eJournals unsere jugend 73/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2021
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Rezension

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2021
Professor Dieter Kreft
Rezension: Löwenstein, H., Steffens, B., Kunsmann, J. (2020): Sportsozialarbeit. Strukturen, Konzepte, Praxis
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uj 11+12 | 2021 503 Rezensionen Löwenstein, H., Steffens, B., Kunsmann, J. (2020): Sportsozialarbeit. Strukturen, Konzepte, Praxis Kohlhammer, Stuttgart, 2020. 209 Seiten, ISBN 978-3-17-035721-1, € 32,- Die beiden Autorinnen und der Autor dieses Bandes aus der Reihe Soziale Arbeit GRUND- WISSEN des Kohlhammer-Verlages lehren alle rund um den Begriff „Sport und Bewegung“, sind aber auch in der Praxis dazu engagiert, also umfassend auf das hier vorgestellte Verhältnis von Sport und Sozialer Arbeit vorbereitet. Die Reihe will - nach der Studienverkürzung durch den Bologna-Prozess - unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, lesefreundlich, den Stoff begrenzend, anschaulich und verständlich sein und mit gezielten Theorie-Praxis-Verknüpfungen aufwarten (Bieker, 5). Die AutorInnen haben ihren Titel in sechs Kapitel gegliedert: Nach der Einleitung (1) mit Hinweisen auf die Entwicklung der sportbezogenen Sozialen Arbeit und begrifflichen Klärungen folgen fünf weitere Kapitel: Sporttreiben und Sportorganisation (2), Sportrelevante Praxisfelder der Sozialen Arbeit (3), Theorien Sozialer Arbeit und ihre Relevanz für die Sportsozialarbeit (4), Überlegungen zur Professionalisierung der Sportsozialarbeit (5) sowie Beiträge der Bezugswissenschaften (6). Ein ausführliches Literatur-, ein Abkürzungs-, Abbildungs- und Stichwortverzeichnis runden den Titel angemessen ab. Wie wurde dieser Text gelesen? Um prüfen zu können, wie in diesem Band die grundsätzlichen Reihenzusagen beachtet werden, habe ich versucht, es mit dem Wissen und den Möglichkeiten eines Studenten der Sozialen Arbeit im dritten Semester zu lesen, der - selbst sportlich allgemein interessiert und Mitglied in einem Mehrspartenverein - genauer wissen möchte, wie es aktuell um das Verhältnis von Sport und Sozialer Arbeit bestellt ist. In den Kapiteln 2 und 3 wird er grundsätzlich darüber informiert, erfährt auch die zentralen Begrifflichkeiten (Sportverständnis, Gliederung in Breiten-, Freizeit-, Gesundheits-, Leistungs- und Hochleistungssport). Die Abbildung auf S. 25 (Sport in Deutschland) hilft ihm sehr, die nicht immer sofort klaren Textpassagen rundherum zu verstehen. Weiterhin wird Grundwissen vermittelt zum so wichtigen organisierten Sport und zu dessen gesellschaftlicher Bedeutung (weiterhin sind die Sportvereine „unangefochten die Nr. 1 unter den Kinder- und Jugendorganisationen“, 30).Was zum Schulsport geschrieben wird, kennt der Student im Großen und Ganzen noch aus seiner gerade beendeten Schulzeit, ebenso die Begriffe „Informeller Sport“ (2.4) und „Kommerzieller Sport“ (2.5). Völlig neu, aber ihn sehr interessierend, ist für den Leser dann, was in Kapitel 3 zur Gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit (3.1) ausgeführt wird, weil es ihm den Blick für die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten seiner künftigen Profession weitet. Zu dem, was dann unter „Bildung“ (3.2) ausgeführt wird (also 3.2.1 Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe und 3.2.4 Fan-Arbeit,) findet er schnell Zugang aufgrund der Erfahrungen aus seinen Lebensbezügen und dem Kernstudium. Was kritisch anzumerken ist Ganz anders liest er Kapitel 4 (Theorien Sozialer Arbeit und ihre Relevanz für die Sportsozialarbeit), immerhin mit 61 Seiten sehr umfangreich. Er versteht die Ausführungen teilweise nicht. Allenfalls von der Lebensweltorientierung nach Thiersch (4.1) hat er schon etwas in seinem Studium der Sozialen Arbeit gehört, die Lebensbewältigung nach Böhnisch (4.2) verschiebt er rasch auf seine Master-Studienzeit, 504 uj 11+12 | 2021 Rezensionen der Relationale Konstruktivismus nach Kraus (4.3.) bleibt ihm auch nach dem zweiten Lesen verschlossen. Der Sozialraumorientierung nähert er sich als Student der Sozialen Arbeit sehr interessiert (aber die Grundtexte dazu von Hinte sind dann doch lesefreundlicher). Auch die Überlegungen zur Professionalisierung der Sportsozialarbeit (5) sind für ihn - einen Studenten, der nach Grundwissen sucht - doch noch fremd. Was bedeuten die imaginierten Leser-Reaktionen für mich als Rezensenten des Buches? Fast alles ab Kapitel 4 verlässt das Grundversprechen, Grundwissen zum Verhältnis Sport und Soziale Arbeit zu vermitteln. Das meiste davon ist in einem Einführungsband fehlplatziert. Wie ich überhaupt immer wieder den Eindruck habe, dass einige KollegInnen, die an Universities of Applied Sciences lehren und also der anwendungsorientierten Lehre verpflichtet sind, ihre Texte gelegentlich theoretisch überhöhen, um ihre Wissenschaftlichkeit zu dokumentieren, so gehört in Teilen dieser Titel dazu. Neben diesem grundsätzlichen Einwand habe ich noch diese Anmerkungen (in der Reihenfolge des Textes): ➤ Auf S. 16 wird zur Entwicklung der sportbezogenen Sozialen Arbeit als Beleg auf den Beitrag „Sport und Soziale Arbeit“ von Krüger im Handbuch von Otto/ Thiersch 2001 („erstmals“) verwiesen. Das stimmt (leider) nicht: Im Wörterbuch „Soziale Arbeit“ von Kreft/ Mielenz gab es bereits seit der 1. Auflage 1980 (und natürlich fortlaufend bis zur 8. Auflage 2017) einen Beitrag „Sport“, als Sport und Bewegung bei allen anderen Lexika, Hand- und Wörterbüchern der Sozialen Arbeit noch lange Jahre Leerstellen gewesen sind (darauf hinzuweisen sei mir bei aller gebotenen Zurückhaltung eines Rezensenten erlaubt). ➤ Bei dem kurzen Text zur Deutschen Sportjugend (DSJ) (26f ) hätte ich schon einen Hinweis darauf erwartet, dass - und warum - die DSJ immer noch nicht (wieder) Mitglied des Bundesjugendringes ist. ➤ Bei den Ausführungen zur Kinder- und Jugendhilfe (56ff ) hätte ich schon diesen Hinweis angemessen gefunden: Weder das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz noch das immerhin bis 1990/ 1991 geltende Jugendwohlfahrtsgesetz kannten das Wort „Sport“. Erst im SGB VIII wurde in § 11 Abs. 3 bei den Schwerpunkten der Jugendarbeit die „Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit“ aufgenommen. Die Zurückhaltung der Jugendhilfe gegenüber dem Sport bleibt (rechtlich) weiterhin erkennbar. Die gewiss nicht unwichtige Frage, ob die bedeutende Kinder- und Jugendarbeit der Sportvereine förderungswürdig sei nach SGB VIII (also aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe), wird überhaupt nur in zwei relevanten Kommentaren zum SGB VIII erwähnt und nur im Frankfurter Kommentar (8. Auflage 2019) genauer behandelt (dort § 11 Rz 31 und 32). ➤ Was mir insgesamt fehlt, aber vor allem bei den Ausführungen zu den Sportvereinen, ist die offene Auseinandersetzung mit den Unterschiedlichkeiten von Sport und Sozialer Arbeit (ihren unterschiedlichen Organisationen, Ausrichtungen, Zielen und Werten). Die Soziale Arbeit hat Sport als Medium für ihre Arbeit in der ganzen Breite entdeckt und praktiziert: so etwa die Bewegungserziehung in Tageseinrichtungen, Sportgruppen in Jugendfreizeitheimen, bei der Arbeit mit Straffälligen und Migranten, in der Seniorenarbeit u. a. m. Auch die Sportvereine wissen inzwischen, wie wichtig andere Angebote als die „allein“ sportbezogenen für den Erfolg ihrer Kinder- und Jugendarbeit sind (etwa Reisen, Ferienangebote, Discos u. a. m.). Aber immer bleibt bestehen, dass Kinder und Jugendliche in Sportvereine eintreten, um „Sport zu treiben“ - zu viel „Soziale Arbeit“ sei da wohl ziemlich störend. Das gilt natürlich uj 11+12 | 2021 505 Rezensionen auch für die Gefahr der Überfrachtung durch immer neue Aufgabenübertragungen an Sportvereine (in 2.2.3 angesprochen, also etwa zur Gewaltprävention oder Resozialisierung). Vernünftigerweise nutzen Sport und Soziale Arbeit die Möglichkeiten des anderen, aber Sport bleibt Sport und Soziale Arbeit bleibt Soziale Arbeit: Es bleibt also die Differenz und die Wahlfreiheit der „KundInnen“. Diese grundsätzlichen Auseinandersetzungen hätten für mich ein eigenes Kapitel verdient. ➤ Das Literaturverzeichnis ist ausführlich, aber beim schnellen Lesen nicht immer aktuell, und enthält dann doch recht viel Böhnisch (13 ×), Kraus (6 ×) und Thiersch (7 ×), die mir bislang nicht als Spezialisten für das Verhältnis von Sport und Sozialer Arbeit aufgefallen sind. Prof. Dieter Kreft, Nürnberg E-Mail: kremie.nuernberg@t-online.de DOI 10.2378/ uj2021.art75d Die sportbezogene Sozialarbeit spielt im sportwissenschaftlichen bzw. sportpädagogischen Diskurs bisher eine untergeordnete Rolle. Zu Unrecht! Umso erfreulicherweise ist es, dass Rolf Schwarz, die innovative Sozialarbeit gGmbH sowie die Dirk Nowitzki-Stiftung sich an einen Leitfaden eines innovativen Basketballprojektes gewagt haben: BasKIDball in der offenen Sporthalle. Die 106-seitige Handreichung ist folgendermaßen aufgebaut: Im ersten Teil stellen die Herausgeber allgemeine Informationen über das im Jahr 2007 in Bamberg gestartete und an inzwischen 20 Standorten umgesetzte Projekt „BasKIDball“ zusammen. Das Projekt tragende Netzwerk und dessen Förderer sind imposant. Es reicht von dem Erstliga Basketballverein Brose Bamberg über Dirk Nowitzki, seinen Mentoren und persönlichem Coach Holger Geschwindner bis zur ING Bank. Das vorgestellte Konzept umfasst: ➤ Werte und Ziele von BasKIDball ➤ Umsetzungsmethoden zu den gesetzten Zielen ➤ Strukturelle Rahmenbedingungen ➤ Praktische Vorgaben und Informationen zur Durchführung von BasKIDball ➤ Material und Formulare. Was bedeutet BasKIDball? Nach der grundlegenden Idee des Projektes bietet dieses Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, in „offenen Sporthallen“ niedrigschwellig und zu regelmäßigen Zeiten Basketball zu spielen. Über das regelmäßige Angebot hinaus organisiert BasKIDball mit seiner integrativen Grundhaltung überregionale Camps und Standorttreffen, Qualifizierungsangebote für BetreuerInnen sowie themenbezogene Events. In Kapitel 3 greift diese von Anfang bis zum Schluss programmatisch ausgerichtete Schrift die Werte und Ziele von BasKIDball auf: BasKIDball orientiert sich an 13 Werten, für die die Herausgeber abgeleitete Ziele und Beispiele für die Umsetzung formulieren. Dabei agieren Werte wie Humanität, Parteilichkeit und Bildung als verbindendes Gerüst. Sie werden u. a. durch Werte wie Respekt, Integrität und Offenheit ergänzt. Rolf Schwarz, iSO - Innovative Sozialarbeit gGmbH, Dirk Nowitzki-Stiftung (Hrsg.) (2020): BasKIDball - sportbezogene Sozialarbeit mit Kindern und Jugendlichen Beltz, Weinheim. ISBN 978-3-7799-6393-6, € 14,95