Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Aktuelle Forschungsprojekte (1/08)
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Externe Evaluation des Modellversuches „Hand-Werk-Lernen“ in Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen
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VHN 1/ 2008 67 Aktuelle Forschungsprojekte Externe Evaluation des Modellversuches „Hand-Werk-Lernen“ in Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen Mathilde Niehaus, Anka Hauser, Sebastian Dreja Universität zu Köln Hintergrund Junge Menschen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen erleben die Schwellenproblematik des Übergangs von der Schule in den Beruf als Verdrängung von den Startplätzen ins Erwerbsleben. Im Jahr 2000 initiierte das Bundesministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung (BMBF) das Modellprojekt „Hand-Werk-Lernen“ (HWL) an sechs Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen für einen Zeitraum von fünf Jahren. Durch das Modellprojekt soll eine stärkere Verzahnung zwischen Schule und Arbeitswelt erreicht werden, um eine verbesserte Integration der Jugendlichen ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Das Modellprojekt will bereits in der Schule berufsrelevante Kompetenzen durch Vertreter/ innen der Arbeitswelt aus den Bereichen Handwerk und Dienstleistung in arbeitsweltnahen Settings fördern. Ab Klasse 7 werden diese Settings in Form von Projekten, praktischen Lernsituationen und wöchentlichen Praxistagen in Werkstätten und Schülerfirmen von Praktiker/ innen gestaltet. Weiterhin sollen die Praktiker/ innen als Teil des Teams „Berufsorientierung und -vorbereitung“ mit ihrer spezifischen Kommunikationskompetenz die Einrichtung von Netzwerken zwischen Schulen, Innungen, Kammern und Betrieben erleichtern und zu einer Erweiterung der Kenntnisse und Einstellungen bei Arbeitgebern bezüglich der Schüler/ innen mit Lernbehinderung beitragen. Untersuchung Das von der RheinEnergieStiftung in Köln geförderte Forschungsprojekt evaluiert die Wirkung des Modellversuches HWL hinsichtlich des Übergangs Schule - Beruf. Dabei wird angenommen, dass den Jugendlichen aus dem Modellprojekt HWL der Einstieg ins Berufsleben besser gelingt. Es werden Jugendliche (N = 594) von zwölf Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen in Köln untersucht. An sechs Schulen wurde das Modellprojekt durchgeführt (Experimentalgruppe), d. h. dort unterrichteten neben den üblichen Lehrkräften auch Praktiker/ innen nach dem Konzept „Hand-Werk-Lernen“. Die anderen sechs Schulen mit herkömmlichem Unterrichtskonzept dienen als Alternativgruppe. Es werden zwischen Alternativ- und Experimentalgruppe die beruflichen Werdegänge über einen Zeitraum von zwei Jahren und die arbeitsweltrelevanten Kompetenzen der Jugendlichen in der nachschulischen Phase verglichen. Die nachschulischen Werdegänge der Jugendlichen werden über eine Verbleibsstatistik erfasst. Diese setzt sich aus Angaben der Schulen, der Jugendlichen und der Familie, der nachschulischen Institutionen und der Bundesagentur für Arbeit zusammen. Hinsichtlich der beruflichen Werdegänge wird zwischen betriebsnahem und betriebsfernem Verbleib unterschieden. Betriebsnahe Übergänge sind als betriebliche Ausbildung, sofortige Arbeitsaufnahme oder Teilnahme an einer Berufsvorbereitenden Maßnahme mit hohem Praxisanteil (mind. zwei Praxistage im Betrieb pro Woche) operationalisiert. Als betriebsferner Übergang gelten Berufsvorbereitende Maßnahmen mit geringem Praxisanteil, Werkstatt für behinderte Menschen oder keine Maßnahme. In Anlehnung an den Kompetenzbegriff - Kompetenz verstanden als situationsbezogene Relation zwischen Umwelt und Person - werden die arbeitsweltrelevanten Kompetenzen der Jugendlichen in der nachschulischen Phase über eine Fremdbeobachtung von betrieblichen Akteuren und pädagogischen Fachkräften in der Berufsvorbereitung erhoben, die die Jugendlichen situationsbezogen am Arbeitsplatz erleben. Als empirisches Verfahren wird das Instrument ‚Diagnostische Kriterien zur Feststellung des individuellen Förderbedarfs und zur Steuerung von Maßnahmen, Version 2.0 2002’ (DIK 2.0) eingesetzt. Durch eine an der Fragestellung orientierte Merkmalsauswahl können die beruflichen Kompetenzen, unterteilt in Fach-, Personal-, Sozial- und Methodenkompetenz, umfassend erhoben werden. Das Instrument DIK 2.0 eignet sich für die Anwendung im Feld, da jede Merkmalsausprägung präzise beschrieben ist. Zwischenergebnisse Mit den bisherigen Ergebnissen kann insgesamt nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass der Übergang ins Arbeitsleben bei Jugendlichen aus Schulen VHN 1/ 2008 68 mit dem Modell HWL besser gelingt als bei Jugendlichen aus Schulen mit dem Alternativprogramm. Trotzdem sprechen die Ergebnisse aufgrund des Alternativgruppendesigns (im Vergleich zu einem Kontrollgruppendesign wird in beiden Gruppen durch unterschiedliche Konzepte dieselbe Zielsetzung verfolgt, nämlich die Jugendlichen auf die Arbeitswelt vorzubereiten) nicht gegen die Wirksamkeit des HWL-Ansatzes. Bei der Zielgruppe der Absolvent/ innen aus Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen befinden sich erstaunlicherweise nur wenige Merkmale der Kompetenzerhebung im Störungsbereich, woraus man schließen könnte, dass beide Konzepte zur Förderung arbeitsrelevanter Kompetenzen beitragen. Interessant und diskussionswürdig sind möglicherweise die negativen Effekte des HWL-Angebotes in der Schule auf die Motivation der jungen Frauen. Gendersensible Implementations- und Umsetzungsschritte werden empfohlen. Weitere Informationen sowie genaue Literaturangaben können eingeholt werden bei Prof. Dr. Dr. Mathilde Niehaus unter arbeit-reha@uni-koeln.de. Aktuelle Forschungsprojekte
