unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2021.art22d
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Stärkung und Schutz von Kindern und Jugendlichen
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Frauke Schwier
Wie kann die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt werden, um ihren Auftrag zur Förderung und Unterstützung von Kindern/Jugendlichen und ihren Eltern, aber auch die Abwehr von Kindeswohlgefährdungen auszuführen? Wie und auf welcher Grundlage können ÄrztInnen ihre Verantwortung zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen?
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127 unsere jugend, 73. Jg., S. 127-132 (2021) DOI 10.2378/ uj2021.art22d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Stärkung und Schutz von Kindern und Jugendlichen Überlegungen einer Ärztin zur SGB VIII-Reform Wie kann die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt werden, um ihren Auftrag zur Förderung und Unterstützung von Kindern/ Jugendlichen und ihren Eltern, aber auch die Abwehr von Kindeswohlgefährdungen auszuführen? Wie und auf welcher Grundlage können ÄrztInnen ihre Verantwortung zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen? von Frauke Schwier Fachärztin für Kinderchirurgie und Kinderschutzmedizinerin (DGKiM), Geschäftsführerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM e.V.) Ziele des Gesetzentwurfes Die Zielsetzungen des Referentenentwurfes zum Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen verfolgen einen besseren Kinder- und Jugendschutz (1), die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen (2), Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen (3), mehr Prävention vor Ort (4) und mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien (4). Welche Bedeutung hat der Referentenentwurf für die Schnittstelle Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen? Wie können die Zielsetzungen in den örtlichen und regionalen Netzwerken und mit den bestehenden Ressourcen umgesetzt werden? Welcher Änderungen bedarf es in Hinblick auf Kooperationen? Was bedeutet dies für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern? Schnittstelle Gesundheitswesen Die Aufgaben im Gesundheitswesen können, auf den Schnittstellenbereich bezogen, folgendermaßen benannt werden: ➤ Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung ➤ Weiterleitung von Kindern/ Jugendlichen und ihren Familien ➤ Vermittlung von Hilfen Als Voraussetzung zur Erfüllung dieser Aufgaben bedarf es eines wirksamen Beratungs- und Hilfesystems des lokalen und regionalen Netzwerkes. Passgenaue Hilfen und Beratungsangebote für Problemlagen müssen leicht vermittelt werden können und zugänglich sein. Es sollten Kooperationen mit verbindlichen Strukturen, klar definierten Zuständigkeiten und eindeutigen Absprachen bestehen. Eine multiprofessionelle und systemübergreifende Kooperation und Vernetzung ist außerdem Grundlage, um bei komplexen Problemlagen bedarfsgerechte Hilfe zu entwickeln und durchzuführen. 128 uj 3 | 2021 Stärkung und Schutz von jungen Menschen Zudem sollte es einen gemeinsamen, kontinuierlichen, fallunabhängigen Austausch geben, der den fallspezifischen Austausch sowohl bei der Vermittlung von Hilfen als auch bei der Gefährdungseinschätzung zwischen ÄrztInnen und Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht. Zusätzlich bedarf es gesetzlicher Grundlagen und Rahmenbedingungen, die die Mitverantwortung und Aufgaben der BerufsgeheimnisträgerInnen und deren Finanzierung sowie die Voraussetzungen für Kooperationen mit der Kinder- und Jugendhilfe auch im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) regeln. „Besserer Kinder- und Jugendschutz“ Für diese Zielsetzung wird u. a. das Gesundheitswesen direkt adressiert und der Gesetzesentwurf sieht Folgendes vor: 1. Das Gesundheitswesen wird stärker in die Verantwortungsgemeinschaft für einen wirksamen Kinderschutz einbezogen, insbesondere durch die Regelung der Mitverantwortung der gesetzlichen Krankenversicherung und Beteiligung von ÄrztInnen sowie Angehörigen anderer Heilberufe an der Gefährdungseinschätzung durch das Jugendamt nach Meldung eines Verdachtes auf Kindeswohlgefährdung. 2. ÄrztInnen und Angehörige anderer Heilberufe erhalten vom Jugendamt eine Rückmeldung über den weiteren Fortgang des Verfahrens der Gefährdungseinschätzung nach Meldung eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung. 3. Unklarheiten in der Regelung der Befugnis kinder- und jugendnaher BerufsgeheimnisträgerInnen zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung werden durch eine stärker an dem/ der NormadressatIn ausgerichtete Formulierung verbessert. Es folgen einzelne Neuregelungen des Kinder- und Jugendschutzes, die das Gesundheitswesen betreffen: Stufenweises Vorgehen im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) Die Umstrukturierung und Neuformulierung des § 4 Abs. 1- 3 KKG rückt die Befugnisnorm für BerufsgeheimnisträgerInnen zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung an erste Stelle (Absatz 1), obwohl dies nicht der ursprünglichen Logik des stufenweisen Vorgehens entspricht. An zweiter Stelle (Absatz 2) folgt die Erläuterung, was vor der Mitteilung an das Jugendamt zu berücksichtigen ist und durch den/ die BerufsgeheimnisträgerIn umgesetzt werden kann. Diese Neuformulierung fokussiert sehr viel deutlicher die Erörterung der Situation und das Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfen, um eine Gefährdung anders abzuwenden. An dritter Stelle (Absatz 3) wird auf die Inanspruchnahme der pseudonymisierten Beratung durch insoweit erfahrene Fachkräfte hingewiesen. Die Inhalte des stufenweisen Vorgehens bei Bekanntwerden von Anhaltspunkten für eine Gefährdung sind unverändert. Die Handlungsverantwortungen im Kinderschutz von Kinder- und Jugendhilfe sowie BerufsgeheimnisträgerInnen sind unberührt. Die Sicherheit für den Austausch von Informationen bei gewichtigen Anhaltspunkten ist eindeutig und führt zu einer Handlungssicherheit. Es ist sehr zu begrüßen, dass es weiterhin keine Mitteilungspflicht bei gewichtigen Anhaltspunkten auf eine Kindeswohlgefährdung gibt und es der fachlichen Einschätzung obliegt, ob und wann eine Mitteilung an das Jugendamt oder andere Behörden erfolgt. Seit Inkrafttreten des KKG ist es eine Herausforderung, das Gesetz mit seinem stufenweisen Vorgehen im gesamten Gesundheitswesen zu implementieren. Diese Implementierung ist nicht nur einfach als Hinweis auf das KKG zu verstehen, sondern bedeutet Fort- und Weiterbildungen, die vor allem das stufenweise Vor- 129 uj 3 | 2021 Stärkung und Schutz von jungen Menschen gehen bei Anhaltspunkten für eine Gefährdung vorhalten müssen. Der Erfahrungsaustausch zur Gefahrenabwendung sowie die Notwendigkeit von Aufbau und Pflege entsprechender Strukturen sind dabei obligater Bestandteil. Rückmeldung und Beteiligung bei Gefährdungseinschätzungen Die Neuformulierung des § 4 Abs. 4 KKG regelt, dass die BerufsgeheimnisträgerInnen wie ÄrztInnen und Fachkräfte anderer medizinischer Heilberufe eine zeitnahe Rückmeldung erhalten sollen, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte für die Kindeswohlgefährdung als bestätigt sieht und ob es zum Schutz tätig geworden ist und noch tätig ist. Die Ergänzung des § 8 a Abs. 1 regelt, dass eben diese BerufsgeheimnisträgerInnen wie ÄrztInnen und Fachkräfte anderer medizinischer Heilberufe, die dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen sind. Diese Neuregelungen beziehen sich aktuell nur auf die Gruppe der BerufsgeheimnisträgerInnen der medizinischen Heilberufe. Sie beinhalten zum einen, dass die Mitteilenden eine Rückmeldung bei Gefährdungsmeldung erhalten, und ermöglichen den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zum anderen, eben diese Fachkräfte der medizinischen Heilberufe in angemessener Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen. Diese Änderung stellt eine Wichtung der BerufsgeheimnisträgerInnen dar und verpflichtet die Gruppe der medizinischen Heilberufe im Gegenzug, Ressourcen vorzuhalten, um sich an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen. Eine Beteiligung, die sinnvoll ist, wenn keine Weiterbetreuung der Kinder und Jugendlichen vorgesehen ist, und unabdingbar, wenn eine Betreuung Teil des Hilfe- und Schutzkonzeptes und somit eine Mitverantwortung vorgesehen ist. In diesen Fällen wäre es für die Praxis wünschenswert, dass den Fachkräften des Jugendamtes explizit die Befugnis erteilt wird, den mitteilenden Personen Informationen zu den entsprechenden Maßnahmen zu übermitteln. Eine Einbeziehung der fachlichen Expertise der Kinderschutzmedizin sollte eingeholt werden, wenn medizinische Kriterien zu der Gefährdungseinschätzung erheblich beitragen. Beide Regelungen verdeutlichen, dass die Verantwortung der Gefährdungseinschätzung im Einzelfall bei der Kinder- und Jugendhilfe liegt und es in ihrem Ermessen bleiben soll, wer wie und wann daran beteiligt werden kann. Es erscheint sinnvoll, wenn von beiden Seiten die Thematik Mitverantwortung im Einzelfall angesprochen und geklärt werden kann, sodass ein weiterer Austausch im Sinne der Kinder/ Jugendlichen und ihrer Eltern erfolgen kann. Wünschenswert wäre, wenn eine Zielsetzung zur Einbeziehung benannt würde. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) führt dazu fachlich zu unterscheidende Zeitpunkte auf, an denen sich die Zielsetzung der Einbeziehung unterscheiden kann: Ersteinschätzung nach Meldung, Gefährdungseinschätzung mit Entwicklung eines Schutzplans, Gefährdungseinschätzung bei Überprüfung der Wirksamkeit des Schutzplans, Übergang vom Schutzplan zum Hilfeplan bzw. Maßnahmenende (AGJ 2020, 3). Inwieweit eine gesetzliche Verpflichtung zum fallabhängigen Austausch für die Praxis sinnvoller ist als eine Stärkung der Handlungssicherheit aller Fachkräfte durch strukturelle und Qualifizierungsmaßnahmen, die den verbindlichen Aufbau und die Pflege von Kooperationen beinhalten, lässt sich aktuell nicht beantworten. Unbestritten ist, dass auch ein verpflichtender fallabhängiger Austausch ein funktionierendes Netzwerk benötigt, um Kinder- und Jugendschutz zu sichern. Für die Schnittstellen Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen ist in jedem Fall zu benennen, dass beiden Systemen gemein ist, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Fachkräften und Kindern/ Jugendlichen und ihren Familien 130 uj 3 | 2021 Stärkung und Schutz von jungen Menschen als Gelingensfaktor für die Annahme von Hilfen angesehen wird. Eine Grundlage dieses Vertrauens ist die Transparenz gegenüber den Betroffenen, die gerade im Kinderschutz gewahrt werden sollte. Im Einzelfall sollte ein Informationsaustausch zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen möglich sein, wenn ÄrztInnen Teil des Hilfe- und Schutzkonzeptes sind und die Betroffenen sollten darüber informiert werden. Verantwortungsgemeinschaft Die Betonung einer Verantwortungsgemeinschaft von Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen im Kinder- und Jugendschutz ist zu begrüßen. Dazu bedarf es Änderungen des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) bzw. weiterer finanzieller Regelungen, die eine strukturelle Versorgung im medizinischen Kinderschutz ermöglichen. Dazu zählen angemessene Finanzierung für notwendige fallspezifische Tätigkeiten wie zeitintensive Gespräche mit Kindern/ Jugendlichen und ihren Eltern sowie der Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe oder der fachliche konsiliarische Austausch mit anderen FachkollegInnen. Außerdem müssen vorhandene Netzwerke ausgebaut und fehlende Netzwerke aufgebaut werden. Die fallunabhängige Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe muss verpflichtend geregelt werden und gemeinsame Schulungen sind anzustreben. Es darf nicht an einer fehlenden Vergütung liegen, dass ein systemübergreifendes Arbeiten verhindert wird. Zu den Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz erfolgte eine Neuregelung im SGB V Nach § 73 b wird folgender § 73 c eingefügt: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Vertragsärzten mit den Jugendämtern schließen, um die vertragsärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, bei denen Vertragsärzte im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen nach § 26 oder im Rahmen ihrer oder der ärztlichen Behandlung ihrer Familienangehörigen nach § 28 Anhaltspunkte für eine Gefährdung ihres Wohls feststellen. Satz 1 gilt nicht für Kassenzahnärztliche Vereinigungen und Zahnärzte.“ Und nach § 87 Absatz 2 a Satz 7 SGB V wird folgender Satz 8 eingefügt: „In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang die Durchführung von telemedizinischen Fallbesprechungen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz nach § 73 c angemessen vergütet werden kann; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen zu beschließen.“ Abhängig von der konkreten Ausgestaltung kann diese Neuregelung für die Vereinbarung von Kooperationsleistungen interessant werden. Die Leistungen müssen im Rahmen der Kooperationen klar definiert werden. Die explizite Herausnahme der ZahnärztInnen bleibt weiterhin unverständlich. Außerdem sei erwähnt, dass die Regelung nur VertragsärztInnen betrifft und somit nicht für Kinder und Jugendliche, die privat oder nicht versichert sind, zählt. Eine Änderung des SGB V, die eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt als ärztliche Behandlung vorsieht, wäre wünschenswert. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien Die Änderungen und Hervorhebung zur Beteiligung, Beratung und Information der Betroffenen ist wichtig und unbedingt zu begrüßen. An verschiedenen Stellen ist geregelt, dass dies in „wahrnehmbarer Form“ erfolgen soll. Es wird eine Herausforderung sein, diese Regelungen entwicklungsangemessen umzusetzen. Es ist in 131 uj 3 | 2021 Stärkung und Schutz von jungen Menschen jedem Fall notwendig, dass die Kinder und Jugendlichen in den Entscheidungsprozess eingebunden werden und dass ihre Bedürfnisse im Fokus aller Betrachtungen stehen. In diesem Zusammenhang steht, dass der überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Einrichtung einer zentralen Ombudsstelle oder einer damit vergleichbaren Stelle auf Landesebene mit einem Verbund von mehreren regionalen Ombudsstellen oder vergleichbaren Strukturen verpflichtet wird. Diese Interessenvertretung bzw. das Angebot zur Beratung von Kindern/ Jugendlichen und ihren Eltern erscheint als eine wichtige Neuregelung, die als Angebot an Familien vermittelt werden kann. Inwieweit die Strukturen vergleichbar, erreichbar und zugänglich sein werden und inwieweit eine gewisse Unabhängigkeit zur öffentlichen oder freien Kinder- und Jugendhilfe besteht, ist aktuell offen. Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen Hervorzuheben bei der Reform sind die Schaffung von Voraussetzungen für junge Volljährige, sodass eine Beratung und Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe möglich wird, sowie die Einbeziehung von Geschwisterbeziehungen. Zu den neuen Regelungen zählen: Schutzkonzepte von Kindern und Jugendlichen in Pflegeverhältnissen und die prozesshafte Perspektivklärung als Bestandteil der Hilfeplanung bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie. Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderung Die Reform zu Hilfen aus einer Hand ist als Stufenplan über einen Zeitraum von sieben Jahren angesetzt. Kinder und Jugendliche mit einem doppelten Hilfebedarf sollen dadurch fachgerecht und mit geringen bürokratischen Hürden Hilfe erhalten unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe. Es erscheint sinnvoll, dass Verfahrenslotsen zum Zweck der Begleitung und der Gestaltung des Übergangs eingesetzt werden. In dieser Zeit ist es hoffentlich möglich, Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen wie z. B. der Medizin aufzubauen. Die Stärkung der Teilhabe ist ausdrücklich zu unterstützen. Von Seiten der Kinder- und Jugendmedizin wurde der Vorschlag eingebracht, dass die Begriffsbestimmungen für Behinderungen dem Behindertenteilhabegesetz entsprechen sollten (BVKJ/ DGKJ/ DGKiM/ DGSPJ/ DAKJ 2020, 6). Mehr Prävention vor Ort Die Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme ambulanter Hilfen, d. h. ohne vorherige Antragstellung beim Jugendamt, wird explizit auf Hilfen für Familien in Notsituationen erweitert. Für die Betroffen kann dies als guter niederschwelliger Zugang angesehen und begrüßt werden. Die Stärkung der präventiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere bei psychosozialem Hilfebedarf mit dem Ausbau regionaler Angebote, ist perspektivisch für den Lebensweg der Betroffenen entscheidend. Es wird klargestellt, dass im Rahmen von Hilfen zur Erziehung unterschiedliche Hilfearten miteinander kombiniert werden können. Insbesondere für komplexe Problemlagen ist nur dadurch eine Vermittlung passgerechter Hilfen möglich. Fazit Der Begriff der Verantwortungsgemeinschaft fällt automatisch, wenn von der Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe die Rede ist. So ist es passend, dass der Referentenentwurf viele Anregungen des Prozesses „Mitreden - Mitgestalten“ (BMFSFJ 2019) aufgreift und Stellungnahmen aus verschiedenen Bereichen vorliegen, 132 uj 3 | 2021 Stärkung und Schutz von jungen Menschen die auch zur Prägung der Kinder- und Jugendhilfe beitragen. So ist es nachvollziehbar, dass der Umsetzungsprozess einer wissenschaftlichen Begleitung unterliegt, die die Erreichung der Zielsetzung betrachtet und somit Aufschluss über die Entwicklungen geben wird. Frauke Schwier Geschäftsstelle der DGKiM e. V. Oskar-Jäger-Str. 160 50825 Köln E-Mail: schwier@dgkim.de Literatur Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) (2020): Was lange währt, wird endlich gut: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen. Stellungnahme zum KJSG-RefE 2020 der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ. In: https: / / www.agj.de/ filead min/ files/ positionen/ 2020/ AGJ-Stellungnahme_ zum_KJSG-RefE_2020.pdf, 17.11. 2020 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2019): Abschlussbericht. Mitreden - Mitgestalten: Die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe. In: https: / / www.bmfsfj.de/ blob/ 158504/ c1a 544b357ca570e0aa9688cdafd0b18/ abschlussbe richt-mitreden-mitgestalten-die-zukunft-der-kin der-und-jugendhilfe-data.pdf, 17.11. 2020 BVKJ, DGKJ, DGKiM, DGSPJ, DAKJ (2020): Gemeinsame Stellungnahme des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e. V.), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ e.V.) mit ihrem Konvent-Mitglied Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM e.V.), der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ e.V.) und der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ e.V., Dachverband der Kinder- und Jugendmedizin) zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG). In: https: / / www.bvkj.de/ fileadmin/ pdf/ start seite/ 201026_KJSG_SN_KinderJugendMedizin_2. pdf, 17. 11. 2020 2020. 215 Seiten. 11 Tab. (978-3-8252-5294-6) kt Soziale Arbeit in der Schule Schulsozialarbeit ist aus dem Alltag vieler SchulleiterInnen, LehrerInnen und SchülerInnen nicht mehr wegzudenken. Was aber macht Schulsozialarbeit aus? Karsten Speck skizziert den Rahmen für das Arbeitsfeld - von rechtlichen Fragen über Finanzierung, Handlungsprinzipien und Wirkung der Schulsozialarbeit bis hin zu Standards und Fragen der Qualitätsentwicklung. Eine fundierte Einführung zur Schulsozialarbeit für Einsteiger in das Arbeitsfeld und zugleich ein differenzierter Überblick für Lehrende und Forschende. Jetzt auch mit Prüfungsfragen und -lösungen. a www.reinhardt-verlag.de
