unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2022
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Rezension: Winkens, H. (2022): Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen
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2022
Anne Valler-Lichtenberg
Der Titel des Buches umfasst dessen Inhalt sehr konkret. Der Autor befasst sich intensiv mit der Geschichte, der aktuellen Situation, den Notwendigkeiten und den Herausforderungen sowohl der Jugendhilfe direkt als auch der Supervision in der Jugendhilfe. Er wendet sich an die PraktikerInnen, an die AuftraggeberInnen von Supervision und an die in der Kinder- und Jugendhilfe beratenden SupervisorInnen. Prof. Dr. Herbert Winkens ist ein profunder Kenner der Kinder- und Jugendhilfe und dies aus mehreren Perspektiven und Kontexten heraus. Er war als Sozialpädagoge praktisch tätig, erlebte und gestaltete in der Rolle als Führungskraft, begleitet sie beraterisch als Supervisor und erforscht die Themenfelder, die Erfordernisse und die Wirksamkeiten der Jugendhilfe aus wissenschaftlicher Sicht.
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uj 10 | 2022 447 Rezension Rezensentin: Anne Valler-Lichtenberg Dipl. Supervisorin und Coach (DGSv, DGSF) seit 1992 selbstständige Beratungspraxis für Coaching, Supervision und systemische Beratung, Lehrende für systemische Beratung, Therapie und Supervision (DGSF) Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. DGSF Der Titel des Buches umfasst dessen Inhalt sehr konkret. Der Autor befasst sich intensiv mit der Geschichte, der aktuellen Situation, den Notwendigkeiten und den Herausforderungen sowohl der Jugendhilfe direkt als auch der Supervision in der Jugendhilfe. Er wendet sich an die PraktikerInnen, an die AuftraggeberInnen von Supervision und an die in der Kinder- und Jugendhilfe beratenden SupervisorInnen. Prof. Dr. Herbert Winkens ist ein profunder Kenner der Kinder- und Jugendhilfe und dies aus mehreren Perspektiven und Kontexten heraus. Er war als Sozialpädagoge praktisch tätig, erlebte und gestaltete in der Rolle als Führungskraft, begleitet sie beraterisch als Supervisor und erforscht die Themenfelder, die Erfordernisse und die Wirksamkeiten der Jugendhilfe aus wissenschaftlicher Sicht. Das Buch beginnt mit der „Un-Möglichkeit einer Beschreibung von Supervision“ und zeigt dann in Kapitel 3 „Eine kurze Historie zur Entwicklung von Supervision im Kontext der Jugendhilfe“ den Umwandlungsprozess von Supervision im letzten Jahrhundert auf: von Kontrolle, Macht und Norm zu Begegnungen auf Augenhöhe und zur Erweiterung von Perspektiven und Möglichkeiten. Auch wenn die PraktikerInnen hier vielleicht das ein oder andere Mal denken könnten: „Wann geht es denn jetzt endlich los? “, so regt dieses Geschichtskapitel mich als seit Anfang der 90er-Jahre aktiv praktizierende Supervisorin zur Diskussion und zum Finden meiner eigenen Standpunkte an. Es macht deutlich, wie auch das Beratungsformat Supervision von den jeweiligen Kontexten und den gesellschaftlichen Bedingungen und Werten bestimmt ist. Kapitel 4 befasst sich mit den von ihm benannten 10 typischen Merkmalen von Supervision in der Jugendhilfe: 1. Berufs-, Arbeits- und Organisationsbezogenheit 2. Interdisziplinäre Mehrperspektivität 3. Komplexitätsbewältigungskompetenz 4. Arbeitsfeldkenntnis 5. Reflexivität 6. Kooperations- und Koproduktionscharakter 7. Verständigungsorientierung und Verstehen 8. Zeitlich, räumlich exzentrischer Ort 9. Beratungs- und Dreieckskontrakt 10. Ziel-, Werte- und Normenorientierung. In allen, wie er es auch benennt, „10 markanten Kriterien“ (28) wird die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Perspektivwechsel deutlich: Es kann auch immer ganz anders sein oder wahrgenommen werden. Die Praxisbeispiele werden mit theoretischen Hintergründen aus verschiedenen Disziplinen verbunden. Winkens, H. (2022): Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen Beltz Juventa, Weinheim Basel. 144 Seiten, ISBN 978-3-7799-6444-5, € 19,95 448 uj 10 | 2022 Rezension Ich möchte hier nicht auf jedes Merkmal differenziert eingehen, sondern einige Aussagen, die mir besonders bedeutsam erscheinen, hervorheben. ➤ Winkens benennt Arbeitsfeldkenntnis der SupervisorInnen als tendenziell vorteilhaft. Gleichzeitig sind SupervisorInnen „Kulturfremde“ (47), die Blicke von außen ermöglichen. ➤ Er beschreibt die Notwendigkeit von Kooperation und Koproduktion vor dem Hintergrund, dass häufig innerhalb der Jugendhilfe sowohl die Kontakte zwischen KlientInnen und BeraterInnen als auch die von SupervisandInnen und SupervisorInnen einen „milden Zwangscharakter“ (61) aufweisen. ➤ Die Vereinbarung über den konkreten Rahmen, die Ziele und Aufträge und die Bilanzierung des Supervisionsprozesses sind notweniger Bestandteil des Kontraktes zwischen SupervisandInnen, SupervisorInnen und den VertreterInnen der Organisation. ➤ Wichtig erscheint mir hier auch die von Winkens betonte Anforderung an SupervisorInnen, sich selbst immer wieder in reflexive Prozesse über die eigene Haltung und das supervisorische Handeln zu begeben. ➤ Die Bedeutung der sozialen Lebenslagen und der gesellschaftlichen Werte und Normen gehört seiner - und auch meiner - Meinung nach explizit in die Reflexion in der Jugendhilfe und der Supervision. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der „Unterscheidung von typischen Supervisionsformen“: Fallsupervision, Teamsupervision, Leitungssupervision, Organisationssupervision sowie Lehr- und Kontrollsupervision. Die fünf genannten Settings werden präzise beschrieben und bieten eine gute Grundlage für PraktikerInnen: „Was brauchen wir“, und für SupervisorInnen: „Was möchte ich (an-)bieten“. Im Kapitel 6 geht es um „Abgrenzung zu anderen Beratungsformen“. Intervision, Coaching und Organisationsentwicklung erfahren kurze Beschreibungen ihrer Geschichte, ihrer Möglichkeiten und ihrer Grenzen. Kapitel 7 weist auf vielleicht selten so benannte „Risiken und Nebenwirkungen“ von Supervision hin und zeigt dabei konkrete Beispiele und Themen auf. Ich möchte hier zwei seiner Beispiele hervorheben. Das eine Risiko erscheint in einer möglichen Individualisierung mangelnder organisationaler Ressourcen. Das andere bezieht sich auf eine Grundlage von Supervision: die Arbeitsbezogenheit der in der Supervision vorgestellten Fragen und Themen. Das Risiko zeigt sich hier darin, diese Arbeitsbezogenheit zu ,übersehen‘. Darüber hinaus gilt: Wir alle in der Jugendhilfe und in der Supervision benötigen einen hohen Respekt für die hohe Komplexität in diesem Arbeitsfeld. „… ein Arbeitsfeld, das kaum komplexer sein könnte, da es um menschliche Bezüge geht und es nichts Vielschichtigeres geben kann als den Menschen selbst“ (125). Das Buch endet mit 12 „Tipps zum Scheitern“ von Supervision, die ich mit einem Augenzwinkern gelesen habe, und einem „Ausblick und Schluss“ mit einer Empfehlung zu einer „neugierigen, spielerischen und forschenden Haltung“ (132). Mein Fazit Ein sowohl für PraktikerInnen, SupervisorInnen und AuftraggeberInnen lohnenswertes Buch. Besonders bemerkenswert erscheint mir, dass es Winkens immer wieder gelingt, die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen individuellen, sozialen, organisationalen und gesellschaftlichen Bedingungen aufzuzeigen. An manchen Punkten ist das Lesen durchaus herausfordernd, da Beispiele aus der Praxis verbunden werden mit Zitaten aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Theorien. uj 10 | 2022 449 Rezension Ich spreche gerne die Empfehlung aus, das Buch als Ganzes in seiner Komplexität und Vielschichtigkeit zu lesen. Durch die klare Gliederung ermöglicht es den LeserInnen aber auch ein Querlesen und ein Fokussieren auf das gerade interessierende Thema. Anne Valler-Lichtenberg Coaching, Supervision, Systemische Beratung Balthasarstr. 81, 50670 Köln Tel. (01 57) 73 64 25 61 www.valler-lichtenberg.de DOI 10.2378/ uj2022.art64d Liebe Abonnentinnen und Abonnenten, der Bezugspreis der Zeitschrift unsere jugend wird ab Heft 1 des kommenden Jahres leicht angehoben, um die gestiegenen Kosten wenigstens teilweise auszugleichen. Der Abonnementpreis für private Direktkunden erhöht sich auf € 65,-. Nicht-Private/ Institutionen zahlen ab 2023 für das Jahres-Einzelabonnement € 97,-. Institutsabos mit Mehrplatzlizenz für Bibliotheken/ Universitäten kosten ab dem nächsten Jahr € 313,-. Jeweils zzgl. Versandspesen, die gleich bleiben. Als besonderen Service bieten wir eine kostenlose Online-Recherche in den Volltexten aller Fachbeiträge von unsere jugend an, die seit Heft 1/ 2005 erschienen sind. AbonnentInnen können diese Beiträge darüber hinaus als zitierfähige PDF-Datei ohne Zusatzkosten aufrufen und herunterladen (im Abo-Preis inbegriffen). Nutzen Sie unser Online-Angebot unter www.reinhardt-journals.de. Ihr Ernst Reinhardt Verlag
