eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 77/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2008
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Konzeption und Diagnostik von schriftsprachlichen Lernstörungen im Responsiveness-to-Intervention-Modell: eine kritische Würdigung

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2008
Erich Hartmann
Dieser Beitrag resümiert forschungsbasierte Argumente gegen die -Angemessenheit der Konzeption und Diagnostik von Lese-Rechtschreibstörungen im traditionellen IQ-Diskrepanzmodell. Nach einem Überblick über diagnostische Alternativen wird auf das präventionsorientierte Responsive-ness-to-Intervention-Modell fokussiert, das in den USA derzeit große Beachtung findet. Neben der Beschreibung konzeptueller, struktureller und methodischer Aspekte dieses Modells werden vorläufige Befunde zur diagnostischen Validität und präventiven Effektivität referiert. Kritische Einwände und Befürchtungen in Bezug auf diese Innovation sowie zukünftige Herausforderungen für Forschung und Praxis runden den Beitrag ab.
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123 Fachbeitrag VHN, 77. Jg., S. 123 - 137 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel 1 Unzulänglichkeit des IQ-Diskrepanzmodells als Impuls für diagnostische Innovationen Seit Jahren zeichnen sich vermehrt wissenschaftliche Bemühungen ab, Früherkennung und Diagnostik von kindlichen Lese- und Rechtschreibproblemen - als Voraussetzungen für zielgerichtete und wirksame (sonder-)pädagogische Interventionen - zu verbessern. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind neben neueren Erkenntnissen der Forschung zum frühen Schriftspracherwerb und seinen Gefährdungen vor allem auch gravierende Schwächen der klassischen IQ-Diskrepanzdefinition der sogenannten Legasthenie/ Dyslexie oder spezifischen Lese-Rechtschreibstörung (engl. dyslexia, reading disability) (vgl. z. B. Gustafson/ Samuelsson 1999; Lyon u. a. 2001; Bishop/ Snowling 2004). Dieses prominente Definitionsmodell basiert auf dem Primärkriterium der IQ-Leistungs-Diskrepanz, kurz IQ-Diskrepanz. Demnach fallen nur Kinder mit einer signifikanten Differenz zwischen zumindest durchschnitt- Konzeption und Diagnostik von schriftsprachlichen Lernstörungen im Responsiveness-to-Intervention-Modell: eine kritische Würdigung Erich Hartmann Heilpädagogisches Institut der Universität Freiburg/ Schweiz n Zusammenfassung: Dieser Beitrag resümiertforschungsbasierte Argumente gegen die Angemessenheit der Konzeption und Diagnostik von Lese-Rechtschreibstörungen im traditionellen IQ-Diskrepanzmodell. Nach einem Überblick über diagnostische Alternativen wird auf das präventionsorientierte Responsiveness-to-Intervention-Modell fokussiert, das in den USA derzeit große Beachtung findet. Neben der Beschreibung konzeptueller, struktureller und methodischer Aspekte dieses Modells werden vorläufige Befunde zur diagnostischen Validität und präventiven Effektivität referiert. Kritische Einwände und Befürchtungen in Bezug auf diese Innovation sowie zukünftige Herausforderungen für Forschung und Praxis runden den Beitrag ab. Schlüsselbegriffe: IQ-Diskrepanz, Lese-Rechtschreibstörung, Diagnostik, Prävention, Unterricht, Intervention Concept and Diagnostics of Literacy Learning Disabilities Within the Responsiveness-to-Intervention-Model: A Critical Appraisal n Summary: This article summarises research-based arguments against the appropriateness of the concept and diagnostics of reading and writing disabilities within the traditional IQ-achievement discrepancy model. After an overview of alternative diagnostic models, the focus lies on the preventionoriented responsiveness-to-intervention model that currently attracts much attention in the USA. The description of conceptual, structural and methodical aspects of this model is followed by preliminary findings on its diagnostic validity and preventive effectiveness. The author concludes his reflections with critical objections and concerns about this innovation, but he also specifies the future challenges for research and practice. Keywords: IQ-discrepancy, reading disability, diagnostics, prevention, instruction, intervention VHN 2/ 2008 124 Erich Hartmann licher Intelligenz und rückständiger Schriftsprachleistung in die diagnostische Kategorie der spezifischen Lese-Rechtschreibstörung. Weil die Probleme dieser Kinder beim Erwerb der Schriftsprache nicht durch intellektuelle Minderbegabung erklärbar sind und gemäß zusätzlichen Ausschlusskriterien auch nicht durch neurologische Defizite, emotionale Störungen, mangelhaften Unterricht und ungünstige sozioökonomische Faktoren bedingt werden, gelten sie als erwartungswidrig. Dies im Gegensatz zur allgemeinen Lese-Rechtschreibschwäche, bei der sich keine Diskrepanz zwischen rückständigen Schriftsprachkompetenzen und unterdurchschnittlicher Intelligenz der Betroffenen erkennen lässt (vgl. z. B. Klicpera/ Gasteiger-Klicpera 1995; Marx u. a. 2001; Walter 2005). Dem IQ-Diskrepanzkonzept und der daraus resultierenden Zweigruppen-Klassifikation liegen verschiedene, lange Zeit nicht hinterfragte Annahmen zugrunde: a) Intelligenz determiniert das schriftsprachliche (Lern-)Potenzial einer Person; b) Intelligenztests sind für die (Differenzial-)Diagnostik von Lese-Rechtschreibproblemen unerlässlich und liefern förderrelevante Informationen; c) spezifische Lese-Rechtschreibstörungen und allgemeine Lese-Rechtschreibschwächen sind hinsichtlich Symptomatik, Ätiologie, Prognose und Behandelbarkeit distinkte diagnostische Kategorien (vgl. Vellutino u. a. 2000; Vaughn; Fuchs 2003). Im deutschsprachigen Raum wurde das Diskrepanzkonzept der Legasthenie schon in den 1970er Jahren von der Antilegastheniebewegung heftig kritisiert. Insbesondere Schlee (1976) bemängelte grundlegende konzeptionelle und methodische Schwächen. Seine Kritik, die auch pädagogische und sozialrechtlich-finanzielle Probleme einer Diagnose resp. Nichtdiagnose von Legasthenie thematisierte, hatte allerdings keine durchgreifenden Konsequenzen. So wird laut Marx u. a. (2001) in Forschung und Praxis noch heute weitgehend an der IQ-Diskrepanzdefinition festgehalten. Dies dürfte u. a. auf die Etablierung von internationalen Klassifikationssystemen wie z. B. die Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 der WHO (Dilling u. a. 1993) zurückzuführen sein, die eine „vereinfachte Variante“ der IQ-Diskrepanz als einen fundamentalen Bestandteil der Definition von Lese-Rechtschreibstörungen/ Legasthenie beibehalten (Klauer 2003, 134). Darüber hinaus sind die Forschungsbemühungen zur diagnostischen Validität des klassischen Legastheniekonzepts „lange Zeit mehr als spärlich gewesen“ (Walter 2005, 63), was dessen Prominenz wohl begünstigen konnte. In den USA wurde die empirische Forschung zur IQ-Diskrepanzdefinition der (specific) reading disability ab den 1980er Jahren intensiviert, was auch positive Impulse auf die deutsche Forschung hatte. Mittlerweile stellen zahlreiche Befunde aus dem angloamerikanischen Raum - in wesentlicher Übereinstimmung mit neueren deutschsprachigen Studien - die konzeptionelle, psychometrische und pädagogische Angemessenheit des IQ-Diskrepanzmodells in Frage (vgl. z. B. Lyon u. a. 2001; Bishop/ Snowling 2004; Walter 2005). Die im folgenden Überblick skizzierten Schwachstellen decken sich in wesentlichen Teilen mit der frühen Kritik von Schlee (1976) und erweitern diese. a) Theoretisch-konzeptuelle Probleme ergeben sich aus der Annahme eines engen Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Schriftsprachleistung. Intelligenz taugt jedoch nicht als robuster Prädiktor für das schriftsprachliche Niveau bzw. Lernpotenzial eines Individuums. Der statistische Zusammenhang zwischen Intelligenz und Lese-/ Rechtschreibleistungen ist nur mittelhoch bzw. wenig beeindruckend (z. B. Gustafson/ Samuelsson 1999; Marx u. a. 2001). Vellutino u. a. (2000) gelangen aufgrund von Lesestudien zum Schluss, dass das Diskrepanzmodell auf einer Fehlkonzeption des Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Leseleistung basiert, bedingt durch eine inadäquate Analyse der kognitiv-linguistischen VHN 2/ 2008 125 Schriftsprachliche Lernstörungen Prozesse, die beiden Bereichen zugrunde liegen. Fraglich ist besonders auch die Annahme eines einseitigen Kausalzusammenhangs. Mittlerweile gibt es ausreichende Evidenz, dass erfolgreiches Lesenlernen die Entwicklung kognitiver und linguistischer Fähigkeiten begünstigt. Demgegenüber haben (frühe) Leseprobleme und eine dadurch bedingte, eingeschränkte Lesepraxis oft negative Effekte auf die Weiterentwicklung sprachlicher und kognitiver Kompetenzen. Auch wenn die Intelligenz von legasthenen Kindern nicht primär beeinträchtigt ist, kann sie durch Sekundäreffekte von Lesedefiziten herabgesetzt werden. Es entspricht aber keiner logisch-validen Operation, schwache Leser mit geringer Intelligenz, die teilweise durch Leseprobleme bedingt wurde, von der Kategorie der Dyslexie bzw. Legasthenie auszuschließen (Gustafson/ Samuelsson 1999; Bishop/ Snowling 2004). b) Psychometrisch-diagnostische Schwächen des „atheoretischen und arbiträren“ IQ-Diskrepanzmodells (Fuchs/ Fuchs 2006, 96) zeigen sich zunächst darin, dass die in Forschung und Praxis verwendeten Operationalisierungen von Intelligenz und Lese-/ Rechtschreibleistung sowie die Kriterien für eine signifikante IQ-Diskrepanz uneinheitlich sind, was unreliablen Diagnosen Vorschub leistet. Messtechnische Schwächen resultieren überdies aus der für die IQ-Diskrepanzbestimmung erforderlichen Durchführung von zwei (oder mehreren) Tests zu einem Zeitpunkt: Da Intelligenztests ebenso wie Lese- und Rechtschreibtests mit Messfehlern behaftet sind, erhöht sich dadurch die Gefahr einer Fehlerkumulation. Die reduzierte Reliabilität der Daten beeinträchtigt die Validität der diagnostischen Entscheidung im Sinn von falsch negativen und falsch positiven Klassifikationen (vgl. Francis u. a. 2003; Fletcher/ Denton 2003). c) Die Validität der traditionellen Zweigruppen-Klassifikation spezifische Lese-Rechtschreibstörung versus allgemeine Lese-Rechtschreibschwäche hat sich in der jüngeren Forschung insgesamt als zweifelhaft erwiesen. Studien zu dieser Fragestellung lieferten zwar auch uneinheitliche Befunde, sprechen in der Mehrzahl aber gegen die Annahme, dass sich Kinder mit diskrepanten bzw. nicht-diskrepanten Lese- Rechtschreibproblemen in Bezug auf Symptomatik, schriftsprachnahe kognitive Variablen, ätiologische Faktoren sowie Verlaufsprognose und Therapierbarkeit wesentlich voneinander unterscheiden (vgl. z. B. Lyon u.a. 2001; Stuebinger u. a. 2002; Walter 2005). Die Abwesenheit bedeutsamer Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, die in ähnlicher Weise linguistische (phonologische) Defizite zeigen, lässt es ungerechtfertigt erscheinen, spezifische Fördermaßnahmen nur Kindern mit diskrepanten Schriftsprachproblemen zukommen zu lassen. Es ist unfair, solche Interventionen allgemein lese-rechtschreibschwachen Kindern vorzuenthalten, da sie ebenso der gezielten Förderung bedürfen (Fuchs u. a. 2003) und „durchaus Grund zur Annahme besteht, dass auch diese Gruppe von therapeutischen Ansätzen profitieren kann“ (Marx. u. a. 2001, 96). d) Als wait-to-fail-model (Vaughn; Fuchs 2003, 139) erlaubt die IQ-Diskrepanzdefinition keine frühen oder präventiven Interventionen: Oft muss jahrelang gewartet werden, bis die Schriftsprachleistung genügend weit hinter der Intelligenz zurück liegt, damit die Diagnose Dyslexie bzw. Legasthenie gestellt werden kann, die den Betroffenen späten Zugang zu systematischen Fördermaßnahmen eröffnet. Aus der Forschung ist indessen bekannt, dass Schriftsprachprobleme um so schwieriger zu beeinflussen sind, je älter die betroffenen Kinder sind (Lyon u. a. 2001). Auf dem Hintergrund der skizzierten Probleme besteht in der aktuellen Literatur ein breiter Konsens, dass das IQ-Diskrepanzmodell zur Definition und Diagnostik von (unerwarteten) schriftsprachlichen Lernstörungen ungeeignet, ja, sogar mehr schädlich als nützlich ist und daher aufgegeben werden sollte. VHN 2/ 2008 126 Erich Hartmann 2 Alternative Diagnostikmodelle im Überblick Damit stellt sich die Frage nach besseren konzeptionell-diagnostischen Alternativen, die an die Stelle des fragwürdigen IQ-Diskrepanzkonzepts treten könnten. Bisherige Vorschläge sind nicht zahlreich, stammen vorwiegend aus dem angloamerikanischen Raum und fokussieren auf das Problem der reading disability als hervorstechende Manifestation einer schulischen Lernbeeinträchtigung. Zu den bekannten Alternativen zählen das Hörverständnis-Leseverständnis-Diskrepanz-Modell, das low-achievement-Modell, das phonologische Defizitmodell und das Responsiveness-to-Intervention-Modell (nachfolgend RTI-Modell). Alle diese Modelle verzichten auf die IQ-Diskrepanz und verwenden stattdessen jeweils unterschiedliche Alternativkriterien zur Definition von Lesestörungen (vgl. Francis u. a. 2003; Vaughn/ Fuchs 2003; Bishop/ Snowling 2004): n Das Hörverständnis-Leseverständnis-Diskrepanz-Modell (Stanovich 1991) setzt die Leseleistung mit dem Hörverstehen in Beziehung. Spezifische Lesedefizite liegen vor, wenn gehörte (vorgelesene) Texte adäquat verstanden werden können, beim Lesen und Verstehen derselben aber Probleme bestehen. n Im low-achievement-Modell werden Leseprobleme definiert als unterer Bereich der normalverteilten Schriftsprachleistung in der Population der gleichaltrigen Schulkinder. Als arbiträrer Grenzwert wird oft das 25. Perzentil in einem standardisierten Lesetest verwendet (vgl. Fletcher u. a. 1994; Bishop/ Snowling 2004). n Das phonologische Defizitmodell (Stanovich/ Siegel 1994) fokussiert auf lautbasierte Verarbeitungsprozesse und -fähigkeiten (z. B. phonologische Bewusstheit), die für die frühe Schriftsprachentwicklung bedeutsam sind. Als zentrales Definitionskriterium einer Lesestörung fungiert ein phonologisches Kerndefizit, das die Entwicklung des Worterkennens erheblich beeinträchtigt (vgl. Bishop/ Snowling 2004). n Als eine Form von „dynamischem Assessment“ (Gersten/ Dimino 2006, 100) stützt das RTI-Modell die Konzeption und die Diagnostik von Lesestörungen (und anderen Lerndefiziten) auf das Kriterium des Lernens als Funktion von allgemein effektiven Schriftsprachinstruktionen und präventiven Interventionen im regelpädagogischen Kontext. Im Rahmen dieses Modells werden (unerwartete) Leselernstörungen definiert als persistierende Nichtresponsivität gegenüber solchen pädagogischen Maßnahmen und am Ende eines mehrstufigen Intervention-Responsiveness-Assessments (nachfolgend IRA) diagnostiziert. Da das RTI-Modell präventive und diagnostische Zielsetzungen verknüpft, wird es auch als Präventions- und Diagnostikmodell diskutiert und erforscht (vgl. Vaughn/ Fuchs 2003; Mellard u. a. 2004; Fuchs/ Fuchs 2006 und Kap. 3). Keines der skizzierten Modelle ist derzeit generell akzeptiert und verbreitet, jedes hat gewisse Schwächen: So generiert auch das Hörverständnis-Leseverständnis-Diskrepanz-Modell wegen der Durchführung von zwei Tests eine Messfehlerkumulation und kann aufgrund eingeschränkter Reliabilität keine akzeptable Validität der Diagnose sicherstellen. Mit nur einem Test zu einem bestimmten Zeitpunkt vermeidet das low-achievement-Modell zwar die Reliabilitätseinbuße, die aus dem Vergleich von Leistungen aus zwei oder mehreren Testverfahren resultiert. Es ergibt sich jedoch das Problem der Instabilität um einen willkürlichen Grenzwert, zumal kein einzelner Testwert die Fähigkeit in einer unperfekt gemessenen Variable perfekt erfassen kann (Francis u. a. 2003). Überdies operationalisiert das low-achievement-Modell eine unerwartete Minderleistung im Lesen nicht wirklich: Mit dieser Methode diagnostizierte Kinder haben nicht notwendigerweise eine spezifische Lernstörung, da nämlich ihre schriftsprachlichen Probleme mit allge- VHN 2/ 2008 127 Schriftsprachliche Lernstörungen mein-kognitiven Defiziten einhergehen können (Fletcher/ Denton 2003; Bishop/ Snowling 2004). Ähnliche psychometrische Schwierigkeiten wie das IQ-Diskrepanzkonzept impliziert das phonologische Verarbeitungsdefizitmodell. Dieses vermag zwar eher kohärente Gruppen von leseschwachen Kindern zu identifizieren; wegen des einseitigen Fokus auf eine einzelne Störungsdimension wird es der Komplexität von Lesestörungen aber kaum gerecht (Bishop/ Snowling 2004). Im Gegensatz zu den bisherigen Alternativen nutzt das RTI-Modell Serien von diagnostischen Messungen über die Zeit. Wie Francis u. a. (2003) begründen, sind Diagnostikmodelle, die RTI integrieren, dem IQ-Diskrepanzansatz konzeptuell und psychometrisch grundsätzlich überlegen. Zwar beinhaltet auch das RTI-Modell eine Diskrepanz. Diese wird aber nicht in Bezug auf Intelligenz, sondern auf Lernerwartungen definiert und zudem auf der Basis mehrmaliger Datenerhebungen bestimmt. Es sei darauf hingewiesen, dass es in der deutschsprachigen sonderpädagogischen Literatur methodische Parallelen zum amerikanischen RTI-Diagnostikmodell gibt. Hier ist zunächst der Probeunterricht nach Bernart (1965) angesprochen, welcher der differenzialdiagnostischen Untersuchung von lernauffälligen Schulanfängern und der Feststellung ihrer Schulreife dienen sollte (vgl. Kornmann 2003). Weiter ist auf den später auch als Lernfähigkeitsdiagnostik oder dynamisches Testen bekannt gewordenen Ansatz von Guthke (1972) hinzuweisen (vgl. auch Klauer 2003), bei dem die Validität von Leistungstests dadurch erhöht wird, dass die diagnostischen Messungen nicht „einmal, sondern mehrfach, mindestens zweimal, mit jeweils zwischengeschalteten ‚Pädagogisierungsphasen‘ durchgeführt werden“. Die Grundidee dieses Ansatzes findet sich schon „im Aufnahmeverfahren zur Hilfsschule in der DDR. Dort wurden die Kinder im Rahmen einer Probewoche sehr gründlich untersucht, wobei insbesondere die Fragestellung leitend war, ob und inwieweit sich bei den einzelnen Kindern ‚Lernerfolgstendenzen‘ oder ‚Lernpotenzen‘ in Abhängigkeit von den weitgehend standardisierten Probelektionen zeigten“ (Kornmann 2003, 37). Aus strikt messtechnisch-statistischer Sicht hat RTI eine größere Reliabilität des zugrunde liegenden psychometrischen Modells als der IQ-Diskrepanzansatz (Francis u. a. 2003). Weiter sprechen bisherige Forschungen in Bezug auf Leselernprobleme für eine beachtliche Validität der RTI-Diagnostik (vgl. Kap. 3.3). In den USA steht RTI aktuell denn auch „an erster Stelle der empfohlenen Ansätze“ (Speece u. a. 2003, 15). Dies spiegelt sich im revidierten Individuals with Disabilities Educational Improvement Act wider (IDEA 2004). Dieses Gesetz sieht vor, dass zur Diagnostik von schulischen Lernstörungen nun auf die IQ-Diskrepanzbestimmung verzichtet werden kann. Stattdessen darf im Rahmen des diagnostischen Verfahrens festgestellt werden, ob ein Kind auf evidenzbasierte regelpädagogische Instruktionen und Interventionen positiv anspricht oder nicht. Dieses Gesetz unterstützt das präventive Anliegen des RTI-Modells, indem es den Distrikten erlaubt, bis zu 15 % der finanziellen Ressourcen für sonderpädagogische Maßnahmen zugunsten von frühen Interventionen für Risikokinder zu verwenden (Fuchs/ Fuchs 2006). Das RTI-Modell ist mit „beachtlichem Optimismus und Hoffnung“ verbunden (Mellard u. a. 2004, 230). Seine postulierten Vorzüge sind denn auch vielfältig: Unterrichtsoptimierung; Vermeidung von „teaching disabilities“; Früherkennung und Prävention von Lernstörungen; Reduktion von diagnostischen Fehlklassifikationen; Verminderung des Anteils an Schulkindern in sonderpädagogischen Programmen; Überwindung der Kluft zwischen Diagnostik und Intervention; Verbesserung der Kooperation von Regel- und Sonderpädagogik (Speece u. a. 2003; Vaughn/ Fuchs 2003). Die Erwartungen sind also hoch gesteckt, während allerdings die wissenschaftlichen Belege für die Gültigkeit all dieser potenziellen Vorteile noch unvollständig sind. Daher soll VHN 2/ 2008 128 Erich Hartmann nachfolgend das in der deutschsprachigen sonderpädagogischen Literatur m. W. noch nicht rezipierte RTI-Modell mit Bezug auf Schriftsprachprobleme nicht nur näher dargestellt, sondern auch kritisch beleuchtet werden. Damit verbindet sich das Bemühen, den wissenschaftlichen Diskurs über dynamische und präventionsorientierte Diagnostikmodelle in unserem Sprachraum zu beleben. 3 Reading disabilities im RTI-Modell 3.1 Konzeptionell-diagnostische Grundlagen Das RTI-Modell ist einem diagnostischen Paradigma verpflichtet, das unzureichende Instruktion und Intervention als Ursache von schulischen Lernproblemen auszuschließen versucht: „Nur durch systematische Erhöhung der Instruktionsqualität und durch Messung der kindlichen Antwort auf diese Instruktion können Schlussfolgerungen über die Möglichkeit gezogen werden, dass kindliche Defizite (…) zu den Lernschwierigkeiten beitragen“ (Speece u. a. 2003, 147). Die Grundannahme lautet: Wenn ein Kind auf einen getreu implementierten, forschungsbasierten (Lese-)Unterricht und auf frühe präventive Zusatzinterventionen nicht adäquat anspricht, dann können diese Kontextvariablen als Erklärung für kindliche Nichtresponsivität eliminiert werden. Stattdessen wird angenommen, dass den unerwarteten Lernschwierigkeiten individuelle Defizite bzw. eine (reading) disability zugrunde liegt, die in der jüngeren Forschungsliteratur mit linguistischen (v. a. phonologischen) Verarbeitungsschwächen und neurologischen Faktoren kausal in Verbindung gebracht wird (vgl. Mellard u. a. 2004; Fiorello 2006; Fuchs/ Fuchs 2006). Wenn eine Störung im Schriftspracherwerb aber definiert wird als persistierende Nichtresponsivität gegenüber allgemein wirksamen Leseinstruktionen und Interventionen, so stellt sich die Frage nach der adäquaten Konzeption und Operationalisierung dieses Kernkriteriums, worauf in Kapitel 3. 3 weiter eingegangen wird. Zudem bleibt zu klären, ob Nichtresponsivität in einer „RTI-only perspective“ (Flanagan u. a. 2006, 814) ausreichend ist, um Kinder mit einer Lesestörung im herkömmlichen Sinn zuverlässig zu identifizieren und komplexe Entscheidungen über individualisierte sonderpädagogische Interventionen treffen zu können (vgl. Kap. 4). Hierzu ist anzumerken, dass diagnostische Subgruppen wie spezifische Lesestörung versus allgemeine Leseschwäche in der Literatur zum RTI-Modell eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn sich seine Befürworter bis heute nicht klar gegen eine subkategorisierende Diagnostik ausgesprochen haben (Kavale u. a. 2005). 3.2 RTI-Komponenten und Interventionsebenen Der Terminus RTI-Modell ist insofern missverständlich, als es nicht das RTI-Modell gibt. Während in Forschung und Praxisinitiativen verschiedene Varianten zur Anwendung kommen, beinhaltet der RTI-Archetyp die folgenden Kernelemente: Evidenzbasierter Regelunterricht in Verbindung mit Screening und Lerndiagnostik auf Klassen- und Individualebene; datenbasierte Entscheidungen hinsichtlich Responsivität; forschungsbasierte Zusatzinterventionen für Risikokinder in Verbindung mit Lerndiagnostik; Dokumentation der Treue von implementierten Instruktionen und Interventionen; Identifikation und Zuweisung von Kindern mit anhaltender Nichtresponsivität zu sonderpädagogischen Interventionen. Die Einbettung dieser instruktionalen und diagnostischen Komponenten erfolgt in hierarchischen Mehrebenen-Modellen, wobei das 3-Ebenen-Modell die bevorzugte Variante ist. Aufgrund reduzierter Komplexität stellt sie nämlich eine bessere Implementationstreue und Praktikabilität in Aussicht als komplexere RTI-Varianten (vgl. Mellard u. a. 2004; Troia 2005). VHN 2/ 2008 129 Schriftsprachliche Lernstörungen Die in der Literatur uneinheitlich bezeichneten Ebenen werden nachfolgend als a) Regelunterricht (primäre RTI-Ebene), b) fokussierte Intervention (sekundäre RTI-Ebene) und c) spezielle oder sonderpädagogische Intervention (tertiäre RTI-Ebene) benannt. Auf jeder Ebene wird die kindliche Lernentwicklung gemessen und evaluiert, um bestimmen zu können, welche Schulkinder erfolgreich lernen und welche unresponsiv sind und daher intensivere resp. sonderpädagogische Interventionen benötigen. Regelunterricht Ein exzellenter, evidenzbasierter Schriftsprachunterricht für alle Kinder gilt als Herzstück einer Erfolg versprechenden Prävention von Schriftsprachproblemen (vgl. Foorman 2003; Hartmann 2007). Ziel des qualitativ hochstehenden Unterrichts ist es, allen Kindern in den ersten Schuljahren diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten (phonologische Bewusstheit, Phonem-Graphem-Korrespondenzen, Worterkennen, Leseflüssigkeit, Wortschatz u. a.) zu vermitteln, die sie benötigen, um sich zu kompetenten Lesern entwickeln zu können. Diese wichtige Aufgabe fällt in den Zuständigkeitsbereich der Regelpädagogik. Die Regellehrperson hat täglich einen wirksamen Schriftsprachunterricht mit Klassen- und Kleingruppeninstruktionen sowie kooperativen Lernaktivitäten sicherzustellen. Um ihre unterrichtlichen und diagnostischen Aufgaben effizient erfüllen zu können, sind Lehrpersonen auf eine gute Ausbildung und auf Unterstützung und Kooperation mit anderen Mitgliedern des Schulteams angewiesen (Vaughn 2004). Fokussierte Intervention Solche Interventionen sind für Schulbzw. Risikokinder vorgesehen, für deren Lernentwicklung sich der allgemeine Unterricht nicht als ausreichend erweist. Sie setzen so bald wie möglich ein, nachdem festgestellt wird, dass bestimmte Kinder im schriftsprachlichen Lernen zurückbleiben. Fokussierte Interventionen ergänzen und unterstützen den regulären Unterricht und werden von Regelpädagogen oder (Lese-)Spezialisten im regelpädagogischen Kontext durchgeführt. Wie Marston (2003) unterstreicht, verlangt die zweite Interventionsebene eine erhöhte Zusammenarbeit zwischen Allgemeiner und Spezieller Pädagogik. Fokussierte Zusatzinterventionen beinhalten evidenzbasierte Strategien und Methoden, die auf noch nicht beherrschte curriculare Lernziele fokussieren. Sie sind intensiv und umfassen typischerweise mehrere wöchentliche Interventionseinheiten à 30 - 45 Minuten über 10 bis 15 Wochen. Neben der bevorzugten Kleingruppenform mit einem kleinen Erwachsenen- Schüler-Verhältnis (1 : 3 bis 1 : 5) können sie auch als Einzelinterventionen angeboten werden, und zwar klassenintegriert und/ oder außerhalb der Klasse (vgl. McMaster u. a. 2003). Fokussierte Interventionen können nach zwei verschiedenen Ansätzen erfolgen (Fuchs u. a. 2003): Der Problemlösungsansatz fokussiert auf flexible, individualisierte Interventionen. Er verlangt die Zusammenarbeit eines Teams, das aufgrund einer Problemanalyse angemessene Interventionen für Risikokinder plant. Während dieser Ansatz für individuelle Lernschwierigkeiten und -bedürfnisse sensitiv ist, begünstigt er eine reduzierte Treue und Validierung der Interventionen. Bei der Alternative, dem Standard Treatment Protokoll-Ansatz, handelt es sich um festgelegte evidenzbasierte Interventionen. Das standardisierte Vorgehen nimmt weniger Rücksicht auf individuelle Unterschiede, es hat gegenüber dem Problemlösungsansatz aber andere Vorteile: leichtere Aneignung und Durchführbarkeit, höhere Interventionstreue und Einsatz für Gruppen. Für beide Ansätze gibt es aus der bisherigen Forschung ermutigende Belege für ihre präventive Effektivität (vgl. Kap. 3.4). Erweist sich ein Risikokind auf der sekundären RTI-Ebene als responsiv, wird es aus der fokussierten Intervention in den allgemeinen Unterricht entlassen. Im anderen Fall kann eine VHN 2/ 2008 130 Erich Hartmann zweite Runde an intensiven Interventionen erfolgen oder das unresponsive Kind wird direkt speziellen Interventionen zugewiesen (Vaughn 2004). Spezielle Intervention Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Maßnahmen haben spezielle Interventionen remedialen Charakter und liegen im Verantwortungsbereich von schulnahen sonderpädagogischen Fachpersonen. Spezielle Interventionen dauern in der Regel länger als fokussierte Maßnahmen und repräsentieren die kostenintensivste RTI-Ebene. Sie sollten evidenzbasiert, stark individualisiert, intensiv und explizit sein und auf (förderbare) Lernvoraussetzungen und -bereiche fokussieren, in denen die Kinder individuelle Defizite zeigen. Sprechen Kinder positiv darauf an und erreichen vorgegebene Lernziele ihrer Klassenstufe, so gelten sie als „normalisiert“ und werden aus der speziellen Intervention in den regulären Unterricht entlassen. Sollte sich dieser für weitere Fortschritte (wieder) als unzureichend erweisen, können erneut fokussierte Interventionen implementiert werden. Für Kinder mit unbefriedigenden Fortschritten auf der tertiären RTI-Ebene werden sonderpädagogische Maßnahmen hingegen zu einer längerfristigen Option (Marston 2003; Vaughn 2004). 3.3 Definition und Messung von Nichtresponsivität Für Kavale u. a. (2005) sind viele Komponenten des RTI-Modells gut spezifiziert, das Kernkriterium der Nichtresponsivität zeichne sich aber durch Vagheit aus. Diese Einschätzung trifft u. E. nicht zu, zumal in der Literatur sehr wohl Methoden zur Messung von Lesefortschritten und Definitionskriterien für Nichtresponsivität expliziert und diskutiert werden. Zutreffend ist, dass sich die aktuell verwendeten Methoden und Kriterien uneinheitlich gestalten. RTI-Diagnostik verlangt nach validen und reliablen Assessments für alle Klassenstufen (Gersten/ Dimino 2006). Für eine zuverlässige Identifikation von unresponsiven Schulkindern sind verschiedene Komponenten des IRA zu spezifizieren: Messzeitpunkt und -instrument, Kriterium für Nichtresponsivität und Interventionsebene. Zur Spezifizierung dieser Dimensionen kommen in der Forschung unterschiedliche Methoden zur Anwendung (Fuchs 2003; Fuchs u. a. 2003): n Mit Bezug auf den Messzeitpunkt wird unterschieden zwischen der Endstatus-Methode, bei der am Ende der Intervention Daten erhoben werden, und der Zuwachs-Methode, welche die Kinder vor und nach der Intervention oder periodisch während der Intervention testet. Diese beiden Methoden werden im dualen Diskrepanzansatz kombiniert, der messtechnische Nachteile der beiden Verfahren überwinden will. Dabei werden kontinuierlich curriculumbasierte Maße (z. B. Wortlesen) erhoben und analysiert, um zu bestimmen, welche Kinder in der Leseleistung und im Lernzuwachs zurückbleiben. n Auch für die Messinstrumente gibt es verschiedene Optionen. Zur Anwendung kommen normbasierte Testverfahren, kriteriumsbezogene Tests, curriculumbasierte Messungen oder Kombinationen dieser Methoden. n Das Kriterium der Nichtresponsivität erfordert die Anwendung eines Standards auf gewonnene Messwerte zur Bestimmung eines Grenzwertes, der zwischen responsiven und nichtresponsiven Kindern differenzieren soll. Dieses arbiträre Kriterium kann völlig normativ sein und auf der Normalverteilung einer spezifizierten Referenzpopulation beruhen (z. B. 25. Perzentil in einem standardisierten Lesetest), es kann teilweise normativ sein und auf einem Vergleich mit anderen Interventionsteilnehmern (Klassenkameraden) basieren oder aufgrund von benchmarks festgelegt sein. VHN 2/ 2008 131 Schriftsprachliche Lernstörungen n Hinsichtlich der Intervention ist im 3-Ebenen-Modell zwischen dem regulären Unterricht und der fokussierten Förderung zu unterscheiden, in denen sich ein Kind als nachhaltig unresponsiv erweisen muss, bevor eine Lesestörung diagnostiziert wird und sonderpädagogische Interventionen einzuleiten sind. Zwar haben erst wenige Studien verschiedene Varianten zur Definition und Operationalisierung von Nichtresponsivität systematisch evaluiert, d. h. untereinander wie auch im Vergleich zu anderen Kriterien. Doch untermauert die bisherige RTI-Forschung zum Lesenlernen die Konstruktvalidität des IRA und die Sensitivität und Spezifität der dualen Diskrepanzmethode: Nach Speece u. a. (2003) vermag duale Diskrepanz aufgrund von curriculumbasierten Messungen jüngere unresponsive Kinder unabhängig von ethnischen und geschlechtlichen Faktoren valide zu identifizieren. Die mit dieser Methode erfassten nichtresponsiven Kinder zeigten im Vergleich zu unauffälligen Lernern klare Defizite in leserelevanten Fertigkeiten. Die Effekte der dualen Diskrepanzmethode waren im Vergleich zum IQ-Diskrepanzmodell und zum low-achievement-Modell stärker. Die Studie von McMaster u. a. (2003) weist in dieselbe Richtung. Sie konnte belegen, dass curriculumbasierte Maße reliable und valide Indikatoren für kindliche Lesefertigkeiten sind, und dass die duale Diskrepanzmethode unresponsive Erstklässler erfasst, die sich hinsichtlich relevanter Merkmale signifikant von lernunauffälligen Peers unterscheiden. Wie die Ergebnisse weiter vermuten lassen, ist die duale Diskrepanzmethode zuverlässiger als die Endstatuts- Methode und die Zuwachs-Methode. Die Frage nach der zuverlässigsten und praktikabelsten IRA-Methode ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie auch Fuchs u. a. (2003) betonen. Sie konnten aufzeigen, dass verschiedene IRA-Spezifizierungen problematischerweise unterschiedliche Prävalenzraten von Lesestörungen und unterschiedliche Subgruppen von unresponsiven Kindern produzieren. Aktuell besteht unter Experten also kein Konsens, wie Nichtresponsivität auf verschiedenen RTI-Ebenen und in verschiedenen Phasen des Schriftspracherwerbs am besten definiert und operationalisiert werden soll. Dies gibt Anlass zur Kritik am diagnostischen Anliegen von RTI und unterstreicht die Forderung nach wissenschaftlichen Bemühungen zur Entwicklung einheitlicher Methoden und Kriterien für das IRA (vgl. Kap. 4). Da die diagnostische Anwendung des RTI- Modells noch nicht sehr intensiv erforscht ist, sind breiter angelegte Studien zur diagnostischen Validität und Effektivität erforderlich, bevor an eine flächendeckende Implementation gedacht werden kann. Die zukünftige Forschung hat klare Vorteile des IRA gegenüber anderen Methoden zu belegen. Sie sollte offen bleiben für die Möglichkeit, dass es einfachere psychometrische Modelle gibt, die besser geeignet sind als das IQ-Diskrepanzmodell und die eher getreu implementiert werden können als RTI (Fuchs u. a. 2003). 3.4 Befunde zur präventiven Wirksamkeit Im Rahmen des RTI-Modells sollen exzellente Schriftsprachinstruktionen und Zusatzinterventionen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass in den ersten Schuljahren möglichst alle Schülerinnen und Schüler erfolgreich lesen lernen. Eine Reihe von kontrollierten Studien spricht für die präventive Wirksamkeit von solchen Instruktionen und Interventionen. Aufgrund vorliegender empirischer Evidenz wird in der Literatur davon ausgegangen, dass ein forschungsbasierter Leseunterricht für etwa 80 % der Schulkinder effektiv ist, wobei dieser Anteil in Klassen mit einer Konzentration von Risikokindern geringer sein kann. Für fokussierte Schriftsprachinterventionen liegen vorläufige Befunde vor, wonach der überwiegende VHN 2/ 2008 132 Erich Hartmann Anteil der Risikokinder davon profitiert (vgl. z. B. Kame´enui u. a. 2002; Foorman 2003; Kamps/ Greenwood 2003; Denton u. a. 2006). Bezüglich fokussierter Interventionen nach dem standardisierten oder problemlösungsorientierten Ansatz (vgl. Kap. 3.2) ist anzumerken, dass beide Varianten wirksam sind, auch wenn die Befunde für das standardisierte Vorgehen überzeugender sind als für den weniger gut erforschten Problemlösungsansatz. Allerdings ist die Effektivität dieser Alternativen noch nicht innerhalb desselben experimentellen Designs verglichen worden (Fuchs/ Fuchs 2006). Da standardisierte Interventionen bislang vorwiegend in der Forschung zum Einsatz gekommen sind, bleibt offen, wie sich ihre Anwendung im alltäglichen Schulkontext bewähren wird. Obwohl sich qualitativ hochstehende regelpädagogische Instruktionen und fokussierte Zusatzinterventionen präventiv als sehr effektiv erwiesen haben, können sie nicht sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler in den ersten Klassen erfolgreich lesen lernen. So zeigen bis zu 5 % der Primarschulkinder trotz aller Bemühungen anhaltende Nichtresponsivität und somit Leseprobleme. Diese durch zukünftige Forschung weiter abzusichernde Häufigkeitsangabe ist jedoch geringer als der übliche Anteil der Kinder mit spezifischen und allgemeinen Leseproblemen (Kamps/ Greenwood 2003; Torgesen 2004). Offenbar sprechen leseschwache Kinder (Nonresponders), die zuvor reguläre Instruktionen und fokussierte Interventionen im Sinne von RTI erhalten haben, besser auf remediale Maßnahmen an als lesebeeinträchtigte Kinder, die nicht oder nur teilweise an solchen Unterrichts- und Fördermaßnahmen teilgenommen haben. Vorausgehende RTI-Interventionen scheinen somit den Erfolg von sonderpädagogischen Bemühungen zu begünstigen (Denton u. a. 2006). Bei positiver Evidenz für die präventive Wirksamkeit von regulären Instruktionen und fokussierten Zusatzinstruktionen im Bereich des Lesenlernens besteht die Notwendigkeit weiterführender Präventionsforschung. Diese hat zu verfeinertem Wissen über - auch langfristig - effektive Unterrichts- und Interventionsmaßnahmen insbesondere für Risikokinder beizutragen Sie hat weiter zu klären, wie schriftsprachliche Probleme (z. B. im Bereich des Textverstehens) verhindert werden können, die über frühe Lernschwierigkeiten hinausgehen (Torgesen 2003). Ein wichtiges Ziel der zukünftigen Forschung sollte es auch sein, die besten Mittel und Bedingungen für eine getreue und erfolgreiche Durchführung von evidenzbasierten Unterrichtsmaßnahmen und Interventionen in den Schulen zu eruieren (McMaster u. a. 2003). Damit ist bereits die Frage der Praxisimplementation des RTI-Modells angesprochen (vgl. Kap. 5). 4 Kritik und Implikationen Zahlreiche Experten betrachten RTI als eine viel versprechende Alternative zum umstrittenen IQ-Diskrepanzmodell. Der positive Grundtenor in der Literatur wird allerdings von Kritik und Befürchtungen überlagert. Diese beziehen sich primär auf die diagnostische Anwendung und weniger auf das präventive Anliegen des RTI-Ansatzes. So sind Kavale u. a. (2005) der Auffassung, RTI sei zur Prävention von Leseproblemen zwar sinnvoll, für die Diagnostik von schulischen Lernstörungen jedoch ungeeignet. Dazu ist anzumerken, dass das RTI-Modell in den USA aktuell zumeist mit Bezug auf eine mehrdimensionale learning disability diskutiert wird, obwohl die RTI-Forschung bis heute fast ausschließlich auf Leseschwierigkeiten ausgerichtet ist. Dadurch könnte es nach Kavale u. a. (2005) zu einer Gleichsetzung von reading disability mit learning disability kommen, was zu einem diagnostischen Durcheinander führen könnte. Diese Gefahr dürfte allerdings nicht sehr hoch sein, denn wie auch RTI-Befürworter einräumen, sind andere Lernbereiche wie beispiels- VHN 2/ 2008 133 Schriftsprachliche Lernstörungen weise das Schreiben, Rechnen oder die Sprachkompetenz, die bei lernbeeinträchtigten Kindern zusätzlich betroffen sein können, in der RTI-Forschung bislang noch kaum Gegenstand von Untersuchungen. Da der wissenschaftliche Kenntnisstand zur diagnostischen (und präventiven) Anwendung des RTI-Modells auf umfassende schulische Lernbeeinträchtigungen erst am Anfang steht, wären entsprechende Forschungen voranzutreiben. Die Ausweitung des Intervention-Responsiveness-Assessments (IRA) auf zusätzliche relevante Lernbereiche würde allerdings den Aufwand und die Komplexität des diagnostischen Vorgehens im Rahmen des RTI-Modells erhöhen, was dessen Praktikabilität einschränken könnte (vgl. Fletcher u. a. 2004; Kavale u. a. 2005). Selbst mit Blick auf den Problemkreis von Lesestörungen ist der Forschungsstand unvollständig: Es gibt noch keinen allgemeinen Konsens, wie Nichtresponsivität als Kernkriterium für eine reading disability am besten definiert und operationalisiert werden soll bzw. wie unresponsive Kinder auf verschiedenen RTI-Ebenen und in unterschiedlichen Phasen ihrer Schriftsprachentwicklung am zuverlässigsten identifiziert werden können. Wenn sich das IRA jedoch bereits in der Forschung inkonsistent gestaltet, so ist auch in der Praxis mit Uneinheitlichkeit und fragwürdigen Diagnosen zu rechnen. Daher muss unbedingt ein homogener Ansatz zur Konzeption und Messung von Nichtresponsivität entwickelt werden. Diese Forderung gilt für alle Lernbereiche, auf die RTI angewendet werden soll. Weiterführende Forschungsbemühungen sollten vorteilhaft längsschnittlich angelegt sein und unterschiedliche IRA-Spezifizierungen in Bezug auf verschiedenartige Outcomevariablen evaluieren, sowohl untereinander als auch im Vergleich zu anderen diagnostischen Modellen (vgl. Fuchs 2003). Im Rahmen dieser kritischen Betrachtung muss weiter die Frage gestellt werden: Kann Nichtresponsivität als Kernkriterium für die Diagnose einer reading disability (oder learning disability) überhaupt ausreichend sein? Diese Frage wird mehrheitlich verneint. Tatsächlich ist die Gleichsetzung Nichtresponsivität = (Lese-) Lernstörung umstritten. Durch das IRA lassen sich zwar unresponsive Kinder bestimmen, eine differentialdiagnostische Unterscheidung zwischen Schülerinnen und Schülern mit einer (spezifischen) (Lese-)Lernstörung im traditionellen Sinn und Schulkindern, die aus anderen Gründen unresponsiv sind, lässt dieses Assessment jedoch nicht zu. Für Kavale u. a. (2005) ist Nichtresponsivität keine diagnostische Kategorie, sondern bloß ein negatives Ergebnis. Dieses sagt als solches nichts darüber aus, warum ein Kind trotz guter Instruktionen und früher Zusatzinterventionen beim Lernen versagt. Für ausbleibende Fortschritte muss nicht zwangsläufig eine (reading) disability verantwortlich sein. Anhaltende Nichtresponsivität kann durch zahlreiche andere Faktoren wie mentale Retardierung, sensorische und emotionale Störungen, Aufmerksamkeitsdefizite oder motivationale Probleme bedingt werden, die das IRA nicht systematisch erfassen bzw. ausschließen kann. Eine reine RTI-Diagnostik identifiziert letztlich eine heterogene Gruppe von lernauffälligen Kindern, die aus verschiedenen potenziellen Gründen nicht erwartungsgemäß auf allgemein wirksame Instruktionen und präventive Interventionen angesprochen haben. Eine Lesebzw. Lernstörung ist für Ofiesh (2006, 887) und andere Forscher aber „mehr als ein Mangel an RTI“. Daher dürfte es nur durch weiterführende diagnostische Untersuchungen möglich sein, die individuellen Faktoren einzugrenzen und zu beschreiben, die zu diesem Mangel an erwarteten Lernfortschritten führen (vgl. Scruggs 2003; Vaughn/ Fuchs 2003; Kavale u. a. 2005). Wie auch Fletcher und Denton (2003) betonen, sollte kein einzelnes Assessment bzw. Kriterium die alleinige Basis für die Diagnostik von schulischen Lernproblemen und für die Begründung von sonderpädagogischen Interventionen sein. Eine vertiefende Untersuchung von unresponsiven Kindern ist nicht nur für VHN 2/ 2008 134 Erich Hartmann eine zuverlässige Differenzialdiagnostik der im RTI-Prozess festgestellten Lernschwierigkeiten unerlässlich, sondern auch im Hinblick auf sachgerechte spezielle Interventionen: Da solche Kinder auf vermeintlich beste Unterrichts- und Präventionsmaßnahmen nicht wie erwartet angesprochen haben, ist es schwer vorstellbar, wie Sonderpädagogen ohne zusätzliche förderdiagnostisch relevante Informationen wirksame, alternative Strategien und Interventionen entwickeln könnten. Nur durch eine vertiefende Diagnostik lassen sich individuelle Stärken und Defizite von unresponsiven bzw. schriftsprachbeeinträchtigten Kindern aufdecken, was für die Planung und Durchführung von gezielten remedialen Interventionen unabdingbar ist. Zusammenfassend kann das IRA lediglich der erste Schritt der Diagnostik von (Lese-) Lernproblemen sein bzw. „nur eine Komponente einer umfassenden und traditionellen Evaluation“ darstellen (Fuchs/ Fuchs 2006, 94). Impliziert diese Position, dass RTI die IQ-Diskrepanz nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen soll? Während sich Autoren wie Kavale u. a. (2005) in Bezug auf learning disability dafür aussprechen, IQ-Tests und IQ-Diskrepanzbestimmung sollten als unverzichtbare diagnostische Elemente beibehalten werden, teilen andere Experten diese Meinung nicht (z.B. Lyon u. a. 2001; Fletcher/ Denton 2003). Mit Bezug auf schriftsprachliche Lernprobleme erachtet es der Autor als begründet und zulässig, im förderdiagnostischen Prozess auf IQ-Diagnostik und IQ-Diskrepanzbestimmung und somit auch auf die traditionelle Unterscheidung zwischen spezifischer Lese-Rechtschreibstörung und allgemeiner Lese-Rechtschreibschwäche zu verzichten. Wie weiter oben festgestellt wurde, differieren durchschnittlich intelligente (diskrepante) und weniger intelligente (nicht-diskrepante) schriftsprachgestörte Kinder nicht wesentlich hinsichtlich Erscheinungsbild, Ätiologie, Prognose und Therapierbarkeit. Anstelle von IQ-Tests sind für die vertiefende diagnostische Untersuchung neben standardisierten Lese-/ Rechtschreibtests (sofern im IRA unberücksichtigt) vor allem theoriegeleitete Instrumente zu schriftsprachrelevanten Voraussetzungen und Begleitprozessen einzusetzen, die bei Kindern mit Lese- und Rechtschreibproblemen oft beeinträchtigt sind. Hier sind insbesondere diagnostische Zielbereiche wie phonologische Verarbeitung, phonologische Bewusstheit und allgemein-linguistische Kompetenzen (u. a. Sprachverstehen, Wortschatz) angesprochen (vgl. Bishop/ Snowling 2004; Fiorello u. a. 2006). Die aus diesen Zusatzuntersuchungen resultierenden Daten dürften eine ausreichend solide Grundlage für die Planung von individualisierten und Erfolg versprechenden sonderpädagogischen Interventionen bilden. 5 Praxisimplementation als Herausforderung und Ausblick Unbestritten stellt die flächendeckende Praxisimplementation des RTI-Modells ein komplexes Unterfangen dar, dessen erfolgreiche Bewältigung eine enorme Herausforderung bedeutet. Sie erfordert gemeinsames Engagement und Anstrengungen von Forschung, Bildungspolitik, Lehrerausbildung und Schulen, um die vielfältigen Voraussetzungen für eine sachgerechte und effektive Praxisanwendung schaffen zu können (Denton u. a. 2003; Gersten/ Dimino 2006): n Wenn das RTI-Modell in allen Schulen eingesetzt und adäquat genutzt werden soll, so werden sehr viele gut ausgebildete Regelpädagogen und Spezialisten benötigt. Diese Fachleute müssen über Wissen, Fertigkeiten und Bereitschaft verfügen, damit es gelingt, forschungsbasierte Schriftsprachinstruktionen und präventive Interventionen getreu durchzuführen, das Lernen der Schulkinder kontinuierlich zu evaluieren, die Evaluationsergebnisse richtig zu interpretieren und diagnostisch begründete Entscheidungen VHN 2/ 2008 135 Schriftsprachliche Lernstörungen bezüglich (sonder-)pädagogischer Maßnahmen zu treffen. Eine Umorientierung im Sinne des RTI-Modells verlangt zudem von vielen Praktikern „einen paradigmatischen Wechsel im Denken über Diagnostik und Instruktion“ (Vaughn/ Fuchs 2003, 144), und sie zieht eine Reorganisation der Rollen und Verantwortlichkeiten von Regel- und Sonderpädagogen nach sich. n Für das adäquate Funktionieren des RTI- Modells müssen Instruktionen, Interventionen und diagnostische Verfahren vereinheitlicht werden. Wie die Praxis auf diese Anforderung antworten wird, ist unklar. Wahrscheinlich werden viele Lehrpersonen ihre über Jahre hinweg verwendeten Methoden und Vorgehensweisen nicht leicht und rasch zugunsten forschungsbasierter Praktiken aufgeben (Scruggs 2003). Umso wichtiger ist es, dass sie zur Implementation des RTI-Modells nicht nur motiviert und gut vorbereitet (ausgebildet) sind, sondern in Form von angemessenen zeitlichen, materiellen, technischen und personellen Ressourcen auch angemessen unterstützt werden. Eine kompetente und nachhaltige Praxisanwendung von RTI ist schließlich davon abhängig, dass diese Methode von den Beteiligten als praktikabel, nützlich und wirksam wahrgenommen wird (Denton u.a. 2003). Sind solche wichtigen Voraussetzungen nicht sichergestellt, bleibt es fraglich, ob der Anspruch des RTI-Modells auf qualitativ hoch stehende Prävention und Diagnostik von Lernproblemen erfüllt werden kann. Bezüglich RTI bleibt noch viel darüber zu lernen, wie der Schritt von der Forschung in die Praxis erfolgreich bewältigt werden kann. Ohne diesen Lernprozess besteht die Gefahr, dass die sachgerechte Nutzung dieser Innovation für viele Schulen nicht mehr ist und bleibt als ein erstrebenswertes, aber unrealistisches Ziel. Vor dem Hintergrund der insgesamt positiven Würdigung des amerikanischen RTI-Modells ist zu hoffen, dass diese interessante Alternative zum IQ-Diskrepanzkonzept auch im deutschsprachigen Raum vermehrt Eingang in den diagnostischen Diskurs und in gemeinsame Forschungsprojekte der Regel- und Sonderpädagogik finden wird. Literatur Bernart, E. (1965): Der Probeunterricht. München: Reinhardt Verlag Bishop, D. V.; Snowling, M. J. (2004): Developmental Dyslexia and specific language impairment. Same or different? In: Psychological Bulletin 130, 858 - 886 Denton, C. A.; Fletcher J. M.; Anthony, J. L.; Francis, D. J. (2006): An evaluation of intensive interventions for students with persistent reading difficulties. In: Journal of Learning Disabilities 39, 447 - 466 Denton, C. A.; Vaughn, S.; Fletcher J. M. 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