eJournals unsere jugend 77/7

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/uj2025.art36d
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Mitbestimmung in Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe

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Anna Lips
Martina Pokoj
Der vorliegende Beitrag gibt Einblick in die deutschlandweit und trägerübergreifend erhobenen Daten zu den Mitbestimmungsmöglichkeiten von in stationären Einrichtungen lebenden jungen Menschen. Auch werden die im §§8 SGB VIII geregelten Mitentscheidungsrechte junger Menschen über sie betreffende Themen fokussiert.
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318 unsere jugend, 77. Jg., S. 318 - 329 (2025) DOI 10.2378/ uj2025.art36d © Ernst Reinhardt Verlag Mitbestimmung in Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe Ergebnisse der ersten Befragungswelle von Care Leaver Statistics (CLS) Der vorliegende Beitrag gibt Einblick in die deutschlandweit und trägerübergreifend erhobenen Daten zu den Mitbestimmungsmöglichkeiten von in stationären Einrichtungen lebenden jungen Menschen. Auch werden die im §§ 8 SGB VIII geregelten Mitentscheidungsrechte junger Menschen über sie betreffende Themen fokussiert. von Anna Lips Jg. 1986; Dr. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim, Institut für Sozial- und Organisationspädagogik, in der CLS-Studie zuständig für den Bereich Panelpflege und Datenschutz Einleitung Die Partizipation von Adressat: innen ist eines der zentralen und fachlich unumstrittenen Grundprinzipien der Kinder- und Jugendhilfe. Es herrscht Einigkeit darüber, dass junge Menschen an für sie und ihr Leben relevanten Entscheidungen zu beteiligen sind (Reimer 2017, 241). Das Recht auf Beteiligung junger Menschen ist sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) als auch im Kinder- und Jugendhilferecht (z. B. §§ 8, 36, 45 SGB VIII) verankert. So sind „Kinder und Jugendliche (…) entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen“ (§ 8 SGB VIII). Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es damit, Möglichkeiten und Räume zu schaffen, in denen junge Menschen ihre Beteiligungsrechte umsetzen können (Gadow et al. 2013). Die Gründe für die zunehmende Bedeutung von Partizipation in den letzten Jahrzehnten „sind vielfältig und rekurrieren sowohl auf politische als auch pädagogische Zusammenhänge. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse haben dazu beigetragen, dass Kinder und Jugendliche heute mehr denn je als eigenständige Subjekte begriffen werden, für die, wie für Erwachsene auch, die Grundrechte gelten und deren Kompetenz anerkannt wird, die Lebenswelt mitzugestalten“ (Pluto 2010, 195). Damit einhergehend zeigte sich auch ein zunehmen- Martina Pokoj Jg. 1991; M. A. Erziehungswissenschaft - Organisation des Sozialen, Wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI), in der CLS-Studie zuständig für Panelaufbau, Instrumentenentwicklung, -testung sowie Datenaufbereitung/ -analyse 319 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe des wissenschaftliches Interesse an Partizipationswünschen, -möglichkeiten und -hindernissen junger Menschen in den Institutionen des Aufwachsens. Auch für den Bereich der Heimerziehung lässt sich ein gesteigertes Forschungsinteresse zur Partizipation junger Menschen und hier insbesondere an den Perspektiven der jungen Menschen selbst identifizieren (Eberitzsch et al. 2021). Unterschieden wird im Rahmen der theoretischen wie empirischen Auseinandersetzung zwischen stärker institutionalisierten Formen der Beteiligung (z. B. durch Heimräte) und eher alltagsbezogenen Mitbestimmungsmöglichkeiten. In der bisherigen Forschung wird deutlich seltener der Bereich der Alltagsmitbestimmung fokussiert als die Beteiligung in formalisierten Settings, obgleich der Partizipation im Alltag eine besondere Relevanz zugesprochen wird (Eberitzsch et al. 2021). Der vorliegende Artikel fokussiert auf die alltägliche Mitbestimmung junger Menschen in Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe. Anhand von Ergebnissen der ersten Befragungswelle der bundesweiten und trägerübergreifenden Panelstudie CLS (Care Leaver Statistics) werden die Einschätzungen junger Menschen zu ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten bei ausgewählten Alltagsthemen (Kochen, Gestaltung des Zimmers, Regeln zur Handy- und WLAN-Nutzung, Gruppenaktivitäten) vorgestellt. Zudem wird die allgemeine Einschätzung der Befragten zu ihren Möglichkeiten, bei relevanten Themen mitzuentscheiden, dargestellt und in Bezug zu den persönlichen Einschätzungen der Erziehungshilfe gesetzt. Theoretische Fundierung und empirische Erkenntnisse Die Partizipation der Bürger: innen ist in demokratischen Gesellschaften ein politisches Grund- und Menschenrecht (Kohout 2002, 1) und gilt auch für Kinder und Jugendliche, welche als eigenständige Rechtsträger: innen anerkannt werden müssen. Die UN-Kinderrechtskonvention auf internationaler (BMFSFJ 2022) sowie insbesondere das SGB VIII auf nationaler Ebene heben dieses Recht auf Beteiligung junger Menschen hervor. Mit dem 2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wurden Beteiligungs- und Beschwerderechte sowie Selbstbestimmungs- und Selbstorganisationsrechte junger Menschen auf nationaler Ebene noch weiter geschärft. In der Gesetzesbegründung wird zudem die zentrale Bedeutung hervorgehoben: „Partizipation von Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern ist ein grundlegendes Gestaltungsprinzip der Kinder- und Jugendhilfe“ (Deutscher Bundestag 2021, 3). Begrifflich wird Partizipation hergeleitet von dem lateinischen Wort participare, was im engeren Sinn so viel heißt wie teilnehmen und/ oder Anteil haben (Hansen et al. 2004). Die Begriffe Mitwirkung, Mitgestaltung oder Mitbestimmung werden ebenso wie die Begriffe Teilhabe und Teilnahme häufig synonym verwendet, obgleich bei genauerer Betrachtung deutliche Unterschiede in der Wortbedeutung, z. B. hinsichtlich des damit verbundenen Aktivitätsgrades, vorliegen (Pluto 2018). Wurde der Begriff der Partizipation in seiner ursprünglichen Nutzung vor allem für die formalen Mitgestaltungsmöglichkeiten politischer Prozesse verwendet, erfuhr er in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Erweiterung, wird mittlerweile vielfältig genutzt und mit Begriffen wie„Demokratie, Selbstbestimmung, Emanzipation, Integration, Gerechtigkeit oder Inklusion eng verknüpft“ (Reisenauer 2020, 4). Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten werden im vorliegenden Artikel als eine Form der Partizipation gefasst. Die Begründungslinien, aus denen die Notwendigkeit von (mehr) Partizipation junger Menschen betont werden, sind vielfältig. Partizipation ist dabei selten als Eigenwert gefasst, sondern hat fast immer einen instrumentellen Charakter (Betz et al. 2010). Argumentiert 320 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe wird unter anderem aus demokratietheoretischer, pädagogischer, bildungstheoretischer oder dienstleistungsorientierter Perspektive (Schnurr 2022). Wolff/ Hartig (2013) benennen vier Hauptgründe für eine breite Umsetzung der Beteiligung junger Menschen. Die Grundlage stellt dabei eine rechtebasierte Perspektive dar, die Beteiligung als grundlegendes Recht junger Menschen fasst. Daneben wird die stärkende Funktion von Mitbestimmung für junge Menschen und ihre Entwicklung sowie die demokratieförderliche Funktion von Beteiligung beschrieben. Auch stellen Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten einen relevanten Schutzfaktor vor Machtmissbrauch dar und stärken das Sicherheits- und Wohlgefühl junger Menschen in institutionellen Settings. Die unterschiedlichen Argumentationslinien verdeutlichen den vielfältigen Gebrauch des Partizipationsbegriffs, weisen auf die Diversität der Debatten um Partizipation hin, betonen aber auch ihre Relevanz. Eng mit dem Begriff der Partizipation verbunden sind die in der Fachliteratur häufig rezipierten Stufenmodelle, anhand derer unterschiedliche Stufen von Partizipation erläutert werden. Die meisten dieser Modelle beziehen sich dabei auf Hart (1992), der von neun Partizipationsstufen ausgeht. Diese reichen von Fremdbestimmtheit als unterste Stufe der Partizipation bzw. Nicht-Partizipation über Informiertheit bis zu Selbstverwaltung als oberste Stufe der Partizipation. Diese Stufenmodelle liefern jedoch keine Erkenntnisse darüber, welche Rahmenbedingungen und Machtverhältnisse den Partizipationsprozessen zugrunde liegen, die letztendlich die Möglichkeiten einer echten Beteiligung bestimmten (Equit 2024). Beteiligung im Kontext der Heimerziehung Partizipation ist in den Kontexten der Heimerziehung und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Feld zunehmend zum Thema geworden. Die mit der Diskussion um Partizipation eng verbundene Orientierung an den Perspektiven der Adressat: innen hat sich in Deutschland vor allem auch aus der Kritik an der Fürsorgeerziehung entwickelt. Die Sichtweisen der jungen Menschen als zentral in die Angebotsentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe einzubinden und damit den Mitbestimmungsrechten junger Menschen gerecht zu werden, ist damit zum Qualitätskriterium geworden. Den stationären Hilfen zur Erziehung kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, wenn es um die Umsetzungsmöglichkeiten und die Verteidigung von Partizipationsrechten geht: „Diese ergibt sich aus der im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe hohen öffentlichen Verantwortung, die die Einrichtungen für die bei ihnen untergebrachten Kinder und Jugendlichen übernehmen“ (Pluto 2022, 140). Ein System, wie es die Hilfen zur Erziehung darstellen, welches in hohem Maße in das Leben junger Menschen und ihrer Familien - in den privaten Raum - eingreife, so die Argumentation, bedürfe insbesondere strukturell verankerter, leicht zugänglicher Verfahren der Beteiligung und Beschwerde (Pluto 2018). In Einrichtungen der stationären Hilfen zur Erziehung kann Mitbestimmung auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Formen stattfinden. Eine zentrale Ebene ist der Alltag in der Einrichtung. So stellen Alltagssituationen, wie z. B. die Gestaltung des Zimmers, Hobbys und das Zusammenleben in der Gruppe, permanente Anlässe für Aushandlungsprozesse in Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe dar und sind ohne diese nicht denkbar (Gadow et al. 2013). Die Beteiligung an Entscheidungsprozessen im Alltag werden daher als besonders bedeutsam für junge Menschen beschrieben (McCarthy 2016). „Ob wirklich Beteiligungsgelegenheiten eröffnet werden und ob Kinder und Jugendliche Vertrauen darin haben, ihr Lebensumfeld selbstverständlich mitzugestalten, entscheidet sich vor allem 321 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe auch an den Alltagssituationen, wie dem Essen, der Freizeitgestaltung, der Alltagsorganisation in den Gruppen, dem Umgang mit Regeln usw.“ (Pluto 2018, 14). Neben den bereits genannten Gründen für mehr Partizipation zeigen vorliegende Studien Zusammenhänge zwischen den Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen, der Beurteilung der Hilfen sowie ihrer Wirksamkeit (z. B. Rudeck/ Straus/ Sierwald 2008; Albus et al. 2010). „Beteiligung ist dabei weit gefasst und zeigt sich sowohl in der wertschätzenden, anerkennenden und vertrauensvollen Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen als auch in institutionellen Gegebenheiten, die Beteiligung fördern“ (Pluto 2022, 143). Gleichwohl zeigen Studien, dass die konkrete Ausgestaltung von Aushandlungsprozessen innerhalb der Einrichtungen deutlich variiert. So geben einige Einrichtungen an, dass beispielsweise der formale Weg/ das formale Vorgehen bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden in kleineren Organisationen eher partizipatorisch gestaltet werden kann als in großen Organisationen (Pluto et al. 2024). Gadow et al. (2013) konnten in einer Befragung von Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe zudem herausarbeiten, dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten, die Kindern und Jugendlichen eröffnet wurden, in hohem Maße abhängig von dem jeweiligen Themenbereich waren. Auch im Zuge der 2019 durchgeführten Erhebung bei Einrichtungen des Projekts „Jugendhilfe und sozialer Wandel“ wird deutlich, dass aus Sicht der Einrichtungen Mitbestimmungsmöglichkeiten je nach Thema differenzieren: Es können bei der Auswahl neuer Mitbewohner: innen 4 %, bei der Einstellung von Mitarbeiter: innen 3 %, bei Gestaltung der Gemeinschaftsräume 21 %, beim Kontakt zu den Eltern 42 % und in der Freizeitgestaltung 52 % der jungen Menschen mitbestimmen. Bei der Gestaltung des eigenen Zimmers konnten 53 % „immer“ (auf einer 5er-Skala von „immer“ bis „nie“) mitbestimmen, beim Essen 38 %, und bei der Handynutzung 19 % (Pluto et al. 2024). Junge Menschen selbst, die im Rahmen des vom Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) durchgeführten Projekts „Beteiligung leben! “ (Müller et al. 2016) befragt wurden, berichten ebenfalls von unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten je nach Themenfeld. Bei Essensfragen geben beispielsweise 46,2 % der befragten jungen Menschen an, dass sie mitbestimmen können, bei der Nutzung des Handys sind es 36,0 % und wenn es um Regeln des Internet- und E-Mailzugangs geht, noch 26,8 %. Beim Einzug oder bei einem Wechsel von Mitbewohner: innen in eine andere Gruppe können mit 3,0 % bzw. 1,7 % hingegen nur sehr wenige junge Menschen mitbestimmen (Müller et al. 2016). Mitbestimmung ist im Sinne eines Stufenmodells dabei in der Studie als höchster Grad der Beteiligung gefasst (ebd., 65). Die Entscheidung darüber, bei welchen Themen Mitbestimmung möglich ist, obliegt zumeist den Fachkräften (Gadow et al. 2013). Die Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen in Kontexten der stationären Erziehungshilfe hängen damit weiterhin häufig von der institutionellen Kultur und den pädagogischen Haltungen der Fachkräfte ab. Das hohe Maß an Abhängigkeit der Partizipationsmöglichkeiten von den Haltungen der Erwachsenen wurde bereits für unterschiedliche Kontexte problematisiert. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass Beteiligung als Recht junger Menschen reale Entscheidungs- und Veränderungsmöglichkeiten enthalten muss und es daher einer Bereitschaft Erwachsener bedarf, Entscheidungsbefugnisse abzugeben (Schneider 2007). Geschaffen werden müssen geeignete Beteiligungsstrukturen sowie verschiedene, an die jeweiligen Entscheidungen oder Themen angepasste Beteiligungsformen. Insbesondere in Kontexten der Erziehungshilfen und bei schwierigen Abwägungsprozessen werden jedoch oftmals Schutzrechte bzw. -verpflichtungen vor Beteiligungsrechte gestellt (Pluto et al. 2024; Pluto 2022; Ackermann/ Robin 2017). „Dass sich 322 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Kinder und Jugendliche in Heimerziehung länderübergreifend häufig zwar in einzelnen Bereichen als beteiligt ansehen, es jedoch oft an konstanter Beteiligungserfahrung fehlt, die sich z. B. beim Aufstellen und Umsetzen von Regeln, in Bereichen des alltäglichen Zusammenlebens oder in vertrauensvollen Interaktionen mit Fachpersonen zeigt“ (Eberitzsch et al. 2021, 139), stellen auch Eberitzsch et al. (2021) in ihrem umfangreichen Literaturreview zum Thema Partizipation in der stationären Kinder- und Jugendhilfe fest. Darin flossen insgesamt 31 deutsch- und englischsprachige Studien, sechs Rezensionen sowie ein englisch- und acht deutschsprachige Entwicklungsprojekte ein. Aktuelle und umfangreiche Daten zur Alltagsmitbestimmung junger Menschen, die in stationären Einrichtungen der deutschen Erziehungshilfe leben, liegen aus der ersten Erhebung der Studie Care Leaver Statistics (CLS) (Verbund Care Leaver Statistics i. E.) vor, auf die sich der vorliegende Beitrag bezieht. Die CLS-Studie „Care Leaver Statistics - Soziale Teilhabe im Lebensverlauf junger Erwachsener“ (kurz: CLS) erforscht über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren die Teilhabe von jungen Menschen, die in Pflegefamilien und/ oder Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe gelebt haben. Damit ist CLS die erste trägerübergreifende Langzeitstudie zum Thema Leaving Care in Deutschland. Durchgeführt wird die CLS-Studie in einem Verbund bestehend aus der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS), der Internationalen Gesellschaft für Erzieherische Hilfen (IGfH), der Universität Hildesheim und dem Deutschen Jugendinstitut (DJI). Der Deutsche Bundestag hat die Durchführung der CLS-Studie parteiübergreifend beschlossen. Fachlich ist sie dem Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) zugeordnet und wird von dort administriert. Die geplante Laufzeit der Studie ist von 2021 bis 2030. Die CLS-Studie fokussiert vor allem auf die Teilhabe im Übergang aus der Kinder- und Jugendhilfe sowie im weiteren Lebensverlauf. Dafür werden nicht nur die klassischen Teilhabebereiche wie z. B. Schule, Ausbildung, Erwerbsarbeit und Finanzen thematisiert, sondern nach einem breiten Teilhabeverständnis auch Soziale Beziehungen, Freizeit und die Bedingungen des Aufwachsens in der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Rolle hierbei spielt die Partizipation bei Entscheidungen, die den jungen Menschen hinsichtlich ihrer Zukunft und in alltäglichen Situationen wichtig sind. Die CLS-Studie setzt sich aus einem Verständnis, das Partizipation als Recht junger Menschen und damit als Aspekt ihrer Teilhabe fasst, auch mit Fragen des Partizipationserlebens von jungen Menschen in den Hilfen zur Erziehung aus unterschiedlichen Perspektiven auseinander. Übergeordnet wird die Frage danach erfasst, ob die angehenden Care Leaver: innen generell an Entscheidungen mitwirken können, die ihnen wichtig sind. Daneben werden Mitbestimmungsmöglichkeiten im Alltag thematisiert: Können die Befragten beim Kochen, den WLAN-Regeln, den Regeln zur Handynutzung, der Gestaltung des Zimmers oder bei Gruppenaktivitäten mitbestimmen? Diese im Alltag erlebte Partizipation ist Ausdruck der aktuellen Gestaltungsmöglichkeiten junger Menschen im Rahmen ihres Wohnumfeldes: „Um selbstbestimmte Entscheidungen für ein gelingendes Leben treffen zu können, bedarf es der Ausbildung von Handlungskompetenzen. Das Jugendalter gilt als Lebensphase, in der Möglichkeiten der Mitbestimmung und Beteiligung gegeben werden müssen, damit diese erlernt werden. Das Erleben, dass Partizipation zu Veränderungen führt, ist Grundvoraussetzung dafür, dass junge Menschen sich als wirk- und handlungsmächtig erfahren“ (Brüchmann/ Schäfer 2023, 101f ). 323 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Neben der Mitbestimmung im Alltag der Einrichtungen wird in der CLS-Studie auch die Mitbestimmung in der Hilfeplanung erfasst. Im vorliegenden Beitrag wird der Blick jedoch auf die Daten in Bezug auf Partizipation im Alltag gelegt und im Sinne der These eines Zusammenhangs zwischen der Beteiligung der jungen Menschen und ihrer Einschätzung der Hilfen geprüft. Im Fokus liegt, ob sich Unterschiede je nach Beteiligungseinschätzung dahingehend zeigen, ob die Befragten Verständnis für die Unterbringung haben, gut mit dieser umgehen können und es gut finden, in den Hilfen zur Erziehung zu leben. Die Befragungen der CLS-Studie finden jährlich über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren statt. In der ersten Welle 2023 konnten 757 Befragungen durchgeführt werden. Die Teilnehmenden waren bei der Einwilligung zur Studie zwischen 16 bis einschließlich 19 Jahre alt und lebten in Pflegefamilien oder Wohngruppen/ sonstigen betreuten Wohnformen. In diesem Beitrag werden die Daten der Personen aus Wohngruppen/ sonstigen betreuten Wohnformen (n = 500) fokussiert. Einzelne Personen waren zum Zeitpunkt der Befragung bereits 20 Jahre alt oder lebten zum Zeitpunkt der Befragungen nicht mehr in einer Einrichtung der Hilfen zur Erziehung. Für die Personengruppe, die bereits ausgezogen ist, wurden die Fragen zur Mitbestimmung in der Vergangenheitsform gestellt. Um den Anspruch einer Repräsentativität so weit wie möglich zu erfüllen, sind die in diesem Beitrag präsentierten Daten nach Geschlecht gewichtet, da es - anders als in der Grundgesamtheit - unter den Befragten der CLS-Studie eine Überrepräsentation von weiblichen Personen gibt. Ergebnisse Mitbestimmung im Alltag Ob die jungen Menschen beim Kochen, bei der Zimmergestaltung, bei den Regeln zur Handy- und WLAN-Nutzung und bei Gruppenaktivitäten mitbestimmen können, wurde dichotom erfasst. Jeweils über die Hälfte der Befragten gibt an, mitbestimmen zu können (Abbildung 1). Es zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Themen. Gestaltung Zimmer Kochen Gruppenaktivitäten Regeln Handynutzung Regeln WLAN-Nutzung Mitbestimmung im Alltag 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 97 % 95 % 94 % 83 % 53 % Quelle: CLS-Studie, Welle 1, 2023, n = 403 - 479; gewichtet nach Geschlecht Abb. 1: Ergebnisse zur Mitbestimmung im Alltag 324 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Je über 90 % der jungen Menschen geben an, dass sie beim Kochen, der Zimmergestaltung und den Gruppenaktivitäten mitbestimmen können. Geringer hingegen fällt die Zustimmung dazu aus, bei Alltagsfeldern der digitalen Teilhabe mitbestimmen zu können. 83 % geben an, bei den Regeln zur Handynutzung mitbestimmen zu können, 53 % bei den Regeln zur WLAN-Nutzung. Die Tendenz, dass junge Menschen bei den Themenbereichen digitale Medien, Handynutzung sowie Internetzugang und -nutzung eher weniger Mitbestimmungsmöglichkeiten haben, zeigen auch andere empirische Studien (Pluto et al. 2024; Müller et al. 2016). Grund für die - im Vergleich zu anderen Themen - reduzierten Mitbestimmungsmöglichkeiten kann die Haltung des Fachpersonals sein: „Für viele Fachkräfte bleibt es“, so Hajok (2023, 40), „eine große Herausforderung, gerade für diejenigen digitalen Medienzugänge offen zu sein, denen man aufgrund fehlender eigener Erfahrungen und weit verbreiteter öffentlicher Risikodiskurse eher skeptisch und oft sogar ablehnend gegenübersteht.“ Auch auf Organisationsebene zeigen Studien teils deutliche Widerstände und Unsicherheiten im Kontext der starken Digitalisierung des Alltagslebens junger Menschen und einem angemessenen Umgang mit dieser, welche zu einem restriktiven Umgang führen. Digitale Medien werden oftmals vor allem aus der Perspektive möglicher Gefährdungspotenziale wahrgenommen (DigiPäd 24/ 7 2022). Aus einer protektionistischen Position heraus ist es vor allem im digitalen Bereich für verantwortliche Personen daher teils einfacher bzw. gefühlt sicherer, junge Menschen nicht mitbestimmen zu lassen. Daneben können auch Ausstattungsgründe dazu führen, dass junge Menschen nicht umfassend mitbestimmen können. So ist die technische Infrastruktur in Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe teils immer noch unzureichend (ebd.), was wiederum Mitbestimmungsmöglichkeiten deutlich einschränken kann. Hinsichtlich der Gestaltung des eigenen Zimmers, des Kochens und der Gruppenaktivitäten zeigen die Daten, ähnlich den Studien von Pluto et al. (2024) und Müller et al. (2016), recht hohe Zustimmungswerte dazu, dass junge Menschen bei diesen Themen mitbestimmen können. Gleichwohl zeigen sich deutliche Differenzen zwischen den Zustimmungswerten der Befragten der CLS-Studie und den Vergleichsstudien, die jedoch auf eine divergierende Frageformulierung und Skalierung bzw. auch divergierende Zielgruppe der Befragung zurückgeführt werden könnten. Die Differenz könnte sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Fachkräfte und Einrichtungen ein anderes Verständnis von Mitbestimmung haben als die jungen Menschen selbst. Junge Menschen empfinden es möglicherweise bereits als Mitbestimmungsmöglichkeit, wenn sie in ihrem Zimmer Fotos und Plakate an die Wand hängen dürfen, während Fachkräfte denken, dass Mitbestimmung bei der Auswahl der Wandfarbe oder Möbel nicht möglich ist und daher die Partizipationsmöglichkeiten geringer einschätzen. Einen weiteren Differenzgrund könnte das Alter der jungen Menschen darstellen. In der CLS-Studie werden 16bis einschließlich 19-Jährige befragt, während die Angaben der Fachkräfte/ Einrichtungen sich auch auf eine jüngere Zielgruppe beziehen, für die beispielsweise der Schutzfaktor als Hinderungsgrund zur Mitbestimmung eine größere Rolle spielen könnte. Einbezug in wichtige Entscheidungen Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen Immer Oft Manchmal Selten 44 % 33 % 19 % 4 % Tab. 1: Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen Quelle: CLS-Studie, Welle 1, 2023, n = 492; gewichtet nach Geschlecht 325 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verankerung der Partizipationsmöglichkeiten und dem Anspruch, junge Menschen in alle sie betreffenden Entscheidungen einzubeziehen, sind 44 % der Befragten, die immer in ihnen wichtige Entscheidungen einbezogen werden, als eher geringer Wert einzuschätzen. Dass etwa ein Viertel der Befragten (23 %) angibt, nur manchmal oder selten in für sie wichtige Entscheidungen einbezogen zu werden, lässt sich ebenfalls kritisch hinterfragen, wenn das Schaffen und Umsetzen von Beteiligungsmöglichkeiten als Qualitätskriterium für die Hilfen zur Erziehung gelten. Dass die Zustimmungswerte hier deutlich unter denen der in der CLS-Studie abgefragten Alltagsthemen liegen, kann unterschiedliche Gründe haben. Einerseits wird bei der Frage nach der Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen nicht differenziert erfasst, um welche Themenbereiche es sich handelt. Es könnte hierbei z. B. auch um die Themen Bildung und Ausbildung, soziale Beziehungen, Finanzierung, die Hilfeplanung, die Unterbringungsform oder auch Entscheidungsmöglichkeiten zur Unterbringung insgesamt gehen. Ebenso ist denkbar, dass hier Entscheidungen, ob Personen die eigene Wohngruppe verlassen sollen, bei denen nach Müller et al. (2016) nur die wenigsten jungen Menschen mitbestimmen können, oder auch Personalentscheidungen für die Einrichtung gemeint sind. Daneben ermöglicht die hinsichtlich der Alltagsmitbestimmung gewählte dichotome Formulierung der Frage keine weitere Ausdifferenzierung. Es lässt sich also nicht sagen, ob Personen, die angegeben haben, im Alltag hier mitbestimmen zu dürfen, dieses immer, oft, manchmal oder selten können. Beteiligungsmöglichkeiten und das Gefühl, sich zu Hause zu fühlen Deskriptiv zeigt sich (Abbildung 2), dass Personen, die immer in für sie relevante Entscheidungen einbezogen werden, am häufigsten zustimmen, sich in der stationären Einrichtung, in der sie aktuell leben, zu Hause zu fühlen (86 %). Unter denjenigen, die oft in wichtige Entscheidungen einbezogen werden, stimmen 80 % zu, sich in der Einrichtung zu Hause zu fühlen, während es bei denjenigen, die manchmal oder selten in wichtige Entscheidungen einbezogen sind, nur noch 65 % sind. Dass es Zusammenhänge zwischen dem Wohlgefühl der jungen Menschen in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe und ihrem Partizipationserleben gibt, arbeiteten bereits Rudeck, Straus und Sierwald (2008) heraus: „Beteiligung Immer Oft Manchmal Selten Einbezug in relevante Entscheidungen und sich zu Hause fühlen 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % n zu Hause fühlen n nicht zu Hause fühlen 86 % 14 % 80 % 20 % 65 % 35 % 65 % 35 % Quelle: CLS-Studie, Welle 1, 2023, n = 403 - 479; gewichtet nach Geschlecht Abb. 2: Einbezug in relevante Entscheidungen und „sich zu Hause fühlen“ 326 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe hängt für die Jugendlichen eng damit zusammen, wie wohl sie sich in der Einrichtung fühlen“ (ebd., 56). Es ist anzunehmen, dass junge Menschen, die das Gefühl haben, konstant an für sie relevanten Entscheidungen beteiligt zu sein, sich eher ernst- und wahrgenommen fühlen und darüber auch ein Wohlgefühl und ein Gefühl des Zuhause-Seins entwickeln können. Auch ist denkbar, dass diejenigen jungen Menschen, die angegeben haben, immer oder oft an wichtigen Entscheidungen beteiligt zu sein, in Einrichtungen leben, in denen generell eine Atmosphäre der Partizipation und eine entsprechende Haltung der Fachkräfte vorherrscht, welche wiederum Einfluss auf das Wohlbefinden der jungen Menschen in der Einrichtung nimmt. Anhand der CLS-Daten wurde zudem in den Blick genommen, ob es auf deskriptiver Ebene hinsichtlich des Erlebens der Hilfen Unterschiede zwischen denjenigen gibt, die sich immer, oft, manchmal oder selten in für sie wichtige Entscheidungen einbezogen fühlen. In die Analyse wurden die jeweiligen Zustimmungswerte zu den Items „Ich kann verstehen, wieso ich nicht bei meinen Eltern aufwachse“, „Ich kann gut damit umgehen, dass ich nicht bei meinen Eltern aufwachse“ und„Ich finde es gut, dass ich nicht bei meinen Eltern aufwachse“ herangezogen. Es zeigt sich, dass diejenigen, die immer einbezogen werden, bei allen drei Items die höchsten Zustimmungswerte haben, die Differenzen jedoch sehr unterschiedlich und teils gering sind. Deutlich hervor stechen die unterschiedlichen Zustimmungswerte zu der Aussage „Ich kann gut damit umgehen, dass ich nicht bei meinen Eltern aufwachse.“ Hier liegt die Zustimmung bei denjenigen, die immer mitbestimmen können, mit 82 % deutlich über der von den Personen, die oft (67 %), manchmal (66 %) oder selten (68 %) mitbestimmen können. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass junge Menschen, die die Erfahrung machen, mitbestimmen zu können, sich dadurch als handlungsmächtig erleben und somit auch besser mit ihrer Fremdunterbringung umgehen können. Die Ergebnisse beider Aspekte (sich zu Hause fühlen und Umgang mit der Fremdunterbringung), weisen demnach darauf hin, dass sich diejenigen, die immer in wichtige Entscheidungen einbezogen werden, in den jeweiligen Einrichtungen und auch generell mit der Fremdunterbringung wohler fühlen. Sie betonen damit die Relevanz der konsequenten Umsetzung von Mitbestimmungsmöglichkeiten für das Erleben und Wohlbefinden der jungen Menschen in den Hilfen. 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % Einbezug in relevante Entscheidungen - Erleben der Hilfen zur Erziehung Verständnis haben für Umgehen können mit Gut finden von Fremdunterbringung Fremdunterbringung Fremdunterbringung 85 % 81 % 76 % 79 % 82 % 67 % 66 % 68 % 58 % 55 % 47 % 44 % n Immer n Oft n Manchmal n Selten Quelle: CLS-Studie, Welle 1, 2023, n = 403 - 479; gewichtet nach Geschlecht Abb. 3: Einbezug in relevante Entscheidungen - Erleben der Hilfe 327 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Fazit und Ausblick Die Daten der ersten Erhebungswelle der deutschlandweiten und trägerübergreifenden CLS-Studie aus dem Jahr 2023 zeigen, dass der weitaus überwiegende Teil der jungen Menschen, die in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe leben, bei Themen des Alltags - wie der Gestaltung des eigenen Zimmers - mitbestimmen können. Gleichwohl zeigt sich ähnlich wie in den Ergebnissen anderer empirischer Studien, dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Alltag themenspezifisch divergieren und die Mitbestimmungsmöglichkeiten, wenn es um Aspekte des digitalen Alltags wie z. B. die WLAN-Nutzung geht, deutlich weniger vorhanden sind. Es zeigt sich hier, wie beispielsweise in den Handlungsempfehlungen des Projekts Digipäd 24/ 7 (2022) betont wird, ein deutlicher Weiterentwicklungsbedarf, um jungen Menschen in stationären Einrichtungen auch im Kontext digitaler Medien und Alltagsgestaltungen weitere Mitbestimmungsmöglichkeiten zu eröffnen. Deutlich wurden in der Darstellung der Ergebnisse jedoch auch Limitationen der CLS-Studie, welche vor allem auf ihre inhaltliche Breite (in der unterschiedliche Teilhabedimensionen erfasst und im weiteren Verlauf aufeinander bezogen werden sollen) zurückzuführen sind. So kann im Gegensatz zu Studien, die ihren Fokus stärker/ ausschließlich auf Mitbestimmungsmöglichkeiten legen, nur ein kleiner Ausschnitt der Mitbestimmungsmöglichkeiten im Alltag erfasst werden. Ebenso ist durch die dichotome Anlage des Items keine differenziertere Aussage darüber möglich, wie diese Mitbestimmung sich gestaltet und welches Mitbestimmungsverständnis die jungen Menschen haben. Das Verständnis von jungen Menschen zu Mitbestimmung in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe zu erfassen und dieses in Bezug zum Verständnis der zuständigen Fachkraft zu setzen, wäre sowohl innerhalb einzelner Einrichtungen als auch einrichtungsbzw. trägerübergreifend aufschlussreich. Darüber hinaus und allgemeiner danach gefragt, inwieweit die jungen Menschen das Gefühl haben, im Sinne des §§ 8 SGB VIII an allen sie betreffenden relevanten Entscheidungen beteiligt zu sein, zeigen die Ergebnisse der CLS-Studie ein differenziertes Bild. So gibt mit 44 % weniger als die Hälfte der jungen Menschen an, immer an den für sie relevanten Entscheidungen beteiligt zu sein. Die Ergebnisse weisen damit darauf hin, dass eine konsequente Beteiligung junger Menschen noch nicht überall im Sinne des Rechtsanspruches realisiert wurde. Dass jedoch eine konsequente Beteiligung junger Menschen dabei in direktem Zusammenhang mit ihrem subjektiven Wohlgefühl innerhalb der Hilfen steht, konnte anhand der Daten festgestellt werden. Zusammenhänge zwischen dem Erleben von Partizipationsmöglichkeiten und dem Selbstwirksamkeitserleben sowie der erlebten Handlungsbefähigung der jungen Menschen in Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung werden im weiteren Verlauf der Studie analysiert und sind insbesondere mit Blick auf langfristige Effekte gelingender Beteiligung relevant. So wird die längsschnittliche Perspektive der CLS-Studie Aussagen darüber ermöglichen, wie sich die Teilhabe und Lebensgestaltung von Personen unterscheidet, die im Kontext der Hilfen zur Erziehung Partizipationsmöglichkeiten erlebt bzw. nicht oder weniger erlebt haben. Anna Lips Universität Hildesheim Institut für Sozial- und Organisationspädagogik Universitätsplatz 1 31141 Hildesheim E-Mail: Lipsan@uni-hildesheim.de Martina Pokoj Deutsches Jugendinstitut e.V. Nockherstr. 2 81541 München E-Mail: Pokoj@dji.de 328 uj 7+8 | 2025 Mitbestimmung in der stationären Erziehungshilfe Literatur Ackermann, T., Robin, P. (2017): Partizipation gemeinsam erforschen: Die Reisende Jugendlichen-Forschungsgruppe (RJFG) - ein Peer Research-Projekt in der Heimerziehung. Schöneworth Verlag, Hannover Albus, S. et al. (2010): Wirkungsorientierte Jugendhilfe. Abschlussbericht der Evaluation des Bundesmodellprogramms „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen nach §§ 78 a ff. SGB VIII“. Waxmann, Münster/ NewYork/ München/ Berlin BMFSFJ (Hrsg.) (2022): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. VN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien. In: https: / / www.bmfsfj.de/ resource/ blob/ 93140/ fe59de84a8fc3a6ffc61e8a55 59cac9d/ uebereinkommen-ueber-die-rechte-deskindes-data.pdf, 15. 4. 2025 Betz, T., Gaiser, W., Pluto, L. (Hrsg.) (2010): Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Forschungsergebnisse, Bewertungen, Handlungsmöglichkeiten. Wochenschauverlag, Schwalbach Brüchmann, K., Schäfer, D. (2023): Teilhabe von Care LeaverInnen - Darüber brauchen wir mehr Wissen! In: Unsere Jugend 75 (3), 98 - 105 Deutscher Bundestag (2021): Gesetzentwurf der Bundesregierung. 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(2013): Gelingende Beteiligung in der Heimerziehung. Ein Werkbuch für Jugendliche und ihre BetreuerInnen. Beltz Juventa, Weinheim a www.reinhardtverlag.de Erlebnis und Traumapädagogik stellen seit vielen Jahrzehnten etablierte und wirksame pädagogische Ansätze im Bereich der Kinder und Jugendhilfe dar. In der Regel werden beide unabhängig voneinander betrachtet und einge setzt. Der hohe Anteil an jungen Menschen mit traumatischen Lebenserfahrungen erfordert es allerdings, erlebnispädagogische Angebote in der Kinder und Jugendhilfe mit traumapädago gischen Konzepten bzw. Herangehensweisen zu verbinden. Das Buch stellt das im Rahmen eines Modellprojekts an der Kiwo Jugendhilfe in Dülmen entwickelte integrative Konzept „Sensible Trauma und ErlebnisPädagogik“ (STEP) vor, ordnet es ein und zeigt die konkrete Um setzung anhand von mehreren Praxisbeispielen. Spannende und sichere Orte schaffen 2025. 142 Seiten. 6 Abb. 6 Tab. (9783497033003) kt