eJournals unsere jugend 71/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2019.art23d
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2019
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Rezension: Barbara Senckel/Ulrike Luxen (2017): Der entwicklungsfreundliche Blick. Entwicklungsdiagnostik bei normal begabten Kindern und Menschen mit Intelligenzminderung

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Bernhard Hanuschig
Rezension Barbara Senckel/Ulrike Luxen (2017): Der entwicklungsfreundliche Blick. Entwicklungsdiagnostik bei normal begabten Kindern und Menschen mit Intelligenzminderung Beltz, Weinheim, 266 Seiten, € 49,95 Das Befindlichkeitsorientierte Entwicklungsprofil für normal begabte Kinder und Menschen mit Intelligenzminderung (BEP-KI-k) dient der differenzierten Erhebung des Entwicklungsstandes mit dem Schwerpunkt auf der emotionalen und sozialen Entwicklung, weil diese weitgehend für die emotionale Stabilität und damit auch für die Nutzung der kognitiven und lebenspraktischen Ressourcen verantwortlich ist. [...]
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uj 3 | 2019 135 Rezensionen Barbara Senckel / Ulrike Luxen (2017): Der entwicklungsfreundliche Blick. Entwicklungsdiagnostik bei normal begabten Kindern und Menschen mit Intelligenzminderung Beltz, Weinheim, 266 Seiten, € 49,95 Das Befindlichkeitsorientierte Entwicklungsprofil für normal begabte Kinder und Menschen mit Intelligenzminderung (BEP-KI-k) dient der differenzierten Erhebung des Entwicklungsstandes mit dem Schwerpunkt auf der emotionalen und sozialen Entwicklung, weil diese weitgehend für die emotionale Stabilität und damit auch für die Nutzung der kognitiven und lebenspraktischen Ressourcen verantwortlich ist. Es ist ein Papier-und-Bleistift-Verfahren und enthält zwei Skalen mit insgesamt 133 Items, und zwar die Grundskala mit den Dimensionen: Emotionalität und Sozialentwicklung (50 Items), Denken, Sprache (Sprachproduktion und Sprachverständnis) (50 Items) - und die Ergänzungsskala der sozio-emotionalen Besonderheiten (33 Items), die problematische Verhaltensweisen erfasst. Die Items werden entweder quantitativ (normalerweise, manchmal, nie) oder qualitativ, d. h. die Befindlichkeit berücksichtigend (manchmal gebunden an gute/ schlechte Situation/ emotionale Verfassung), durch die Befragung von Bezugspersonen erhoben. Ein farbiges Schaubild für die Auswertung und Interpretation der Einschätzungsergebnisse verdeutlicht auf einen Blick alle gewonnenen Informationen zum erreichten Entwicklungsniveau. Es kennzeichnet Unterschiede zwischen den einzelnen Entwicklungsdimensionen, (fragile) Entwicklungsspitzen, Kompetenzlücken und Fixierungen auf frühe, dem Entwicklungsstand eigentlich nicht mehr angemessene Verhaltensweisen, die einen pädagogischen Bedarf signalisieren, gemeisterte und noch offene Entwicklungsaufgaben sowie situationsbzw. Verhaltensweisen. Diese Informationen dienen als Grundlage für eine differenzierte Interpretation. Um diese zu erleichtern, informieren drei Kapitel über die Zuordnung der einzelnen 136 uj 3 | 2019 Rezensionen Items zu den sozio-emotionalen und kognitiven Entwicklungsaufgaben. Die Interpretation ermöglicht Aussagen über sinnvolle, praxisnahe pädagogische Ableitungen für die (heil-)pädagogische oder therapeutische Beziehungsgestaltung. Die Darstellung des Konzepts der Entwicklungsfreundlichen Beziehung, und sieben beispielhafte Interpretationen einschließlich der Ableitung pädagogischer Konsequenzen runden das Buch ab. Ausgewählt wurden Kinder - beginnend mit dem Alter von zwei Jahren -, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Intelligenzminderung und/ oder psychischer Problematik. Das BEP-KI-k bereichert die gängige Entwicklungsdiagnostik um zwei wesentliche Elemente, die es sehr attraktiv machen. Das erste ist die zentrale Bedeutung der Sozio-Emotionalität, die durch klar definierte, gut operationalisierte Items erfasst wird. Das zweite ist die Befindlichkeitsorientierung. Die Erkenntnis, ob ein Verhalten nur in günstigen Situationen/ bei guter emotionaler Verfassung gezeigt wird bzw. ob es nur in schwierigen Situationen/ bei schlechter emotionaler Verfassung auftritt, ist von unmittelbar praktischer Relevanz. Denn das Ausmaß von befindlichkeitsabhängigen Verhaltensweisen lässt Rückschlüsse auf die emotionale Stabilität zu. Außerdem gibt es Hinweise für eine sinnvolle pädagogische Beziehungsgestaltung. Der Nachteil, dass durch dieses subjektiv gefärbte Einschätzungskriterium die Objektivität des Instrumentes leidet, ist gegenüber den Vorteilen vernachlässigbar. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass das Schaubild alle gewonnenen Informationen farblich verdeutlicht. Allerdings bedarf es einiger Mühe und Konzentration, dieses Schaubild korrekt zu erstellen. Äußerst wertvoll sind die Anregungen für die Beziehungsgestaltung, die sich folgerichtig, den Grundsätzen der entwicklungsfreundlichen Beziehung entsprechend, aus der Interpretation ergeben. Die Praxisbeispiele zeigen, wie differenziert solche Interpretationen ausfallen können, unabhängig davon, ob eine kognitive Beeinträchtigung vorliegt oder nicht. Das Instrument ist also tatsächlich für beide Personengruppen gleichermaßen geeignet. Bestechend sind zudem die Bezüge zwischen den einzelnen Dimensionen, die bei den Interpretationen herausgearbeitet worden sind. Insgesamt ist das Buch gut zu lesen, so dass man diesem Verfahren viele Freunde wünscht. Bernhard Hanuschik E-Mail: schaubrauhan@gmx.de DOI 10.2378/ uj2019.art23d