Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip
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Wolfgang Praschak
Die Pflege, die für schwerstbehinderte Menschen einen wichtigen Anteil ihrer Lebensgestaltung darstellt, wird auf dem Hintergrund des emanzipatorischen Bildungsbegriffs der Allgemeinen Pädagogik in ihrer kulturellen Bedeutung herausgearbeitet und als eine unverzichtbare Grundlage der Allgemeinbildung des Menschen herausgestellt. Die Beziehungsdimension dieses ko-operativen Geschehens, in dem der Erhalt der Menschenwürde, die Gewährung von Lebensqualität und größtmöglichem Wohlbefinden die hervorragenden Bezugspunkte des Gestaltung sind, wird in ihrem Bildungswert umschrieben und anhand von entsprechenden Qualitätsmaßstäben überprüft. Bezugspunkt dieser Evaluation bildet dabei die kooperative Aneignung der grundlegenden „Aktivitäten des alltäglichen Lebens“ (ATL), die in ihrer pädagogischen Struktur und in ihrer didaktischen Ausgestaltung umrissen werden. Das geschieht auf dem Hintergrund der kritisch-konstruktiven Didaktik von Wolfgang Klafki und dem daraus abgeleiteten „Prinzip der Elementarisierung“, sodass die Vermittlung des Elementaren, des Fundamentalen und des Exemplarischen zu Grundlagen der Ausfaltung von partizipatorischen Bildungschancen werden können.
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283 Fachbeitrag VHN, 78. Jg., S. 283 - 297 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip Aufgezeigt am Bildungswert der Pflege schwerstbehinderter Menschen Wolfgang Praschak Universität Hamburg n Zusammenfassung: Die Pflege, die für schwerstbehinderte Menschen einen wichtigen Anteil ihrer Lebensgestaltung darstellt, wird auf dem Hintergrund des emanzipatorischen Bildungsbegriffs der Allgemeinen Pädagogik in ihrer kulturellen Bedeutung herausgearbeitet und als eine unverzichtbare Grundlage der Allgemeinbildung des Menschen herausgestellt. Die Beziehungsdimension dieses kooperativen Geschehens, in dem der Erhalt der Menschenwürde, die Gewährung von Lebensqualität und größtmöglichem Wohlbefinden die hervorragenden Bezugspunkte des Gestaltung sind, wird in ihrem Bildungswert umschrieben und anhand von entsprechenden Qualitätsmaßstäben überprüft. Bezugspunkt dieser Evaluation bildet dabei die kooperative Aneignung der grundlegenden „Aktivitäten des alltäglichen Lebens“ (ATL), die in ihrer pädagogischen Struktur und in ihrer didaktischen Ausgestaltung umrissen werden. Das geschieht auf dem Hintergrund der kritisch-konstruktiven Didaktik von Wolfgang Klafki und dem daraus abgeleiteten „Prinzip der Elementarisierung“, sodass die Vermittlung des Elementaren, des Fundamentalen und des Exemplarischen zu Grundlagen der Ausfaltung von partizipatorischen Bildungschancen werden können. Schlüsselbegriffe: Emanzipatorische Bildung, Menschenwürde, Lebensqualität, Partizipation “Elementarisation” as a Principle in Special Education The Educational Value of Care for Severely Disabled Individuals n Summary: For severely disabled individuals, care constitutes an important part in developing and shaping their life. The author delineates the cultural meaning of care on the background of the emancipatory concept of education in general pedagogy and he emphasises the importance of care as an essential foundation of the all-round education of man. He describes the educational value of relationship of this cooperative approach that focuses on the preservation of human dignity, the granting of quality of life and of highest possible sense of well-being. An evaluation, based on the appropriate quality standards, refers to the cooperative development of the basic “activities of daily live” (ADL), whose educational structure and didactical configuration are outlined. Reference points are the Critical-Constructive Didactics of Wolfgang Klafki and the resulting “Principles of Elementarisation” that may become the basis for participatory educational opportunities by facilitating elementary, fundamental and exemplary experiences. Keywords: Emancipatory education, dignity of man, quality of life, participation 1 Erziehungswissenschaftliche und bildungstheoretische Grundlagen In der sonderpädagogischen Fachdiskussion ist es unumstritten, dass die Pflege ein wesentlicher Teil der Lebensgestaltung schwerstbehinderter Menschen ist. Weniger klar ist allerdings, ob die Pflegemaßnahmen Erziehungs- und Bildungsmöglichkeiten darstellen, die für die Persönlichkeitsentwicklung dieser Menschen von Bedeutung sind. In vielen Einrichtungen jedenfalls wird die Pflege immer noch als eine subsidiäre Dienstleistung betrachtet, die außerhalb des Verantwortungsbereiches des pädagogischen Fachpersonals und der unterrichtlichen Förderung liegt. Das ist erstaunlich, denn in der Päd- VHN 4/ 2009 284 Wolfgang Praschak agogik für schwerstbehinderte Menschen wird die Pflege durchgängig als ein bedeutsames Lernfeld ausgewiesen, das einer systematischen Entwicklungsförderung zugänglich ist. Deshalb kann es nicht unwichtig sein, wer diese Pflege übernimmt und welche Pflegekonzeptionen dabei zum Tragen kommen. Dieser eigentümliche Schwebezustand wird zum Anlass genommen, den Pflegeprozess erziehungswissenschaftlich zu rekonstruieren und bildungstheoretisch einzuordnen, in der Absicht, damit den grundlegenden Bildungswert der Pflege herausarbeiten und Auskunft darüber geben zu können, ob die Pflegesituation auf diesem Hintergrund in ihrer Situationsqualität, ihrer Prozessqualität und ihrer Ergebnisqualität systematisch zu entfalten und auch hinsichtlich ihrer Qualität zu evaluieren ist. Voraussetzung für diese Rekonstruktionsleistung ist die Einordnung der Pflege in ein pädagogisches und didaktisches Bezugssystem, in dem sie als eine Form der zwischenmenschlichen Begegnung erscheint, in der lebensbedeutsame gegenständliche Auseinandersetzungen mit der Alltagskultur organisiert werden, mit denen der zu pflegende Mensch sich dann identifizieren kann. Diese auf die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen zugeschnittene Pflegekonzeption schließt die entwickelten Ausdrucksformen und die Gefühle des zu pflegenden Menschen mit ein, aber auch die seines Betreuers, insofern auch dieser an der Beziehungsgestaltung sinnstiftend beteiligt ist. Die Pflege wird auf diesem Hintergrund zu einem primär interaktionalen Geschehen, das gegenständliche und zwischenmenschliche Bezugssysteme miteinander verkoppelt und eine pädagogisch strukturierte Form der Zusammenarbeit erst möglich macht. Ein solcher Zuschnitt des Pflegegeschehens wird mittlerweile auch in der Pflegewissenschaft thematisiert, denn auch dort spielen die Gestaltung der Pflegebeziehung, ihre kulturelle Ausrichtung und ihre anthropologische Fundierung eine wichtige Rolle (vgl. Wanner 1993; Bischoff 1994; Michalke 1998; Wittneben 1994). Diese subjektorientierten und aktivierenden Pflegekonzepte bilden eine bedeutsame Brücke zur Pädagogik schwerstbehinderter Menschen, in der die persönlichkeitsbildende Funktion und die anthropologisch-ethische Dimension der Pflege allerdings schon im Rahmen unterschiedlicher Begründungszusammenhänge herausgearbeitet ist (vgl. Schönberger 1992; Praschak 1993; Fröhlich 1998: Stinkes 1999; Fornefeld 2000; Fröhlich/ Heinen/ Lamers 2001; Klauß 2002; Klauß/ Lamers 2003; Bienstein/ Fröhlich 2003). Die sonderpädagogischen Förderkonzepte zielen dabei allesamt auf die Verbesserung der Lebensqualität und das subjektive Wohlbefinden des zu betreuenden Menschen ab, wobei Qualitätsmaßstäbe in den Blick kommen, die notwendigerweise eine persönliche Beziehung zum Ausdruck bringen und eine sachgerechte Aufbereitung der notwendigen Versorgungshandlungen beinhalten müssen. Die damit gegebene Einheit von Personen- und Gegenstandsbezug macht einerseits eine Pflegebeziehung notwendig, die den zu pflegenden Menschen dazu motiviert, sich in mitverantwortlicher Weise einzubringen, andererseits die Auswahl von Inhalten, die einer kulturellen Wertorientierung unterliegen. Deren Vermittlung beruht nach Fröhlich (1998) auf „Somatischen Dialogen“ und wird bei Praschak (1993) als „Sensumotorische Kooperation“ bezeichnet. Beide bilden eine elementare Form der Zusammenarbeit ab, in der über die zwischenkörperliche Auseinandersetzung alle Dimensionen der Persönlichkeitsentwicklung berührt werden. Der Pflegeprozess involviert also das Zusammenspiel von Haltungen, Bewegungen und Wahrnehmungen, die so reguliert werden müssen, dass aus den wechselseitigen Berührungen somatische oder „tonische Dialoge“ (Praschak 2004) entstehen, die als körpergebundene Zeichensysteme die Bedeutung des Gegenstandsbezuges und zugleich die Bedeutung der Beziehung vermitteln. Das Pflegegeschehen ist auf diesem Hintergrund immer mit sensumotorischen Hand- VHN 4/ 2009 285 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip lungen verknüpft, die eigenständige Erfahrungen strukturieren, aber auch Erkenntnisse und Ordnungsbezüge vermitteln, die Jean Piaget als „Realkategorien“ bezeichnet, insofern aus diesen elementaren Wirklichkeitsbezügen grundlegende räumliche, zeitliche, wirkungs- und objektbezogene Bezugssysteme in Form eines sich allmählich differenzierenden sensumotorischen Wissens entstehen. Diese elementaren Bezugssysteme stellen mithin immer vorhandene Bildungsmöglichkeiten dar, die auf dem Hintergrund der Theorie der formalen und kategorialen Bildung von Wolfgang Klafki (1963, 1985) im Folgenden aufgearbeitet und in die Pflegebeziehung eingefügt werden. Das von Klafki eingeführte Prinzip der formalen und kategorialen Bildung bietet sich insofern als didaktisches Bezugssystem an, als darin die Dimensionen des Elementaren, Fundamentalen und Exemplarischen wichtige Bestandteile sind, die auch auf den Gegenstandsbezug der Pflegesituation und auf ihre didaktische Aufbereitung zu beziehen sind. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Pflege als ein bedeutsamer Teil der Alltagskultur gesehen wird, deren Mitbesorgung dann notwendigerweise einen Beitrag zur Allgemeinbildung des Menschen leisten kann. Dieser ist insbesondere für die Persönlichkeitsentwicklung schwerstbehinderter Menschen von fundamentaler Bedeutung, weil die Anteile, die sie in diese Lebenssituation einbringen, darüber mitentscheiden, ob sie der Stärkung des Selbstwerts dienen, oder gar als persönliche Entwertung erfahren werden. Dies ist hoch brisant, insofern die Pflegemaßnahmen ein epochales Thema darstellen, das die Sinndimension der menschlichen Existenz und die darin eingewobenen Bildungschancen immer wieder aufs Neue berührt. 1.1 Eine kurze Geschichte des Bildungsbegriffes Unser gegenwärtiger Bildungsbegriff betont die Fähigkeit des Menschen, sich gegenüber den Systemzwängen der Gesellschaft behaupten und durch pädagogische Vermittlungsprozesse zu sich und seinen Fähigkeiten finden zu können. Das geschieht wesentlich mittels authentischer Lebenserfahrungen, die in Lebensumstände eingewoben sind, in denen sich die institutionell vermittelte Bildung dann bewähren kann (vgl. Blankertz 1982; v. Hentig 1996). Hartmut von Hentig formuliert dazu Bildungsmaßstäbe, an denen sich der Grad der Humanität des Menschen bemessen lässt: n die Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit, n die Wahrnehmung von Glück, n die Fähigkeit und den Willen, sich zu verständigen, n ein Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der eigenen Existenz, n die Wachheit für letzte Fragen, n die Bereitschaft zu Selbstverantwortung und Verantwortung in der Gesellschaft. Damit wird deutlich: Bildung ist für von Hentig eine entscheidende Voraussetzung für eine gelingende Sozialisation, die im Rahmen der Entwicklung einer Persönlichkeit geschieht, die in der Lage ist, das eigene Lebensschicksal in die Hand zu nehmen, das von nun an nicht mehr von einem höheren Wesen, irgendwelchen übergeordneten Mächten oder von standesbedingten Zuweisungen abhängig ist. Dieser emanzipatorische Zuschnitt des Bildungsbegriffes widersetzt sich damit jeder Vorstellung von einer schicksalhaften Determination der Lebensgeschichte, wie das zum Beispiel noch in der christlichen Imago-Dei-Lehre, also der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, grundgelegt war. Der durch von Hentig u. a. formulierte emanzipatorisch-humanistische Bildungsbegriff konnte aber erst in einer Zeit entstehen, in welcher der einzelne Mensch als ein autonomes, selbstbestimmtes und mündiges Subjekt anerkannt wurde. Der Preis, der dafür zu zahlen war, lag seither in den individuellen Bildungsanstrengungen, die der Einzelne aufbringen muss, um seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. VHN 4/ 2009 286 Wolfgang Praschak Diese Vorstellung von einem sich selbst bildenden Subjekt wurde wohl von Johann Amos Comenius (1592 - 1670) in der „Didactica magna“ zum ersten Mal formuliert. Sein bekanntes Postulat, dass man allen Menschen alle Dinge der Welt in einer grundlegenden Weise lehren könne („omnes, omnia, omnino“), war von der Überzeugung getragen, dass es eine Form des Unterrichtens gebe, in welcher der Bauplan der Natur für alle Menschen zu erschließen sei. Deshalb plädierte Comenius für: n eine allgemeine Schulpflicht; n einen muttersprachlichen Unterricht; n das Eingehen auf die Beziehung von Wort und Bild; n eine entwicklungsgerechte Anordnung des Lehrstoffs; n die Einteilung der Schüler in Lerngruppen; n eine Abstufung des Lehrplans. Aber erst die Schriften von Immanuel Kant über die grundsätzliche Freiheit des Menschen öffneten den Weg zu einer Bildungsvorstellung, in der die anthropologischen, erkenntnistheoretischen und ethischen Grundlagen der Befreiung des Menschen aus seiner „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ ausgefaltet waren. Diese Befreiungsperspektive wurde von Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835) zu einem umfänglichen Bildungsprogramm ausformuliert, auf dessen Hintergrund das aufstrebende Bürgertum seine gesellschaftliche Stellung absichern und die allgemeine Schulpflicht einführen konnte. Konsequenz dieser humanistischen Bildungsidee war allerdings auch die Ausgliederung von ‚Bildungsunfähigen‘, die dem Kanon der humanistischen Bildungsgüter anscheinend nicht gewachsen waren. Diese Ausgliederung der ‚Bildungsunfähigen‘ hielt sich bis ins späte zwanzigste Jahrhundert. Sie wurde auf alle schwerstbehinderten Menschen bezogen, mit der Folge, dass deren Bildungsbedürfnisse aus der sich ausbreitenden erziehungswissenschaftlichen, bildungstheoretischen und schulpädagogischen Diskussion herausgehalten werden konnten. Eduard Spranger (1882 - 1963) und Erich Weniger (1894 - 1961) entwarfen im Rahmen dieses Bildungsprogramms eine „Drei-Stufen- Lehre“, in der das Kind zunächst eine grundlegende Schulbildung durchlaufen und sich berufsspezifisch weiterbilden muss, um dann zu den höheren Formen der Bildung im Gymnasium oder auf der Universität fortschreiten zu können. Diese höhere Bildung war allerdings nur einer gesellschaftlichen Elite zugänglich. Auf der Basis dieses emanzipatorisch-bürgerlichen Bildungsideals entwickelte Wolfgang Klafki Ende des zwanzigsten Jahrhunderts eine nun auch didaktisch begründete Bildungstheorie, in der sich über die Unterscheidung von formaler und materialer Bildung eine Vorstellung von der Allgemeinbildung des Menschen durchsetzen konnte, die auf folgenden Bezugssystemen gründet: 1. dem Elementaren, das die einfachen und grundlegenden Sachverhalte des Zusammenlebens erfasst und der Allgemeinbildung zugrunde liegt. 2. dem Fundamentalen, das die Grunderfahrungen und Grundeinsichten in die gesellschaftlichen Zusammenhänge thematisiert, über die eine differenziertere Wahrnehmung der Welt erst entstehen kann. 3. dem Exemplarischen, das den gesellschaftlichen Einzelfall als einen typischen Ausschnitt eines ganzen Sachgebietes erfasst und das in seiner Struktur dann verallgemeinert werden kann. Seither zählen die Fragen nach der „Gegenwarts- und der Zukunftsbedeutung der Inhalte“, nach ihrer „didaktischen Struktur“, ihrer „exemplarischen Ausrichtung“ und ihrer „individuellen Zugänglichkeit“ zum Kerngeschäft einer systematischen Aufbereitung des Lehr- und Lernstoffes, die sich nun prinzipiell der Forderung nach Chancengleichheit stellt. In der kritisch-konstruktiven Didaktik (Klafki 1985) tritt nun die individuelle Kompetenzentwicklung in den Vordergrund. Sie wird auf epochale Schlüsselprobleme bezogen, die im Vermittlungs- VHN 4/ 2009 287 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip prozess dimensional zu entfalten, also in ihren kognitiven, sozialen, emotionalen und ästhetisch-kommunikativen Bedeutungen zu differenzieren sind. Der didaktische Blick gilt fürderhin kulturell wertvollen und lebensbedeutsamen Bildungsinhalten, die individualisiert werden, um die Schülerinnen und Schüler zur Selbsttätigkeit, Eigenverantwortung und letztlich zur Mündigkeit führen zu können. Folgende Bildungsziele stehen dabei im Zentrum: 1. die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, über welche die Kompetenz zu einer persönlichen Sinndeutung in den zwischenmenschlichen, beruflichen, ethischen und religiösen Bereichen des Lebens vermittelt wird; 2. die Fähigkeit zur Mitbestimmung, über welche die Kompetenz vermittelt wird, an den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen partizipieren und verantwortlich damit umgehen zu können; 3. die Fähigkeit zur Solidarität, über welche die Kompetenz zur Empathie, zur Mitbestimmung und zu solidarischem Beistand entwickelt werden soll, die für die Einhaltung der Menschenrechte und den Erhalt der Menschenwürde notwendig sind. Für Klafki geht die Allgemeinbildung des Menschen mit der Fähigkeit zur Kritik und der Fähigkeit zum vernetzten Denken einher, die über die Auseinandersetzung mit epochalen Schlüsselproblemen ausgeformt und in die Urteilsfähigkeit des Einzelnen einfließen sollen. Dieser Fähigkeitsbegriff ist allerdings aufgrund seiner kognitivistischen Auslegung missverständlich und sollte u. E. durch den Begriff der Kompetenz ersetzt werden, die nach Weinert, „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten (umfasst), um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27f ). 1.2 Elementare Bildung Schon für Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835) war die Bildung eine „Verarbeitung des Aufgefassten in das eigene Ich“ und damit eine fundamentale Notwendigkeit, den „Weg zu sich selbst“ finden zu können. Dieser Suchprozess war für Humboldt eine „Schöpfung des Geistes“, der allerdings die Aneignung der Alltagskultur noch nicht erfasste, insofern der humanistische Bildungsbegriff auf die ‚höheren‘ Bildungsgüter ausgerichtet war, sich aber grundsätzlich auf die Vorstellung stützte, dass die Vermittlung von Kultur das zentrale Anliegen jeder Bildung sei. Wenn wir unseren Bildungsbegriff also auf die Aneignung der Bedeutung der Alltagskultur ausdehnen, wird auch das Pflegegeschehen mit erfasst, insofern dies lebensbedeutsame Alltagsbesorgungen sind, die für die Lebensgestaltung des zu pflegenden Menschen einen hohen Stellenwert haben. Damit ist die Pflege problemlos in einen emanzipatorischen und alle Menschen umfassenden Bildungsbegriff zu integrieren und als eine pädagogisch strukturierte Form der Vermittlung von kulturell-wertorientierten Handlungen zu beschreiben. Dieser Bildungsbegriff lässt sich ebenso problemlos auf die Bildungsmaßstäbe (s. o.) und die Bildungsgrundsätze von Hartmut von Hentig (1996) beziehen, der davon ausgeht, dass alle Menschen der Bildung bedürftig und zur Bildung befähigt sind, dass sich der Einzelne erst im Bildungsprozess bewähren kann und die Bildungsgüter im wirklichen Leben verankert sein müssen. Wenn wir diese Grundsätze auf die Gestaltung der Pflege übertragen, kann diese einen wichtigen Beitrag zur Kulturwerdung des Menschen leisten, also den Blick für die kulturelle Bedeutung dieser elementaren Lebensbezüge öffnen. Medium dieser Bildung ist das mitverantwortliche Handeln, das in diesem Zusammenhang in einer möglichst umfassenden Teilhabe des Menschen an diesen alltäglichen Besorgungen gipfelt, die jedes Kind im Laufe seiner Persönlichkeitsentwicklung übernehmen VHN 4/ 2009 288 Wolfgang Praschak muss, um sich im Spiegel anderer Menschen als eigenständiges Individuum erkennen und darstellen zu können. Diese in der Erziehungswissenschaft als primäre Sozialisation ausgewiesene Allgemeinbildung des Menschen bildet folglich das Fundament jeder Persönlichkeitsentwicklung, die nur dann gelingen kann, wenn das Kind auf eine Gemeinschaft von anderen Menschen trifft, die es ihm gestattet, Anteile an den notwendigen Lebensbesorgungen selbst zu übernehmen. Auf diese Weise erfährt das Kind die Bedeutung seiner Mitarbeit, die es dann sinnstiftend in seine Handlungsmöglichkeiten integrieren kann. Dieser Prozess der frühen Kulturwerdung wird im Bildungsprogramm der „Kooperativen Pädagogik“ (Schönberger/ Jetter/ Praschak 1987) auf der Grundlage von Zusammenarbeit und individueller Mitverantwortung strukturiert, die im Rahmen geplanter, zielbezogener und kulturell-wertorientierter Handlungen geschieht, in denen jeder Zwang und jede Form der Manipulation vermieden wird. Ganz im Sinne von Wolfgang Klafki ist dabei die Realisierung der Selbstbestimmungs- und der Mitbestimmungsmöglichkeiten Voraussetzung und Ergebnis solidarischen Handelns zugleich. Damit ist die Brücke zu einem alle Menschen umfassenden und emanzipatorischen Bildungsverständnis geschlagen, das sich in der Aneignung von Alltagskultur als eine elementare Form der Allgemeinbildung bewähren kann. Voraussetzung für diese kooperative Bildung ist allerdings: n die bedingungslose Anerkennung der Würde und der persönlichen Integrität des Einzelnen; n die Gestaltung eines möglichst unabhängigen, gleichberechtigten und selbst bestimmten Daseins in kultureller Wertorientierung; n das Erleben persönlicher Wertschätzung innerhalb einer heterogenen sozialen Gemeinschaft; n das Erleben von Lebensqualität im Rahmen einer konstruktiven Unterstützung der vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen; n eine reflektierte Gestaltung und Überprüfung der Zusammenarbeit im Kontext einer gegenständlichen und personellen Handlungsorientierung. Elementare Bildung ist also eine kooperative Aneignung von alltagskulturellen Bedeutungen im Spiegel einer menschenwürdigen Beziehung, die Inhalte erfasst, die lebensweltlich rückgebunden und lebensbedeutsam sind. Dazu bedarf es kooperativer Vermittlungswege, die in einer Beziehung aufgehoben sind, die kulturellen Wertbezügen genügt. Die grundlegende Einheit des Personen- und Gegenstandsbezuges (Praschak 1993) spielt dabei eine zentrale Rolle, die in didaktischer Hinsicht mit Klafkis Vermittlung des Fundamental-Elementaren am besten zu erfassen ist, weil darin das epochale Thema „Pflege“ repräsentativ und symbolisch vermittelt wird. Diese elementaren Zusammenhänge spiegeln also allgemeine Prinzipien, kulturelle Werte und gesellschaftliche Handlungsbedingungen, die in fünf Bereichen verankert sind: 1. in den allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhängen, 2. in den gegenwärtigen Bedeutungsbezügen, 3. in der Vorwegnahme zukünftiger Möglichkeiten, 4. in der kulturellen Einbettung der Sachstruktur, 5. in der Berücksichtigung von Heterogenität und individueller Besonderheit. Diese Strukturelemente der elementaren Bildung sind auf alle Menschen zu beziehen, allerdings nur dann, wenn ihnen eine sinnvolle Beteiligung am Gemeinschaftsleben zugemutet wird. Sie richten sich folglich gegen jede Form der Ausgrenzung, der Fremdbestimmung, der Unterdrückung und der Manipulation, die das Pflegegeschehen in vielen Einrichtungen derzeit leider noch bestimmen. Diese elementare Bildung ist vielmehr auf die soziale und kulturelle Partizipation des Subjekts ausgerichtet, das auf dem Hintergrund seiner je entwickelten VHN 4/ 2009 289 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip Form der Handlungsfähigkeit sich in diese Besorgungen aktiv einbringen kann. In diesem Sinne muss die kooperative Pflege gesellschaftliche Lebenszusammenhänge, individuelle Problemlagen und soziale Problemstellungen thematisieren und so ausformen, dass auch den als schwerstbehindert bezeichneten Menschen eine Form der Kooperation angeboten wird, die ihren manchmal extrem eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten entspricht. 1.3 Die Bildungsdimensionen der elementaren Bildung Leitbild dieser kooperativen Bildung ist das partnerschaftliche Zusammenleben in einer heterogenen sozialen Gemeinschaft, in der die grundlegenden Zusammenhänge des Lebens so aufbereitet sind, dass der Einzelne sein individuelles Höchstmaß an Mitverantwortung finden und auch übernehmen kann. Lebensqualität, subjektives Wohlbefinden, Eigenaktivität und Mitverantwortung bestimmen diesen Handlungszusammenhang, der primär auf den kulturellen Wert der Selbstpflege ausgerichtet ist, die sich in allen Persönlichkeitsdimensionen konstruktiv niederschlagen kann. In der sozialen Dimension bezieht sie sich auf die Art und Weise der sozialen Einbindung, die so gestaltet sein muss, dass der Einzelne persönliche und soziale Wertschätzung erfährt. In der kognitiven Dimension bezieht sie sich auf die Art und Weise der mitverantwortlichen Lösung von gegenständlichen Aufgabenstellungen, die im Aneignungsprozess eine Anpassung und Abstimmung der sensumotorischen Handlungspläne erforderlich macht. In der emotionalen Dimension bezieht sie sich auf die Art und Weise der persönlichen Akzeptanz und auf die Differenzierung der individuellen Ausdrucksmöglichkeiten im Sinne ihrer symbolisch-emotionalen Repräsentation. In der kommunikativen Dimension bezieht sie sich auf die Art und Weise der Übermittlung von vorsprachlichen Zeichensystemen, in denen auf der Grundlage tonischer Dialoge wechselseitige Befindlichkeiten und Wertbezüge ausgetauscht werden. In der ästhetischen Dimension bezieht sie sich auf die Art und Weise des Umgangs mit der eigenen Körperlichkeit und der individuellen Adaption der kulturellen Wertbezüge und Gegenstände der Selbstpflege. Selbstredend gelten diese Bildungsdimensionen für alle Menschen ausnahmslos, also auch für diejenigen, deren gesellschaftliche Existenz von sensumotorischen Handlungsveränderungen (Praschak 2000) - im Sinne ausgeprägter Aktivitätseinschränkungen und deutlicher Erschwernisse in der Partizipation - gekennzeichnet ist. Für diesen Personenkreis gibt es allerdings in der sonderpädagogischen Literatur noch keine einheitliche Bezeichnung. Sie werden dort allenthalben noch als intensivgeistigbehindert oder als schwerst-mehrfachbehindert bezeichnet, wobei diese attribuierenden Zusammenfügungen den Schweregrad der ‚Behinderung‘ über die Kumulation von Normabweichungen erfassen wollen. Doch das ist, zumindest unter erziehungswissenschaftlichen Prämissen, sehr fragwürdig, da die Behinderung zu einer Eigenschaft der Person wird, was sozialwissenschaftlich aber nicht zu halten ist (vgl. Bach 1991, 3ff ). 1.4 Schwerste Behinderung - ein problematischer Begriff Was sich hinter dem Begriff einer „schwersten Behinderung“ also verbirgt, ist noch unklar. Das begriffliche Ungetüm einer sogenannten „schweren oder schwersten Mehrfachbehinderung“ jedenfalls sieht gänzlich davon ab, dass eine Behinderung erst im komplexen Bedingungsgefüge einer gesellschaftlichen Ausgangslage entstehen kann, in der bestimmte Kriterien der Ausgrenzung existieren. Die Aufsummierung von individuellen Defekten oder die Kumulation von Normabweichungen erreicht demnach nur eine Beschreibungsebene der Existenz der Betroffenen und sieht in der Organschädigung eine Bedingung, aus der die Behinderung VHN 4/ 2009 290 Wolfgang Praschak dann notwendigerweise erwächst. Diese allein normative Justierung des gesellschaftlichen Phänomens „Behinderung“ unterschlägt alle gesellschaftlichen Implikationen, mithin auch die Qualität der Bildungsprozesse, die letztlich darüber entscheiden, ob das betroffene Subjekt seine Ressourcen wirklich ausschöpfen kann. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, zwischen den individuellen Beschreibungsebenen „organismische Schädigung“ und „Beeinträchtigung der Aktivitätsmöglichkeiten“ und der gesellschaftlichen Ebene „Behinderung“ zu unterscheiden. Der Schweregrad einer Behinderung wird folglich nicht von der diagnostizierten Schädigung bestimmt, sondern von der Art und Weise der sozialen Integration, die bekanntlich über die individuellen Aktivitätsmöglichkeiten und die Formen der gesellschaftlichen Partizipation geregelt wird. Wer diese Ebenen begrifflich verwischt, bringt letztlich nur noch Normen der Leistungsfähigkeit, der Gesundheit und der geistigen Kompetenz ins Spiel, in denen „eine schwere, erhebliche Distanz der Umwelt und ihrer Normen, ihrer Vorstellungen von Eingliederung, zu dem Menschen, (…) und damit gleichzeitig seiner Isolation von sozialen und gesellschaftlichen Handlungsprozessen“ (Beck 2000, 9) zum Ausdruck kommt, die aber auch von den ökonomischen Bedingungen und den ethischen und anthropologischen Begründungszusammenhängen in der Gesellschaft abhängig sind. Eine erziehungswissenschaftliche Definition des Begriffes „schwerste Behinderung“ muss sich folglich auf die Qualität der Bildungsprozesse einlassen, in denen die vorhandenen Kompetenzen berücksichtigt und mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in einer systematischen Weise verknüpft sind. Der Schweregrad einer Behinderung kann dann nicht mehr als individuelle Minderleistung erscheinen, sondern als eine mehr oder weniger verfehlte Bildungschance, über die der Einzelne möglicherweise nur einen Bruchteil seiner Ressourcen ausschöpfen und in den gesellschaftlichen Verwertungszusammenhang einbringen kann. Das muss bedeuten, dass diese Bildungschance im Kontext vorhandener Aktivitätsmöglichkeiten im Zusammenhang mit kulturell bedeutsamen Welt- und Selbstbegegnungen gesehen werden muss, die in das bereits vorhandene Repertoire an Handlungsmöglichkeiten wieder zu integrieren sind. Diese entwicklungsbezogene Sichtweise kommt in der Beschreibung des Personenkreises durch Franz Schönberger u. E. am besten zum Ausdruck, weil er die Partizipationsmöglichkeiten schwerstbehinderter Menschen auf die Ausdifferenzierung der sensumotorischen Handlungsfähigkeit bezieht: „Schwerstbehinderte haben sensumotorische Handlungspläne wie wir auch. Aber - anders als wir - müssen sie alle Probleme ihres Lebens mit diesen sensumotorischen (d. h. wahrnehmungs- und bewegungsgebundenen) Handlungsplänen lösen: mit effektgerichteten und (bestenfalls) experimentierenden Kreishandlungen, ohne Bilder, ohne Begriffssprache und ohne Denken im engeren Sinne“ (1987, 221). In dieser Definition sind zwar die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in der dieser Handlungsmodus wirksam werden kann, noch nicht erfasst, aber Kompetenzen genannt, auf welche die pädagogische Vermittlung sich immer beziehen kann und die prinzipiell die Möglichkeit in sich tragen, zu den abstrakter werdenden Modi des Handelns fortschreiten zu können. 2 Pflege als Bildung In der Erziehungswissenschaft werden die Begriffe „Erziehung“ und „Bildung“ bislang mit dem Pflegebegriff nicht in Verbindung gebracht. Das mag daran liegen, dass die Pflege bislang nicht als ein pädagogischer Vorgang begriffen und deshalb auch nicht von pädagogisch geschultem Personal verrichtet wird. Dieser Umstand weist darauf hin, dass insbesondere der alltagssprachliche Pflegebegriff Versorgungshandlungen thematisiert, die an kleinen Kindern, an bedürftigen, behinderten, an alten VHN 4/ 2009 291 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip und kranken Menschen verrichtet werden. Auffällig ist, dass in dieser Begriffsauslegung sowohl die Grundpflege als auch die Behandlungspflege am Menschen verrichtet werden und nicht mit ihm zusammen. In der Pflegepraxis bezieht sich dabei die Grundpflege auf Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung eines geregelten Lebensalltags notwendig sind, also auf Hilfeleistungen bei der Körperpflege, der Hygieneversorgung und der Nahrungsaufnahme. Die Behandlungspflege hingegen bemisst sich an medizinischen Erfordernissen wie z. B. dem Anlegen von Wundverbänden, dem Verabreichen von Spritzen und dem Umgang mit den unterschiedlichen Formen der Intubierung und Sondierung. Diese Unterscheidung von Grund- und Behandlungspflege hat jedoch dazu geführt, dass diese Tätigkeiten von unterschiedlich qualifiziertem Personal verrichtet und auch unterschiedlich entlohnt werden. Mit dem Pflegebegriff werden demnach sehr unterschiedliche Maßnahmen und Lebenssituationen bezeichnet, denen jedoch gemeinsam ist, dass sie mit einem Zustand relativer Hilflosigkeit einhergehen, dessen Überwindung bestimmte Unterstützungsmaßnahmen erforderlich macht, in denen die zwischenmenschliche Beziehung aber in der Regel nicht als ein Qualitätsmerkmal des pflegerischen Selbstverständnisses aufgefasst wird. Nicht selten bleibt das Beziehungsgeschehen sogar ganz auf der Strecke, weil seine Ausgestaltung ökonomischen und effizienzorientierten Wertmaßstäben untergeordnet wird. Wenn wir diese zwischenmenschliche Dimension der Pflege jedoch in Betracht ziehen, werden ihre Inhalte und Formen bedeutsam, insofern der zu pflegende Mensch dann als Partner erscheint, der sich in die Pflegesituation konstruktiv einbringen kann. Notwendigerweise treten dann die Achtung der persönlichen Integrität, das Einfühlen in die jeweilige Bedürfnislage und der Erhalt der individuellen Handlungsfähigkeit in den Blick. Ganz im Sinne des „Kategorischen Imperativ“ von Immanuel Kant muss die Pflegesituation dann so gestaltet sein, „dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchtest“ (Werke IV 1968, 429). Im Rahmen dieses ethischen Anspruchs kann der zu pflegende Mensch also nicht Objekt von Versorgungshandlungen sein, aber auch kein Kunde, der eine, wie auch immer definierte, Dienstleistung entgegennimmt. Die Pflegesituation ist vielmehr an den Erhalt der Menschenwürde gekoppelt, was Empathie und eine dialogische Spürsamkeit impliziert, über die der zu pflegende Mensch seinen Platz in der Gemeinschaft erst finden kann. Dieser ethische Anspruch ist mithin ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal der Pflegebeziehung, die sich über jede Form der Abfertigung und der seelenlosen Abwicklung erheben muss, weil sie die persönlichen Freiheiten des zu pflegenden Menschen zu erhalten hat und die Pflegesituation nicht fremden Wertmaßstäben ausliefern kann. Die Pflegesituation wird vielmehr zu einer sozial integrativen Lebensform, die einen pfleglichen Umgang miteinander verlangt, was so viel bedeutet, dass jede standardisierte Abwicklung, alle operationalisierten Zeitvorgaben und routinierten Abfertigungen ihre Qualität unterlaufen und damit die Möglichkeit ihrer persönlichen Integration. Die Pflege darf den Einzelnen nicht nur kontrollieren und normativ justieren, sondern muss als wechselseitige Koordination von Welt- und Selbstbegegnungen ausgelegt werden, die sinnvoll in das Zusammenleben eingefügt sind und eine Balance zwischen den notwendigen Instruktionen und ihrer psychischen Verarbeitung ermöglichen. Diese soziale Dimension des Pflegegeschehens ruht in der frühkindlichen Sozialisation, in der sie als eine notwendige Voraussetzung für die Ausbildung sensumotorischer Kompetenzen erscheint, die jedes Kind sich aneignen muss, um sich als eigenständiges Wesen und als Sozialpartner in den Lebenszusammenhang einbringen zu können. Die Ausgestaltung dieser Vollzüge geschieht in „Sensumotorischer VHN 4/ 2009 292 Wolfgang Praschak Kooperation“ (Praschak 1993), in der alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden, die eine persönlichkeitsbildende Funktion besitzen und mit denen die Alltagswelt in einer fundamentalen Weise geordnet und erschlossen wird. In diesem elementaren Handlungsbezug gründet die Allgemeinbildung des Menschen, insofern darüber Identifikationen mit der Kultur anderer Menschen entstehen, die sich pädagogisch strukturieren lassen, was selbstredend auch dann möglich ist, wenn das Kind aufgrund einer umfänglichen hirnorganischen Schädigung oder aufgrund einer prekären Lebenslage in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt ist. 2.1 Pflege als ein sozialer Problemlöseprozess Ausgangspunkt dieser Pflegeidee ist das gemeinsame Handeln, das sich auf alle „Aktivitätsbereiche des alltäglichen Lebens“ (ATL) bezieht. Dieser umfassende Pflegebegriff liegt allen modernen Pflegekonzepten zugrunde, die mittlerweile in der Pflegewissenschaft ausgearbeitet sind. In diesen Pflegekonzepten werden die existenziellen Grunderfahrungen des Menschen zum Gegenstand einer aktivierenden Hilfestellung gemacht, in welcher die entwickelten Bedürfnisse und Fähigkeiten des zu pflegenden Menschen eingeschlossen sind. Der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Selbstständigkeit und der Mitverantwortlichkeit des zu pflegenden Menschen stehen im Mittelpunkt einer Pflegesituation, die eine eigenständige Pflegediagnostik, Pflegeplanung und Pflegeevaluation zur Voraussetzung hat. Dabei kommen folgende zwölf Aktivitätsbereiche des alltäglichen Lebens zum Tragen (vgl. Roper 1997; Löser 2003; Juchli 2004): n Physiologische Ebene: 1. Wach sein und schlafen 2. Sich bewegen 3. Sich waschen und kleiden 4. Essen und trinken 5. Ausscheiden 6. Körpertemperatur regulieren 7. Atmen n Personal-soziale Ebene: 8. Sich sicher fühlen und verhalten 9. Raum und Zeit gestalten - Arbeiten und Spielen n Geistige Ebene: 10. Kommunizieren 11. Kind, Frau, Mann sein 12. Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen Die Rückbindung der Pflege an die Besorgung von Alltagshandlungen berührt dabei alle Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit. Sie thematisiert bedeutsame existenzielle Grunderfahrungen, die Gegenstand pädagogischer Vermittlungsprozesse sind. Die Aufrechterhaltung der Aktivitätsmöglichkeiten erfordert dabei grundsätzlich einen respektvollen, achtsamen und toleranten Umgang mit dem Anderen, so dass neben den pflegerischen Erfordernissen auch die psychosozialen Begleitumstände in den Blick kommen müssen wie z. B. die (Wieder-)Herstellung von Lebensqualität und die Ermöglichung größtmöglichen Wohlbefindens in diesem Lebenszusammenhang. In diesen kooperativen Pflegemodellen geht es folglich nicht mehr allein um die fach- und sachgerechte Optimierung von Versorgungs- oder Dienstleistungen, sondern um die Gestaltung einer zwischenmenschlichen Beziehung, in der gegenständliche Orientierungen und persönliche Wertschätzungen verhandelt werden. Anders formuliert: Diese Pflegemodelle haben eine pädagogische und eine didaktische Struktur, die ausgeformt werden können (vgl. Wanner 1993; Bischoff 1994; Michalke 1998; Löser 2003: Kellnhauser 2004). Die Pflegebeziehung wird mithin als „eine gleichberechtigte, dialogische und authentische“ (Stratmeyer 2002, 37) ausgelegt und in eine Form der Zusammenarbeit eingebunden, die so gestaltet sein muss, dass der zu pflegende Mensch seine Ressourcen in gegenseitiger Verständigung ausschöpfen kann. Damit ist eine VHN 4/ 2009 293 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip Brücke zur „Kooperativen Pädagogik schwerstbehinderter Menschen“ (Praschak 1993) geschlagen, in der sich ganz ähnliche Standards bündeln, dort allerdings auf der Grundlage einer erziehungswissenschaftlichen Fundierung, in der das Pflegegeschehen als eine elementare Form der Bildung erscheint, die in einer gegenständlichen und sozial ausgerichteten Form der Zusammenarbeit bewältigt wird, mit dem Ziel, auch dem Kind mit einer schwersten Behinderung Sicherheit und Orientierung und eine kulturelle Wertbindung zu vermitteln. Im Kontext dieses Bildungsbezuges wird die partnerschaftliche und würdevolle Ausgestaltung der Pflegesituation zum zentralen Bezugspunkt eines auf das Individuum zugeschnittenen gemeinsamen Problemlösungsprozesses, der ganz im Sinne des Partizipationsmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ein Höchstmaß an individueller Aktivität und ein Höchstmaß an sozialer Partizipation ausgerichtet ist, auch dann, wenn die Aktivitätsmöglichkeiten eingeschränkt sind und die soziale Partizipation ganz besonderen Ausgangsbedingungen unterliegen sollte. Dieses Leitbild einer kooperativen Pflege erfordert ein pädagogisches und ein pflegewissenschaftliches Bezugssystem, das es erlaubt, die entwickelten Körperstrukturen einzuschätzen, körperliche Funktionsstörungen zu diagnostizieren und darauf aufbauende individuelle Lösungsprozesse zu entwickeln. Ohne diese Kompetenzen kann eine subjektorientierte und kooperative Pflege nicht auskommen, weil der Einbezug der Aktivitätsmöglichkeiten systematisch geplant und ihre Durchführung anhand fachlicher und pädagogischer Qualitätsmaßstäbe überprüft werden muss. Wenn wir also danach fragen, welches Wissen und welche Fähigkeiten in diesen Handlungszusammenhang einfließen müssen, brauchen wir eine pädagogische, eine entwicklungsdiagnostische und eine fachliche Perspektive zugleich, über die sich die individuell zugeschnittenen Ausschnitte dieses elementaren Bildungsbezuges dann konstruktiv darstellen können. 2.2 Das didaktische Prinzip der Elementarisierung Elementarisieren bedeutet in der Didaktik, einen Lerngegenstand so aufzubereiten, dass er auf dem Hintergrund vorhandener Denk- und Handlungsstrukturen erschlossen werden kann. Dieser Aufschluss gründet dann auf dem „Prinzip der Elementarisierung“, wenn die kulturellen Grundlagen der Allgemeinbildung thematisiert werden sollen. Dieses Prinzip geht auf die bildungstheoretische Diskussion der Fünfzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts zurück, in deren Kontext Wolfgang Klafki im Jahre 1957 einen Aufsatz veröffentlichte, in dem er zwischen dem Elementaren, dem Fundamentalen und dem Exemplarischen bei der Auswahl der Bildungsinhalte unterschied (s. o.). Damit wollte er eine Form des Erkennens und Handelns kennzeichnen, die elementare kulturelle Zusammenhänge in ihrer lebensweltlichen Rückbindung erschließt. Diese Idee fand allerdings in der Allgemeinen Didaktik zunächst nur wenig Resonanz, wurde aber in der Religionspädagogik (vgl. Nipkow 1986; Schweitzer 2000) und auch in den neueren Diskussionen der Sonderpädagogik (vgl. Heinen1989; Willand 2000; Klauß/ Lamers 2003) wieder entdeckt und neu belebt. Die didaktische Diskussion über die Elementarisierung vollzieht sich dabei zwischen den Polen subjektiver Handlungsmöglichkeiten und der Erschließung kultureller Zusammenhänge, die fundamentale Einsichten in gesellschaftliche Zusammenhänge, individuelle Problemlagen und epochale Themen vermitteln. Bildung in diesem Sinne bezieht sich damit auf einen Erfahrungshorizont, der Aneignung elementarer Strukturen des Handelns notwendig macht. Diese elementaren Strukturen sind kulturelle Bestandteile des Zusammenlebens und fundamentale Einsichten in die Ordnungsbezüge, die grundlegende Bedeutungen und individuellen Sinn vermitteln. Kriterien für die Aufbereitung dieser Bildungsgüter sind Erfahrungsinhalte und Zeichensysteme, VHN 4/ 2009 294 Wolfgang Praschak die an die alltäglichen Lebensbesorgungen anschließen. Hans-Guenter Heimbrock (1986) nennt diese Ausrichtung eine „genetische Elementarisierung“ der Bildungsinhalte, insofern er darauf hinweist, dass in diesem Zusammenhang insbesondere „präsentative Symbole“ die Auseinandersetzung bestimmen. Norbert Heinen (1989) verankert diese didaktische Elementarisierung zudem in einer Sachstruktur, die er als einen elementaren Sinn-, Bedeutungs- und Sprachzusammenhang auslegt, in dem die Grundaussagen über die Wirklichkeit verschlüsselt sind. Diese Grundaussagen sieht er als Bildungsgegenstände, die in Bezug auf ihre Gegenwarts- und ihre Zukunftsbedeutung auszuwählen und weiter zu entfalten sind. Dabei ist zu beachten, dass der Inhalt nicht nur entwicklungsgemäß vermittelt werden muss, sondern auch die individuelle Lernausgangslage zu erfassen hat, ohne deren Berücksichtigung die Vermittlung gegenstandslos bliebe. Elementarisierung bedeutet also das Herausarbeiten der grundlegenden lebensbedeutsamen Aspekte des Zusammenlebens, bei dem die Vielfalt an individuellen Partizipationsmöglichkeiten aufscheinen und erschlossen werden kann. Dieser Bildungsvorgang hat sowohl eine formale als auch eine materiale Seite, die in ihrem wechselseitigen Bedingungsgefüge in der didaktischen Analyse thematisiert werden müssen. 2.3 Die schulpädagogische Bedeutung des Elementarisierungsprinzips Das allgemeine Interesse an der institutionellen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer schwersten Behinderung gründet in der Notwendigkeit, außerfamiliäre Lern- und Entwicklungsprozesse organisieren zu müssen, in denen das für alle Menschen geltende Recht auf Bildung produktiv umgesetzt ist. Diese Pädagogik für schwerstbehinderte Menschen basiert also auf der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die der sozialen Integration und der gesellschaftlichen Partizipation dienlich sind. Voraussetzung dafür ist die Vermittlung von Anteilen des kulturellen Erbes, die auf die Handlungsmöglichkeiten und die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten sind. Die Bildungsprozesse müssen demnach so organisiert werden, dass lebensbedeutsame Inhalte zu verhandeln sind, die auf dem Niveau der jeweiligen Entwicklung sinnstiftend erlebt werden können, wobei das Ausmaß der Beeinträchtigungen und das jeweilige Niveau der entwickelten Persönlichkeit unerheblich sind. In diesen Kommunikations-, Lern- und Entwicklungsprozessen ist eine komplexe Lernausgangslage zu bewältigen, die sowohl die pädagogische Intentionalität als auch die gegenständlichen Bezüge (Sachprobleme) berührt. Die didaktische Strukturierung und die praktische Gestaltung solcher Lernsituationen müssen deshalb mit lebensweltlich bedeutsamen Qualifikationen und allgemein anerkannten Vorstellungen von erwünschten Verhaltensweisen einhergehen, was eine entwicklungsbezogene Diagnostik erforderlich macht, die auf die Lebenswelt und die Handlungsmöglichkeiten der Einzelnen abgestimmt ist. Insofern bilden eine sorgfältig Kind-Umfeld-Analyse, eine entwicklungsgerechte Diagnostik und die Fähigkeit zu einer kooperativen Ausgestaltung der Bildungsprozesse eine unauflösbare Einheit, in die zudem eine Prozessdiagnostik einfließen muss, welche die didaktische Umsetzung und die Überprüfung der Vermittlungsergebnisse thematisiert. Aus diesem Grund bedarf die Bildung schwerstbehinderter Schüler der Fähigkeit, einen detailliert ausgearbeiteten Planungs- und Gestaltungsrahmen zu erstellen, der die gegenständlichen Bezüge als wertvoll erachtete Lebenszusammenhänge und als didaktisch arrangierbare Lernanlässe und Entwicklungsanreize ausweist. Dazu sind umfängliche sonderpädagogische Kompetenzen erforderlich, insofern elementare Kommunikations- und Kooperationsprozesse zu organisieren sind, in denen die Bildungsgüter auf die alltäglichen Lebenserfordernisse des Einzelnen abgestimmt sind. Ein VHN 4/ 2009 295 Elementarisierung als sonderpädagogisches Prinzip solcher Vermittlungsprozess kann nur von speziell ausgebildeten sonderpädagogischen Fachkräften verantwortet werden, welche die Fähigkeit besitzen, die veränderten Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen so aufzunehmen, dass die vorhandenen Strukturen erhalten bleiben und individuelle Entwicklungsfortschritte möglich werden. Zu diesen Vermittlungsprozessen zählen selbstredend auch die Pflegehandlungen, die deshalb einer pädagogischen Professionalisierung bedürfen, um der Heterogenität des Personenkreises und der Vielfalt der damit gebündelten Entwicklungsbedürfnisse gerecht werden zu können. Dabei sind folgende Bezugssysteme zu strukturieren und planvoll aufeinander zu beziehen: n Das Bezugssystem „Inhalt“: Die Bildungsinhalte müssen so ausgewählt werden, dass sie erkennbare Bezüge zur Lebenswelt und dem zukünftigen Leben als Bürger eines Gemeinwesens repräsentieren. Die zu vermittelnden Inhalte müssen im Zuge einer Sachstrukturanalyse bedeutsame Ausschnitte der alltäglichen Lebenswelt dergestalt aufarbeiten, dass diese vom Lernenden als symbolische Darstellungen von Welt erschlossen und verstanden werden können. n Das Bezugssystem „Lernendes Subjekt“: Über eine grundlegende Diagnostik und eine Kind-Umfeld-Analyse sollen die Kenntnisse, Fähigkeiten und Bedürfnisse des lernenden Subjekts in ihrer Rückbindung an die Strukturen der Lebenswelt dargestellt werden - mit dem Ziel, sie als individuelle Lernvoraussetzungen für die Erschließung der Inhaltsebene operationalisieren zu können. n Das Bezugssystem „Pädagogischer Vermittler“: Die Werthaltungen, Wertkonzepte und Darstellungsmittel der pädagogischen Vermittler sollen in Bezug auf die Sachstruktur kritisch reflektiert und im Hinblick auf das Bildungsgeschehen so dargestellt werden, dass sie als Einflussgröße auf den Vermittlungsprozess erkennbar werden. Allgemeine Zielperspektive dieser elementarisierten Bildung ist die Anbahnung, Entwicklung, Routinisierung und Ausdifferenzierung von Kompetenzen, Kenntnissen und Aktivitäten der lernenden Subjekte als Mittel ihrer kulturellen Partizipation. Hilfen zur Entwicklung und Gestaltung dieser Möglichkeiten sind konkrete Aktivitätsformen, in denen die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen sich stabilisieren und differenzieren können. 3 Zusammenfassung Die menschliche Existenz grundsätzlich als eine freie und unabhängige zu denken, setzt die Gewährung eines freien Willens, die Gewährung der Menschenrechte und den Erhalt der Menschenwürde voraus, mithin einen gesellschaftlich einklagbaren Schutzraum, der den Aktivitätsmöglichkeiten des Lebens entspricht. Diese Entwicklung hat in der westlichen Welt gut 200 Jahre gedauert. Ihr haben wir ein öffentliches und wandlungsfähiges Bildungssystem zu verdanken, das sich um die gesellschaftliche Eingliederung und die kulturelle Einordnung der nachkommenden Generationen bemüht. Dieses System baut auf der Idee der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen auf und sieht das Bildungsrecht aller ohne Ausnahme in der Ausbildung spezifischer Techniken, die dem Kulturerwerb dienen. Ein wesentlicher und zugleich elementarer Teil dieser Kulturwerdung des Menschen beruht auf der mitverantwortlichen Besorgung des Alltags, in den Bildungsansprüche eingeschlossen sind, die insbesondere die Existenz schwerstbehinderter Menschen betreffen. Aus diesem Grund ist ihre pädagogische und didaktische Strukturierung eine elementare Voraussetzung, diese Form des Daseins mit Sinn und Bedeutung zu füllen. Diese Aufgabe an unzureichend qualifiziertes Personal zu delegieren, ist verantwortungslos und sollte zukünftig ausgeschlossen werden. Eine kooperative Alltagsgestaltung bindet vielmehr interdisziplinäre Ansprüche, da in den Einrichtungen für schwerst- VHN 4/ 2009 296 Wolfgang Praschak behinderte Menschen darüber entschieden werden muss, wer die Pflege als Bildung gestaltet und wer die fachlichen Ansprüche diesbezüglich erfüllen kann. Allein pflegerisch und medizinisch ausgebildetes Fachpersonal kann das nicht leisten, insofern die Verankerung der „Pflege“ in den „Aktivitätsbereichen des alltäglichen Lebens" (ATL) sowohl pädagogische, therapeutische und pflegerische Bezugssysteme birgt, die unter einem pädagogischen Leitbild aufeinander abzustimmen sind. Literatur Baumgart, F. (Hrsg.) (1997): Erziehungs- und Bildungstheorien. Erläuterungen - Texte - Arbeitsaufgaben. Bad Heilbrunn (Studienbücher Erziehungswissenschaft Bd. 1) Beck, I. (2000): „Teilhabe am Leben der Gemeinschaft und Gesellschaft.“ Integration von Menschen mit schweren Behinderungen heute und morgen. In: Franke, H.; Westecker, M. 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