eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 76/1

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2007
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Inklusive Qualität von Schule

11
2007
Andreas Hinz
Der Beitrag wendet sich der Frage zu, wie inklusive Qualität von Schule beschrieben werden kann und wie Entwicklungen zu ihr unterstützt werden können. Dazu wird zunächst die Frage schulischer Qualität in ihrem Spannungsfeld zwischen ökonomischen und output-Interessen einerseits und Professionalisierungsbemühungen andererseits angerissen. Im zweiten Abschnitt wird beleuchtet, inwiefern sich Inklusion von Integration unterscheidet, auf welche problematischen Entwicklungen sich die inklusive Kritik an der Integration bezieht und worin international zentrale Kritikpunkte bestehen. Als wichtiges Instrument zur Entwicklung inklusiver Schulqualität wird im dritten Abschnitt der Index für Inklusion vorgestellt: Der ihm zugrunde liegende Ansatz, seine beiden wesentlichen Angebote – eine demokratische, partizipative Prozessstruktur und eine systematische, inhaltliche Struktur – und Erfahrungen in der Arbeit mit dem Index werden beschrieben. Den Abschluss bildet ein Fazit, welches das Potenzial dieses Materials für eine tatsächliche Betrachtung der Qualität von Schule, und nicht indirekt doch von Schülern, herausstellt.
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10 1 Qualität zwischen Selektivität und Professionalität - Oder: Was heißt „gute Schule“? Viele Integrationspädagogen verfolgen die zunehmende Qualitätsdebatte im sozialen Bereich, die nun auch verstärkt im schulischen Kontext geführt wird, mit Misstrauen. Oft entsteht der Eindruck, es gehe primär darum, mit möglichst geringem finanziellem Aufwand möglichst gute Ergebnisse in Bildung und Erziehung zu erzielen. Neoliberale Vorstellungen eines offenen Bildungsmarktes und der Profilierung der Einzelschule in Konkurrenz zu anderen sind ein deutlicher Indikator für die zunehmende Ökonomisierung des sozialen Systems - und Qualität weist international immer wieder in die Richtung einer Verschärfung von Selektion, denn möglichst homogene, von „Störungsquellen“ unbelastete Lerngruppen versprechen größte Erfolge. Qualität hat jedoch nicht nur die sozial- oder bildungsökonomische Seite, sondern auch eine Seite der Professionsentwicklung: Es wird immer wichtiger, ein Bewusstsein darüber zu haben und dieses gemeinsam in Schulen zu ent- 10 Inklusive Qualität von Schule Andreas Hinz Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ■ Zusammenfassung: Der Beitrag wendet sich der Frage zu, wie inklusive Qualität von Schule beschrieben werden kann und wie Entwicklungen zu ihr unterstützt werden können. Dazu wird zunächst die Frage schulischer Qualität in ihrem Spannungsfeld zwischen ökonomischen und output-Interessen einerseits und Professionalisierungsbemühungen andererseits angerissen. Im zweiten Abschnitt wird beleuchtet, inwiefern sich Inklusion von Integration unterscheidet, auf welche problematischen Entwicklungen sich die inklusive Kritik an der Integration bezieht und worin international zentrale Kritikpunkte bestehen. Als wichtiges Instrument zur Entwicklung inklusiver Schulqualität wird im dritten Abschnitt der Index für Inklusion vorgestellt: Der ihm zugrunde liegende Ansatz, seine beiden wesentlichen Angebote - eine demokratische, partizipative Prozessstruktur und eine systematische, inhaltliche Struktur - und Erfahrungen in der Arbeit mit dem Index werden beschrieben. Den Abschluss bildet ein Fazit, welches das Potenzial dieses Materials für eine tatsächliche Betrachtung der Qualität von Schule, und nicht indirekt doch von Schülern, herausstellt. Schlüsselbegriffe: Inklusion, Schulqualität, Index für Inklusion, Demokratie ■ Inclusive School Quality Summary: This article treats of inclusive school quality, of how it can be described and of how the development towards inclusive quality can be encouraged. Firstly, the author goes further into the question of school quality between economic and output interests one the one hand and the bid for professional competence on the other hand. Secondly he elucidates to what extent inclusion differs from integration, which problematic areas of integration are criticised by the representatives of inclusion and which are the central domains of international criticism. In the third part, the author introduces the index of inclusion as a valid and helpful instrument for developing inclusive school quality, its fundamental approach, its basic structure - a democratic, participative process structure and a systematic structure of the contents - and he describes some daily experiences with the index of inclusion. Finally he points out that this material evidently helps to consider the quality of the school and not - indirectly - the quality of the pupils. Keywords: Inclusion, school quality, index for inclusion, democracy Fachbeitrag VHN, 76. Jg., S. 10 -21 (2007) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Inklusive Qualität von Schule 11 VHN 1/ 2007 wickeln, welches Selbstverständnis das Kollektiv hat, welche Leistungen es anstrebt, auf welchen Wegen dies geschehen soll und welche Zielsetzungen vielleicht wohl nicht realisierbar sind. Schulentwicklung geht diesen Prozess an. Insofern bekommt die Qualitätsdebatte auch eine professionell positive und produktive Tendenz, indem die einzelne Schule für sich diese reflexiven Prozesse im Sinne der Entwicklung eines Schulprofils und Schulprogramms sowie dessen Evaluation und Fortschreibung gestaltet. Dennoch droht auch dieser Prozess zu einer Menge zusätzlicher Arbeit und zusätzlichen Zeitaufwandes und letztlich doch hierarchischer Entscheidungsprozesse einzelner Personen zu gerinnen. Zudem gibt es eine weitere problematische Tendenz, die sich auch in der Literatur deutlich widerspiegelt, nämlich sich ausgiebig und fortgesetzt mit Prozessen von Schulentwicklung und ihren Methoden auseinander zu setzen, aber die Frage inhaltlicher Grundlagen zu vernachlässigen. Vor lauter Überlegungen, wer in der Steuerungsgruppe mitarbeiten solle und wie die Rolle der Schulleitung auszusehen habe, droht in den Hintergrund zu geraten, was eigentlich Kennzeichen einer guten Schule sind, was grundlegende Werte sein könnten und worin eine dementsprechende gemeinsame Vision einer Schulgemeinschaft bestehen könnte. Äußerst selten (so Lumer 2001, jüngst auch Wilhelm u. a. 2006) sind Ansätze zu finden, Schulentwicklung und Inklusion zusammen zu denken und so von einer definierten Grundlage auszugehen - der „Schule für alle“. Hier bietet der „Index for Inclusion” (Booth/ Ainscow 2002) eine hilfreiche Möglichkeit. Schulentwicklung wird auf der Grundlage einer Schule für alle und in einem demokratischen Prozess mit allen Beteiligten gestaltet. Dabei handelt es sich nicht um eine starre Vorgabe, wie dies zu geschehen habe, sondern um einen Rahmen, der für die einzelne Schule entsprechend ihrer Situation gestaltet wird. Worin besteht aber nun eine gute Schule? Manche Vorstellungen bleiben im Verständnis einer „Trivialmaschine“ (vgl. von Förster/ Pörksen 2001) mit bestimmten Input- und Outputfaktoren stecken. Damit betrachten sie lediglich die Effekte und lassen die Prozesse außer Acht - und sie bleiben einem ökonomieorientierten, betriebswirtschaftlichen Denken verhaftet. Wenn es dagegen um eine „nichttrivia- 1. Gute Schulen stellen guten Unterricht in den Mittelpunkt. 2. Gute Schulen lassen Vielfalt in den Lernvoraussetzungen und Lerninteressen zu (auch im Sinne zieldifferenter Integration). 3. Gute Schulen öffnen sich zur Gemeinde, zur lokalen Kultur, zu den Vereinen usw. 4. Gute Schulen erörtern schulöffentlich regelmäßig, was gelernt wird, wie gelernt wird und wie welche Leistungen gemessen werden. 5. Gute Schulen formulieren klare Erwartungen an die Schüler und schaffen ein Wir- Gefühl der Schulgemeinde. 6. Gute Schulen sind selbstreflektiv, sie überprüfen ihr Profil, ihre Ziele und ihre Methoden ständig selbst. 7. Gute Schulen haben ein eigenes Konzept für Fortbildung für das gesamte Schulpersonal. 8. Gute Schulen beziehen Eltern aktiv ein. 9. Gute Schulen vermitteln ein Gefühl der Sicherheit und Klarheit der gemeinsam verabredeten Regeln. Tab. 1: Gute Schulen (Preuss-Lausitz 2001, 47) le Maschine“ geht, die nicht mechanistisch steuerbar ist, sondern auf die Selbstentwicklungskräfte der Beteiligten und auf komplexe Prozesse setzt, muss es auch um diese gehen. Einem solchen Verständnis entspricht die Aufstellung über die „gute Schule“ mit neun Faktoren, die Ulf Preuss-Lausitz in Anlehnung an Helmut Fend (1998) zusammengestellt hat (vgl. Tab. 1). Mit einer solchen Auflistung sind sowohl strukturelle als auch prozessuale Merkmale beschrieben. Zudem enthält sie programmatische Aussagen, die für die Zukunft klare Zielsetzungen definieren. Gleichwohl ist auch hier Raum gegeben für konkrete Ausformulierungen angesichts bestehender innerer und äußerer Umfeldbedingungen. Bevor auf Instrumentarien für den Weg zur inklusiven Qualität von Schule konkret eingegangen wird, folgt zunächst ein Blick auf die Frage, was Inklusion von Integration unterscheidet. 2 Inklusion - ein qualitativer Schritt über Integration hinaus Auch im deutschsprachigen Raum taucht nun häufiger der international längst etablierte Begriff der Inklusion auf. Dabei geht es darum, integrative Praxis auf ein „anderes Niveau“ (GEW 2003, 20) zu heben: Nicht die Zusammenführung von Personen und Gruppen steht im Vordergrund, sondern die generelle „Anerkennung von Individualität in der Gemeinsamkeit“ (ebd.). Die Diskussion um einen Wechsel vom Integrationszum Inklusionsbegriff soll im folgenden Abschnitt beleuchtet werden. 2.1 Quantitäts- und Qualitätsprobleme der Integrationsentwicklung Schaut man sich die Entwicklung in verschiedenen Ländern an, so zeigen sich quantitative und qualitative Probleme der Integrationsentwicklung. Quantitativ problematisch ist die Tatsache, dass der Gemeinsame Unterricht sich nicht, wie von seinen Protagonisten ursprünglich erhofft und aus vielen anderen Reformbewegungen bekannt, zu einem ersetzenden System entwickelt hat, sondern als ein ergänzendes System anzusehen ist - neben dem gegliederten Schulwesen, im Rahmen eines gestuften und damit selektiven Systems unterschiedlicher Angebote und „Integrationsstufen“. Hinzu kommt, dass mit finanziellem, aber auch bildungspolitischem Hintergrund eine Stagnation der Entwicklung zu verzeichnen ist. Und es ist ein geradezu explosionsartiges Anwachsen sonderpädagogischen Förderbedarfs bzw. von Special Educational Needs zu beobachten, das vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Logik folgerichtig ist: Je höhere Zahlen von Schülern mit Special Educational Needs, desto höher die zusätzlichen Ressourcen, die die Situation verbessern helfen sollen. In Deutschland ist die Entwicklung der Integration „quantitativ stecken geblieben“ (Reiser 2002 b, 404). Doch auch qualitative Probleme werden in vielen Ländern deutlich: Zwar werden mit dem Zulassen integrativerer Wege bestehende Strukturen modifiziert, sie werden aber nicht grundlegend verändert (vgl. Reiser 2002 a). Noch bedeutsamer erscheint jedoch, dass tradierte Sichtweisen in der Regel nur wenig revidiert werden: Das Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf, mit Special Educational Needs oder Funktionsdiagnose bleibt - auch innerhalb integrativer Strukturen - primär das Kind mit Problemen, das „andere“ Kind, das funktionsgeminderte Kind, bei dem die tradierte Alltagstheorie der Andersartigkeit weiter besteht. Und je mehr dieses Kind anders, also problematischer, schwächer, geminderter, defizitärer…ist, desto weniger kann es integriert werden. Dieses „Readiness-Modell“ findet sich durchgängig in allen Ländern, die ein Schulwesen mit unterschiedlichen Integrationsstufen und Organisationsformen aufweisen. Dass diese qualitativen Probleme bei reduzierten Ressourcen und mit zunehmender konzeptioneller Verfla- Andreas Hinz 12 VHN 1/ 2007 chung noch verstärkt werden, entspricht wiederum der Gesetzmäßigkeit jeder innovativen Entwicklung. Auch im deutschsprachigen Raum finden sich viele Beispiele problematischer Praxisentwicklung. Eine ergänzungsfähige Auswahl verdeutlicht dies: - Strukturell besteht im deutschsprachigen Raum - mit Ausnahme der integrativen Grundschule Hamburgs und abgesehen von präventiven Ansätzen mit begrenztem integrativem Potenzial - der Zwang, Kindern und Jugendlichen mit Behinderung einen individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf zuzuerkennen. Auch wenn dies nicht mehr entsprechend Behinderungs- und Sonderschulformen, sondern nach sonderpädagogischen Förderschwerpunkten geschieht, so steht immer noch das medizinische Modell von Behinderung Pate, das andere Aspekte, die bei systemischer Betrachtung mindestens ebenso wichtig wären, ausblendet und den Bedarf einseitig dem Kind zuweist (vgl. Reiser 2002 b, 410f). - Insbesondere bei landesweiter Einzelintegration geraten Sonderpädagogen und Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf leicht in eine Situation der „Schäferhundpädagogik“ (Feuser), bei der die Sonderpädagogin dafür Sorge zu tragen hat, dass das Kind nicht stört, der Unterricht kaum verändert werden muss und es dennoch davon profitiert - und sei es durch simultanes Dolmetschen in der frontalen Unterrichtssituation. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Diese Problemtendenzen als Integrationsforscher zu benennen (vgl. z. B. Hinz 1999, Reiser 2002 b), nützt Integrationsgegnern entgegen publizierten Behauptungen (vgl. Knauer 2003, 22) deutlich weniger, als realitätsfremd zu versuchen, sich gegen die Betrachtung kritischer Aspekte zu immunisieren. Ein größerer Ausschnitt von Problemsituationen lässt sich bei Boban (2000) im Anschluss an Schilderungen amerikanischer und kanadischer Eltern (vgl. Forest u.a. 2000) nachlesen. Es handelt sich also nicht um spezifische Probleme im deutschsprachigen Raum, sondern um international vorfindbare Phänomene. 2.2 Kritik der Inklusion an der Integration Worum geht es bei der kritischen Einschätzung integrativer Praxis und in Teilen auch der integrationsbezogenen Theorie? Hier scheinen international drei Punkte bedeutsam (vgl. Hinz 2000, 2004): - Integration fixiert sich häufig auf die institutionelle Ebene, nach der Devise „Hauptsache drin! “ - was aus Elternperspektive nach harten Kämpfen nachvollziehbar ist. Allerdings bilden integrative Strukturen nur den Rahmen mit einem integrativen Potenzial, nicht aber schon eine integrative Qualität. Diese macht sich fest an emotionalen, sozialen und handlungsbezogenen Momenten, in der Frage des Wohlbefindens, des Eingebundenseins in soziale Netze und in kooperative Handlungen. Allzu häufig scheint sich zudem das Ausmaß der Integration nach dem Ausmaß des Andersseins zu richten, etwa nach dem Motto: Je fitter, desto mehr Integration, je weniger fit, desto weniger integrierbar. Dieses „Readiness-Modell“ begründet die international vorfindbare Selektivität der Integration, denn mit ihm müssen sich Kinder und Jugendliche erst durch Mindestfähigkeiten für Integration qualifizieren. Ein solches Verständnis lehnt Inklusion strikt ab, da jeder Mensch den Anspruch darauf hat, als Bürger mit entsprechenden Rechten anerkannt und als wertvoller Teil der Gemeinschaft willkommen geheißen zu werden (vgl. Hinz 2004). - Integration hält oft an einer impliziten Zwei- Gruppen-Theorie fest, betrachtet eine integrative Klasse also weiterhin mit den Zu- Inklusive Qualität von Schule 13 VHN 1/ 2007 schreibungen: behinderte und nicht behinderte Kinder. Zwar sind erstere nun nicht mehr „andersartig“, aber primär immer noch anders oder besonders. Deshalb brauchen sie auch vorwiegend, wenn nicht gar exklusiv, ihre anderen - eben besonderen - Methoden, Inhalte, Lernwege und auch Lehrer. So droht integratives Denken und Handeln schnell in additives Denken und Handeln pervertiert zu werden, zumal wenn die anderen Lehrer aus anderen Institutionen kommen wie Sonderbzw. Förderschulen oder Förderzentren und somit massiv schlechtere Chancen auf Integration in der allgemeinen Schule haben. Inklusiv ist ein Verständnis, das von einer pädagogisch unteilbaren heterogenen Lerngruppe ausgeht, und dies unter vielen Dimensionen: verschiedenen Geschlechterrollen, kulturellen Hintergründen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, sexuellen Orientierungen, Familienstrukturen, sozialen Lagen sowie Fähigkeiten und Einschränkungen (vgl. O’Brien/ O’Brien 1997). Sie müssen in ihrer Komplexität, da ohnehin vorhanden, theoretisch wie praktisch stärker zusammengedacht und zum Ausgangspunkt des Lernens und Lehrens über Unterschiede gemacht werden (vgl. etwa Sapon-Shevin 1997, 2000). - Integration bleibt über die Feststellung eines individuellen sonderpädagogischen Förderbedarfs und der entsprechenden Ressourcenzuweisung der administrativen Etikettierung verhaftet, zementiert so die Zwei- Gruppen-Theorie und stellt für diese „anderen“ Schüler individuelle Curricula auf, wenn sie sich nicht sogar noch an den Curricula der entsprechenden Sonderschulen oder Förderzentren orientiert. Mit inklusivem Zugang erscheint beides problematisch, denn zum einen stellt Etikettierung einen Akt von Diskriminierung dar; die Sprache des sonderpädagogischen Förderbedarfs wird als ebenso diskriminierend kritisiert wie sexistische oder rassistische Sprache (vgl. Mittler 2000, 10). Zum anderen enthalten individuelle Curricula denen, für die sie erstellt werden, in der Regel Zugangsmöglichkeiten zu Bildungsinhalten vor, da sie massiv Erwartungen absenken. Viel sinnvoller erscheint da die Anerkennung, dass eine Schule sonderpädagogischen Förderbedarf hat (vgl. Wocken 1996) und sich mit ihren Barrieren für Lernen und Teilhabe auseinander setzen muss. Das allgemeine Curriculum wird daher individualisierend modifiziert - aufgrund von spezifischen Kommunikationswegen, Erstsprachen, kulturellen Hintergründen, auch Beeinträchtigungen etc. (vgl. das Beispiel Kanada; Uditsky 1993, Hinz 2006 a, 2006 b). Einen wichtigen Schritt in diese Richtung geht Schleswig-Holstein mit seinen Lehrplänen, in denen es keine schulformspezifischen (Gymnasium, Real-, Hauptschule sowie Schulen für Lern- und Geistigbehinderte) Curricula mehr gibt, sondern nur noch schulstufenbezogene. Der Lehrplan „Sonderpädagogische Förderung“ enthält entsprechend nur noch eine Beschreibung der spezifischen Qualitäten, welche die Unterrichtsangebote für Schüler mit bestimmten Förderschwerpunkten haben sollten (vgl. MBWFK 2002). 3 Inklusive Qualitätsentwicklung mit Hilfe des Index für Inklusion Wenn nun von der Integration zur Inklusion ein qualitativer Schritt im Sinne der generellen Anerkennung von Heterogenität gegangen werden soll (vgl. hierzu Hinz 2002, 2004, Sander 2003), kann der in England entwickelte und international erprobte Index für Inklusion eine große Hilfe sein, denn es geht dabei nicht mehr um das Hereinlassen bestimmter abweichender Kinder, sondern um die selbstverständliche Anerkennung aller in ihrer Vielfalt. Andreas Hinz 14 VHN 1/ 2007 3.1 Ansatz des Index für Inklusion Der Index for Inclusion geht auf Vorarbeiten in Australien und den USA zurück. Sowohl an der Macquarie Universität in New South Wales als auch an der Universität Syracuse gab es bereits in den 1980er Jahren Versuche, über eine Indikatorensammlung die integrative Qualität der Situation eines Kindes mit einer Beeinträchtigung in einer allgemeinen Schule zu dokumentieren. In Großbritannien entschloss sich ein Team von Wissenschaftlern, Schulleitern, Lehrern und Eltern dazu, von der Ebene des einzelnen Kindes auf die Ebene einer ganzen Schule zu gehen. Sie erstellten mit dem Index for Inclusion eine Sammlung von Materialien, die Schulen im Prozess der inklusiven Schulentwicklung unterstützen. Eine erste Fassung wurde im Schuljahr 1997/ 1998 in sechs Grund- und Sekundarschulen erprobt. Nach positiven Rückmeldungen wurde eine zweite Fassung im folgenden Schuljahr in 17 Schulen in vier Schulbezirken evaluiert. Eine dritte Fassung wurde schließlich in Großbritannien, von der Labour- Regierung finanziert, kostenlos an alle Schulen verteilt, sodass sehr viele Schulen mit dem Index arbeiten. Der Index for Inclusion liegt mittlerweile in diversen Sprachen vor; Versionen auf Arabisch, Baskisch, Bulgarisch, Chinesisch (v. a. Hongkong), Dänisch, Finnisch, Französisch (v. a. Quebec), Hindi (Indien), Japanisch, Katalonisch, Maltesisch, Norwegisch, Portugiesisch, Rumänisch, Spanisch, Schwedisch, Ungarisch, Urdu (Pakistan), Vietnamesisch und Walisisch sind in Vorbereitung oder in Benutzung. Englische Versionen werden in Australien, Kanada, Südafrika und den USA benutzt. Ein internationales Team hat mit Unterstützung der UNESCO überprüft, wie Versionen des Index für die ökonomisch armen Länder des Südens entwickelt werden können. Den Autoren ist dabei wichtig, dass es sich um ein flexibel einsetzbares Material handelt, das entsprechend den jeweils bestehenden lokalen Bedingungen und Fragestellungen modifiziert wird, wobei ein demokratischer Prozess inklusiver Schulentwicklung das verbindliche Ziel bleibt (vgl. Boban/ Hinz 2004). 3.2 Vorgehen und Systematik des Index für Inklusion Der Index umfasst einen Prozess der Selbstevaluation, in dessen Rahmen eine Reihe von Schulentwicklungsphasen durchlaufen wird (vgl. Abb.1). Zunächst wird eine Koordinationsgruppe (das Index-Team) gebildet, die mit dem Kollegium, den schulischen Gremien, Schülern und Eltern zusammenarbeitet. Alle Aspekte der Schule werden von ihnen gemeinsam untersucht, Hindernisse für das Lernen und die Teilhabe benannt, Prioritäten für die Entwicklung gesetzt und der Prozess reflektiert. Unterstützt wird die Selbstevaluation durch eine detaillierte Sammlung von Indikatoren und Fragen, die es den Schulen ermöglicht, in eine tiefe und herausfordernde Auseinandersetzung um ihre derzeitige Praxis und um Möglichkeiten einer weiterreichenden inklusiven Entwicklung einzusteigen. Diese zweite ist die entscheidende Phase im Prozess, denn von der Güte der Analyse der Schulsituation hängt es ab, in welchem Maße es sich tatsächlich um einen demokratischen Diskussionsprozess in großer Breite handelt und inwieweit mögliche nächste Schritte tatsächlich den Bedarfen aller Beteiligten entsprechen und insofern nachhaltige Wirkungen erzielen können. Dieser Phase folgen die weiteren, aus der Schulentwicklungsforschung bekannten Phasen: die Planung nächster Schritte, deren Umsetzung sowie ihre Überprüfung. Inhaltlich bezieht sich der Prozess inklusiver Schulentwicklung auf drei Dimensionen: auf inklusive Kulturen, Strukturen und Praktiken; sie werden analytisch getrennt, obwohl sie eng miteinander in Verbindung stehen. Inklusive Qualität von Schule 15 VHN 1/ 2007 Andreas Hinz 16 VHN 1/ 2007 Phase 1 Mit dem Index beginnen Phase 2 Die Schulsituation beleuchten Phase 4 Die Prioritäten umsetzen Phase 5 Den Index-Prozess reflektieren Phase 3 Ein inklusives Schulprogramm entwerfen Abb. 1: Phasen des Index für Inklusion (Boban/ Hinz 2003, 19) B: Inklusive Strukturen etablieren A: Inklusive Kulturen schaffen C: Inklusive Praktiken entwickeln Abb. 2: Dimensionen des Index für Inklusion (Boban/ Hinz 2003, 15) „Dimension A: Inklusive Kulturen schaffen“ beinhaltet den Aufbau einer sicheren, akzeptierenden, zusammenarbeitenden und anregenden Gemeinschaft, in der jede(r) geschätzt wird, sodass alle Schüler und Mitarbeiter ihre individuell bestmöglichen Leistungen erzielen können. Sie befasst sich mit der Entwicklung inklusiver Werte, die im ganzen Kollegium, von den Schülern, Mitgliedern der schulischen Gremien und Eltern geteilt und allen neuen Mitgliedern der Schule vermittelt werden. Die Prinzipien, die innerhalb inklusiver Schulkulturen entwickelt werden, sind leitend für Entscheidungen über Strukturen und Alltagspraktiken, sodass das Lernen für alle durch einen kontinuierlichen Prozess der Schulentwicklung unterstützt wird. Eine inklusive Schulkultur wird getragen von dem Vertrauen in die Entwicklungskräfte aller Beteiligten und vom Vorsatz, niemanden je zu beschämen. Bei „Dimension B: Inklusive Strukturen etablieren“ geht es darum, Inklusion als zentralen Aspekt der Schulentwicklung abzusichern und alle Strukturen durchdringen zu lassen, sodass sie das Lernen und die Teilhabemöglichkeiten aller Schüler erhöhen. Unterstützung besteht in Aktivitäten, die zur Fähigkeit einer Schule beitragen, auf die Vielfalt der Schüler einzugehen. Alle Arten der Unterstützung werden in einen einzigen Bezugsrahmen gebracht und von der Perspektive der Schüler und ihrer Entwicklung aus betrachtet - und nicht von den Verwaltungsstrukturen einer Schule oder eines Schulamtes aus. Mit „Dimension C: Inklusive Praktiken entwickeln“ gestaltet die Schule ihre jeweiligen Praktiken so, dass sie die inklusiven Kulturen und Strukturen der Schule widerspiegeln. Sie stellt sicher, dass Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Klassenraumes die Partizipation aller Schüler anregen und ihre Stärken, ihre Talente, ihr Wissen und ihre außerschulischen Erfahrungen einbeziehen. Statt die meisten Schüler zu unterrichten und wenige individuell zu unterstützen, werden Lernprozesse so arrangiert, dass sie Lern- und Teilhabebarrieren überwinden helfen und so für alle gemeinsames Lernen an gemeinsamen Lerngegenständen ermöglicht wird. Die Schulgemeinschaft mobilisiert Ressourcen innerhalb der Schule und in der örtlichen Gemeinde, um ein solches aktives Lernen für alle zu fördern. Für jede der drei Dimensionen gibt es bis zu elf Indikatoren, die wiederum über eine ganze Reihe von Fragen ausdifferenziert sind. Mit Dimensionen, Indikatoren und Fragen ergibt sich ein systematisches Raster von Aspekten, die eine zunehmend detailliertere Karte der Schule ergeben und Ansatzpunkte für die Entwicklung nächster Schritte anbieten können. Eine große Stärke des Materials besteht darin, in einer konsistenten Systematik viele Aspekte in die Diskussion zu bringen, die den Beteiligten vielleicht zuvor noch nicht als Fragestellung vor Augen waren - etwa: „Heißt die Schule alle Schüler/ innen willkommen, z.B. Kinder von Migrant/ innen, Fahrenden, Asylbewerber/ innen, Kinder mit Beeinträchtigungen und aus verschiedenen sozialen Milieus? “ Oder: „Fühlen sich die Schüler/ innen als Eigentümer/ innen ihrer Klassen- oder Fachräume? “ (Boban/ Hinz 2003, 53) Eine zusätzliche Hilfe für einen qualitativ hochwertigen Entwicklungsprozess bildet der „kritische Freund“, der den Prozess aus der Außenperspektive kritisch, kenntnisreich und freundlich begleitet; er kann dabei helfen, dass eine Schule sich nicht mit Vorhaben völlig übernimmt, aber auch dabei, dass die eigentlich brisanten und ggf. kontroversen Baustellen einer Schule nicht „übersehen“ werden. 3.3 Erfahrungen mit dem Index für Inklusion Erfahrungen mit der deutschsprachigen Fassung des Index liegen in dreifacher Hinsicht vor: als Rückmeldungen von „kritischen Lesern“, die in allen deutschen Bundesländern sowie Österreich, der Schweiz und in Südtirol angefragt wurden, in der Kooperation mit einigen inte- Inklusive Qualität von Schule 17 VHN 1/ 2007 ressierten Schulen und in einem Forschungsprojekt zur Ganztagsschulentwicklung in Sachsen-Anhalt. Die Reaktionen der kritischen Leser wiesen ein großes Spektrum auf: Einerseits fand der Index großen Anklang, Begriffe wie „zukunftsweisend“ und „genial“ tauchten in den Stellungnahmen auf. Andererseits gab es auch geradezu entsetzte Reaktionen im Hinblick auf die übergroß erscheinenden Ansprüche, die zu schlaflosen Nächten führten, aber auch im Hinblick darauf, dass wohl nicht eine einzige Schule im betreffenden Bundesland auf eine einzige Frage zu inklusiver Praxis ein einziges Ja angeben könnte - im Index schienen Diskussionen von einem anderen Stern geführt zu werden. Hier war wohl nicht deutlich genug geworden, dass es sich beim Index nicht um eine Checkliste für die „gute inklusive Schule“ handelt und dass nicht jede Nein-Antwort eine defizitäre, geradezu miserable Schule aufzeigt, sondern dass es vielmehr darum geht, auf einer klaren Basis Schulen mögliche nächste Schritte anzubieten. Bei den interessierten Schulen gingen Impulse in Richtung auf den Index von einzelnen Kollegen, von der Schulleitung oder von der Schülervertretung aus. Im Gespräch mit ihnen wurde für ratsam befunden, zunächst die Kollegien mit dem Index bekannt zu machen. Bei einer der Schulen war deutlich, dass das breite Verständnis von Inklusion das entscheidende Moment für das Interesse war, denn für „behinderte Kinder“ wäre nur ein kleiner Teil des Kollegiums zu interessieren gewesen. Ebenso wichtig ist die Information aller Gruppen von Beteiligten: Gespräche mit dem Schülerrat und dem Elternrat und deren entsprechende Beschlüsse bilden weitere Voraussetzungen für eine sinnvolle Arbeit - andernfalls gibt es keine Chance für eine entsprechende Qualität des Diskussions- und Reflexionsprozesses. In einem Fall reagierten Schüler ungläubig, dass das ganze Vorhaben ohne ihr positives Votum nicht stattfinden würde; offenbar sind sie, nicht anders als Eltern und Kollegien, eher Mehrheitsals Konsensentscheidungen gewohnt. Auch der Ansatz des Index rief verwunderte Reaktionen hervor, beispielhaft die folgenden: „Und wenn wir dann uns für Veränderungen entscheiden? Unsere Stadt ist pleite! Wer soll das dann bezahlen? “ - „Gibt es wirklich Schulen, in denen auf jedes Kind tatsächlich eingegangen wird? “ In einer anderen Schule, der IGS Köln Holweide, ging die Initiative nach längeren Diskussionen des Kollegiums im Zusammenhang mit dem Übergang des Gemeinsamen Unterrichts vom Modellzum Regelstatus und damit verbundenen Ressourcenkürzungen von der Schülervertretung aus. Sie hatte zunächst vor der Frage gestanden, die integrative Qualität für die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu eruieren, bezog sich dann jedoch in einem erweiterten Sinne auf die inklusive Qualität der Schule und thematisierte so u. a. die Frage von Ausgrenzung aufgrund von Behinderung, Nationalität, Geschlecht und Hautfarbe. In ihrer Befragung, an der 1.330 Schüler vom fünften bis zum zwölften Jahrgang teilnahmen (vgl. Heeger/ Reinhardt 2006; Schwager/ Pilger 2006), zeigt sich eine extrem hohe Zufriedenheit und Identifikation mit der Schule. Als Problemaspekt wird die Tendenz deutlich, dass bestimmte Gruppierungen von Schülern sich so von anderen abgrenzen, dass es für Interaktion und Gemeinsamkeit keine Brücken mehr zu geben droht (vgl. hierzu die qualitative Studie von Furcht 2005). Zwischenzeitlich hat sich auch der Elternrat dieser Schule der Qualitätsfrage zugewandt und ebenso eine Befragung durchgeführt. Nach deren Auswertung wird bei einem runden Tisch mit Vertretern aller Gruppierungen auf der Basis dieser Ergebnisse - gemeinsam mit Ergebnissen der vorangegangenen Selbstevaluation des Unterrichts durch Lehrer (vgl. Schwager 2005) - diskutiert, welche nächsten Entwicklungsschritte angegangen werden. In einem Teilprojekt der wissenschaftlichen Begleitung zur Umsetzung des „Investitionsprogramms, Zukunft Bildung und Betreuung“ im Land Sachsen-Anhalt läuft seit 2005 eine Andreas Hinz 18 VHN 1/ 2007 mehrjährige Untersuchung zur Entwicklung von Schulen, die in diesem Rahmen Ganztagsschulen werden. Dabei wurde allen etwa 80 Schulen des Programms eine Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt Heterogenität und der Arbeit mit dem Index für Inklusion angeboten. Zwölf Schulen bekundeten Interesse, sich intensiver, d. h. in der Schulleitung und ggf. Steuerungsgruppe, im Kollegium, im Elternrat und im Schülerrat informieren zu lassen. Von ihnen entschlossen sich elf, in diesem Teilprojekt mitzuarbeiten; aufgrund kapazitärer Überlegungen wurde eine Kooperation mit acht dieser Schulen begonnen. Bei der Auswahl war die Heterogenität der Schulen ausschlaggebend: Sie stehen an unterschiedlichen Punkten systematischer Schulentwicklung, gehören zu unterschiedlichen Schulformen (Grundschule, Sekundarschule, Gymnasium), haben unterschiedlichen Status (staatliche Schule, Schule in freier Trägerschaft), befinden sich in unterschiedlichen Umfeldern (Großstadt, kleine Orte) und in unterschiedlichen sozialen Konstellationen (soziale Brennpunkte, gemischte Umfelder) und weisen unterschiedliche Größen auf. Lediglich eine dieser Schulen verfügt über Erfahrungen mit Gemeinsamem Unterricht. Zwischenzeitlich ist eine Sekundarschule in einem sozialen Brennpunkt einer Großstadt, die in den vergangenen Jahren drei Fusionen mit anderen Schulen und einen Wechsel der Schulleitung bewältigen musste, aus dem Vorhaben ausgestiegen. Mit den verbleibenden Schulen ist der Prozess entsprechend den Vorschlägen des Index bis zur Phase 2 vorangeschritten, sie haben alle ein Index-Team unter Teilnahme aller an der Schule beteiligten Gruppen gebildet und sich mit dem Material und seinem Ansatz vertraut gemacht. Nun sind sie dabei, ihre Situation zu analysieren und die Einschätzungen aller Gruppierungen in der Schule dazu einzuholen. Unterstützt werden sie dabei jeweils von einem Team zweier Schulbegleiterinnen, größtenteils abgeordnete Lehrerinnen, die diesen Prozess in Anlehnung an Prinzipien der Handlungsforschung mit Angeboten der Moderation begleiten und dieses in der Forschungsgruppe vorbereiten und reflektieren. Es ist deutlich sichtbar, dass dies ein herausforderndes Vorhaben ist, denn für die meisten Schulen in Deutschland bedeutet eine Kultur des gleichberechtigten Dialogs miteinander einen großen qualitativen Entwicklungsschritt. 4 Fazit Neben den gewollt flexiblen und an die konkreten Fragestellungen vor Ort anknüpfenden Einsatzmöglichkeiten des Index für Inklusion sind es vor allem drei Aspekte, welche die Arbeit mit ihm im Hinblick auf die Entwicklung inklusiver schulischer Qualität lohnend erscheinen lassen: Zum einen ist es das weit gefasste Verständnis für Inklusion, das weit über den Rahmen des Gemeinsamen Unterrichts mit behinderten und nicht behinderten Schülern hinausgeht und alle Dimensionen von Heterogenität umfasst. Weibliche und männliche Schüler, Schüler unterschiedlicher kultureller, sprachlicher und ethnischer Herkunft und unterschiedlicher Bildungs- und Lernerfahrungen und mancherorts auch unterschiedlicher sozialer Hintergründe sind Teil jeder Schule. Das zweite hervorstechende Moment ist die Einbindung aller beteiligten Personen bzw. Personengruppen der Schule, insbesondere die ausdrückliche Einbindung der Schülerinnen und Schüler - und dies gilt selbstverständlich auch für die Grundschule. Und drittens bietet der Index für Inklusion die Chance, der weit verbreiteten Gefahr der Pervertierung zu entgehen, Qualität letztlich doch fast ausschließlich an den Leistungen der Schüler festzumachen und so die Frage der Qualität von der Schule zu den Schülern hin „umzuwenden“. Der Index belässt die Qualitätsfrage dort, wo sie inklusiv hingehört: in der Schule für alle, ihrem Selbstverständnis, ihrer inneren Organisation und ihrer alltäglichen Praxis. Inklusive Qualität von Schule 19 VHN 1/ 2007 Literatur Boban, Ines (2000): It’s not Inclusion … - Der Traum von einer Schule für alle Kinder. In: Hans, Maren; Ginnold, Antje (Hrsg.): Integration von Menschen mit Behinderung - Entwicklungen in Europa. 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