eJournals unsere jugend 72/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2020.art79d
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2020
7211+12

Kooperation von Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe

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2020
Karsten Speck
Michaela Peponis
Joachim Walter
Thomas M. Ruprecht
Heidi Bistritzky
Sabine Ott-Jacobs
Der Beitrag informiert über das Innovationsprojekt „Drei für Eins“, das Anfang 2021 in Hamburg startet und über vier Jahre gefördert wird. Das Projekt zielt auf eine frühzeitige Förderung der gesunden Entwicklung und Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit klinischem und multimodalem Versorgungs- und Unterstützungsbedarf durch eine sektorenübergreifende, aufsuchende Diagnostik, Behandlung und Förderung ab.
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492 unsere jugend, 72. Jg., S. 492 - 497 (2020) DOI 10.2378/ uj2020.art79d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Kooperationvon Kinder-und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe Innovationsprojekt „Drei für Eins“ für psychisch belastete Kinder und Jugendliche in Hamburg Der Beitrag informiert über das Innovationsprojekt „Drei für Eins“, das Anfang 2021 in Hamburg startet und über vier Jahre gefördert wird. Das Projekt zielt auf eine frühzeitige Förderung der gesunden Entwicklung und Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit klinischem und multimodalem Versorgungs- und Unterstützungsbedarf durch eine sektorenübergreifende, aufsuchende Diagnostik, Behandlung und Förderung ab. von Prof. Dr. Karsten Speck Jg. 1973; Dipl.-Päd., Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik, C. v. O. Universität Oldenburg; Projektverantwortlicher für die inhaltliche Evaluation von „Drei für Eins“ Michaela Peponis Jg. 1970; Dipl.-Psych., Referatsleitung, Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB), Hamburg; Projektverantwortliche der BSB für „Drei für Eins“ Dr. med. Joachim Walter Jg. 1958; Arzt; Projektverantwortlicher in der Abteilung Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift für „Drei für Eins“ Dr. med. Thomas M. Ruprecht Jg. 1958; Arzt, Techniker Krankenkasse (TK) (Unternehmenszentrale, Bereich Versorgungsmanagement Entwicklung), Projektentwickler der TK für „Drei für Eins“ Heidi Bistritzky Jg. 1961; Sonderpädagogin, Gesamtleitung des Regionalen Bildungs- und Beratungszentrums (ReBBZ) Altona-West; Mitglied der Projektgruppe der BSB „Drei für Eins“ Dr. med. Sabine Ott-Jacobs Jg. 1970; Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Projektverantwortliche für „Drei für Eins“ in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Asklepios Klinikums Harburg 493 uj 11+12 | 2020 Innovationsprojekt „Drei für Eins“ Ausgangslage von „Drei für Eins“ „Drei für Eins“ geht von folgenden sechs Prämissen aus: 1. Relativ stabil weist annähernd ein knappes Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland psychische Auffälligkeiten auf (Baumgarten u. a. 2018). 2. Zu den Risikofaktoren gehören u. a. eine chronische körperliche Erkrankung eines Elternteils, ein niedriger sozioökonomischer Status sowie eine psychische Erkrankung eines Elternteils. Als Schutzfaktoren konnten ein positives Familienklima, eine soziale Unterstützung und ein positives Schulklima ermittelt werden (Klasen u. a. 2017). 3. Eine angemessene Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten ist in Deutschland aufgrund krankheitsbezogener (z. B. komplexe Problemlagen) und patientenbezogener Ursachen (z. B. begrenzte Informiertheit und Ressourcen der Betroffenen), aber nicht zuletzt auch struktureller Ursachen im Versorgungssystem erschwert (z. B. wenig Früherkennung, lange Therapiewartezeiten, zu kurze und ungeeignete Hilfen, unterschiedliche Hilfe- und Rechtssysteme) (Karow u. a. 2013; Stein 2011). 4. Die unzureichende Versorgung der Kinder und Jugendlichen führt zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes, einer Chronifizierung der Auffälligkeiten und erheblichen Folgekosten (Karow u. a. 2013). 5. Die multiprofessionelle Kooperation im Bildungsbereich ist grundsätzlich ausbaufähig (Speck 2020). 6. Als geeignete Präventions- und Interventionsinstrumente werden in der Fachdiskussion vor allem a) Netzwerke zur Prävention und Therapie, b) eine multiprofessionelle Kooperation, c) Früherkennungsdienste, d) eine ambulante, gemeindenahe Versorgung sowie e) eine jugendgerechte Struktur der Hilfesysteme angesehen (Klasen u. a. 2017; Karow u. a. 2013). Ein wichtiger räumlicher und konzeptioneller Anknüpfungspunkt für „Drei für Eins“ sind die 13 Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) in Hamburg. Sie sind für die regionale Beratung und Unterstützung aller Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Sorgeberechtigten von allgemeinbildenden Schulen zuständig. Die ReBBZ haben fünf Kernaufgaben: Sie sind erstens für die Beschulung, Erziehung und Bildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Sprache und Lernen zuständig. Sie beraten zweitens Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte sowie Kooperationspartner zu schulischen sowie schulpsychologischen Fragestellungen. Sie beraten und unterstützen drittens Pädagoginnen und Pädagogen der allgemeinen Schulen zur sonderpädagogischen Diagnostik und Förderung. Sie entscheiden viertens über Beratungsanfragen der Schulen auf Schulbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Beratungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung. Sie entwickeln fünftens gemeinsam mit den Jugendämtern zeitlich befristete Lerngruppen in den Stammschulen bzw. den ReBBZ für die Schülerinnen und Schüler, die eine besondere Förderung in ihrer emotional-sozialen Entwicklung benötigen (BSB 2017). Ziele und Zielgruppen von „Drei für Eins“ Angesichts der skizzierten Ausgangslage verfolgt „Drei für Eins“ ab 2021 in vier ausgewählten ReBBZ ein übergreifendes Projektziel im Hinblick auf die Kinder und Jugendlichen: Dieses Projektziel besteht in einer niedrigschwelligen, sektorenübergreifend-gemeinsamen Diagnostik, Behandlung und Förderung von Kindern und Jugendlichen. Zielgruppe von „Drei für Eins“ sind Kinder und Jugendliche im Alter vom 4 bis 18 Jahren, die a) klinische kinder- und jugendpsychiatrische Symptome aufweisen, b) einen 494 uj 11+12 | 2020 Innovationsprojekt „Drei für Eins“ multimodalenVersorgungsbedarf an der Schnittstelle von Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe haben und c) bislang in der Regelversorgung nicht erreicht oder unzureichend behandelt werden können. Für den Erfolg von „Drei für Eins“ wird eine verbindliche multiprofessionelle Kooperation zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe etabliert (=„Drei für Eins“). Die Angebote und die Kooperation finden dabei aufsuchend innerhalb des (vor-)schulischen Systems in den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren statt. Vorgesehen ist auch eine gezielte Unterstützung der Eltern und Sorgeberechtigten in ihrer Erziehungskompetenz. Aus dem übergreifenden Projektziel von „Drei für Eins“ wurden drei Feinziele abgeleitet: ➤ Das zentrale Ziel von „Drei für Eins“ für die Kinder und Jugendlichen besteht in einer Förderung ihrer gesunden Entwicklung und Bildungsteilhabe. Als zu überprüfende Erfolgsindikatoren wurde für das Projekt Folgendes festgelegt: 1. die Reduzierung der psychischen Symptome und Verhaltensauffälligkeiten, 2. die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, 3. die Verbesserung der Emotionsregulation, 4. die Verbesserung der Lern- und Leistungsmotivation sowie 5. die Reduzierung des entschuldigten und nichtentschuldigten Schulabsentismus und die Verbesserung der Schulnoten bei den Kindern und Jugendlichen. ➤ Bei den Fachkräften aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, den Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe zielt „Drei für Eins“ auf eine Verbesserung der Kooperation und Selbstwirksamkeit sowie eine Reduzierung des Beanspruchungserlebens und des Burnout-Risikos ab. Erfolgsindikatoren bei den Fachkräften sind: 1. die Verbesserung der subjektiven Kooperationsbereitschaft, des Kooperationsverhaltens und der Kooperationszufriedenheit, 2. die Erhöhung der gemeinsamen, sektorübergreifenden Fallbearbeitungszeit und Kooperationsintensität sowie 3. die Verbesserung der Selbstwirksamkeit und Reduzierung des Beanspruchungserlebens und Burnout-Risikos. ➤ Hinsichtlich der Gesundheitskosten wird im Projekt angestrebt, dass die Kosten für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit klinischem und multimodalem Versorgungsbedarf - bei kontinuierlicher Anwendung - reduziert werden können. Zu überprüfende Erfolgsindikatoren hierfür sind u. a.: Die Reduzierung der Leistungskosten für 1. (teil-)stationäre Behandlungen, 2. tagesklinische Behandlungen, 3. ambulante Behandlungen, 4. Arzneimittel, 5. Heil- und Hilfsmittel, 6. Rehabilitationsbehandlungen, 7. Fahrtkosten. Zu berücksichtigen ist, dass es durch den niedrigschwelligen Zugang einer Vielzahl von Kindern und Jugendlichen zur kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung durch das Projekt „Drei für Eins“ und die Identifizierung zusätzlicher Versorgungsbedarfe kurzfristig auch zu Kostensteigerungen kommen kann. Angebote von „Drei für Eins“ Die drei Institutionen Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe bringen jeweils spezifische Zugänge, Kenntnisse, Kompetenzen und Maßnahmen in „Drei für Eins“ ein. Im Rahmen von „Drei für Eins“ werden von der Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie unter anderem folgende Interventionsangebote in den ReBBZ vorgehalten: a) Sprechstunden für die Kinder und Jugendlichen und Sorgeberechtigten, b) aufsuchende psychotherapeutische Angebote der Kinder- und Jugendpsychiatrie/ 495 uj 11+12 | 2020 Innovationsprojekt „Drei für Eins“ -psychotherapie (Einzel-, Gruppen- und Familientherapie) sowie c) aufsuchende fachtherapeutische Angebote (Ausdruckstherapie). Je nach Indikation wird das gesamte Leistungsspektrum einer psychiatrischen Institutsambulanz angeboten. Der Schulbereich bietet in „Drei für Eins“ über die ReBBZ sowohl Bildungsangebote (z. B. sonderpädagogische Förderung in Lerngruppen, ganztätige Bildung, Berufsorientierung) als auch Beratungsangebote (z. B. bei Krisensituationen und bei Gewaltvorfällen, Schulpflichtverletzungen, Schulbegleitung, sonderpädagogische Diagnostik und Förderplanung, Beratung bezüglich der weiteren schulischen Perspektive) für die Schulen, Kinder und Jugendlichen sowie Sorgeberechtigten an. Der Kinder- und Jugendhilfebereich unterstützt die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Sorgeberechtigten mit Leistungen im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (z. B. Förderung der Erziehung in der Familie, Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen). Zwischen den drei Helfersektoren und den Sorgeberechtigten werden im Bedarfsfall Krisenvereinbarungen abgeschlossen. Rahmenbedingungen und Kooperationspartner „Drei für Eins“ wird vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen einer Bekanntmachung zur themenspezifischen Förderung von neuen Versorgungsformen zur Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung mit knapp sechs Millionen Euro über vier Jahre gefördert. Es soll sowohl nachhaltige Unterstützungsstrukturen für Kinder und Jugendliche sowie ihre Sorgeberechtigten in Hamburg schaffen als auch innovativen Charakter für andere Regionen und Bundesländer in Deutschland haben. „Drei für Eins“ basiert auf einer Kooperation einer Vielzahl von Akteuren und Institutionen. Die Konsortialführung (Gesamtprojektleitung) hat die Techniker Krankenkasse (TK) inne. Zu den Konsortialpartnern (Projektpartnern) gehören die Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik (KJPPP) des Asklepios Klinikums Hamburg-Harburg und des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift gGmbH sowie die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung und die zugehörigen ReBBZ. Für die wissenschaftliche Evaluation des Projekts sind die Universität Oldenburg und die Universität Erlangen-Nürnberg als Konsortialpartner zuständig. Als weitere Krankenkassen sind - neben der TK - die AOK Rheinland/ Hamburg, die DAK Gesundheit, die IKK classic sowie die Knappschaft-Bahn-See in „Drei für Eins“ beteiligt. Kooperationspartner in „Drei für Eins“ ist darüber hinaus die Sozialbehörde. Die Prozesssteuerung erfolgt auf den unterschiedlichen Ebenen durch festgelegte Kommunikations- und Steuerungsstrukturen. Paradigmenwechsel und Besonderheiten „Drei für Eins“ zielt auf einen mehrfachen Paradigmenwechsel ab, der sich an drei Besonderheiten festmachen lässt: ➤ Frühzeitiges Screening für alle Beratungsfälle und Feindiagnostik für besondere Risikofälle: Die Diagnostik, Behandlung und Förderung der Kinder und Jugendlichen findet frühzeitig und aufsuchend innerhalb des (vor-)schulischen Systems statt und beginnt mit dem Erstkontakt in den ReBBZ (z. B. bei Beratungs- und Förderangeboten). Bei entsprechenden Einwilligungserklärungen findet ein Screening der klinischen Symptomatik und Bildungsteilhabe aller Kinder und Jugendlichen mittels explorativer Gespräche 496 uj 11+12 | 2020 Innovationsprojekt „Drei für Eins“ und standardisierter Testinstrumente statt. Auf dieser Basis wird eine multiprofessionelle Bewertung des klinischen und multimodalen Versorgungs- und Therapiebedarfs vorgenommen. Mit dem Screening ist es möglich, besonders belastete und auffällige Kinder und Jugendliche frühzeitig zu identifizieren. Darauf aufbauend soll bei Risikofällen eine Feindiagnostik vorgenommen und sollen diese Kinder und Jugendlichen gezielt behandelt und gefördert werden. ➤ Niedrigschwellige, aufsuchende Diagnostik, Behandlung und Förderung vor Ort: Die ambulante Diagnostik, Behandlung und Förderung findet niedrigschwellig und aufsuchend in den ReBBZ ohne Herausnahme der Kinder und Jugendlichen aus dem Familien- und Bildungssystem und in Verbindung mit flexiblen Angeboten aus Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe statt. Die psychiatrischen Institutsambulanzen der Kliniken entsenden hierzu kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die ReBBZ. Durch die Verlagerung und Ausweitung des therapeutischen Angebots in den Lebensort Schule und die multiprofessionelle Angebotsstruktur sollen frühzeitig und niedrigschwellig diejenigen Kinder und Jugendlichen angesprochen werden, die die Hilfen in den traditionellen Strukturen bislang nicht erreichen oder annehmen und die dadurch nicht behandelt und gefördert werden konnten. Die Niedrigschwelligkeit wird unterstützt, indem die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen die Hilfen bestimmen und nicht die Rahmenbedingungen der beteiligten Institutionen. Eine Motivation der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Sorgeberechtigten wird erarbeitet, d. h. es erfolgt eine bedarfsstatt angebotsgesteuerte Versorgung. ➤ Multiprofessionelle Kooperation in der Diagnostik, Behandlung und Förderung: Mit dem Projekt wird eine verbesserte Zusammenarbeit der traditionell oft nebeneinander arbeitenden Hilfesysteme und damit auch ein Benefit und eine Entlastung für die beteiligten Akteure und Institutionen angestrebt. Aus diesem Grund gibt es eine verbindlich vereinbarte, systematische und sektorenübergreifende Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe. Die Zusammenarbeit wird u. a. umgesetzt durch a) Einführungsveranstaltungen für alle Fachkräfte in der Vorbereitungsphase, b) multiprofessionelle Fortbildungen zu den Themen „Multiprofessionelle Zusammenarbeit“ und „Motivierende Gesprächsführung“, c) regelmäßig gemeinsam stattfindende Fallbearbeitungen und Fallkonferenzen sowie d) eine gemeinsame Supervision. „Drei für Eins“ steht also für eine Kooperation von drei Sektoren unter Berücksichtigung bereits bestehender regionaler Kooperationsvereinbarungen und Gremien. Alle Partner des Projektes haben sich verpflichtet, dass ihre Fachkräfte an der Kooperation aktiv mitwirken. Herausforderungen und Perspektiven von „Drei für Eins“ „Drei für Eins“ zeichnet sich durch eine Vielzahl an Herausforderungen aus. Eine formale Notwendigkeit ist zunächst der Erhalt einer schriftlichen Einwilligung der Kinder und Jugendlichen bzw. der zugehörigen Sorgeberechtigten, der Behörde für Schule und Berufsbildung und Sozialbehörde in Hamburg sowie der Ethikkommissionen der beteiligten Evaluationsinstitute. Als weitere Herausforderungen bei der Umsetzung können der niedrigschwellige Zugang zu Kindern und Jugendlichen sowie Sorgeberechtigten, die Rekrutierung und dauerhafte Mitwir- 497 uj 11+12 | 2020 Innovationsprojekt „Drei für Eins“ kung einer hinreichend großen Fallzahl an Kindern und Jugendlichen sowie Sorgeberechtigten sowie die aktive Mitwirkung und vor allem gleichberechtigte Kooperation der unterschiedlichen Institutionen und Akteursgruppen gesehen werden (Krankenkassen, Kliniken, Schulbehörde, ReBBZ, Jugendhilfe). Am Ende der Förderlaufzeit sollen die gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse von „Drei für Eins“ in die Arbeit aller ReBBZ sowie die Kooperationsstrukturen in Hamburg eingebunden werden. Hierzu sind Fortbildungs- und Coachingangebote für Fachkräfte vorgesehen. Darüber hinaus ist auch ein Transfer in multiprofessionell aufgestellte Bildungs- und Beratungszentren anderer Regionen und Bundesländer anvisiert. Geplant sind daher Publikationen, Konferenzen und die Nutzung bestehender Ländernetzwerke. Mit Blick auf die Kinder- und Jugendhilfe werden - über die Projektlaufzeit hinaus - frühzeitigere Hilfen für Kinder und Jugendliche, regelmäßige, multiprofessionelle Fallbesprechungen sowie nachhaltige Kooperationsstrukturen zwischen den drei Institutionen erwartet. Prof. Dr. Karsten Speck Carl von Ossietzky Universität Oldenburg E-Mail: karsten.speck@uni-oldenburg.de Dr. med. Thomas M. Ruprecht Techniker Krankenkasse - Unternehmenszentrale Versorgungsmanagement Entwicklung (VME) E-Mail: dr.thomas.michael.ruprecht@tk.de Michaela Peponis Behörde für Schule und Berufsbildung - Amt für Bildung E-Mail: michaela.peponis@bsb.hamburg.de Heidi Bistritzky Regionales Bildungs- und Beratungszentrum Altona-West E-Mail: heidi.bistritzky@bsb.hamburg.de Dr. med. Joachim Walter Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift E-Mail: j.walter@kkh-wilhelmstift.de Dr. med. Sabine Ott-Jacobs Asklepios Klinikum Harburg E-Mail: s.ott@asklepios.com Literatur Baumgarten, F., Klipker, K., Göbel, K., Janitza, S. & Hölling, H. (2018): Der Verlauf psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen - Ergebnisse der KiGGS- Kohorte. Journal of Health Monitoring 3 (1), 60 - 65 Behörde für Schule und Berufsbildung (2017): Regionale Bildungs- und Beratungszentren. Flyer. Hamburg. Download über: https: / / www.hamburg.de/ rebbz (14. 8. 2020) Karow A., Bock T., Naber D., Löwe B., Schulte-Markwort M., Schäfer I., Gumz A., Degkwitz P., Schulte B., König H. H., et al. (2013): Die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen - Teil 2: Krankheitslast, Defizite des deutschen Versorgungssystems, Effektivität und Effizienz von„Early Intervention Services“. Fortschritt der Neurologie - Psychiatrie, 81, 628 - 638, https: / / doi.org/ 10.1055/ s-0033-1355 840 Klasen, F., Meyrose, A., Otto, C., Reiß, F. & Ravens-Sieberer, U. (2017): Psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der BELLA-Studie. Monatsschrift für Kinderheilkunde, 165, 402 - 407, https: / / doi.org/ 10.1007/ s00112-017-0270-8 OECD/ EU (2018): Health at a Glance: Europe 2018: State of Health in the EU Cycle, OECD Publishing, Paris/ EU, Brussel, https: / / doi.org/ 10.1787/ b7a151bc-fr Speck, K. (2020): Multiprofessionelle Kooperation in der Ganztagsbildung. In P. Bollweg, J. Buchna, T. Coelen, & H.-U. Otto (Hrsg.). Handbuch Ganztagsbildung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 1445 - 1467, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-658-23230-6_ 107 Stein R. (2011): Pädagogik bei Verhaltensstörungen - Zwischen Inklusion und Intensivangeboten. Zeitschrift für Heilpädagogik, 324 - 337