unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2019.art35d
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Haus des Jugendrechts
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Karin Würden
Das Haus des Jugendrechts Leipzig setzt in seinen Verfahrensabläufen teilweise schon die Empfehlungen des Referentenentwurfs für ein Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren um. Die Erfahrungen in der Zusammenlegung der Behörden sind positiv. Sie dienen nicht der restriktiven, sondern der jugendhilfeorientierten Reaktion auf Straftaten.
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215 unsere jugend, 71. Jg., S. 215 - 219 (2019) DOI 10.2378/ uj2019.art35d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel von Karin Würden Jg. 1956; Dipl.-Soz.Arb./ Soz.-Päd. (FH), Sachgebietsleiterin Jugendgerichtshilfe Leipzig, stellv. Vorsitzende der DVJJ Landesgruppe Sachsen Haus des Jugendrechts Die Chance für eine gelingende Kooperation von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe im Strafverfahren Das Haus des Jugendrechts Leipzig setzt in seinen Verfahrensabläufen teilweise schon die Empfehlungen des Referentenentwurfs für ein Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren um. Die Erfahrungen in der Zusammenlegung der Behörden sind positiv. Sie dienen nicht der restriktiven, sondern der jugendhilfeorientierten Reaktion auf Straftaten. Häuser des Jugendrechts oder andere Formen der behördenübergreifenden kooperativen Zusammenarbeit sind weder Erfindung der Gegenwart, noch aus der aktuellen Diskussion zur Entwicklung der Jugendkriminalität oder aus der Problematik im Umgang mit Intensivtätern entstanden. Sie bestehen in den verschiedensten Städten der Bundesrepublik schon zum Teil über Jahrzehnte und haben sich mit ihren jeweils eigenen Arbeitsansätzen mittlerweile bewährt. Obwohl sich die Formen zur Ausgestaltung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit unterscheiden und untereinander schwer vergleichbar sind, verfolgen alle ein einheitliches Ziel: Verantwortung für straffällig gewordene junge Menschen zu übernehmen, sie zu fördern und zu fordern sowie sie zu gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Historie des Hauses des Jugendrechts Leipzig Die Entwicklung eines behördenübergreifenden Hauses des Jugendrechts in Leipzig orientierte sich an verschiedenen bestehenden und ähnlich gelagerten Projekten in der gesamten Bundesrepublik. Schon in den 90er-Jahren wurden in Mitteldeutschland ähnlich gelagerte Projekte etabliert. Vorreiter in Mitteldeutschland war Sachsen-Anhalt. Sachsen schloss sich mit drei etwas anders organisierten Projekten in Dresden, Leipzig und Hoyerswerda an. Die Sinnhaftigkeit der Projekte bestand in der zentralisierten polizeilichen Bearbeitung von Kindern und Jugendlichen, die als Tatverdächtige in Erscheinung getreten sind. Die Verfahrensabläufe der damals sächsischen Projekte bezogen sich vorrangig auf die Fallbearbeitung von Ersttätern - sie unmittelbar nach einer Vernehmung zu beraten, zu vermitteln und Diversionsverfahren (Verfahren zur Vermeidung einer Anklageerhebung) anzustreben. Das Leipziger Projekt SoBIK (Sozialpädagogische Beratung, Intervention und Koordination), eine Beratungsstelle der Jugend- 216 uj 5 | 2019 Haus des Jugendrechts - Chance in Kooperation gerichtshilfe, stellte seine Arbeit im Mai 2005 aufgrund von Strukturveränderungen in der Polizeidirektion Leipzig ein. Hoyerswerda beendete 2014 die Projektarbeit aus personellen Gründen. Aus der Entstehungsphase der 90er- Jahre besteht nur noch das Dresdner IPP (Interventions- und Präventionsprojekt), welches durchgängig eng mit dem dortigen K23 (Kommissariat 23) zusammenarbeitet. Mit der Schließung der „SoBIK“ fand die behördenübergreifende Zusammenarbeit nur noch auf einer formellen Ebene statt. Persönliche Kontakte zwischen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Jugendhilfe im Strafverfahren, den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern des K23 und der StA (Staatsanwaltschaft) erfolgten danach nur selten bzw. in schwierigen Einzelfällen. Eine Steuerung hin zu Diversionsverfahren von Seiten der JGH (Jugendgerichtshilfe) kam kaum zustande. Auf der Grundlage des Koalitionsvertrages Sachsens entschlossen sich gemeinsam die Stadt Leipzig, die Staatsanwaltschaft und die Polizeidirektion im Juni 2013, das Projekt „Haus des Jugendrechts“ Leipzig konzeptionell zu entwickeln und ins Leben zu rufen. Wie schon beschrieben, war die Idee für die beteiligten Behörden kein Neuland. So konnte von den schon vorhandenen guten Erfahrungen profitiert und auf bewährte Verfahrensabläufe aufgebaut werden. Die strukturelle und konzeptionelle Projektentwicklung lag vorrangig in der Hand von Fachkräften der drei Börden (K23, Jugendstaatsanwaltschaft und JGH). Wesentliche Schwerpunkte waren die Erarbeitung eines Konzeptes und Kooperationsvertrages sowie die Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. In fachlichen Diskussionsrunden mit den beteiligten Behörden wurden die unterschiedlichen Arbeitsansätze analysiert, der jeweilige autonome und weisungsfreie Arbeitsauftrag standardisiert, die fachlichen Abgrenzungen in der Fallarbeit konkretisiert sowie die Handlungsspielräume und Verfahrensabläufe für eine erfolgreiche Zusammenarbeit definiert. Am 27. Februar 2015 erfolgte die feierliche Eröffnung des Hauses des Jugendrechts in Leipzig. Zur Ausrichtung des Hauses des Jugendrechts in Leipzig Behördenstruktur: Im Haus des Jugendrechts befinden sich folgende Fachkräfte: ➤ Die Polizeidirektion: K23 mit 16 Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern ➤ Die StA: zum Teil die Abteilung IV mit drei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ➤ Die Stadt Leipzig: JGH mit 16 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern Die behördliche Trennung auf zwei Ebenen war eine Grundvoraussetzung. Für das Haus gilt freier Zugang zum Sachgebiet JGH und ein kontrollierter Zugang zum K23 sowie zur Staatsanwaltschaft. Die Dienst- und Fachaufsichten bleiben unberührt. Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Verfahrensabläufe im Rahmen der behördenübergreifenden Zusammenarbeit finden sich in der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung, Konzeption bzw. Hausordnung wieder. Grundprinzipien: Im Haus des Jugendrechts Leipzig gilt das Grundprinzip, dass drei verschiedene Behörden miteinander weisungsfrei und fachlich zusammenarbeiten können und dass dabei der strafrechtlich in Erscheinung getretene junge Mensch mit seiner aktuellen Problem- und Lebenslage im Mittelpunkt steht. Der Arbeitsansatz aller beteiligten Behörden mit der Personengruppe der jungen Tatverdächtigen/ Angeklagten zielt darauf ab, dem Erziehungsgedanken gerecht zu werden, sie professionell und entwicklungsbzw. altersgemäß über das Verfahren aufzuklären, ihnen Beratungsangebote zeitnah zur Verfügung zu stellen und ihnen die Möglichkeit zu gewähren, auf Leistungen der Jugendhilfe zugreifen zu können. 217 uj 5 | 2019 Haus des Jugendrechts - Chance in Kooperation Leider wird auf politischer Ebene die Wirksamkeit des Hauses des Jugendrechts vorrangig an der Verfahrensbeschleunigung gemessen. Zielgruppen: Die Absprachen zur Zielgruppenbestimmung gestalteten sich am Anfang etwas schwierig. Die Zielgruppenbearbeitung orientierte sich in den einzelnen Behörden an einem festgelegten Verteiler, auf welchem innerbetriebliche Verfahrensabläufe erfolgten. Das K23 war für die Bearbeitung aller Kinder, die mit Straftaten in Erscheinung getreten sind, sowie für jugendliche Intensivtäter zuständig. Die Verteilung der Ermittlungsverfahren auf die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter erfolgte/ erfolgt nach dem Regionalprinzip. In der Abteilung Jugend der Staatsanwaltschaft gab es eine Staatsanwältin, welche alle abgeschlossenen Ermittlungsverfahren gegen jugendliche Intensivtäter bearbeitete. Die anderen Verfahren wurden nach dem Buchstabenprinzip verteilt. Die Jugendhilfe im Strafverfahren verfolgte und verfolgt weiterhin den ganzheitlichen Ansatz in der Fallarbeit, entsprechend dem § 52 Abs. 3 SGB VIII. Die Fallverteilung richtet sich ebenfalls nach dem Regionalprinzip. Es entstand die Frage: Wie können Behörden mit unterschiedlicher Profession unter Berücksichtigung der ganzheitlichen und durchgängigen Fallarbeit effektiv zusammenarbeiten? Im Rahmen der Zusammenführung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe im Haus des Jugendrechts begann ein strukturierter Veränderungsprozess hinsichtlich der Zielgruppen und der Verfahrensabsprachen. Das K23 bearbeitet nunmehr Ermittlungsverfahren gegen jugendliche Schwellensowie Intensivtäter und heranwachsende Intensivtäter (welche schon als jugendliche Intensivtäter geführt wurden). Analog zum K23 ist eine Staatsanwältin für die gleiche Zielgruppe zuständig. Die zwei anderen Staatsanwälte sind weiterhin im Geschäftsverteilungsplan der StA verankert, übernehmen Vertretungsaufgaben und sind im Haus gleichrangige Ansprechpartner. Eine Änderung bzw. Spezialisierung der Jugendhilfe im Strafverfahren war nicht erforderlich. Die Fallbearbeitung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter umfasst jedoch nicht nur die anhängigen Verfahren im Haus des Jugendrechts, sondern alle anderen informellen und formellen Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende der gesamten Polizeidirektion, Bundespolizei und Staatsanwaltschaft. Junge Intensivtäter (JunI-Täter): Die Umsetzung der Vergabe des „JunI-Täter“-Markers entspricht einer Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift (VwV) des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und Europa und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Arbeit mit jungen Intensivtätern im Freistaat Sachsen vom 1. Dezember 2006 (geändert durch VwV am 22. Januar 2013). Im Wesentlichen gilt die VwV als Richtlinie für die Polizei und Staatsanwaltschaft. In ihr werden Verfahrensabläufe, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und die Informationsweitergabe geregelt. Der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung wird mit dieser VwV verfolgt. Die Mitwirkung der Jugendhilfe im Umgang mit jungen Intensivtätern bezieht sich nur auf gesetzliche Regelungen des SGB VIII und des JGG. In Leipzig wird die Vergabe des „JunI-Täter“- Markers unter Beteiligung aller drei Behörden entschieden. Dabei spielen nicht nur die Straftatbestände, wie in der VwV beschrieben, sondern auch die familiären und sozialen Hintergründe sowie Qualität und Quantität von Straftaten eine Rolle. Auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Mitwirkungsbereitschaft, die Annahme von Hilfen und die daraus resultierende Sozial- und Kriminalprognose werden die Entscheidungen zur Vergabe des „JunI-Täter“-Markers getroffen. Neu ist, dass die Jugendgerichtshilfe eine Löschung des Markers in den Fachanwendungen der StA und des K23 beantragen kann. Somit wird einer längerfristigen Stigmatisierung entgegengewirkt. 218 uj 5 | 2019 Haus des Jugendrechts - Chance in Kooperation Das Verfahren und die Umsetzung der VwV wurden im Haus des Jugendrechts auf die heranwachsenden Intensivtäter („HerI-Täter“) erweitert. Bei den „HerI-Tätern“ handelt es sich um junge Menschen, die bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs noch als „JunI-Täter“ erfasst waren. Abläufe und Richtlinien Informationsweitergabe und Beteiligung im Ermittlungsverfahren: Die Polizeibehörde ist verpflichtet, über eingeleitete Ermittlungsverfahren und insbesondere bei festgestellten Problemlagen im familiären oder sozialen Umfeld das Jugendamt zeitnah zu informieren. Die Informationspflicht ergibt sich aus der Polizeidienstvorschrift (PDV) 386 und aus dem § 36 Sächsisches Landesjugendhilfegesetz. Schon im Stadium der polizeilichen Ermittlung wird die JGH Leipzig wöchentlich über Tatverdächtige, Straftatbestände und Tatorte/ -zeiten informiert. Über die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des K23 können die Mitarbeitenden der JGH einen persönlichen Zugang zu dem tatverdächtigen Jugendlichen oder Heranwachsenden aufbauen, Gesprächstermine vereinbaren oder an Vernehmungen teilnehmen. Äußerst wertvoll sind die direkten Hinweise und Informationen der Bearbeitenden des K23 über mögliche Kindeswohlgefährdungen durch Misshandlungen, Verwahrlosung, Schulpflichtverletzungen, kritische Lebensumstände und/ oder Fürsorge- und Aufsichtspflichtverletzungen durch Sorgeberechtigte. Das Verfahren hat sich bewährt. Jugendhilfe im Strafverfahren wird schneller als tatsächliche Jugendhilfe wahr- und angenommen, persönliche Kontakte können besser gepflegt werden, Vorbehalte werden abgebaut und Hilfsangebote/ Leistungen des SGB VIII können frühzeitig greifen. An dieser Stelle möchte ich auf die §§ 67 a Abs. 4 und 70 Abs. 2 des Referentenentwurfs verweisen, welcher diesen Ansatz regelt. Die umfassende Informationsweitergabe des K23 erfolgt in schriftlicher und mündlicher Form. Entsprechend dem Auftrag der Jugendhilfe kann schnell und umfänglich geprüft werden, ob Leistungen der Jugendhilfe gem. §§ 27ff SGB VIII in Betracht kommen, diese eingeleitet und durchgeführt werden sollen. Weiterhin kann über eine intensive Betreuung durch die Jugendhilfe im Strafverfahren entschieden werden. Standardisierte Verfahrensabläufe: Die Jugendhilfe ist entsprechend § 81 SGB VIII zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen verpflichtet. Eine Zusammenarbeit basiert auf und funktioniert nur durch nachvollziehbare Strukturen, Verfahrensabläufe, Regeln und gegenseitige Akzeptanz jeder einzelnen Berufsgruppe. Innerhalb des Hauses des Jugendrechts wurden mittlerweile Standards zur Zusammenarbeit entwickelt, Verfahrensabläufe festgeschrieben und vereinheitlicht. ➤ Wöchentliche schriftliche Datenweitergabe an die JGH über eingeleitete Ermittlungsverfahren (personenbezogene Daten, Straftatvorwurf, Datum/ Uhrzeit, zuständiger Sachbearbeiter K23) ➤ Bei Bedarf Gewährung der Teilnahme der JGH an Vernehmungen ➤ Einleitung und Durchführung von ambulanten Maßnahmen/ Leistungen der Jugendhilfe noch während eines laufenden Ermittlungsverfahrens ➤ Schriftliche Information der JGH über beendete polizeiliche Ermittlungsverfahren ➤ Anregung zur Durchführung von Diversionsverfahren durch die JGH, z. T. auch auf den Erkenntnissen des K23 ➤ Paritätische Beteiligung bei der Vergabe der Marker „JunI-Täter“ bzw. „HerI-Täter“ ➤ Löschung gesetzter Marker auf Anregung der JGH ➤ Bei Bedarf Stellungnahmen der Jugendhilfe an die StA im Strafverfahren noch vor der Anklageerhebung 219 uj 5 | 2019 Haus des Jugendrechts - Chance in Kooperation ➤ Information der beteiligten Behörden über einen geplanten Haftantrag durch die StA ➤ Genügend Spielraum zur Vorbereitung von Alternativen zur U-Haft für die JGH ➤ Übermittlung von Informationen über Entscheidungsvorschläge der JGH an die StA in Vorbereitung auf die Hauptverhandlung Somit ist die JGH mit Beginn eines Ermittlungsverfahrens einbezogen. Die Betroffenen erhalten ein umfängliches Beratungsangebot, aktuell anstehende Problemlagen können bearbeitet, bei bestehenden Konflikten kann nach Lösungen gesucht und können Interventionsmaßnahmen eingeleitet werden. Eigenverantwortlich kann die JGH in jeder Phase des Verfahrens einen Täter-Opfer-Ausgleich einleiten, in einen sozialen Trainingskurs/ Anti-Gewaltkurs vermitteln, einen Betreuer/ Erziehungsbeistand beauftragen oder auf andere Leistungen der Jugendhilfe zurückgreifen. In einem Abwägungsprozess wird gemeinsam mit der JGH und der StA geprüft, ob ein Antrag auf den Erlass eines Haftbefehls im Sinne des jungen Menschen tatsächlich gestellt werden sollte. Die durchgängige Betreuung und Begleitung eines straffällig gewordenen jungen Menschen durch die JGH beginnt mit der Ermittlung als Tatverdächtiger und endet mit dem Eingliederungsmanagement nach der Entlassung aus dem Jugendstrafvollzug. Dem ganzheitlichen Betreuungsgrundsatz gem. § 52 Abs. 3 SGB VIII auch analog zum Referentenentwurf wird in Leipzig Rechnung getragen. Persönliche Kontakte der Mitarbeitenden aller beteiligten Behörden werden fallbezogen gepflegt, über Handlungsspielräume wird aufgeklärt, ein Aufgabenverständnis verinnerlicht und Aufgabenabgrenzung vermittelt. Nicht an den Symptomen, sondern an den Ursachen wird gearbeitet. Gemeinsam werden Lösungen angestrebt, um Benachteiligungen abzubauen, um Chancen und Perspektiven zu eröffnen und letztendlich dazu beizutragen, dass sich der junge Mensch zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickelt. Fazit Aktuell gibt es in der Bundesrepublik 19 Häuser des Jugendrechts. Behördenübergreifende Zusammenarbeit, Zielgruppenbeschreibung, konzeptionelle Arbeit, inhaltliche Ausgestaltung, strukturelle Verfahrensabläufe sowie regionaler und kommunaler Bezug unterscheiden sich zum Teil voneinander. Sie sind daher kaum miteinander vergleichbar und bewertbar. Aus meiner Erfahrung heraus verfolgen alle Häuser des Jugendrechts jedoch die gleichen Ziele: die zeitnahe Einflussnahme auf straffällig gewordene junge Menschen und auf deren kriminelle Karrieren durch soziale und familiäre Integration sowie den Zugang zu frühzeitigen Beratungs-, Unterstützungs- und Hilfsangeboten der Jugendhilfe zu ermöglichen. Die Notwendigkeit der Einrichtung von Häusern des Jugendrechts wird oftmals mit politisch gewollten Zielen begründet, wie Verfahrensbeschleunigung, Gegensteuerung zur Jugendkriminalität, Verbesserung des allgemeinen Sicherheitsbedürfnisses und die schnellere Reaktion durch Sanktionen. Sie dienen eher der Publizistik, Außenwirkung und Rechtfertigung. Der junge Mensch mit seinen Stärken und Schwächen steht im Mittelpunkt der Arbeit aller beteiligten Behörden. Der Erfolg kann mit keiner mathematischen Formel errechnet werden. Schon ein einziger menschlicher und würdevoller Kontakt kann Erfolg bedeuten. Keiner wurde als Straftäter geboren: „Nicht Gott hat die Welt erschaffen, sondern die Umwelt den Menschen; so verändert der Mensch durch Veränderung der Umwelt auch sich“ (Karl Marx). Karin Würden Haus des Jugendrechts Sachgebiet Jugendgerichtshilfe Witzgallstr. 22 04317 Leipzig E-Mail: karin.wuerden@leipzig.de
