unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Rezension: Jegodtka, R., Luitjens, P. (2022): Stine verstummt. Mobbing ist kein Kinderspiel
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Lena Funken
Mit „Stine verstummt“ ist ein neues Fachkinderbuch zum Thema Mobbing erschienen, das sich gleichermaßen an (in-)direkt betroffene Kinder ab fünf Jahren, deren Angehörige und Fachmenschen richtet. In dem liebevoll illustrierten Kinderbuch adressiert die Grundschülerin Stine die LeserInnen direkt und gibt einen Einblick in ihre Erfahrung mit Mobbing und den Weg heraus. Das zugehörige Begleitheft richtet sich an interessierte Erwachsene, die Mobbingdynamiken und Auswirkungen besser verstehen und (in-)direkt betroffene Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter unterstützen möchten.
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510 uj 11+12 | 2023 Rezensionen Jegodtka, R., Luitjens, P. (2022): Stine verstummt. Mobbing ist kein Kinderspiel Vandenhoeck & Ruprecht, Paderborn. 38 Seiten, ISBN 978-3-525-40548-2, € 25,- (auch als E-Book erhältlich) Rezensentin: Lena Funken Jg. 1991; Jugend- und Heimerzieherin, Traumapädagogin und Traumazentrierte Fachberaterin Mit „Stine verstummt“ ist ein neues Fachkinderbuch zum Thema Mobbing erschienen, das sich gleichermaßen an (in-)direkt betroffene Kinder ab fünf Jahren, deren Angehörige und Fachmenschen richtet. In dem liebevoll illustrierten Kinderbuch adressiert die Grundschülerin Stine die LeserInnen direkt und gibt einen Einblick in ihre Erfahrung mit Mobbing und den Weg heraus. Das zugehörige Begleitheft richtet sich an interessierte Erwachsene, die Mobbingdynamiken und Auswirkungen besser verstehen und (in-)direkt betroffene Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter unterstützen möchten. Die AutorInnen Renate Jegodtka und Peter Luitjens erzählen die Geschichte von Stine, die von MitschülerInnen ihrer Grundschulklasse gemobbt wird. Stine fühlt sich in diesen Situationen klein und hilflos, wie so viele Betroffene, die ähnliche Erfahrungen machen und gemacht haben. Eine häufige Auswirkung von Mobbing ist das Verstummen der Betroffenen, sodass die Erfahrungen nicht geteilt werden und die Dynamik nicht gestoppt werden kann. Auch Stine entscheidet sich zunächst, nicht von den Erlebnissen in ihrer Klasse zu berichten, und bleibt mit ihrem Schmerz allein. Mit viel Mut und innerer Stärke gelingt es ihr jedoch, sich ihren Eltern anzuvertrauen. Im zweiten Schritt öffnet sie sich auch ihrer Lehrerin, die Stines Mut und Ressourcen aufgreift und eine Situation in der Klasse kreiert, die für einen Moment alle Kinder vereint und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt - ein ideales Ende. „Stine verstummt“ ist ein unglaublich wertvolles Buch für die Arbeit mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Es kann sehr gut bei Verdacht auf Mobbing (als diagnostisches Hilfsmittel) oder als Eisbrecher genutzt werden, um mit den betroffenen Kindern ins Gespräch zu kommen. Besonders hilfreich ist die Erzählweise, die sich rein auf das Erleben von Mobbingerfahrungen der hier beschriebenen Protagonistin konzentriert und keine Nebenschauplätze öffnet, die von dem Thema ablenken. Mobbing ist ein Thema, das in den vergangenen Jahren durch den starken Anstieg viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Fachmenschen, die in Kitas, Schulen oder in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten, sind regelmäßig mit den Dynamiken und Auswirkungen konfrontiert; Dynamiken, die mit gefühlter Hilflosigkeit und Ohnmacht einhergehen - sowohl bei den betroffenen Kindern als auch bei den Erwachsenen, die mit dem Kind verbunden sind: Angehörige, LehrerInnen und PädagogInnen. Auch die beiden AutorInnen haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem sensiblen Thema beschäftigt. Als erfahrene DozentInnen für systemische Traumapädagogik sowie systemische Kinder- und Jugendlichentherapie und mit langjähriger beruflicher Erfahrung sind ihnen Mobbing und dessen vielfältige Auswirkungen bekannt. Diese Expertise fließt inhaltlich ein. Dass das Begleitheft immer wieder Bezug auf das Kinderfachbuch nimmt, ist hier besonders hilfreich. Dieses kann sowohl im Vorfeld als auch im Prozess genutzt werden, um an Informationen zu Mobbing und möglichen Auswirkungen zu gelangen. Zudem gibt es viele hilfreiche Informationen an die Hand, mit solchen Dynamiken umzugehen und die Kinder zu stärken. uj 11+12 | 2023 511 Rezensionen Besonders gut geglückt ist den AutorInnen die Erzähl- und Ansprechweise, mit denen sie Kindern und Erwachsenen begegnen. Sie holen die LeserInnen auf eine wertschätzende, respektvolle und nicht bevormundende Erklärweise gleichermaßen ab - egal ob Laie oder Fachmensch. Somit handelt es sich hier um ein Buch, das Fachmenschen mit Angehörigen besprechen können oder als Arbeitsgrundlage zum besseren Verstehen der Kinder genutzt werden kann. Herausragend ist das Ende des Buches, das Kindern Mut machen soll: Durch das Anvertrauen an erwachsene Personen verändert sich die Situation. Ein gutes Ende für die Geschichte, die hier einen Punkt macht und somit realistisch bleibt. Im weiteren Verlauf würde es voraussichtlich weitere Gespräche und Interventionen mit der Klasse benötigen, um die Mobbingdynamik aufzuheben. Die letzte gemeinsame Aktivität spiegelt dennoch genau das wider, was benötigt wird: Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Die Illustrationen von Renate Jegodtka sind detailverliebt und genau auf die Erzählung abgestimmt, sodass sie nicht ablenken, sondern zum tieferen Einstieg einladen. Sie regen zum gemeinsamen Suchen und Besprechen der Inhalte und der eigenen Erfahrungen an. Den AutorInnen ist es gut gelungen, das Erlebte sicht- und spürbar zu machen, ohne es zu schwer wirken zu lassen. Das macht Lust weiterzulesen und den Ausgang zu erfahren. Zeitgemäß bedient Stine weder inhaltlich noch äußerlich die klassischen „weiblichen“ Stereotype. Es wird unterstrichen, dass Stärke, Mut und Fantasie kein Geschlecht haben. Das Kinderbuch ist in seiner Gestaltung hochwertig - unterstrichen durch den festen Einband und das große Format (DIN-A4-Querformat). Demgegenüber ist das Begleitheft für Erwachsene als herausnehmbare Beilage konzipiert. Ich hätte mir für dieses Begleitheft, das voller wichtiger und wertvoller Informationen ist, eine hochwertigere Ausstattung und Aufmachung gewünscht, die dem Inhalt entspricht. So geht es aufgrund seiner Aufmachung neben dem Kinderbuch etwas unter. Dabei muss es sich nicht verstecken. Insgesamt ist „Stine verstummt“ ein tolles Buch, das (in-)direkt betroffene Kinder, ihre Bezugspersonen und Fachmenschen bei dem Weg aus dem „Verstummen“ unterstützen kann. Ein Buch, das Mut macht - Kindern und Erwachsenen. Lena Funken E-Mail: funken.beratung@outlook.com DOI 10.2378/ uj2023.art69d Das Jahresinhaltsverzeichnis 2023 steht zum kostenlosen Download im Archiv der Zeitschrift „unsere jugend“ bereit unter https: / / www.reinhardt-journals.de/ index.php/ uj/ issue/ archive
