eJournals unsere jugend 75/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2023.art63d
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2023
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Jugendhilfe und Schule – eine Verantwortungsgemeinschaft!?

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2023
Hilde Benninghoff-Giese
Stefanie Klein
Yvonne Rosenthal
Schule und Jugendhilfe haben einen Erziehungsauftrag und die Verantwortung, die Entwicklung von jungen Menschen zu unterstützen. Diese Verantwortung beider Seiten bietet Chancen der Zusammenarbeit, wie Beispiele der Diakonie Düsseldorf zeigen.
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450 unsere jugend, 75. Jg., S. 450 - 457 (2023) DOI 10.2378/ uj2023.art63d © Ernst Reinhardt Verlag Jugendhilfe und Schule - eine Verantwortungsgemeinschaft! ? Schule und Jugendhilfe haben einen Erziehungsauftrag und die Verantwortung, die Entwicklung von jungen Menschen zu unterstützen. Diese Verantwortung beider Seiten bietet Chancen der Zusammenarbeit, wie Beispiele der Diakonie Düsseldorf zeigen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Schullandschaft deutschlandweit schrittweise vom halbtägigen Schulbetrieb in der Primar- und Sekundarstufe I, die hauptsächlich von LehrerInnen dominiert wird, zu multiprofessionellen Systemen entwickelt, die bis in den Nachmittag reichen. Zudem tritt ab 2026 der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen in Kraft. So wird die Schule zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr zum zentralen institutionellen Rahmen, der zeitlich und inhaltlich das Leben fast aller Kinder und Jugendlichen regelt und prägt. Die Kinder- und Jugendhilfe mit gesetzlichem Auftrag des SGB VIII verfügt über umfangreiche Expertise in dieser Altersgruppe und darüber hinaus, um dazu beizutragen, dass junge Menschen sich zu verantwortungsbewussten und sozial kompetenten Persönlichkeiten entwickeln. Es liegt daher auf der Hand, dass Schule und Kinder- und Jugendhilfe gemeinsam auf Kinder und Jugendliche achten und relevante Entwicklungsfragen angehen müssen. Es gilt, die Chancen zu nutzen, die sich aus der Umsetzung eines ganzheitlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungssystems ergeben. Jugendhilfe und Schule haben einen Erziehungsauftrag und eine gleichberechtigte öffentliche Verantwortung, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu begleiten, zu fördern und zu unterstützen. Diese gemeinsame Verantwortung bietet breite Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Allerdings ist auch zu beobachten, dass diese oft nur sehr zögerlich entwickelt werden. Im Hinblick auf Kinder und Jugendliche stellt sich die Frage, wie die Hürden, die sich aus unterschiedlichen Strukturen und Traditionen ergevon Hilde Benninghoff-Giese Jg. 1963; Dipl.-Soz.-Päd./ Rel.-Päd., Diakonie Düsseldorf, Geschäftsbereichsleitung Jugendhilfe und Schule Stefanie Klein Jg. 1977; Erzieherin, Diakonie Düsseldorf, Abteilungsleitung Pädagogische Arbeit mit Schulen Yvonne Rosenthal Jg. 1975; Dipl.-Soz.-Päd., Diakonie Düsseldorf, Abteilungsleitung Soziale Arbeit an Schulen 451 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule ben, überwunden und die vorhandenen Potenziale dieser Verantwortungsgemeinschaft genutzt werden können. In der Schule werden Kinder und Jugendliche primär in der Rolle von SchülerInnen gesehen, die allgemeinen Regeln der Schulorganisation unterworfen sind, welche oft keine Rücksicht auf Einzelpersonen nehmen. Es fehlt der Blick auf sie als junge Menschen, deren Entwicklungsaufgaben nicht allein in der kognitiven Bildung und dem Erwerb von Schulabschlüssen liegen. Im Schulwesen wird die Jugendhilfe in der Regel als Ausgleichsfunktion mit unterschiedlichen AkteurInnen und Angeboten verstanden. Sie ist verantwortlich, wenn Kinder und Jugendliche das Schulsystem belasten oder an seine Grenzen bringen. Schulen werden aus Sicht der Jugendhilfe oft als Systeme betrachtet, in denen Kindern und Jugendlichen Angebote vorenthalten werden, die ihre Persönlichkeitsentwicklung fördern. Die Jugendhilfe versteht sich als Institution, welche eine ganzheitliche, systemische Perspektive einbringt. Aus dieser Sicht heraus versteht sie den Einzelnen in allen Systemen, die ihn umgeben, einschließlich der Schule. In vielen Schulen wird zwischen dem sozial- und schulpädagogischen Handeln unterschieden, welches der vermeintlich zuständigen Profession zugeordnet wird. „Der schulpädagogische Fokus liegt z. B. auf Schlüsselqualifikationen und der Berechtigung für bestimmte Schullaufbahnen. Aus einer sozialpädagogischen Perspektive geht es eher um Selbstbildung oder darum, partizipativ und offen auszuhandeln, was angeboten werden könnte“ (Deutsches Jugendinstitut/ Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte [WiFF], 2022). Insbesondere die Schulsozialarbeit stellt ein„kontinuierliches professionelles Angebot der Jugendhilfe, […] das von sozialpädagogischen Fachkräften am Ort Schule vorgehalten wird“ (Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit [BAG EJSA], 2022), dar. Konzept Ein erster Schritt zur Überwindung dieser Hürden ist die gemeinsame Entwicklung eines erweiterten Bildungskonzepts, das von allen Fachkräften innerhalb der Schule getragen wird und in dem formale, informelle und nicht-formale Bildung gleichberechtigt sind. Ein gemeinsam entwickeltes Bildungskonzept kann allen Beteiligten des Schulalltags Chancen bieten. Kinder und Jugendliche können durch gemeinsame und abgestimmte Projekte, Aktivitäten und Regelangebote positive Erfahrungen machen, ihre sozialen Kompetenzen stärken und eine umfassende und ganzheitliche Unterstützung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung erfahren. Hierbei können Bildung, Sozial- und Emotionalentwicklung sowie individuelle Bedürfnisse und Herausforderungen besser erkannt und früher berücksichtigt werden. Dies kann dazu beitragen, dass Schulabbruch und Bildungsbenachteiligung vermieden werden. Durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen können Probleme frühzeitig erkannt und bearbeitet werden, bevor sie zu ernsthaften Schwierigkeiten führen. Abb. 1: Eine gemeinsame Richtung zu finden, ist unerlässlich (Abb.: Stephanie Bongartz) 452 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule Lehrende und pädagogische Fachkräfte können durch die Zusammenführung vorhandener Ressourcen Synergien schaffen und diese besser nutzen und vernetzen. Die daraus resultierenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten müssen ausgehandelt, erläutert und zugewiesen werden. Eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten kann dazu beitragen, dass Doppelarbeit und Missverständnisse vermieden werden und dass Schule und Jugendhilfe effektiv zusammenarbeiten können. Dies führt zur Entlastung des gesamten Systems. Dies hat auch insofern Auswirkungen auf die Familien, als dass sich eine höhere Akzeptanz der Interventionen in der Elternschaft entwickeln kann. Denn ein multiprofessionelles System, das sich ganzheitlich den Bedürfnissen des Kindes (schulisch und sozial-emotional) unter Einbezug der Eltern widmen kann, entlastet diese und ermöglicht ihnen eine gute Vereinbarung von Familie und Beruf. Die Rahmenbedingungen, unter denen eine gemeinsame Entwicklung und Umsetzung stattfinden kann, sind gekennzeichnet durch die Anerkennung von „fachlicher Autonomie, gegenseitigem Vertrauen, fairen Bedingungen der Zusammenarbeit sowie einer Akzeptanz öffentlich anerkannter Regeln und Verfahren“ (WiFF, 2022, S. 76). Der Weg dorthin beginnt bereits mit der Ausbildung. In vielen Fällen, immer noch bedingt durch die strikte Trennung und Parallelität einzelner Ausbildungs- und Studiengänge, kommen kooperierende Berufe erst in der Praxis zur Diskussion und Reflexion. Hilfreich wäre es, wenn die multiprofessionelle Arbeit in den Schulen ein fester Teil der Ausbildung und des Studiums ist (vgl. Speck et al., 2011, S. 196). In der Praxis sind eine verbindliche Struktur und ein ausreichender zeitlicher Rahmen erforderlich, um in den Bindungsprozess einzusteigen. Am Beispiel der Diakonie Düsseldorf, welche an 26 Schulen in 192 Gruppen den Ganztag und an 31 Schulen die Schulsozialarbeit verantwortet, sollen hier konkrete Beispiele aufgezeigt werden. Strukturen Die Diakonie Düsseldorf konnte an vielen ihrer Kooperationsstandorte feste Strukturen implementieren. Dazu gehört ein terminlich festgelegter Zeitpunkt zur wöchentlichen Rücksprache zwischen der Einrichtungs- und Schulleitung. Dort findet sich der Raum, um sich gegenseitig zu allen relevanten Themen auf dem Laufenden zu halten. Erweitert wird dies durch eine kontinuierliche Teilnahme von KollegInnen der Offenen Ganztagsschulen und der Schulsozialarbeit an den Lehrerkonferenzen sowie durch die temporäre Teilnahme von Schulleitung oder Verbindungslehrkraft an den Teambesprechungen der OGS. Die Rahmenkonzeption der Schulsozialarbeit für Düsseldorf (Rahmenvereinbarung zur Schulsozialarbeit nach § 13 SGB VIII, Stadt Düsseldorf ) sieht vor, dass vonseiten der Schule eine kooperierende Lehrkraft gestellt wird, mit der die Schulsozialarbeitenden eng zusammenarbeiten. Ebenfalls ist die Schulleitung ein Abb. 2: Schule mit Bewegung und Spaß (Abb.: Stephanie Bongartz) 453 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule wichtiger Akteur in einer gut gelingenden Zusammenarbeit. In regelmäßigen Rücksprachen mit Schulleitung und Kooperationslehrkraft werden Rückmeldungen aus Gruppenangeboten wie dem Sozialen Lernen, aktuelle Bedarfe in Klassen oder auch Hilfsangebote für einzelne Kinder, Jugendliche und Familien besprochen. Diese in vielen Schulen gute Kooperation zwischen Schule und Schulsozialarbeit ist elementar zur Implementierung, Weiterentwicklung und Qualitätserhaltung der Jugendhilfe an Schule und kann so einen wertvollen und ganzheitlichen Beitrag zur Unterstützung der Kinder, Jugendlichen und Familien leisten. Darüber hinaus ist es gelungen, Mitarbeitende der Diakonie regelhaft in das Gremium der Schulkonferenz aufzunehmen, häufig sogar mit einer Stimmberechtigung. Hierzu werden dann Stimmen von Lehrkräften abgetreten. Ein weiterer Meilenstein ist die Besetzung von ElternvertreterInnen in der Schulkonferenz, welche ihre Kinder im Ganztag betreuen lassen. Diese sinnhafte Berücksichtigung hat einige Zeit in Anspruch genommen. Eine gebündelte, für den Ganztag sehr relevante Formierung findet sich in der Steuerungsgruppe OGS. Obwohl diese in der Kooperationsvereinbarung der Stadt Düsseldorf gefordert wird, war es an vielen Stellen ein steiniger Weg bis zur Umsetzung. In regelmäßigen Abständen treffen sich dort alle am Ganztag beteiligten Akteure, um Themen zu bewegen. Hierzu gehören VertreterInnen der SchülerInnen, der Familien, der OGS, des Trägers, der Schule sowie BildungsanbieterInnen. Insbesondere im additiven System der Ganztagsschule spielt ein regelmäßiger Austausch zwischen Gruppenleitungen und Lehrkräften eine notwendige und klar zu regelnde Rolle. Anders als in Ganztagsklassen gibt es normalerweise keine überschneidenden Zeiten mit den SchülerInnen. Aus dieser Tatsache heraus haben wir, gemeinsam mit der Schule, an vielen Stellen diese Zeiten in der Stundenplangestaltung berücksichtigt. Diese Zeiträume kollidieren nicht mit der Betreuungszeit der OGS, sondern liegen im Unterricht. FachlehrerInnen betreuen dann einzelne Jahrgangsstufen, damit die KlassenlehrerInnen Zeit zum Austausch mit den Gruppenleitungen haben. So ergibt sich die Chance, dass ein umfassender und ganzheitlicher Blick auf die Entwicklung des einzelnen Kindes geworfen und individuelle Förderung/ Forderung geplant und bestmöglich umgesetzt werden kann. Welche Auswirkungen dies auf den Schulalltag hat, ist in einem kurzen Film zum Ganztag sehr gut veranschaulicht: Wenn Schule und Betreuung nicht mehr voneinander getrennt sind, sondern den ganzen Tag über Hand in Hand arbeiten, nennt man das Ganztagsklassen. Wir lassen in unserem neuen Film Menschen zu Wort kommen, die sagen, warum das die Zukunft der Schule ist. YouTube: Schule der Zukunft - die Ganztagsklassen der Diakonie Düsseldorf (Diakonie Düsseldorf, https: / / youtu.be/ 79LsiHULAvI, letzter Abruf am 27. 3. 2023) Kinder und Jugendliche Unabdingbar ist, aus unserer Haltung heraus, die Berücksichtigung in der Partizipation von SchülerInnen. Dies geschieht an vielen Standorten durch regelmäßig stattfindende Kinderparlamentssitzungen oder vergleichbare Gremien. Abb. 3: Wahrung der Kinderrechte auch in der Schule (Abb.: Stephanie Bongartz) 454 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule Im Rahmen der Schulsozialarbeit sind die Angebote im Bereich der Sozialkompetenzförderung und Partizipation durch Beteiligung ein großer Baustein. Etabliert haben sich Angebote im Klassenverband oder als Projekte, die grundsätzlich von LehrerInnen und Schulsozialarbeit gemeinsam vorbereitet und durchgeführt werden. Die Bandbreite ist hierbei sehr vielfältig: ➤ Durchführung von fertigen Konzeptionen, wie „Lubo aus dem All“, „Teamgeister“ oder „Streitschlichtung“, ➤ Kooperationen mit externen Anbietern zu den Themen Mobbing, Classroom-Management, Drogenprävention oder sexuelle Orientierung ➤ oder die Erstellung von eigenen Angeboten im Bereich der Erlebnispädagogik, Genderarbeit oder Medienpädagogik. So haben z. B. Anfang 2023 an einem Düsseldorfer Gymnasium die Schulsozialarbeiterin und eine Lehrkraft das interaktive Ausstellungsprojekt „Klang meines Körpers“ initiiert und durchgeführt. Insgesamt haben acht Klassen der Jahrgangsstufen 8 und 9 an dieser Prävention von Essstörungen teilgenommen. Aus dem Bericht der Fachkräfte „Der Austausch mit den Schüler*innen auf Grundlage der Geschichten und Bilder der Betroffenen hat uns tief berührt und vor allem Mut gemacht, dass es Lösungen gibt für herausfordernde Situationen. Die Jugendlichen mit ihren Stärken zu erleben, die besonders durch das kreative Arbeiten mit der Ausstellung sichtbar wurden, hat uns viel Freude gemacht.“ (Bericht der Diakonie Düsseldorf, 2023) Abb. 4: Projekt „Klang meines Körpers“ mit der Schulsozialarbeit am Max-Planck-Gymnasium, Düsseldorf (Abb.: Martina Hecht) 455 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule Eltern Die Beratung und Begleitung der einzelnen Kinder und Jugendlichen im Ganztag und als Kernaufgabe der Schulsozialarbeit geschieht oftmals auch in Abstimmung mit den LehrerInnen. So finden z. B. auch gemeinsame Termine an Elternsprechtagen und zu anderen Anlässen statt. In der Regel betreffen die Themen, die in der Einzelberatung mit den SchülerInnen sichtbar werden, auch die Eltern bzw. Sorgeberechtigten, sodass diese recht schnell in den Prozess einbezogen werden. Eine Ausnahme bildet hierbei eine mögliche Gefährdung des Kinderschutzes, falls deren Einbeziehen gefährdend sein könnte. Ebenso können auch Eltern bzw. Sorgeberechtigte auf die Schulsozialarbeit zukommen, wenn es Schwierigkeiten in der Schule oder im häuslichen Umfeld gibt und ein Unterstützungswunsch besteht. Die Mitarbeitenden der Schulsozialarbeit und des Ganztags gehen mit allen erhaltenen Informationen vertrauensvoll um und nehmen im Rahmen des Datenschutzes eine vermittelnde Rolle zwischen Familie, Schule und evtl. weiteren PartnerInnen an. Hierbei ist gegenseitiges Vertrauen von Schule und Jugendhilfe unbedingt notwendig. Aus der jahrelangen Erfahrung heraus binden gemeinsame Veranstaltungen die Akteure. Aus einer eher holprigen Anfangszeit sind mittlerweile Strukturen erwachsen, welche von den Beteiligten als sehr gewinnbringend bewertet werden. Gemeinsame Aktionen Auch das Planen und Durchführen von gemeinsamen Aktionen verbindet und ermöglicht nicht nur gegenseitiges Kennenlernen, sondern fördert auch die Akzeptanz. Als Beispiel zu nennen sind die Zirkusprojektwochen. Diese finden an vielen Düsseldorfer Grundschulen regelmäßig statt. Eine ganze Schulwoche steht unter der gemeinsamen Entwicklung des Zirkusprogramms, welches, begleitet durch professionelle Akteure, in großen Aufführungen am darauffolgenden Wochenende vorgeführt wird. Der logistische Aufwand und die Planung der Einsatzzeiten aller Professionen einer Schule trägt dazu bei, die jeweilige Komplexität der Arbeitsfelder aufzuzeigen, z. B. können nicht alle 200 Schüler und Schülerinnen einer Schule gleichzeitig zu Mittag essen. Und warum reagiert plötzlich eine Lehrkraft so genervt nach der Ankündigung, dass sich das Essen der dritten Gruppe verzögert? Sie hat keinen Feierabend, sondern nach dem bevorstehenden Elterngespräch noch Klassenarbeiten zu korrigieren. Abb. 5: Gespräche und Emotionen (Abb.: Martina Hecht) Abb. 6: Gemeinsame sinnliche Erfahrungen teilen (Abb.: Stephanie Bongartz) 456 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule Literatur Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) (Hrsg.) (2022): Schulsozialarbeit als Handlungsfeld der Jugendsozialarbeit - eine Standortbestimmung. In: https: / / www.bagejsa.de/ fileadmin/ Publikationen/ Sonstiges/ Standortbestimmung_ Schulsozialarbeit_web.pdf, 24. 3. 2023 Deutsches Jugendinstitut e.V./ Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) (Hrsg.) (2022): Ganztag für Grundschulkinder. Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiterbildung. WiFF Wegweiser Weiterbildung 16. https: / / doi.org/ 10.36189/ wiff82 022 So erfahren die Beteiligten im gemeinsamen Tun viel voneinander. Sie lernen sich kennen und häufig auch verstehen. Gewinnbringende Situationen entstehen und haben Wirkung auf den Alltag nach der Aktion. Mittlerweile haben viele Schulgemeinschaften Rituale, im Jahresverlauf verankerte gemeinsame Feste und Feiern sowie Ausflüge und gemeinsame Teamevents in ihren Planungen etabliert. Die Erfahrung, dass gemeinsam absolvierte Erste-Hilfe-Kurse oder die Auseinandersetzung unterschiedlicher Professionen zu pädagogischen Themen bereichernd sind, setzt sich stetig fort. Man erfährt voneinander, lernt Persönlichkeiten und Haltungen kennen und kann Reaktionen besser einordnen. Und das privat erzählte „Anekdötchen“ beim gemeinsamen Grillen wirft ein anderes Licht auf den sonst verschroben wirkenden Mitarbeitenden der anderen Profession. Fazit Eine erfolgreiche Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule, getragen von einem gemeinsamen Bildungsverständnis und klaren abgestimmten Strukturen, kann dazu beitragen, die Bildungsergebnisse und -chancen von allen SchülerInnen zu verbessern, und hat somit eine positive Auswirkung auf die Schule als Ganzes. Die Schulen erfahren Unterstützung beim Umgang mit schwierigen SchülerInnen oder bei besonderen Bedarfen von SchülerInnen, die durch die Lehrkräfte allein nicht ausreichend betreut oder gefördert werden können. Der Austausch von Fachwissen zwischen Lehrkräften und Fachkräften der Jugendhilfe hilft, Probleme und Herausforderungen im schulischen und pädagogischen Kontext gemeinsam zu lösen. Die Förderung der Zusammenarbeit und der Kommunikation zwischen Schule, Eltern und Jugendhilfe hat positive Auswirkungen auf die Entwicklung und das Wohlbefinden der SchülerInnen. Insbesondere können die Bildungs- und Lebensperspektiven von benachteiligten Kindern und Jugendlichen von einer individuellen Begleitung durch Fachkräfte der Jugendhilfe profitieren. Eltern werden besser in den Bildungsprozess eingebunden. Die Integration von außerschulischen Angeboten und Ressourcen im schulischen Kontext bietet ein breites Spektrum an vielfältiger Förderung. Präventive Maßnahmen können dazu beitragen, Schulabbrüche und Delinquenz zu verhindern. Es gibt also viele gute Gründe, sich auf den Weg zu machen oder den vielleicht erst modellhaft eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Es lohnt sich für alle! Hilde Benninghoff-Giese Stefanie Klein Yvonne Rosenthal Diakonie Düsseldorf Geschäftsbereich Jugendhilfe und Schule Oberlinplatz 2 40589 Düsseldorf 457 uj 11+12 | 2023 Jugendhilfe und Schule Diakonie Düsseldorf (2022): Schule der Zukunft - die Ganztagsklassen der Diakonie Düsseldorf. In: https: / / www.youtube.com/ watch? v=79LsiHULAvI, 27. 3. 2023 Bericht der Diakonie Düsseldorf, https: / / www.diako nie-rwl.de/ themen/ jugend-und-schulen/ schulsozial arbeit-0 Rahmenvereinbarung zur Schulsozialarbeit nach § 13, Stadt Düsseldorf, https: / / www.duesseldorf.de/ jugend amt/ jugendliche-begleiten/ jbh/ schulsozialarbeit/ handbuch Speck, K., Olk, T., Stimpel, T. (2011): Auf dem Weg zu multiprofessionellen Organisationen? Die Kooperation von Sozialpädagogen und Lehrkräften im schulischen Ganztag. Empirische Befunde aus der Ganztagsforschung und dem Forschungsprojekt „Professionelle Kooperation von unterschiedlichen Berufskulturen an Ganztagsschulen“ (ProKoop). In W. Helsper, R. Tippelt (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Zeitschrift für Pädagogik 57, S. 196. https: / / doi.org/ 10.25656/ 01: 7094 a www.reinhardt-verlag.de Schulsozialarbeit ist aus dem Alltag vieler SchulleiterInnen, LehrerInnen und SchülerInnen nicht mehr wegzudenken - sie hat sich fachlich und fachpolitisch etabliert. Was aber macht Schulsozialarbeit aus? Welche Ansätze haben sich in der Praxis bewährt? Welche Kompetenzen sind für das Arbeitsfeld unerlässlich? Karsten Speck klärt über zentrale Begriffe auf, skizziert den Rahmen für das Arbeitsfeld - von rechtlichen Fragen über Finanzierung, Handlungsprinzipien und Wirkung der Schulsozialarbeit bis hin zu notwendigen Standards und Fragen der Qualitätsentwicklung. Eine fundierte Einführung zur Schulsozialarbeit für Einsteiger in das Arbeitsfeld und zugleich ein differenzierter Überblick für Lehrende und Forschende. Soziale Arbeit in der Schule Karsten Speck Schulsozialarbeit Eine Einführung Mit Prüfungsfragen und -antworten. 5. Auflage 2022. 215 Seiten. 11 Tab. utb-S (978-3-8252-5870-2) kt