Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
5
0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2009
784
Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde
101
2009
Wolfgang Urban
Vorgestellt werden Konzept und Arbeitsweise des fib e.V. - Verein zur Förderung der Integration Behinderter - in Marburg. Individualisierte Hilfen im privaten Wohn- und Lebensumfeld werden durch ein differenziertes Hilfesystem unter Einbeziehung vielfältiger Kompetenzen ermöglicht. Aus diesem Praxisbeispiel eines umfassend entwickelten ambulanten Dienstes werden im 2. Abschnitt Folgerungen für eine konsequente gemeindeintegrierte Ausrichtung der Behindertenhilfe abgeleitet. Im 3. Abschnitt formuliert der Autor Herausforderungen an Politik und Sozialverwaltung, die sich in Verbindung mit dem Anliegen auf Inklusion behinderter Menschen in der Gemeinde stellen.
5_078_2009_4_0003
Fachbeitrag VHN, 78. Jg., S. 298 - 307 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel 298 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde Wolfgang Urban Verein zur Förderung der Integration Behinderter e.V. - fib, Marburg n Zusammenfassung: Vorgestellt werden Konzept und Arbeitsweise des fib e.V. - Verein zur Förderung der Integration Behinderter - in Marburg. Individualisierte Hilfen im privaten Wohn- und Lebensumfeld werden durch ein differenziertes Hilfesystem unter Einbeziehung vielfältiger Kompetenzen ermöglicht. Aus diesem Praxisbeispiel eines umfassend entwickelten ambulanten Dienstes werden im 2. Abschnitt Folgerungen für eine konsequente gemeindeintegrierte Ausrichtung der Behindertenhilfe abgeleitet. Im 3. Abschnitt formuliert der Autor Herausforderungen an Politik und Sozialverwaltung, die sich in Verbindung mit dem Anliegen auf Inklusion behinderter Menschen in der Gemeinde stellen. Schlüsselbegriffe: Individualisierte Hilfe, ambulante Dienste, Gemeindeintegration Individualised Assistance for Life in the Community n Summary: The author presents the concept and the activities of the fib e.V. - Verein zur Förderung der Integration Behinderter - in Marburg/ Germany. Individualised assistance in the dwelling and living environment is made possible by a distinctly elaborate concept including a vast variety of competences. Based on the experiences of this extensively developed ambulant service, the author outlines the implications for an individualised assistance for the disabled that is geared towards a consistent integration into the community. Finally, he talks about the challenges that have to be taken up by politics and social administration in view of the community inclusion of disabled individuals. Keywords: Individualised assistance, ambulant services, community inclusion 1 Zur Arbeit des fib e.V. Marburg Der Verein zur Förderung der Integration Behinderter fib e.V. Marburg wurde 1982 als ambulanter Dienst gegründet. Sein Leitgedanke ist es, allen Menschen mit Behinderung, unabhängig von Art und Umfang der Einschränkung, durch individuelle Hilfen ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum zu ermöglichen und eine Unterbringung in Heimen oder anderen (teil-)stationären Einrichtungen überflüssig zu machen. Der fib e.V. hat unter günstigen äußeren und inneren Bedingungen Leistungsangebote und Standards entwickeln können und dabei eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Entwicklung genommen. Menschen mit Behinderung treffen in einem weltoffen geprägten Milieu der Universitätsstadt Marburg mit einer differenzierten sozialen Kultur auf vergleichsweise hohe Toleranz und Akzeptanz. Die Stadt hat im Bereich der Behindertenhilfe eine lange Tradition, in der immer neue, oft sehr bedeutsame Einrichtungen (so auch die Bundesvereinigung der Lebenshilfe e.V.) entstanden sind. So gab es auch für die Ideen des fib e.V. bei den Leistungsträgern - insbesondere beim örtlichen Sozialhilfeträger - trotz teilweise heftiger Auseinandersetzung um zu hohe Kosten bei behinderten Menschen mit hohem Hilfebedarf viel Offenheit, Wohlwollen und letztlich auch Förderung (Der in der Sozialhilfe nach wie vor mögliche „Heimkostenvergleich“ belastet bis heute viele Antragsverfahren und zwingt vielen Menschen mit hohem Hilfebedarf eine stationäre Unterbringung auf ). Maßgeblich für die innere Entwicklung des Vereines war und ist die aktive Beteiligung der Kundinnen und Kunden an der Ausgestaltung der Dienstleistungen. Die „Krüppelinitiative VHN 4/ 2009 299 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde Marburg“ in der Verknüpfung mit engagierten Pädagogen aus einer Schule und einem Freizeitzentrum für geistig behinderte Menschen diente als Motor einer im Kunden-Interesse motivierten Entwicklung. Menschen mit Behinderung sind heute als Mitarbeiterinnen, Kundschaftsvertretung und im Vorstand aktive Gestalter unserer Arbeit. Marburg-Biedenkopf ist ein großer Flächenlandkreis mit ca. 260.000 Einwohnern. Eine zentralistisch organisierte Form aufsuchender Hilfen kann hier nicht gelingen. Deshalb hat der Verein in den letzten Jahren - auch im Sinne der Entwicklung von Gemeindenähe - konsequent den Weg der Dezentralisierung eingeschlagen und zwei Außenstellen aufgebaut, die zu einer wesentlichen Erweiterung des Dienstes geführt haben. Ca. 400 Kundinnen und Kunden nutzen kontinuierlich die verschiedenen Angebote, die nachfolgend im Wesentlichen skizziert werden (nähere Informationen sowie Hinweise auf Broschüren des fib e.V. finden sich im Internet [www.fib-ev-marburg.de]): Beratung/ „Peer counselling“ Die mit behinderten Expertinnen sowie weiteren Mitarbeitenden besetzte Beratungsstelle ist offen für alle im Zusammenhang mit dem Thema Behinderung stehenden Fragen von Betroffenen, Angehörigen und anderen Institutionen. Hier werden sozialrechtliche Ansprüche geklärt, und es kann eine individuelle Begleitung in allen Problemlagen gesichert werden. Die Beratungsstelle bietet Unterstützung bei der Entwicklung passender Lebensperspektiven und der Suche nach entsprechenden Angeboten. Sie initiiert und begleitet Selbsthilfegruppen. Besonders hervorzuheben ist der „peer“- Aspekt: Menschen mit Behinderung unterstützen Betroffene auf vielfältige Weise im Prozess der Verarbeitung und Bewältigung ihrer persönlichen Situation. Auch Menschen mit geistiger Behinderung sind hier einbezogen. In einem Patenmodell unterstützen erfahrene Kunden neue Kunden auf dem Weg in die selbstständige Wohnform. Im peer-Ansatz spiegelt sich auch die absichtsvolle Parteilichkeit für die Kunden. Darüber hinaus steht eine Mitarbeiterin insbesondere für die Begleitung von Ablöseprozessen in Familien mit geistig behinderten Angehörigen zur Verfügung. Ein Zuwendungsvertrag mit der Kommune sichert einerseits Ressourcen und verpflichtet andererseits den Dienst auf ein Handeln im öffentlichen Auftrag und Interesse. Familienunterstützung Dem Dienst obliegt die Begleitung behinderter Kinder und Jugendlicher in ihrer Entwicklung sowie die Entlastung von Eltern und ihre Vertretung bei Urlaub, Arbeit oder Krankheit. Er übernimmt die Organisation von Ferienspielen, wo immer dies möglich ist in der Verknüpfung mit Angeboten der öffentlichen Jugendhilfe. Insgesamt gilt das Bemühen dem Aufbau und der Vermittlung integrativer Angebote im Freizeit- und Kulturbereich. Hinzu kommt die Unterstützung von Ablöseprozessen, die Eröffnung von Lebensperspektiven und Hilfen zu deren Umsetzung. Die vom fib e.V. angestellten Helfer leisten Pflege bei Kindern mit körperlichen Beeinträchtigungen (auch zeitintensiv), sie bieten Anleitung und Begleitung für Kinder mit geistigen Beeinträchtigungen. Für Eltern z. B. mit autistischen Kindern besteht die Möglichkeit zur Fachberatung durch pädagogische Mitarbeiter. Auch behinderte Eltern können unterstützt werden. Ein in vielen Fällen gegebener Migrationshintergrund mit besonderen kulturellen Vorstellungen wird beim Aufbau von Hilfen entsprechend berücksichtigt. Ein Projekt zur Kurzzeitunterbringung in Gastfamilien ist in Vorbereitung. Über 100 Familien im ganzen Landkreis nutzen die diversen Angebote. Eine besondere Aufgabe stellt sich im Rahmen der schulischen Unterstützung behinderter Kinder und Jugendlicher (Integrationshilfe VHN 4/ 2009 300 Wolfgang Urban Schule). Schwerpunkt der Hilfen ist die Ermöglichung des Besuchs der Regelschule. So weit wie möglich bieten pädagogische Mitarbeiter Unterstützung bei der Kommunikation, bei Aufgaben in der Schule oder zu Hause, bspw. durch die Anfertigung von Mitschriften u. Ä. Sie übernehmen Fahrten zur Schule bzw. nach Hause sowie pflegerische Leistungen während der Unterrichtszeit. Beim Einsatz von Assistenten wird stets auch auf die potenziellen Ressourcen im Klassenverband geachtet, „Inklusion“ auch ohne diese Hilfe zu sichern. Gezielt eingesetzte Assistenz soll dazu beitragen, Schülern mit Lernschwierigkeiten Wege in die normalen Schulen zu ebnen, die ohne solche Unterstützung verschlossen blieben. Die äußerst schlechten Rahmenbedingungen zur inklusiven Beschulung in Deutschland lassen allerdings wenig Spielraum für solche Ziele. Durchschnittlich 15 - 20 Integrationsmaßnahmen werden fortlaufend durch den fib e.V. begleitet. Außerdem werden Kindergärten und Schulen beim Aufbau integrativer Maßnahmen beraten. Hilfe im Alltag/ Persönliche Assistenz - zeitintensive Hilfen Heute ist zum allgemeinen Standard des Betriebes geworden, was zu Anfang einige körperlich behinderte Studierende für sich durchgesetzt haben: Personen mit einer teilweise rund um die Uhr erforderlichen Unterstützung erhalten eine Absicherung für alle Grundbedürfnisse im Alltag. Dazu gehören Pflege, Hauswirtschaft, Mobilitätshilfe, Assistenz am Arbeitsplatz, in der Freizeit und bei sonstigen Aktivitäten des täglichen Lebens. Hinzu kommen bei Bedarf die Sicherstellung einer laufenden Abrufbereitschaft für nicht planbare Hilfen und Handreichungen, Nachtbereitschaft, Hilfen bei der Kommunikation usw. Der fib e.V. ist anerkannter Pflegedienst und sichert die Fachlichkeit der Hilfen durch entsprechende Kompetenzen in der (Pflegedienst-) Leitung des Dienstes. Wenn es erforderlich ist, können durch die Einstellung von Fachkräften vor Ort auch besondere Anforderungen erfüllt werden, z. B. für Hilfeleistungen an beatmungspflichtige Personen oder Menschen im Wachkoma und bei anderem akuten Pflegebedarf. Damit kann der Dienst die Voraussetzungen einer Intensivstation auch zu Hause realisieren. Die vorgestellten Grundlagen der Hilfen stehen auch allen Personen zur Verfügung, die nur einzelne Leistungen in Anspruch nehmen wollen oder auf Unterstützung im geringeren Umfang angewiesen sind. Durch ein flexibles System des Einsatzes von Mitarbeitenden in einer Mischung von teils festangestellten und anderenteils auf Basis einer Stundenlohnvergütung tätigen Fachpersonen, darunter viele Studierende, ist der fib e.V. in der Lage, die Hilfen nach Maß der individuellen Wünsche und Bedürfnisse zu organisieren. Kundinnen und Kunden bestimmen über Ort, Zeit und Umfang der Hilfen und haben die letzte Entscheidung darüber, welche Mitarbeitenden bei ihnen eingesetzt werden. Im Bereich der Hilfen im Alltag/ persönliche Assistenz unterstützt der fib e.V. derzeit ca. 60 Kundinnen und Kunden, davon 25 mit Bedarfen von 16 Stunden und mehr am Tag. Unterstütztes Wohnen/ psychosoziale Begleitung Das Angebot des Unterstützten Wohnens gilt für Personen, die zur Sicherung ihres Lebensalltags auf psychosoziale und pädagogische Hilfen angewiesen sind. Es bezieht sich auf alle Lebensbereiche, in denen eigene Kompetenzen nicht vorhanden oder erst in der Entwicklung sind. Dazu gehören Hilfen bei der Wohnungssuche mit geeigneten Wohnpartnern, strukturierende Hilfen im Lebensalltag, Unterstützung bei der Selbstversorgung, Gesundheitsvorsorge, Unterstützung in sozialen Kontakten und Beziehungen, Hilfen beim Umgang mit Ämtern und Behörden, Schriftverkehr, Anträge, Konflikthilfe. Pädagogische Fachkräfte sichern eine stabile und verlässliche Beziehungsebene. VHN 4/ 2009 301 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde Ergänzend zu den individuellen Hilfen bietet der fib e.V. eine Wohnungs- und Kontaktbörse - dadurch soll auch die Bildung von Wohngemeinschaften ermöglicht werden. Der Dienst organisiert einen Stammtisch und Möglichkeiten für Gruppenaktivitäten. Hinzu kommt das Angebot eines Probewohnens bzw. der Notunterbringung in Krisensituationen. Die „Kundschaftsvertretung“ begleitet die Arbeit des Dienstes durch eigene Aktivitäten (z. B. Organisation von Wochenenden und Freizeitangeboten, Herausgabe einer Kundenzeitung). Der Dienst selbst mietet in der Regel keine Wohnungen an, sondern unterstützt die Kunden bei der Suche und Anmietung des für sie erreichbaren und passenden Wohnraums auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt und wirbt dabei auch um Akzeptanz. Der fib unterstützt einige Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Hilfebedarf teilweise rund um die Uhr. Hierbei werden pädagogische Hilfe, Assistenz und Pflege im jeweils erforderlichen Umfang zusammengebracht. Der Dienst regt immer wieder auch gemeinschaftliche Wohnformen behinderter und nicht behinderter Personen an, insbesondere wenn behinderte Personen auf ein Netzwerk von hilfreichen Personen angewiesen sind, ohne jedoch eine dauerhafte professionelle Begleitung zu brauchen. Auch Mitarbeitende stellen sich für solche kundennahen Wohnmodelle zur Verfügung. Ca. 80 Kunden/ innen, davon ca. 60 Menschen mit geistiger Behinderung, nutzen das Angebot des Unterstützten Wohnens. Nicht enthalten im Organisationsschema des fib ist die sozialpolitische Verankerung des Vereins im kommunalen Geschehen. Diese drückt sich auf vielfältige Weise durch die Aktivitäten des Vorstandes respektive behinderter Menschen selbst aus. So wurde beispielsweise die Einrichtung eines Behindertenbeirats der Stadt inten- Abb. 1: Organisationsschema des fib e.V. VHN 4/ 2009 302 Wolfgang Urban siv vorangetrieben. Hier und anderswo wird Einfluss genommen auf die zunehmend barrierefreie Ausgestaltung der lokalen Infrastruktur, aber auch auf die Baupolitik der gemeinnützigen und in Zusammenarbeit mit der Kommune stehenden Wohnbauträger. Hinzu kommen Vernetzungen mit Bereichen der sozialen Einrichtungen, der Jugendhilfe oder auch mit quartiersbezogenen Initiativen zur „sozialen Stadt“, auf die im folgenden Abschnitt anhand einzelner Beispiele Bezug genommen wird. 2 Der Arbeitsansatz ambulanter Dienste und die Diskussionen zur Sozialraumorientierung 1 Zieht man erste Konsequenzen aus den oben dargestellten Arbeitsansätzen, ergeben sich folgende Gesichtspunkte: a) Ambulante Dienste müssen in der Lage sein, durch individuelle Hilfearrangements den jeweiligen Bedarf zu decken und alle erforderlichen und für die jeweilige Person passenden Ressourcen aus verschiedenen Bereichen zu aktivieren. Ambulante Dienste brauchen ein umfassendes Hilfeangebot mit verschiedensten Kompetenzen. Vorgegebene Strukturen sind dabei nur hemmend. Institutionen sollen sich den Bedürfnissen behinderter Menschen anpassen und nicht die Bedürfnisse den Institutionen. b) Fehlende oder mangelhafte Rahmenbedingungen im sozialen Umfeld sollen nicht unreflektiert durch Maßnahmen der Behindertenhilfe ersetzt werden. Fehlt es beispielsweise an barrierefreiem Wohnraum, entstehen durch das Ersatzhandeln von Einrichtungen der Behindertenhilfe schnell neue Sonderwelten mit Abschottungstendenzen. Hier ein Beispiel für alternative Zugangswege: Ein gemeinnütziger Wohnbauträger hatte beim fib e.V. um Beratung für eine neue Wohnsiedlung mit über 60 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau gebeten. Im Zuge der Diskussionen wurde die Planung umgestellt: Hatte man zunächst nur daran gedacht, die Erdgeschosswohnungen barrierefrei zu erschließen, wurde das Konzept durch Aufzüge ergänzt und auf alle Wohnungen ausgedehnt. In weiteren Verhandlungen mit der Stadt konnten dafür zusätzliche Mittel aus dem Städtebauförderprogramm aktiviert werden. Der fib e.V. konnte Details zu Anforderungen der Barrierefreiheit einbringen und konstruktive Vorschläge für die kommunikative Ausgestaltung der Wohnsiedlung machen. Die Wohnungen wurden anschließend an Personen mit Wohnberechtigungsschein vergeben - natürlich stoßen sie durch die bauliche Gestaltung auf riesiges Interesse bei alten und behinderten Menschen, aber auch bei Familien. c) Es ist an der Zeit, sich endgültig von vorgefertigten Angebotsformen zum Wohnen zu verabschieden. Menschen mit geistiger Behinderung können in normalen Wohnstrukturen des Sozialraums erst dann ankommen, wenn mit ihnen bzw. den sie vertretenden Personen gemeinsam die jeweils passende Wohnform reflektiert und realisiert wird. Die Erfahrungen bekräftigen: Behinderte Menschen haben keine anderen Wohn- und Lebensbedürfnisse als die übrige Bevölkerung. Insbesondere größere Wohngemeinschaften - nach wie vor das dominante Vorbildmuster in Einrichtungen der Behindertenhilfe - haben kaum je Bestand. Extreme Individualität ist selten zu vereinbaren mit vielen anderen Mitbewohnern. Ein großer Teil der behinderten Menschen suchen oder brauchen das Zusammenleben oder die Nähe zu nichtbehinderten Personen. Die Initiative für gemeinschaftliche Wohnformen mit Nicht- Behinderten sichert und stützt insbesondere das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit hohem Bedarf. Integratives Wohnen kann eigentlich nur innerhalb der normalen Wohnbebauung gelingen. Sonderwohnbauten und -welten sollten der Vergangenheit angehören; sie verdanken ihr Überleben ausschließlich finanziellen Erwägungen. VHN 4/ 2009 303 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde d) Konsequenz der jahrzehntelangen Abschottung der Behindertenhilfe ist ihre weit verbreitete Unfähigkeit der Gemeinwesenorientierung. Nirgendwo wird dies deutlicher als im „Betreuten Wohnen“, das in seinen Strukturen viele Züge einer klassischen Entsorgungshaltung erkennen lässt: Der Anbieter wird ausschließlich für individuelle Hilfen an der Person bezahlt. Die Umfeldbedingungen, in denen diese Hilfe stattfindet, bleiben dabei weitestgehend ausgeblendet und können auf diesem Wege auch nur schwer bearbeitet werden, nämlich dass die Kunden keine Wohnung finden oder in unzulänglichen Wohnmilieus zurechtkommen müssen, dass sie oft alleine sind, dass Barrieren im konkreten wie übertragenen Sinne (Vorurteile und Abgrenzungen im Umfeld) vorhanden sind usw. Die Folgen solcher Ignoranz sind teilweise fatal. Mühselig konstruieren die Leistungsanbieter im „Betreuten Wohnen“ Auswege durch eigene Freizeitangebote, zusätzliche Initiativen für Nachbarschaftshilfe, Freiwilligenarbeit usw., ohne dafür genuine Ressourcen zur Verfügung zu haben. So entsteht aus den schlechten Rahmenbedingungen früher oder später die von von Leistungsträgern und Anbietern geteilte Sichtweise, dass bei bestimmten Bedarfen Menschen im „Betreuten Wohnen“ eben „überfordert“ seien und dass deshalb stationäre Unterbringung angesagt sei. Wenn also die Diskussionen über „community care“ etwas gebracht haben, dann zuerst die Erkenntnis, dass die Behindertenhilfe den Entwicklungen anderer gesellschaftlicher Bereiche (insbesondere der Gemeinwesenarbeit und der Jugendhilfe) noch weit hinterherhinkt. In der Sozialraumdiskussion (Hinte 2007) wird die Sicht auf das Individuum mit seinen Bedarfen ergänzt bzw. ersetzt durch den Blick auf den sozialen Lebenszusammenhang von Wohnquartieren. Gezielte Analysen über vorhandene Milieus und deren Dynamik und ebenso gezielte Initiativen zur sozialen Begegnung sollen zu einer positiven, integrativen Kultur beitragen. Dieser Ansatz soll ebenfalls mit einem Praxisbeispiel verdeutlicht werden: In der Außenstelle des fib e.V. im ländlichen Bereich Stadtallendorf gab es für behinderte Jugendliche mit geistiger und/ oder körperlicher Behinderung bis 2006 außerhalb der Schule keinerlei Begegnungsmöglichkeiten, weder untereinander noch mit anderen Jugendlichen. Die „klassische“ Reaktion auf solche Defizite besteht im Aufbau eines auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Freizeitangebots. Der fib e.V. hat das Angebot nicht in eigenen Räumen, nicht in den Förderschulen, sondern in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Jugendhilfe innerhalb des ortsansässigen Jugendzentrums platziert. Innerhalb von zwei Jahren hat sich dieser Ansatz bereits so sehr verfestigt, dass einige behinderte Jugendliche die regulären Angebote des Jugendzentrums nutzen. Der Ruf nach den „Betreuern“ wird langsam leiser, weil z. B. die junge Frau mit ihren Verständigungsschwierigkeiten auch von anderen verstanden wird und gemeinsame Kurse wie z. B. ein Trommelworkshop von allen Seiten als Selbstverständlichkeit gehandelt werden. Die Einbeziehung behinderter Kinder und Jugendlicher, verbunden mit neuen Angeboten, hat im Jugendzentrum zu einer spürbaren Belebung geführt. Der Umgang aller ist unverkrampft und offen geworden. In der genannten Gemeinde hat die bloße Beteiligung des fib im Projektrat „soziale Stadt“ ausgereicht, um eine hohe Sensibilität für das Thema Barrierefreiheit zu erreichen und eine stete Einbeziehung des Dienstes bei allen Fragen, die im Zusammenhang damit stehen, zu verankern. Diese Beispiele sollen nichts beschönigen, denn sie repräsentieren nur kleine positive Schritte innerhalb einer insgesamt unglaublich mühseligen Arbeit zur integrativen Wirkung. Die aktuellen Diskussionen zur Sozialraumorientierung spielen im Alltag ambulanter Dienste nur eine untergeordnete Rolle. Dies ist in ihrem Arbeitsansatz begründet: Die Gemeinwesenorientierung ist durch die Struktur der VHN 4/ 2009 304 Wolfgang Urban Arbeitsweise ambulanter Dienste gewissermaßen als Handlungsgrundsatz verinnerlicht. Ambulante Hilfe kann nur erfolgreich bestehen, wenn sie im „Sozialraum“ verankert ist und stattfindet. Insoweit muss sich ambulante Hilfe nicht eigens darauf hin orientieren. Die Kunden sind jederzeit durch ihre Lebenssituation im Umfeld präsent und öffnen damit alle im Zusammenhang mit den Problemen der Diskriminierung, Isolation und Aussonderung stehenden Fragen. In der aktuellen Debatte spiegelt sich dementsprechend eher die Problemsituation der traditionellen und einrichtungszentrierten Behindertenhilfe, die nach jahrzehntelanger Abschottung nicht in tatsächlichen Bezügen der Kommunen steht, sondern primär der Logik der inneren Entwicklung verpflichtet ist. Aber: Auch die individualisierte ambulante Hilfe muss Bedingungen beachten, um sich beim Thema „Inklusion“ dauerhaft und erfolgreich zu verankern. Diese Bedingungen werden im Folgenden systematisch zusammengefasst: 1. Zielgruppenübergreifender Arbeitsansatz: Hilfen müssen für alle Menschen mit Behinderung gleichermaßen zugänglich sein. Ein Angebot zur aufsuchenden psychosozialen Betreuung z. B.„passt“ auf verschiedenste und auch komplexe Problemlagen. Ein körperbehinderter Mensch, der eine psychische Erkrankung oder eine Sucht entwickelt, muss nicht deshalb gleich den Anbieter wechseln müssen. Oft sind es eher die von Diensten und Mitarbeitern ausgehenden fachlichen Verengungen als die Problemlagen selbst, die ein passendes Hilfearrangement erschweren. Ausbildung, Fortbildung und Supervisionen müssen sich diesen Differenzierungsprozessen stellen. Bewährte Dienste arbeiten mit dem Prinzip der Interdisziplinarität und Einbeziehung der für den Einzelfall erforderlichen Fachlichkeit. 2. Überwindung isolierter Arbeitsansätze: Aus historischen Gründen gibt es in der Behindertenhilfe verschiedenste, oft völlig unverbunden nebeneinander laufende Hilfesysteme, die sich gegenseitig hemmen, statt ineinander zu greifen: So steht „Betreutes Wohnen“ oft unverbunden neben Familienunterstützenden Diensten, und beide haben Schwierigkeiten in der Kooperation mit Pflegediensten oder Sozialstationen. Daneben ambulantisiert sich eine Großeinrichtung, gliedert in ihrem gestuften System nur leicht behinderte Personen aus und baut für die übrigen neue Einrichtungen … Dies ist leider kein worst-case-Szenario, sondern vielerorts Realität. Ursache dafür sind unter anderem die verschiedenen Finanzierungsquellen: Leistungen der Pflegeversicherung, der Sozialhilfe, getrennt wiederum nach Pflege und Eingliederung, diese wiederum getrennt nach Pflegesätzen in Einrichtungen bzw. in Stundensätze bei ambulanten Hilfen, provozieren den Aufbau von Angeboten, die sich nur in jeweils abgegrenzten Finanzierungssystemen bewegen. Das Gegenteil kann nur erreicht werden, wenn von aufsuchend arbeitenden Diensten die Sicherstellung der genannten umfassenden Hilfestellung verlangt, ergo die Ausbildung eines differenzierten Hilfenetzes und die Einbindung aller jeweils möglichen Finanzierungsressourcen vorausgesetzt wird. Bezieht man diesen Grundsatz beispielhaft auf Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Bedarf, so folgt daraus: Betreutes Wohnen, Assistenz und Pflege stehen in einem Ergänzungsverhältnis. Fachpädagogen, Pflegekräfte und Laienhelfer müssen fallbezogen in ein ganzheitliches Hilfekonzept integriert werden. Wenn „betreutes Wohnen nicht ausreicht“, ist dies nicht das Ende der Möglichkeiten zum selbstständigen Leben, sondern der Einstieg in die Frage, welche anderen hilfreichen Systeme herangezogen werden könnten. 3. Überwindung der Einrichtungszentrierung: Die „Ambulantisierung“ wird oft nur um den Preis neuer institutioneller Abhängig- VHN 4/ 2009 305 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde keiten erreicht: Einrichtungen mieten oder kaufen anstelle der Betroffenen Wohnraum an, weder die Mitbewohner sind selbst gewählt noch der Einsatz von Mitarbeitern von ihrer Zustimmung abhängig - die Institution metastasiert als Krebsgeschwür in die Gemeinde (Feuser), anstatt sich im Prozess der Integration aufzulösen. In der Umkehrung müssen sich Anbieter auf die Ebene der Arrangements von Hilfen zurückziehen und auf die Herrschaft der Institution verzichten. 4. Keine Massierung behinderter Menschen: Nach wie vor entstehen absondernde Lebensformen: Häuser, die nur von behinderten Menschen bewohnt werden, große Wohngemeinschaften, gesonderte Freizeitstätten. Diese atypischen Lebensformen führen im Sozialraum zu chronischen Überfrachtungen und provozieren Abgrenzung. Sie sind ohne Weiteres zu vermeiden, wenn soziale Grenzen (nicht mehr als 3 - 5 behinderte Personen leben gemeinsam auf eigenen Wunsch) beachtet und die Belastbarkeit des sozialen Umfeldes in die Planungen vorab mit einbezogen werden. 5. Alternativen zu „exklusiven“ Angeboten: Gruppenangebote für behinderte Menschen lassen sich kaum mit „inklusiven“ Ansprüchen versöhnen und müssen beharrlich auf deren Realisierbarkeit befragt werden. Ein auf behinderte Menschen ausgerichteter Reiseanbieter oder eine öffentliche Jugendförderung mit Assistenzangeboten können Integrationschancen eröffnen, die kein Dienst der Behindertenhilfe gleichermaßen erreicht. 6. Brücken in den Sozialraum: Segregierende und isolierende Tendenzen des Umfelds sind bearbeitbar: Wenn sich ein Mensch mit seinen persönlichen Schwierigkeiten, im Alltag zurechtzukommen, bei seiner Nachbarschaft vorstellt, könnte dies statt einer Abwehrhaltung („Komischer Kauz, mit dem will ich nichts zu tun haben“) ebenso gut Verständnis und Bereitschaft zur Unterstützung auslösen. Dies sind die unscheinbaren, aber oft entscheidenden Aktionen. Übergänge im Sinne einer „Inklusion“ brauchen Initiative und auch Zeit. Behinderte Kinder kommen im Jugendzentrum nur an, wenn dafür Entfaltungs- und Begegnungsräume geschaffen werden. Behinderte Jugendliche, die oft nur Ablehnung und Aggression erfahren haben, können sich über ein Training zur Selbstbehauptung stabilisieren lernen (siehe hierzu als Beispiel die in einem Handbuch zusammengefasste und von Aktion Mensch geförderte Arbeit der AG Freizeit). 7. Netzwerke in die Kommune: Die Behindertenhilfe muss sich mit der Gemeinwesenarbeit verbinden und den Blick über den Kontext einer fallbezogenen Arbeit hinaus wagen. Dies ist z. B. leicht umsetzbar, indem gezielt Beratungsangebote auch für behinderte Menschen ins Quartier, in den Stadtteil oder das Dorf verlagert oder wenn auch andere quartiersbezogene Aktivitäten begleitet werden. Beteiligung bei den Projekten der sozialen Stadt- oder Dorfentwicklung, Bündnisse mit der Jugendhilfe gehören ebenfalls dazu. 8. Einbindung in Planungsgremien, kommunale und Sozialplanung: Behinderte Menschen sind nur eine von vielen benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen. Ihre Bedürfnisse auf Einbeziehung und Anerkennung unterscheiden sich oft nicht von denen anderer wie beispielsweise Personen mit Migrationshintergrund oder alten Menschen. Manchmal verknüpfen sich Problemlagen, verdichten sich in bestimmten kommunalen Bereichen. Durch die oft überregional angelegte Steuerung der Behindertenhilfe und ihrer Entwicklung geht der lokale Blick schnell verloren. Dem können aufsuchend arbeitende Dienste durch ihre unmittelbare Wahrnehmung von Problemlagen gut entgegenwirken, wenn sie ihre Erfahrungen in die lokalen Gremien tragen und dadurch eine entsprechende Be- VHN 4/ 2009 306 Wolfgang Urban rücksichtigung dieser Klientel in Planungsprozessen bewirken. Bereiche wie Bauen, Verkehr, Infrastruktur sowie die Öffnung von kulturellen und Freizeitangeboten spielen dabei eine entscheidende Rolle. 3 Herausforderungen für Politik und Sozialverwaltung Bis hierhin wurden einige Orientierungspunkte für Dienste mit einem individualisierten Hilfekonzept benannt, um die Wirkung ihrer Tätigkeit auf das soziale Umfeld aktiv auswerten zu können bzw. ihre Einflussmöglichkeiten auf Prozesse der Inklusion zu klären. Dabei sind etliche Gesichtspunkte aufgetaucht, die in der bisherigen Arbeit der Behindertenhilfe kaum und in keiner Weise systematisch ausgebildet sind. Dazu gehören Beratungsansätze, Unterstützung von Peer-Konzepten, Kooperationen mit der Jugend- und Gemeinwesenarbeit usw. Mancher Leser, manche Leserin wird sich zu Recht die Frage gestellt haben, ob Anspruch und Realität hier nicht erheblich auseinanderklaffen. In der Tat sind viele der genannten Beispiele gelingender Inklusionsbemühungen nur über gezielte und besonders geförderte Projekte zustande gekommen. Abschließend werden deshalb Anforderungen an Politik und Sozialverwaltung skizziert, ohne deren Berücksichtigung ein Erfolg der Inklusion in die Gemeinde fraglich sein wird. 1. Lokales Denken und Planen Die Entwicklung von Angebotsformen der Behindertenhilfe war in der Vergangenheit regional meist von der Eigeninitiative von Einrichtungen oder Privatpersonen abhängig. Daneben haben Leistungsträger bestimmte Angebotstypen besonders gefördert. Im Wesentlichen wird diese Entwicklung nur in geringem Maße von Nachfragen, sondern dominant durch konzeptionelle Überlegungen von außen getragen. Dringend scheint daher die Aufgabe, eine regionale Planung und Steuerung zu etablieren, die zunächst dafür Sorge trägt, alle Anbieter in Kooperation zu bringen und die Option der verstärkten Ausrichtung auf tatsächliche Nachfragen in der Region zu stärken. Vielerorts sind Regionalkonferenzen auf den Weg gebracht worden, die in diese Richtung weisen (Rohrmann 2009). 2. Normalisierung von Lebenswegen statt einseitige „Ambulantisierung“ In den letzten Jahren ist aufgrund des hohen Kostendrucks in der Eingliederungshilfe, verknüpft mit den gewachsenen Ansprüchen auf Selbstbestimmung, der Paradigmenwechsel mit dem Um- und Rückbau der stationären Behindertenhilfe ausgerufen worden. Völlig aus dem Blick geraten ist dabei, dass ein strukturierter Ausbau der ambulanten Sorgesysteme, d. h. der individuellen Hilfen zu Hause, den Druck zur Unterbringung in Einrichtungen - mithin zur Segregation - wesentlich nachhaltiger reduzieren würde. Die Chance zur Normalisierung von Biografien behinderter Menschen würde steigen, wenn ein umfassendes Hilfeangebot, wie es am Beispiel des fib e.V. vorgestellt wurde, in jedem Landkreis vorhanden wäre und zu vergleichbaren Bedingungen gefördert würde. Eine solche Initiative kann jedoch nur im Zusammenwirken zwischen den verantwortlichen Sozialhilfeträgern und den jeweiligen Bundesländern gelingen. 3. Förderung „inklusiver“ Handlungskonzepte in der ambulanten Hilfe In der ambulanten Hilfe wird derzeit nur die unmittelbar aufsuchende Hilfe anerkannt und finanziell ausgestattet. Ambulanten Diensten werden quasi keine Vorhaltekosten bzw. Kosten für die Umfeldarbeit zugestanden. Diese für den Erfolg so entscheidenden Nebenschauplätze der Gemeinwesenarbeit müssen in der Förderung der Struktur der Dienste systematische Berücksichtigung finden. 4. Häusliche und individuelle Hilfen für Menschen mit hohem Bedarf Spätestens mit der Ratifizierung der UN- Konvention hat die Bundesregierung den VHN 4/ 2009 307 Individualisierte Hilfen für ein Leben in der Gemeinde Grundsatz anerkannt, dass behinderten Menschen, unabhängig von Art und Schwere der Beeinträchtigung, das Recht zusteht, frei über ihren Lebensort zu bestimmen und die jeweils erforderlichen Hilfen erhalten können (Artikel 19). Diesem Grundsatz fehlt derzeit noch die Entsprechung in den Rechtsgrundlagen der Sozialhilfe und in der Rechtspraxis der Sozialbehörden. 5. Einrichtung einer unabhängigen Beratung In jeder Region ist es erforderlich, ein für alle behinderten Menschen zugängliches Beratungsangebot bereitzustellen. Dieses Angebot muss unabhängig von einzelnen Leistungsanbietern, aber auch unabhängig von den Leistungsträgern spielen. Entsprechend den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen, wo mit Unterstützung des Landschaftsverbandes flächendeckend und trägerübergreifend Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstellen aufgebaut wurden (www.lvr.de/ Soziales/ wohnen_freizeit_behinderung/ ko kobe; Aselmeier 2005), können diese Beratungsstellen z. B. in Form eines Trägerverbundes aller Anbieter der Region oder mittels Einrichtung eines entsprechenden Beirats aufgebaut werden. Die Einrichtung solcher Beratungsstellen würde auch dazu beitragen, eine individuelle Zukunftsplanung ausschließlich im Interesse betroffener Personen durchführen und persönliche Hilfen mit dieser Unterstützung auswählen zu können. Wir sind noch weit entfernt von dem Ziel, dass Menschen mit Behinderung überall in ihrem selbst gewählten Wohn- und Lebensumfeld die ihnen angemessenen Hilfen erhalten. Es gilt also, weiter daran zu arbeiten - einige Wege in Richtung dieses Ziels wurden in diesem Beitrag skizziert. Anmerkung 1 Vergleiche auch die Beiträge zum Themenstrang „Sozialraumorientierung“ in den Heften 1 - 3/ 2009 der VHN. Literatur AG Freizeit (2008): Selbstbehauptungstraining für Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung - ein Handbuch. München: AG SPAK (weitere Hinweise unter: www.ag-freizeit.de) Aselmeier, Laurenz (2005): Die Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsangebote in einem behindertenfreundlichen Gemeinwesen. Referat anlässlich des KoKoBe-Workshops am 12. Dezember 2005 in Köln. In: www.lvr.de/ soziales/ service/ referat_kokobegemeinwesen.pdf DHG e.V. (Hrsg.) (2008): Sozialraumorientierung in der Behindertenhilfe. Dokumentation der DHG-Tagung, Dezember 2007. Bonn: DHG Eigenverlag Feuser, Georg (1995): Die Lebenssituation geistig behinderter Menschen. In: fib e.V. (Hrsg.): Leben auf eigene Gefahr. München: AG SPAK fib e.V. (Hrsg.) (1995): Leben auf eigene Gefahr. München: AG SPAK fib e.V. (2002): Selbstbestimmung ist mehr als ein Versprechen - Ambulante Hilfen für Menschen mit Behinderung. Marburg: Eigenverlag fib e.V. (2007): Barrieren und Durchbrüche. Festschrift zu 25 Jahre fib. Marburg: Eigenverlag Hinte, Wolfgang (2007): Fachliche Grundlagen und Chancen sozialräumlicher Ansätze in der kommunalen Jugendhilfe. In: Sozialraumorientierung. Ein ganzheitlicher Ansatz. Werkbuch für Studium und Praxis. Augsburg: Deutscher Verein, 24 - 44 Rohrmann, Albrecht (2009): Teilhabe planen. Ziele und Konzepte kommunaler Teilhabeplanung. In: Teilhabe. Die Fachzeitschrift der Lebenshilfe 1, 18 - 25 Urban, Wolfgang (2008): Selbstbestimmt leben mit hohem Hilfebedarf. In: Mesdag, Thomas; Pforr, Ursula (Hrsg.): Phänomen geistige Behinderung. Gießen: Psychosozial-Verlag Wolfgang Urban Verein zur Förderung der Integration Behinderter e.V. - fib Am Erlengraben 12 a D-35037 Marburg Tel.: ++49 (0)6421/ 16967-20 E-Mail: wolfgang-urban@fib-ev-marburg.de www.fib-ev-marburg.de
