags Für die ggf. benötigte finanzielle Unterstützung (für das Aktions-Material) ist der jeweilige Förderverein der Schule eine gute Anlaufstelle. Schule kann also durchaus ein Versuchs- und Aktionsfeld für nachhaltiges, erlebnispädagogisches Arbeiten mit Gruppen bzw. Schulklassen sein - einfach ausprobieren! Markus Gewald Allmendstraße 9 75443 Ötisheim E-Mail: gewald-mgb@arcor.de Mobil: (01 71) 4 34 55 48 Literatur Gilsdorf, R., Volkert, K. (2004) (Hrsg.): „Abenteuer Schule“. ZIEL Verlag, Augsburg Gudjons, H. (2104): „Handlungsorientiert lehren und lernen“. Verlag J. Klinkhardt, Bad Heilbrunn Heckmair, B., Michl, W. (1998): „Erleben und Lernen. Einstieg in die Erlebnispädagogik“. Reinhardt Verlag, Neuwied Muff, A. (1997): „Erlebnispädagogik und ökologische Verantwortung“. AFRA Verlag, Butzbach-Griedel Precht, R. D. (2013): „Anna, die Schule und der liebe Gott“. Goldmann Verlag, München Thiersch, H. (1993): „Abenteuer - ein Weg zur Jugend? “ In: bsj Marburg (Hrsg.): Tagungsdokumentation. Marburg
