eJournals unsere jugend 75/5

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Grandparenting

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2023
Bernd Hackmann
Durch die neue Methode des Grandparenting kann eine Lücke in der Kinder- und Jugendhilfe nach §19 SGB VIII geschlossen werden. Grandparenting erfolgt in einem im doppelten Sinne familiären Setting und stellt somit einen Profit für die Kinder und deren Eltern sowie für die öffentliche Jugendhilfe dar.
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220 unsere jugend, 75. Jg., S. 220 - 230 (2023) DOI 10.2378/ uj2023.art29d © Ernst Reinhardt Verlag Grandparenting Eine dezentrale Alternative für gemeinsame Wohnformen für Mütter/ Väter und Kinder Durch die neue Methode des Grandparenting kann eine Lücke in der Kinder- und Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII geschlossen werden. Grandparenting erfolgt in einem im doppelten Sinne familiären Setting und stellt somit einen Profit für die Kinder und deren Eltern sowie für die öffentliche Jugendhilfe dar. von Bernd Hackmann Jg. 1980; Dipl. Sozialpädagoge/ Dipl. Sozialarbeiter, 10/ 2004 - 01/ 2005 stationäre Jugendhilfe, seit 02/ 2005 beim Jugendamt eines Landkreises. Zunächst im Allgemeinen Sozialdienst, seit 04/ 2008 im Adoptions- und Pflegekinderdienst. Seit 01/ 2020 in der Funktion der Teamleitung. Der Weg zum Grandparenting Im Verlauf der beruflichen Tätigkeit des Autors ist diesem aufgefallen, dass viele Eltern, deren Kinder in der Kinder- und Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII untergebracht sind, zuvor in einer stationären Eltern-Kind-Einrichtung die im Hilfeplan formulierten Ziele nicht erreichen konnten. Einige dieser Eltern haben mittlerweile weitere Kinder, die sich jedoch in ihrer Obhut befinden. In Gesprächen berichteten viele der Eltern von einer Rahmung in der Eltern-Kind-Einrichtung, mit der sie sich nur bedingt arrangieren konnten oder, meist rückblickend, von einer persönlichen Unreife, die sie während der Zeit der Maßnahme nicht kompensieren konnten. Dies war Anreiz und Inspiration gleichermaßen, den Bereich der gemeinsamen Unterbringungsformen von Eltern mit ihrem Kind oder ihren Kindern methodisch so zu ergänzen, dass die Individualität der Eltern, der zeitliche Faktor der Maßnahme sowie die unterschiedlichen Bindungs- und Beziehungsebenen zwischen den Beteiligten besondere Berücksichtigung finden können. Bei der im dritten Abschnitt beschriebenen Methode, dem Grandparenting, handelt es sich um die Unterbringung von Eltern mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern in einer Familie, angelehnt an die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer Pflegefamilie. Da es sich hierbei bisher um eine theoretisch angelegte Methode handelt, ist zukünftig angedacht, diese mit kooperierenden Trägern in die Praxis umzusetzen. Die Notwendigkeit des Grandparenting In der Kinder- und Jugendhilfe besteht eine grundsätzliche Notwendigkeit, sich mit neuen Konzepten und Methoden auf die sich stetig verändernden Bedarfe der Kinder, Jugendlichen sowie deren Familien einzustellen. Diese Innovationsnotwendigkeit unterliegt somit einer kontinuierlichen Dynamik. Neben den klassischen Jugendhilfeangeboten nach § 27ff SGB VIII, die 221 uj 5 | 2023 Grandparenting regelmäßig mit neuen/ angepassten Konzeptionen ergänzt werden, ist es der Bereich der gemeinsamen Unterbringungsformen von Eltern mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern, der mehr in den Fokus rücken muss. Die Möglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe hinsichtlich einer gemeinsamen Unterbringung von Eltern mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern sind oftmals sehr ähnlich und weisen in der Praxis zu wenig Flexibilität auf. Hilfen werden auf die LeistungsempfängerInnen schabloniert, während diese die Gegebenheiten der Einrichtung annehmen sollen. Es ist jedoch wichtig, die individuellen Bedarfe der Eltern im Zusammenleben mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern zu erkennen und diese im gemeinsamen Alltag entsprechend zu berücksichtigen. Im Folgenden wird zunächst eine Lücke in der Kinder- und Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII dargestellt, die durch die Anwendung der neuen Methode geschlossen werden kann. Im § 19 des Achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) ist festgeschrieben, dass „Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, […] gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden [sollen], wenn und solange sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen“ (AGJ 2012, 43f ). In diesem Paragrafen sind zwei Formulierungen enthalten, die es wert sind, hinsichtlich der Umsetzung in die Praxis näher in den Fokus genommen zu werden. Zum einen ist es die Formulierung der ‚geeigneten Wohnform‘ und zum anderen die der ‚Persönlichkeitsentwicklung‘ der Eltern. Dabei kommen die Fragen auf, ob diese Faktoren schon zu Beginn der Maßnahme genügend Berücksichtigung finden und ob die Praxis im Rahmen der „Förderung der Erziehung in der Familie“ (ebd., 25), unter dessen Abschnitt der § 19 im SGB VIII festgeschrieben ist, für die LeistungsempfängerInnen überhaupt genügend Varianten vorhält, um flexibel und individuell auf deren ‚Persönlichkeitsentwicklung‘ einzugehen sowie die daraus resultierenden, ebenfalls individuell zu wertenden, ‚geeigneten Wohnformen‘ anbieten zu können. Elternteile sind in stationären Eltern-Kind-Einrichtungen nicht ausschließlich mit der Annahme ihrer oftmals neuen Elternrolle konfrontiert, sondern auch mit weiteren gruppendynamischen Prozessen zwischen den KlientInnen. Sie müssen sich nicht nur auf ihre Elternrolle und die dazugehörigen Anforderungen auf verschiedensten emotionalen wie materiellen und räumlichen Ebenen einstellen und einlassen. Sie müssen sich auch in einem für sie neuen Gruppengefüge eingliedern und innerhalb der Gruppe mit den weiteren Gruppenmitgliedern zusammenleben. Um diese gruppendynamischen Prozesse annehmen zu können, ohne gleichzeitig die Anforderungen an die neue oder sich neu darstellende Elternrolle nicht aus dem Blick zu verlieren, bedarf es einer ausgeprägten Persönlichkeitsentwicklung. Hinzu kommt, dass die Hilfemaßnahme in den meisten Fällen auf eine sich schnell fortschreitende Entwicklung bei den Eltern ausgelegt ist. Hontschik und Ott beschreiben ein solches Setting als „pädagogisch institutionalisierte[n] Wohnraum“, bei dem „Jugendämter bei der Zuweisung von ‚Fällen‘ die Abklärung der ‚Erziehungsfähigkeit‘ in Auftrag [geben]. […] Die den Adressatinnen von Mutter-Kind-Einrichtungen zugerechnete Schwäche in der Lebensbewältigung ist auf das ‚Wohl(ergehen) des Kindes‘ bezogen und wird letztlich als Schwäche in der ‚Erziehungsfähigkeit‘ […] relevant gemacht“ (Hontschik/ Ott 2017, 127f ). Wenn die LeistungsempfängerInnen den mannigfachen Anforderungen nicht gerecht und Ziele nicht adäquat erreicht werden können, steht mitunter eine vorzeitige Beendigung zur Diskussion, die oftmals eine Trennung von Eltern und Kind mit sich bringt. Hierbei ist die Frage der Gründe durchaus intensiver zu betrachten. Ist die Beendigung einer Maßnahme nach § 19 SBG VIII grundsätzlich einer defizitä- 222 uj 5 | 2023 Grandparenting ren Erziehungsfähigkeit der Eltern geschuldet? Oder können für ein Scheitern der Maßnahme auch andere Faktoren ursächlich sein, wie z. B. eine unausgereifte Persönlichkeitsentwicklung, der im vorgegebenen Rahmen nicht genügend Kompensationsmöglichkeiten geboten werden konnten? Bedeutend ist in diesem Zusammenhang die Frage nach vorhandenen Ressourcen bei den Eltern. Konnten diese in der vorgegebenen Struktur ausreichend hervorgeholt, ausgearbeitet und manifestiert werden? Oder war eine individuelle Begleitung in die Elternrolle nur im Ansatz möglich, sodass die Eltern ihr Potenzial nur unzureichend ausschöpfen und sich folglich nur bedingt auf ein gemeinsames Leben mit ihrem Kind vorbereiten konnten? Vielleicht könnten in der Antwort auf diese Frage auch Ursachen des o. g. ‚sozialen Phänomens‘ enthalten sein, die erklären, dass es Eltern gibt, die ihr erstes Kind in einer dauerhaft angelegten Jugendhilfemaßnahme, oftmals nach § 33 SGB VIII, untergebracht wissen, weitere Kinder jedoch in ihrem Haushalt aufwachsen. In einigen familiären Konstellationen ist es angebracht, die Anforderungen der Hilfe den Entwicklungsmöglichkeiten und persönlichen Fähigkeiten der Eltern noch mehr anzupassen und Maßnahmen ggf. zu ‚entschleunigen‘. Insbesondere für sehr junge Eltern ist es oft schwer, sich innerhalb einer Einrichtung einzugliedern und parallel in ihre Elternrolle hineinzuwachsen, ohne eigene Grenzerfahrungen zu machen. Erschwerend hinzukommen kann die institutionell bedingte Situation der Wechselschicht der Fachkräfte. Kann sich dadurch einerseits eine Chance bieten, bei zwischenmenschlichen Spannungen mit einer Fachkraft diese mit weiteren Fachkräften reflektieren zu können oder auf die nächste diensthabende Fachkraft zu warten, wird durch den Schichtdienst andererseits das Eingehen intensiver, vertrauensvoller Beziehungsebenen erschwert, wie sie beim Grandparenting entstehen sollen. Gleichwohl können beim Grandparenting unüberbrückbare Differenzen zwischen den Eltern und den Betreuungsfamilien oft eine Beendigung der Maßnahme in der Betreuungsfamilie zur Folge haben. Eine fachlich fundierte, aber dauerhaft überprüfende Begleitung durch verschiedene Fachkräfte, wie sie oftmals in stationären Einrichtungen vorliegt, kann ebenfalls zu einem erhöhten Druck aufseiten der Eltern führen, da Ziele oftmals zeitlich eingegrenzt in den Hilfeplanungen festgeschrieben werden. Welche Möglichkeiten haben Eltern in dieser Rahmung, sich, entsprechend ihrem persönlichen Entwicklungspotenzial und -tempo, in ihrer Elternrolle einzufinden? Beim Grandparenting wird folglich auf eine individuell passende Rahmung geachtet. Die Eltern lassen sich auf neue Personen in der Betreuungsfamilie ein, samt dem zugehörigen sozialen Umfeld, die sich als Familie oder Bekanntenkreis mitunter auch in dem Haushalt der Betreuungsfamilie aufhalten. Daher bedarf es eines ausgeprägten feinfühligen und empathischen Vermögens aufseiten der Betreuungsfamilie, die Eltern mit ihrem Kind oder ihren Kindern im Alltag ‚willkommen‘ zu heißen und zu integrieren. Ebenso wie in klassischen Pflegefamilien gehören die Eltern mit den Kindern für den Zeitraum des Zusammenlebens mit zum Familiensystem. Die Integration der ‚Familie in die Familie‘ ist ein elementarer Baustein der Methode, um vorhandene Ressourcen in einem vertraulichen Setting zu erkennen und zu ergänzen. Es werden kontinuierlich Beziehungsangebote vonseiten der Betreuungsfamilie unterbreitet, ohne eine zu hohe Erwartungshaltung zu vermitteln. Die Integration der Eltern mit den Kindern wird insbesondere zu Beginn der Maßnahme sehr eng begleitet. Alle Beteiligten lernen sich im Vorfeld kennen und bewerten für sich, ob sie sich eine ‚Zusammenarbeit‘ vorstellen können. Sofern möglich gibt es eine Anbahnungsphase, bei der sich des Öfteren getroffen und gegenseitige Erwartungshaltungen besprochen werden. Dies erfolgt gemeinsam mit dem Träger, unabhängig, ob frei oder öffentlich. 223 uj 5 | 2023 Grandparenting Begleitet werden sowohl die Eltern als auch die Betreuungsfamilien durch Fachkräfte des begleitenden Trägers, um sowohl den Eltern als auch den Betreuungsfamilien außerhalb des doppelten Familiensystems Ansprechpersonen zur Seite zu stellen und Bedarfe ggf. zu klären oder zu modifizieren. Dies ist neben den Schutzkonzepten, die durch die Beteiligung freier Träger (nach § 19 SGB VIII) oder der Jugendämter (nach § 33 SGB VIII) per se implementiert sind, auch ein Standard, der zum Schutz und zur Sicherheit aller Beteiligten, insbesondere der Kinder, beiträgt. Dennoch ist die Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten als herausfordernd anzusehen, da es sich beim Grandparenting um eine familienanaloge Begleitform handelt, bei der oft eine Fachkraft in der alltäglichen Begleitung zur Verfügung steht. Da die Eltern in ihrer Verselbstständigung und dem Ausbau der Eigenverantwortung begleitet werden und diese Ebenen auch das Kindeswohl betreffen, ist es wichtig, die übergeordnete Begleitung der (Betreuungs-)Familie kompensierend zu gestalten. Dies ist in stationären Settings insofern variabler umsetzbar, da es die Möglichkeiten gibt, dass sich mehrere Fachkräfte während der Übergaben kollegial austauschen oder die steigende Verantwortung und Eigenständigkeit auch durch eine räumliche Veränderung, z. B. in einem eigenen Wohnbereich innerhalb der Einrichtung, geschützt zu unterstreichen (vgl. Hontschik/ Ott 2017, 123ff ). Letzteres ist beim Grandparenting nur bedingt möglich. Der Ausbau der Eigenverantwortung liegt daher in der zunehmenden alltäglichen Begleitung und Versorgung der Kinder durch die Eltern. Die Notwendigkeit der Angebote nach § 19 SGB VIII zeigt, dass dies ein wichtiges Element innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe darstellt und sollte folglich mehr Alternativen aufweisen, um auf die Individualität des Einzelfalls besser eingehen zu können. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die bestehenden Hilfen in diesem Bereich nicht gut bzw. unzureichend konzipiert seien. Es passen nicht immer alle vorhandenen Schablonen auf bestehende Bedarfe. Im Folgenden wird daher die Methode des Grandparenting als eine individuelle Unterstützungsmöglichkeit von Eltern mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern in einem neuen, dezentralisierten Setting aufgezeigt. Grandparenting als Methode in der Kinder- und Jugendhilfe Beim Grandparenting geht es um die Unterbringung von Elternteilen mit ihrem Kind 1 innerhalb einer Betreuungs-/ Pflegefamilie 2 , in der sich aufgrund unterschiedlicher Altersstrukturen jede bzw. jeder der Beteiligten in einer konkurrenzlosen Rolle befindet. Unterschieden wird bei den ähnlichen Unterbringungsformen nach § 19 SGB VIII und § 33 SGB VIII zum einen bei der Professionalität der Betreuungspersonen und zum anderen bei der Feststellung der Bedarfe der Eltern und ihrem Kind. Brauchen die Eltern bei der Umsetzung des Grandparenting nach § 19 SGB VIII Unterstützung im alltäglichen Umgang mit ihrem Kind, steht beim Grandparenting nach § 33 SGB VIII der erzieherische Bedarf mehr im Fokus. Innerhalb der Betreuungsfamilie verfügt mindestens ein ‚Großelternteil‘ über eine pädagogische Fachausbildung und fungiert als Hauptbezugsperson. Grundsätzliches Ziel ist es, dem Elternteil einen positiven Start in die erstmalige (ggf. auch weitere) Elternschaft zu gewähren. Hierzu wird ein beständiger Rahmen geschaffen, der es den Eltern ermöglicht, während einer kontinuierlichen, familiären und zugleich fachlich fundierten Begleitung den Anforderungen sowie der Verantwortung einer Elternschaft gerecht zu werden und jederzeit Unterstützung in Anspruch nehmen zu können. Bei Frauen kann die Unterbringung bereits während der Schwangerschaft erfolgen, um sich im Vorfeld zum einen auf die neue Wohnsituation einlassen und einleben und zum anderen mental und emotional auf die neue Lebenspha- 224 uj 5 | 2023 Grandparenting se vorbereiten zu können. Auch ein Wechsel von einem klassischen stationären Setting nach § 19 SGB VIII in eine Betreuungsfamilie nach § 19 SGB VIII kann eine Option darstellen, bei der z. B. eine Anbahnung umsetzbar ist. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen der Mütter/ Väter kann eine begleitende Betreuungsfamilie individuell auf die Bedarfe des Elternteils sowie des Kindes eingehen. Hierbei wird ressourcenorientiert gehandelt, um die Eltern in ihren persönlichen Fähigkeiten zu unterstützen, diese auszubauen und im Alltag zu manifestieren. Darüber hinaus werden, entsprechend dem sich daraus ergebenden Bedarf, Unterstützungs- und Kompensationsleistungen durch die ‚Großeltern‘ erbracht. Diese Unterstützungs- und Kompensationsleistungen erstrecken sich über die Bereiche der Versorgung, Erziehung und Förderung des Kindes, einer angemessenen Tagesstrukturierung bis hin zu Begleitungen bei ärztlichem Kontakt, Behördengängen, Therapiegesprächen oder Ähnlichem. Ferner besteht für die Eltern grundsätzlich die Möglichkeit, einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu absolvieren, während das Kind in der Zeit der Abwesenheit der Eltern durch die ‚Großeltern‘ versorgt wird. Auch die Freizeitgestaltung findet in diesem familiären Setting Berücksichtigung. Diese erfolgt sowohl mit dem Kind als auch durch das Schaffen von Ausgleichsmöglichkeiten für die Eltern allein. Grandparenting erlaubt es den Eltern zudem, sich weitestgehend auf sich und ihr Kind zu konzentrieren, ohne sich mit weiteren Eltern in einer vergleichbaren Lebenslage im Alltag auseinandersetzen oder vergleichen zu müssen. Gruppendynamischen Prozessen in der Größenordnung, wie sie häufig im Mutter-/ Vater-Kind- Setting vorzufinden sind, sehen sich die Eltern nicht ausgesetzt. Grandparenting zielt nicht auf eine schnellstmögliche, maximale Selbstständigkeit der Eltern ab, sondern soll es den Eltern ermöglichen, entsprechend ihren Fähigkeiten Ziele zu erreichen sowie selbst nachzureifen. Ressourcen sollen in sicheren Schritten erkannt und ausgestaltet werden. Hierfür steht auch ein übergeordnetes Netzwerk aus verschiedenen Professionen, wie z. B. Hebammen, ÄrztInnen, PsychologInnen oder TherapeutInnen zur Verfügung, das von den ‚Großeltern‘ gleichermaßen koordiniert wird. Beim Grandparenting geht es ferner um Kontinuität undVerlässlichkeit auf der Unterstützungsebene, weg von der Begleitung verschiedener Bezugspersonen im Wechselschichtmodell. Die Alterskonstellation zwischen den Eltern mit ihrem Kind und den ‚Großeltern‘ stellt beim Grandparenting eine Besonderheit dar. Die Bindungs- und Beziehungsebenen unter den Beteiligten stehen während des gesamten Prozesses im Fokus. Zum einen soll es den Müttern/ Vätern durch Grandparenting ermöglicht werden, eine möglichst sichere Bindung zum eigenen Kind entwickeln zu können, indem sie mithilfe der Unterstützung durch die ‚Großeltern‘ lernen, die Signale ihres Kindes zu erkennen, angemessen zu deuten und adäquat zu befriedigen. Zum anderen soll Grandparenting den Eltern die Gelegenheit bieten, einen freien, vertrauensvollen Kontakt, ohne Konkurrenzempfinden, zu den ‚Großeltern‘ herzustellen und so selbst eine positive, vertrauensvolle Beziehung zu diesen zu entwickeln. Den Eltern wird es während dieser Zeit ermöglicht, sich in dem Setting individuell weiterzuentwickeln und auch den eigenen Reifeprozess fortzusetzen. Das Ausbleiben eines Konkurrenzempfindens ist beim Grandparenting somit eine wichtige Komponente. Zu den ‚Großeltern‘ sorgt der erhöhte Altersunterschied zwischen Kind und ‚Großeltern‘ für eine insofern positiv zu wertende Distanz, als dass den Eltern hinsichtlich der Elternrolle gegenüber ihrem Kind eine Monopolstellung zugestanden werden kann. Die Beziehungsebene zwischen dem Kind und der Betreuungsfamilie reduziert sich auf eine ‚Großelternebene‘ und unterbindet somit ein Konkurrenzempfinden der Eltern zu den ‚Großeltern‘. 225 uj 5 | 2023 Grandparenting Aufgrund der familiären Nähe erleben die Eltern eine Orientierung bringende Struktur im Familienalltag der Betreuungsfamilie, ohne dass dies im Rahmen der Unterbringung eines herkömmlichen stationären Settings herbeigeführt werden muss. Die Umgangsweise mit dem Kind im Alltag sowie die Notwendigkeit einer Tagesstruktur, die mit den Eltern durch die ‚Großeltern‘ erarbeitet wird, wird im Alltag von den ‚Großeltern‘ auch vorgelebt und erhält so eine natürliche Rahmung. Die Zusammenführung von Theorie und Praxis kann in der Form ausschließlich durch ein familiäres Setting geboten werden. Ein wichtiges Ziel ist es, dass die Eltern in ihrem Handeln an Sicherheit gewinnen und auch in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden, dem eigenen Kind ein verlässlicher Elternteil sein zu können. Dies impliziert einen sicheren Umgang mit dem Kind im (Erziehungs-)Alltag sowie ein sicheres, selbstbewusstes Auftreten im eigenen sozialen Umfeld gegenüber Dritten. Sie können sich durch die Unterstützung der ‚Großeltern‘ zunehmend auf eigene Stärken berufen und diese weiter ausbauen. Viele Eltern haben in ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung nur wenig Selbstwirksamkeit vermittelt bekommen und weisen daher einen hohen Nachreifebedarf auf, den es zu befriedigen gilt. Gleichwohl haben alle Eltern in ihrer bisherigen Entwicklung wichtige Ressourcen in verschiedenen Bereichen aufbauen können. Dies sind sowohl personale, soziale und auch makrosoziale Ressourcen, die sich unterschiedlich ausgeprägt darstellen. Die bestehenden Ressourcen müssen mit der Hilfe der Betreuungsfamilien und ggf. weiteren unterstützenden Maßnahmen und Fachleuten ausgebaut werden, um dem grundsätzlichen Ziel, die Befähigung der Eltern zu einer adäquaten Erziehung ihres Kindes, einhergehend mit einer eigenständigen Lebensführung, einer festen Tagesstruktur sowie der Herstellung einer positiven Bindungs- und Beziehungsebene zwischen ihnen und ihrem Kind, kontinuierlich näherzukommen. Neben den lebenspraktischen Bereichen werden die Eltern darin unterstützt, positiv besetzte Bindungs- und Beziehungsebenen zu ihrem Kind aufzubauen und diese zu manifestieren. Es werden Voraussetzungen geschaffen, dass die Eltern die Beziehungsebenen zu ihrem Kind bestmöglich gestalten können. Jedes Kind soll seine Eltern im Alltag als verlässlich, liebevoll und zugewandt erleben. Die Kinder erhalten so die Möglichkeit, ein positives Selbstbild zu entwickeln, was sich mit dem Wissen, verlässliche Eltern im eigenen Umfeld zu haben, wiederum positiv auf die eigene soziale Situation und die eigene Selbstwirksamkeit auswirkt. Die Unterstützungsmaßnahmen beim Grandparenting basieren auf der Grundlage kognitiver Lerntheorien, wie z. B. das ‚Lernen am Modell‘ oder das ‚Lernen durch Verstärkung‘. Es wird den Eltern ermöglicht, ihren Erfahrungsraum zu erweitern bzw. neue Erfahrungen in ihrem alltäglichen Handeln einfließen zu lassen. Folgt man exemplarisch den Theorien des Psychologen Albert Bandura, eignet sich das Modelllernen, um u. a. gesellschaftliche Norm- und Wertvorstellungen zu erlernen. „Die soziale Lerntheorie von BANDURA (1967, 1969) gilt als der wichtigste und ausführlichste Beitrag zur Erklärung des Modelllernens, bei dem der Gedanke aufgegriffen wird, daß auch Erfahrungen, die jemand anderes macht, Auswirkungen auf das eigene Verhalten haben können.“ (Mielke 1984, 9) Dies lässt sich auch auf die Umgangsweise mit dem eigenen Kind sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben projizieren. „Durch das Lernen am Modell ist der Mensch in der Lage, sich auch komplexe soziale Handlungen anzueignen“ (https: / / arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ LERNEN/ Modelllernen.shtml). Die Eltern erleben den positiv gearteten Umgang der Betreuungsfamilie in Bezug auf die Versorgung, Förderung und Begleitung des 226 uj 5 | 2023 Grandparenting Kindes und können sich daran orientieren. Ferner erleben sie die Betreuungsfamilie selbst als ‚Vorbilder‘ im Umgang mit dem eigenen Kind und den daraus resultierenden Erfolgen. So ist es möglich, die fachlich fundierten pädagogischen Handlungsmöglichkeiten der Betreuungsfamilie wahrzunehmen und in das eigene Handeln mit aufzunehmen. „Während des Lernens werden Informationen darüber aufgenommen, welche der Hypothesen über die Angemessenheit von Reaktionen in bestimmten Situationen am zutreffendsten ist. Die aufgestellten Hypothesen werden durch die unterschiedlichen Konsequenzen verstärkt bzw. geschwächt. Lernen ist im wesentlichen eine kognitive Angelegenheit, da Zusammenhänge über das Zusammenauftreten von Eigenschaften bzw. von Reaktionen und Ereignissen gelernt werden, indem Erwartungen oder Hypothesen, die eine Person aufgestellt hat, durch die Ereignisse aufrechterhalten oder geschwächt werden. Die Hypothesen oder Erwartungen sind handlungsleitend für das zukünftige Verhalten der Person in anderen Situationen.“ (Mielke 1984, 59) Innerhalb des geschützten Rahmens wird beim Grandparenting die Möglichkeit geboten, wiederkehrend eigene positive Erkenntnisse aus dem bisherigen Umgang mit dem Kind zu gewinnen, auf denen die weitere Entwicklung der Beziehung sowie des Zusammenlebens zwischen den Eltern und ihrem Kind basiert. Einzelne Situationen und Entwicklungsschritte werden zwischen den Beteiligten detailliert besprochen und aufkommende Fragen geklärt. Folgt man der Annahme des inneren Arbeitsmodells, z. B. nach Bowlby (2021), entwickeln Kinder durch ihre Erfahrungen mit ihren Bindungsfiguren ein solches. Diese entwickelten Arbeitsmodelle sind, wenngleich grundsätzlich veränderbar, durchaus beständig und haben auch im Erwachsenenalter einen starken Einfluss auf deren sozioemotionale Entwicklung, u. a. gegenüber ihren eigenen Kindern, wenn sie selbst als Bindungsfiguren auftreten. „Die Verknüpfung des für das Bindungsverhalten zuständigen Regelkreises mit den in der Kindheit ausgebildeten inneren Modellen des Selbst und der Bindungsfigur wird somit als zentrales, lebenslang wirksames Persönlichkeitsmerkmal definiert“ (ebd., 100). Die Kinder entwickeln somit ihrerseits ein inneres Arbeitsmodell, das oft dem der Eltern ähnelt. Durch die fortgesetzte Interaktion mit den Bindungsfiguren erfolgt eine ständige Aktualisierung dieser Arbeitsmodelle. Dadurch festigt sich das bestehende Bindungsmuster und wird zunehmend internalisiert. „Sobald diese Eltern- und Selbstmodelle in Wechselbeziehung stehen, scheinen sie festgeschrieben und auf unbewusster Ebene wirksam zu werden. […] Der Schlüssel zum Verständnis dieser schrittweisen Aktualisierung der inneren Arbeitsmodelle liegt in […] der spontanen Mutter-Kind-Kommunikation […].“ (ebd., 106) Otto beschreibt hinsichtlich einer „transgenerativen Kontinuität“ (Otto 2011, 402), „dass jene elterlichen Verhaltensweisen, die ausschlaggebend für die Sozialisation der eigenen Kinder sind und das Verhalten im Umgang mit dem eigenen Kind steuern, ihre Grundlage in den eigenen (elterlichen) Kindheitserfahrungen haben“ (ebd., 402f ). Daher ist es unabdingbar, dass den Eltern, bei denen eine Notwendigkeit erkannt wird, die Möglichkeit geboten wird, ihre eigene Biografie sowie die damit zusammenhängenden Grundlagen der eigenen Erziehung zu verstehen und zu (v)erarbeiten. Die Weitergabe der oftmals vergleichbaren Bindungsmuster von den Bindungsfiguren und dem Kind wird auch als transgenerationale Weitergabe bezeichnet (vgl. Zulauf-Logoz 2008, 297). Das innere Arbeitsmodell kann sich im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung bei Kin- 227 uj 5 | 2023 Grandparenting dern, Jugendlichen und auch Erwachsenen verändern. Dies ist abhängig vom Erleben der zwischenmenschlichen Beziehungen. Resultierend hieraus ist es möglich, auch eine transgenerationale Weitergabe von z. B. nicht sicher gebundenen Bindungstypen zu korrigieren und entsprechend positiv und sicher zu gestalten. Hierzu schreibt Bowlby: „Offenbar können Mütter, die sich mit den eigenen Erlebnissen auseinander gesetzt haben, auf das Bindungsverhalten ihres Kindes eingehen und ihm die gleiche ‚sichere‘ Bindung ermöglichen, wie dies solchen Müttern gelingt, die eine glückliche Kindheit verlebt haben.“ (Bowlby 2021, 110) Eltern muss es folglich ermöglicht werden, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und sich ggf. bewusst neu zu orientieren, wie sie als Bindungsfigur ihrem Kind gegenüber faktisch auftreten bzw. auftreten wollen. Inwiefern dies durch die Betreuungsfamilie zu leisten ist oder eine professionelle therapeutische Begleitung flankierend als notwendig angesehen wird, ist im Einzelfall zu klären. Es ist wichtig, dass die Eltern die Chance erhalten, ihre eigenen biografischen Erziehungserfahrungen aufzuarbeiten, um sich auch kritisch mit diesen auseinandersetzen zu können. Die Umsetzung des Grandparenting ist ein durchweg fortlaufender Prozess, der sich in verschiedene Schritte einteilen lässt. Während dieser einzelnen, hier grob dargestellten Schritte, wird die Hauptverantwortung der Betreuung des Kindes (und auch der Eltern) von den ‚Großeltern‘ zunehmend in eine Eigenverantwortung der Eltern übertragen, bis diese in ihrem Verselbstständigungsprozess so weit fortgeschritten und gefestigt sind, ihrem Kind eine verlässliche, gute Beziehung zu bieten sowie einen selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Alltag zu strukturieren und zu führen. Abb. 1: Variables Stufenmodell (Bernd Hackmann) Manifestieren der bestehenden/ erworbenen pädagogischen Fähigkeiten schulische/ berufliche Ausbildung der Eltern Verselbstständigungsprozess innerhalb der Betreuungsfamilie Verselbstständigung in einer eigenen Wohnung ➤ Unterstützung bei der Erreichung eines Schulabschlusses durch die Betreuungsfamilie ➤ Unterstützung bei der praktischen Berufsausbildung durch die Betreuungsfamilie ➤ Betreuung des Kindes durch die Betreuungsfamilie während der schulischen/ beruflichen Abwesenheit der Eltern ➤ Betreuung des Kindes durch die Betreuungsfamilie bei Überforderungssituationen der Eltern ➤ Erkennen und Vertrauen auf die eigenen Ressourcen ➤ Erlangen sicherer Handlungsfähigkeiten im Umgang mit dem Kind ➤ Erkennen der Notwendigkeit sowie der zunehmend eigenständigen Umsetzung eines kindzentrierten Alltags durch die Eltern ➤ selbstständige Strukturierung des gemeinsamen Alltags mit dem Kind ➤ zunehmende eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung des Kindes innerhalb der Betreuungsfamilie ➤ selbstständige Planung und Durchführung von Behördengängen, Arztbesuchen und Freizeitgestaltung ➤ Auszug aus der Betreuungsfamilie ➤ Zusammenleben mit dem Kind in einer eigenen Wohnung ➤ Durchführung einer eigenen, kindzentrierten Tagesstrukturierung ➤ Gewährleistung ein selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und selbstständigen Lebensführung 228 uj 5 | 2023 Grandparenting Abb. 2: Entwicklungsphasen (Bernd Hackmann) ➤ Entwicklung von sicheren Bindungen ➤ Erfahrungen von Verlässlichkeit und Sicherheit ➤ Erleben eines strukturierten Alltags ➤ Erleben pädagogischer Handlungsfähigkeiten der Eltern ➤ (Haupt-)Versorgung durch die Betreuungsfamilie geht über in die ➤ (Haupt-)Versorgung durch die Eltern und wird zur ➤ (Mit-)Versorgung durch die Betreuungsfamilie ➤ Bewusstwerden des eigenen inneren Arbeitsmodells ➤ Vermittlung eines sicheren Bindungsmusters ➤ Biografiearbeit ➤ Beobachterfunktion innerhalb der Betreuungsfamilie ➤ Erweitern der eigenen pädagogischen und lebenpraktischen Handlungsfelder ➤ (Mit-)Versorger des Kindes ➤ Stärkung der Persönlichkeit der Eltern ➤ Erkennen einer Selbstwirksamkeit bei den Eltern ➤ Erkennen, Ausbauen und Manifestieren der vorhandenenRessourcen der Eltern ➤ Modell für die Eltern in der Erziehung des Kindes und Strukturierung eines Alltags ➤ Begleiter der Eltern bei der Erziehung des Kindes sowie der Strukturierung ihres Alltags ➤ (Haupt-)Versorger des Kindes Eltern-Kind- Beziehung/ Bindungen Lernen am Modell - soziales Lernen Betreuungsfamilie Eltern Kind 229 uj 5 | 2023 Grandparenting Wie lange die Entwicklungsphasen zwischen den einzelnen Schritten andauern, ist abhängig von den immer wiederkehrenden alternierenden Prozessen des Modelllernens im Zusammenhang mit dem bestehenden und sich ggf. verändernden inneren Arbeitsmodells, was sich wiederum auf die Bindungs- und Beziehungsentwicklung zwischen den Beteiligten, insbesondere der Eltern und des Kindes auswirkt. Diese Abfolge wird in Abb. 2 dargestellt und beinhaltet die Zwischenschritte, die in Abb. 1 als Pfeile dargestellt sind. Während des gesamten Prozesses ist es wichtig, dass das gemeinschaftliche Ziel, die Eltern zu einer angemessenen Lebensführung mit ihrem Kind zu befähigen, im individuellen Tempo erreicht werden kann. Dies erfolgt durch ein gelingendes Miteinander, gestützt durch eine alltagspraktische Begleitung und die Weitergabe pädagogischer Handlungsfähigkeiten durch die Betreuungsfamilien an die Eltern, damit diese in ihrem Verhalten entweder korrigierende oder ergänzende Erfahrungen machen können. Bei aller Notwendigkeit fachlicher Kompetenzen aufseiten der Betreuungsfamilie ist es, insbesondere in der heutigen, schnelllebigen Zeit, unabdingbar, auch mal Maßnahmen zu entschleunigen und diese mehr an den Ressourcen und Erfahrungen der Eltern zu orientieren. Bernd Hackmann E-Mail: info@grandparenting.de Anmerkungen 1 Hinsichtlich der Anzahl der Kinder wird sich in dieser Methodenbeschreibung auf ein Kind beschränkt, um die Lesbarkeit nicht einzuschränken. Dennoch gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, dass ein Elternteil auch mit einem weiteren, bereits älteren Kind die Maßnahme annimmt. 2 Für die einfachere Lesbarkeit wird sich für die Bezeichnung der Betreuungsfamilie entschieden, die nach § 19 SGB VIII im Rahmen eines professionellen Settings die Maßnahme durchführt. Gleichwohl kann die Begleitung aber auch innerhalb einer Pflegefamilie erfolgen, sofern die Eignung der Familie zuvor festgestellt wurde. Dass Elternteile mit ihrem Kind auch nach § 33 SGB VIII in einem (fremden) Haushalt untergebracht werden können, wird in der Zeitschrift ‚Das Jugendamt‘ (JAmt) wie folgt beschrieben: „Zwar handelt es sich bei der Hilfeform der gemeinsamen Unterbringung in einer Pflegefamilie eher nicht um eine klassische Hilfe nach § 33 SGB VIII. […] Allerdings kann die Bewilligung einer HzE nicht nur die ausdrücklich im Katalog der §§ 28ff SGB VIII aufgeführten klassischen Hilfen umfassen. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs ‚insbesondere‘ in § 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII die notwendige Flexibilität geschaffen, um die Entscheidung über die konkrete Hilfeart tatsächlich am jeweiligen Hilfebedarf ausrichten zu können. […] Die Entwicklung neuer, individueller Hilfen ist daher nicht nur möglich und wünschenswert, sondern für den Fall, dass mit dem Standardkatalog an Hilfen auf den Hilfebedarf nicht reagiert werden kann, auch gefordert. Dies gilt auch für eine erforderliche gemeinsame stationäre Unterbringung von einem Elternteil oder beiden Eltern mit ihrem Kind oder ihren Kindern“ (DIJuF 2020, 450f ). Literatur Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ (Hrsg.) (2012): Sozialgesetzbuch VIII auf dem Stand des Bundeskinderschutzgesetzes - Gesamttext und Begründungen. 16. Aufl. AGJ, Berlin Bowlby, J. (2021): Bindung als sichere Basis - Grundlagen und Anwendungen der Bindungstheorie. 5. Aufl. Ernst Reinhardt, München Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) e.V. (Hrsg.) (2020): Gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind in einer Pflegefamilie als Hilfe zur Erziehung. Das Jugendamt (JAmt) 9, 450f Hontschik, A., Ott, M. (2017): Die stationäre Mutter- Kind-Einrichtung als pädagogisch institutionalisierter Wohnraum. In: Meuth, M. (Hrsg.): Wohnräume und päd- 230 uj 5 | 2023 Grandparenting agogische Orte. Erziehungswissenschaftliche Zugänge zum Wohnen. Springer VS, Wiesbaden, 123 - 148 https: / / arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ LERNEN/ Modelllernen.shtml, 30. 12. 2022 Mielke, R. (1984): Lernen und Erwartung - Zur Selbst- Wirksamkeits-Theorie von Albert Bandura. Hans Huber, Bern/ Stuttgart/ Wien Otto, H. (2011): Bindung - Theorie, Forschung und Reform. In: Keller, H. (Hrsg.): Handbuch der Kleinkindforschung. 4. Aufl. Hans Huber, Bern Zulauf-Logoz, M. (2008): Die Desorganisation der frühen Bindung und ihre Konsequenzen. In: Ahnert, L. (Hrsg.): Frühe Bindung - Entstehung und Entwicklung. 2. Aufl. Ernst Reinhardt, München, 297 - 311 a www.reinhardt-verlag.de Lange galt die Erlebnispädagogik als umstritten, sie hat sich allerdings in der Praxis der Jugendarbeit, der Heimerziehung, der beruflichen Bildung, in nahezu allen (sozial-)pädagogischen Praxisfeldern durchgesetzt. Dieses Buch bietet eine Einführung in die wichtigsten Grundlagen der Erlebnispädagogik entlang der folgenden Fragen: Wie hat sie sich etabliert? Was wird ganz konkret an welchen Standorten angeboten? Für wen sind die Angebote geeignet? Woher kommt die Erlebnispädagogik? Werner Michl Erlebnispädagogik 4., aktualisierte Auflage 2020. 102 Seiten. 16 Abb. Innenteil zweifarbig. utb-Profile (978-3-8252-5334-9) kt