unsere jugend
4
0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2022
741
Rezension: Hansbauer, P., Merchel, J., Schone, R. (2020): Kinder- und Jugendhilfe Grundlagen, Handlungsfelder, professionelle Anforderungen
11
2022
Dieter Kreft
Wieder ein Band aus der Reihe GRUNDWISSEN Soziale Arbeit, die nach Auffassung des Reihenherausgebers Rudolf Bieker „in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Lesefreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders (eignet)“ (Bieker, 5).
4_074_2022_001_0041
uj 1 | 2022 41 Rezensionen Wieder ein Band aus der Reihe GRUNDWISSEN Soziale Arbeit, die nach Auffassung des Reihenherausgebers Rudolf Bieker „in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Lesefreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders (eignet)“ (Bieker, 5). Rezensent: Prof. Dieter Kreft Jg. 1936; Verwaltungs- und Erziehungswissenschaftler, Hon. Prof. der Leuphana Universität in Lüneburg. Die Berufsverläufe der drei Autoren sind beeindruckend, ihre Arbeiten zur Theorie und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe/ KJH sind vielfältig, geradezu umfassend. Alle drei lehren oder lehrten an der FH Münster, die sie betreffenden Literaturangaben im Literaturverzeichnis (ab 336) belegen das: 32 Titel, die die ganze Breite ihres Schaffens dokumentieren. Sie haben keinen einfachen Weg der Präsentation gewählt wie etliche andere Titel zu diesem Handlungsfeld, sondern sie haben die Anforderungen an das professionelle Handeln in das Zentrum ihres Buches gestellt (genauer in ,Zu diesem Buch‘, 6 - 9). Demzufolge ist das Kapitel 4 (Professionelles Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe) mit seinen Anforderungen an das professionelle Handeln der Ausgangspunkt und die inhaltliche Klammer des Buches. Die Autoren empfehlen auch, mit diesem Kapitel zu beginnen. Das erinnerte mich jedenfalls sogleich an den Roman von Julio Cortàzar ,Rayuela‘, zumindest ist dieser hier gewählte Darstellungsweg ebenso ungewöhnlich für ein „einführendes Lehrbuch“. Die Autoren haben dann aber im Übrigen ihren Titel fast traditionell gegliedert: ➤ Kap. 1: Ein historischer Abriss über die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe zu einem eigenständigen System mit rechtlich-institutionell garantierter Zuständigkeit ➤ Kap. 2: Kinder- und Jugendhilfe heute - Selbstverständnis und konzeptionelle Leitorientierungen ➤ Kap. 3: Trägerstrukturen in der Kinder- und Jugendhilfe ➤ Kap. 4: wie beschrieben ➤ Kap. 5: Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe ➤ Kap. 6: Perspektiven: Kinder- und Jugendhilfe - ein professioneller Institutions- und Handlungsbereich in kontinuierlicher Entwicklung Ein Abkürzungs- und ausführliches Literaturverzeichnis runden den Text ab, ein Sachregister fehlt leider (wäre für suchende Studierende doch schon hilfreich). Anmerkungen zum Text Ich habe dann mit dem „Schlüsselkapitel 4“ begonnen. Gleich zu Beginn fassen die Autoren zusammen, was für sie professionelles Handeln bedeutet: „… professionell handeln, also nicht zufällig und nach Gefühl, sondern strukturiert und methodisch geplant, auf der Basis handlungsorientiert aufbereiteten wissenschaftlichen Wissens“ (93). Das nenne ich einen kompetenzgefüllten Einführungssatz, verständlich und klar! Auf immerhin 58 Seiten wird erläutert, was „professionell“ zu handeln genauer bedeutet und dabei dem Dreischritt „Diagnosis, Inference, Treatment“ gefolgt: also Situationsanalyse, eine Hansbauer, P., Merchel, J., Schone, R. (2020): Kinder- und Jugendhilfe Grundlagen, Handlungsfelder, professionelle Anforderungen Kohlhammer, Stuttgart. 354 Seiten, ISBN 978-3-17-033503-5, € 39,- 42 uj 1 | 2022 Rezensionen besondere Art von schlussfolgerndem Denken und Behandlung (ausführlich Kap. 4.1.2). Die drei Autoren folgen dabei dem amerikanischen Soziologen Andrew Abbott, der 1988 in einem Essay ,The System of Professions‘ diesen Dreischritt als bestimmend für die Struktur professionellen Handelns beschrieben hat: Allerdings sei dieser Text nie ins Deutsche übersetzt und (wohl u. a.) deshalb hierzulande vergleichsweise wenig rezipiert worden (103). Für mich kein glücklicher Griff für einen Einführungstext. Er ist also schon deshalb für AnfängerInnen (denen der Titel Grundwissen vermitteln soll, zudem lesefreundlich) eine ziemliche Hürde und vielleicht sogar eine (Über-)Forderung? Erst ganz am Ende dieses Kapitels wird auf wenigen Seiten (6) das angesprochen, was SozialarbeiterInnen regelmäßig beschäftigt, sie fordern: Fallkompetenz (4.5.1), Systemkompetenz (4.5.2) und die Selbstkompetenz (4.5.3). Und weiter? Alle anderen Kapitel sind deutlicher, z. T. auch lesefreundlicher. So beschreibt das Kap. 1 hinreichend umfassend und sehr gut nachvollziehbar die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Vergleichbar klar und einführend sind auch die Kap. 3 und 6. So enthält das Kap. 6 zudem viele Anregungen und Überlegungen dazu, womit sich die KJH in Zukunft auseinanderzusetzen hat (etwa der Umgang mit der kulturellen Vielfalt, Medien und Digitalisierung, Inklusion). Der für eine Einführung in die KJH wichtigste Teil ist dann das Kap. 5. Hier werden elf Handlungsfelder der KJH sehr systematisch vorgestellt, immer dieser Gliederung folgend: (1) Funktion und sozialpädagogischer Auftrag, (2) Handlungsanforderungen an die Akteure, (3) Spannungsfelder im Handlungsfeld, (4) Entwicklungsperspektiven. Die Texte zu 1, 3 und 4 sind immer wieder gelungene Einführungstexte. Die Ausführungen zu 2 (Anforderungen an die Akteure) folgen jeweils dem Dreischritt von Analyse der Ausgangssituation/ „Diagnose“, Schlussfolgerung/ „Inferenz“ und Handeln/ „Behandlung“. Sie sind immer wieder „schwierig“, gelegentlich „diffus“ (also im Wortsinne unklar, verschwommen). Ob sich ihre Bedeutung für Studierende im Selbststudium sogleich erschließt, da habe ich durchaus Bedenken. Ich meine, das wird wohl nur in (professioneller) Lehrbegleitung möglich sein. Und diese Anmerkungen 1. Dass am Ende des Kapitels 1 bei der weiterführenden Literatur nicht auch auf den aktuellen Kommentar zum SGB VIII von J. Münder u. a. verwiesen wird (8. Aufl. 2019, 46) ist mir völlig unverständlich. Denn J. Münder und etliche andere Autoren haben schon seit 1978 in ihren Kommentaren noch zum alten JWG und dann ab 1991 zum SGB VIII zuerst juristisches Wissen mit sozialpädagogischem/ sozialwissenschaftlichem Wissen gebündelt und eine damals fast revolutionäre Veränderung der juristischen Kommentierung zum Recht der KJH eingeleitet. 2. Auf S. 183 wird von einer Überhöhung der Handlungsmöglichkeiten geschrieben, würde man in einer älteren Diktion von „Einmischung“ oder gar einem „Einmischungsauftrag an die Jugendhilfe (bei der Schulsozialarbeit) […] sprechen […]“. Aber die Einmischungsstrategie hat inzwischen in § 1 Abs. 3 Nr. 5 SGB VIII Gesetzesrang und ist demnach in allen Handlungsfeldern immer zu beachten: Und schließlich ist die Schule eine der wichtigen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. 3. Dass in einem Lehrbuch zur KJH, das so systematisch angelegt ist (nach dem selbst gewählten Professionsbegriff „strukturiert und methodisch geplant“ - 93), eigenständige Texte zu den Methoden/ zum Methodischen Handeln sowie zur Planung fehlen, kann ich nicht nachvollziehen. uj 1 | 2022 43 Rezensionen Fazit Das ist schon ein ungewöhnliches Buch: sehr anspruchsvoll, in Teilen (besonders bei der Beschreibung der Handlungsfelder) gelungen „einführend“, in der grundsätzlichen Anlage jedoch schwierig (der Dreischritt). Es ist offenbar auch für Autoren, die (eigentlich) alles über die KJH wissen, dennoch nicht einfach, sich in einem Lehrbuch damit zu begnügen, „nur“ Grundwissen zu vermitteln, das auch für das Selbststudium geeignet ist. Also ein Buch, das seine Stärken wohl in der Lehre ausspielen wird, also mit professioneller Lehrbegleitung. Prof. Dieter Kreft E-Mail: kremie.nuernberg@t-online.de DOI 10.2378/ uj2022.art08d Abschied und Begrüßung Zum Jahreswechsel hat es in der Herausgeberschaft der UJ eine personelle Veränderung gegeben. Claus Lippmann, der die UJ während der letzten vier Jahre mit seiner fachlichen Expertise inhaltlich begleitet und unterstützt hat, hat sein Herausgeberamt zum Ende des Jahres 2021 beendet. Wir bedanken uns bei Herrn Lippmann sehr herzlich für sein Engagement und freuen uns, dass er die UJ im Beirat noch weiter begleitet. Wir freuen uns, ab 2022 Frau Dr. Kristin Ferse als Nachfolgerin von Herrn Lippmann in der UJ-Herausgeberschaft begrüßen zu dürfen. Frau Dr. Ferse ist Sozialpädagogin und aktuell tätig als Koordinatorin für Suchthilfe/ Suchtprävention am Gesundheitsamt Dresden. Mit ihr gewinnt die UJ eine ausgezeichnete Expertin, die die UJ in den kommenden Jahren mit ihrem Wissen bereichern wird. Ihr Ernst Reinhardt Verlag Hildegard Wehler und Barnabas Eder
